Macht und Imperialismus: Teil 06
ab Juni 2025


02.06.2025 Notizen vom Rand der narrativen Matrix: Ist Syrien kein "Terrorstaat" mehr?

Übersetzung des Artikels von Caitlin Johnstone

Die USA streichen Syrien aus ihrer langjährigen Einstufung als Staat, der den Terrorismus unterstützt, jetzt, da die USA ein Marionettenregime in Damaskus hat. Der US-Gesandte Thomas Barrack verkündete: „Gott sei Dank ist die Frage des staatlichen Sponsors des Terrorismus vom Tisch, da das Assad-Regime am Ende ist.“

Damit geben die USA zu, dass die Bezeichnung „Terrorist“ nur bedeutet, dass sie "nicht mit den Interessen der USA übereinstimmt". Denn der neue Präsident Syriens [Anm.: Ahmed al-Scharaa] war ein echter ISIS- und Al-Qaida-Funktionär - buchstäblich der Anführer von Al-Qaida in Syrien. Aber weil er mit den USA verbündet ist, ist „Terrorismus“ nicht länger ein Problem.


03.06.2025 Löst Künstliche Intelligenz eine kognitive Revolution aus, die zu Mittelmaß und Konformität führt?

Künstliche Intelligenz begann als Bestreben, das menschliche Gehirn zu simulieren. Befinden wir uns jetzt in einem Prozess, der die Rolle des menschlichen Gehirns im Alltag verändert?

Die industrielle Revolution verringerte den Bedarf an manueller Arbeit. Als jemand, der die Anwendung von KI im internationalen Geschäftsfeld erforscht, frage ich mich, ob sie eine kognitive Revolution auslöst, die bestimmte kognitive Prozesse überflüssig macht, während sie gleichzeitig die Art und Weise verändert, wie Studierende, Arbeiter und Künstler schreiben, gestalten und Entscheidungen treffen.

Grafikdesigner nutzen KI, um schnell eine Reihe potenzieller Logos für ihre Kunden zu erstellen. Marketer testen, wie KI-generierte Kundenprofile auf Werbekampagnen reagieren. Softwareentwickler setzen KI-Coding-Assistenten ein. Studierende nutzen KI, um in Rekordzeit Essays zu verfassen – und Lehrkräfte verwenden ähnliche Tools, um Feedback zu geben.

Die wirtschaftlichen und kulturellen Implikationen sind tiefgreifend.

Was passiert mit dem Schriftsteller, der nicht mehr mit dem perfekten Satz kämpft, oder dem Designer, der nicht mehr Dutzende von Variationen skizziert, bevor er die richtige findet? Werden sie zunehmend von diesen kognitiven Prothesen abhängig? Ähnlich wie die Nutzung von GPS unsere Navigationsfähigkeiten verringert? Und wie können menschliche Kreativität und kritisches Denken in einer Zeit des algorithmischen Überflusses bewahrt werden?

Echos der industriellen Revolution

Wir haben dies schon einmal erlebt.

Die industrielle Revolution ersetzte handwerkliche Fertigung durch mechanisierte Produktion, die es ermöglichte, Güter effizient und in großen Mengen zu produzieren.

Schuhe, Autos und Ernten konnten effizient und einheitlich hergestellt werden. Doch die Produkte wurden auch langweiliger, vorhersehbarer und entzogen sich der Individualität. Das Handwerk zog sich an den Rand zurück, wurde zu einem Luxus oder einer Form des Widerstands.

Heute besteht eine ähnliche Gefahr mit der Automatisierung des Denkens. Generative KI verführt Nutzer dazu, Geschwindigkeit mit Qualität und Produktivität mit Originalität zu verwechseln.

Die Gefahr ist nicht, dass KI uns im Stich lässt, sondern dass Menschen die Mittelmäßigkeit ihrer Outputs als Norm akzeptieren. Wenn alles schnell, reibungslos und „gut genug“ ist, besteht die Gefahr, dass die Tiefe, Nuance und intellektuelle Vielfalt verloren gehen, die außergewöhnliche menschliche Arbeit auszeichnen.

Der Aufstieg algorithmischen Mittelmaßes

Trotz des Namens „Künstliche Intelligenz“ denkt KI nicht wirklich.

Tools wie ChatGPT, Claude und Gemini verarbeiten riesige Mengen an menschlich erzeugtem Inhalt, oft aus dem Internet zusammengekratzt, ohne Kontext oder Erlaubnis. Ihre Outputs sind statistische Vorhersagen darüber, welches Wort oder Pixel basierend auf Mustern der verarbeiteten Daten wahrscheinlich als nächstes kommt.

Sie sind im Wesentlichen Spiegel, die den kollektiven kreativen Output der Menschheit an die Nutzer zurückwerfen – umarrangiert und neu kombiniert, aber im Wesentlichen abgeleitet.

Und genau das ist ein Grund, warum sie so gut funktionieren.

Betrachten wir die unzähligen E-Mails, die Menschen schreiben, die Präsentationen, die Strategieberater vorbereiten, und die Werbung, die Social-Media-Feeds durchzieht. Vieler dieser Inhalte folgt vorhersagbaren Mustern und etablierten Formeln. Sie waren in irgendeiner Form schon einmal da.

Generative KI ist exzellent darin, kompetent klingende Inhalte zu erzeugen – Listen, Zusammenfassungen, Pressemitteilungen, Werbung –, die die Zeichen menschlicher Schöpfung tragen, aber ohne den Funken der Originalität. Sie gedeiht in Kontexten, in denen die Nachfrage nach Originalität gering ist und „gut genug“ eben gut genug ist.

Wenn KI Kreativität entfacht – und sie gleichzeitig erstickt

Selbst in einer Welt formelhaft erstellter Inhalte kann KI überraschend hilfreich sein.

In einem Experiment wurden Teilnehmer mit verschiedenen kreativen Herausforderungen konfrontiert. Die Forscher fanden heraus, dass diejenigen, die generative KI nutzten, im Durchschnitt kreativere Ideen produzierten als Teilnehmer, die Web-Suchen oder keine Hilfsmittel verwendeten. Das bedeutet, dass KI die grundlegende kreative Leistung tatsächlich heben kann.

Eine weitere Analyse ergab jedoch einen entscheidenden Nachteil: Die Abhängigkeit von KI-Systemen für das Brainstorming verringerte erheblich die Vielfalt der generierten Ideen – ein entscheidendes Element für kreative Durchbrüche. Die Systeme neigen dazu, sich in die Richtung eines vorhersehbaren Mittels zu bewegen, anstatt unkonventionelle Möglichkeiten an den Rändern zu erkunden.

Ich war nicht überrascht von diesen Ergebnissen. Meine Studierenden und ich haben festgestellt, dass die Outputs generativer KI-Systeme am meisten mit den Werten und Weltanschauungen wohlhabender, englischsprachiger Länder übereinstimmen. Diese inhärente Voreingenommenheit schränkt ganz natürlich die Vielfalt der Ideen ein, die diese Systeme erzeugen können.

Noch beunruhigender ist, dass kurze Interaktionen mit KI-Systemen subtil beeinflussen können, wie Menschen Probleme angehen und Lösungen entwickeln.

In einem Experiment sollten Teilnehmer medizinische Diagnosen unter Zuhilfenahme von KI stellen. Die Forscher hatten das Experiment jedoch so gestaltet, dass die KI den Teilnehmern fehlerhafte Vorschläge unterbreitete. Selbst nachdem diese Teilnehmer die KI nicht mehr nutzten, nahmen sie unbewusst diese Verzerrungen auf und machten Fehler in ihren eigenen Entscheidungen.

Was als bequeme Abkürzung beginnt, könnte zu einem sich selbst verstärkenden Kreislauf von nachlassender Originalität werden – nicht, weil diese Tools objektiv schlechte Inhalte produzieren, sondern weil sie stillschweigend den kreativen Spielraum des Menschen einschränken.

Den Herausforderungen der kognitiven Revolution begegnen

Wahre Kreativität, Innovation und Forschung sind nicht nur probabilistische Neukombinationen vergangener Daten. Sie erfordern konzeptionelle Sprünge, interdisziplinäres Denken und reale Erfahrungen – Qualitäten, die KI nicht replizieren kann. Sie kann die Zukunft nicht erfinden. Sie kann nur die Vergangenheit neu mischen.

Was KI erzeugt, mag ein kurzfristiges Bedürfnis befriedigen: eine schnelle Zusammenfassung, ein plausibles Design, ein annehmbares Skript. Doch selten transformiert es und echte Originalität läuft Gefahr, in einem Meer algorithmischen Einerleis unterzugehen.

Die Herausforderung besteht daher nicht nur in der Technologie, sondern auch in der Kultur.

Wie kann der unersetzliche Wert menschlicher Kreativität bewahrt werden inmitten dieses Überflusses an synthetischen Inhalten?

Die historische Parallele zur Industrialisierung bietet sowohl Warnung als auch Hoffnung. Die Mechanisierung verdrängte viele Arbeitskräfte, brachte jedoch auch neue Formen der Arbeit, Bildung und des Wohlstands hervor. Ebenso könnten KI-Systeme, obwohl sie einige kognitive Aufgaben automatisieren, neue intellektuelle Grenzen eröffnen, indem sie intellektuelle Fähigkeiten simulieren. Auf diese Weise könnten sie kreative Verantwortlichkeiten übernehmen, etwa bei der Erfindung neuer Prozesse oder der Entwicklung von Kriterien zur Bewertung ihrer eigenen Outputs.

Diese Transformation befindet sich noch in ihren frühen Stadien. Jede neue Generation von KI-Modellen wird Outputs erzeugen, die einst dem Bereich der Science-Fiction entsprangen. Die Verantwortung liegt bei Fachleuten, Pädagogen und Politikern, diese kognitive Revolution mit Absicht zu gestalten.

Wird sie zu intellektuellem Aufblühen oder Abhängigkeit führen? Zu einer Renaissance menschlicher Kreativität oder deren allmählichem Verfall?

Die Antwort darauf steht noch aus.


05.06.2025 Arbeitgeber-Direktor Roland A. Müller empört mit Aussage

"Muss ein Vollzeitlohn zum Leben reichen? Nein, sagte Roland A. Müller in einer Kommissionssitzung. Die Kritik ist gross.

Darum geht's: Der Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Roland A. Müller, sorgt mit brisanten Aussagen darüber, wie viel Firmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlen sollen, für Aufsehen.

Müllers Aussagen: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber», sagte Müller gemäss Dokumenten, die «Blick» vorliegen. Die Aussagen fielen im Rahmen einer Anhörung der Wirtschaftskommission Ende März. Man könne von der Wirtschaft nicht verlangen, dass sie Existenzsicherung betreibe, erklärte Müller damals weiter. «Irgendwo hört es auf. Da muss dann schlussendlich die Sozialhilfe einspringen.» In der Frage gehe es um die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberschaft."

Weiterlesen beim SRF

Kommentar: Roland A. Müllers Aussagen über Löhne und die Verantwortung der Arbeitgeber

Die jüngsten Aussagen von Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, haben eine breite öffentliche Debatte ausgelöst und bieten einen aufschlussreichen Einblick in die Denkweise neoliberaler Wirtschaftsvertreter. Müller erklärte, dass es nicht die Aufgabe der Arbeitgeber sei, "existenzsichernde Löhne" zu zahlen, und dass diese Verantwortung vielmehr beim Staat liege, der durch Sozialhilfe eingreifen müsse, wenn Arbeitnehmende von ihrem Lohn nicht leben könnten. Diese Äusserungen sind nicht nur ökonomisch kurzsichtig, sondern auch ideologisch problematisch. Sie spiegeln eine neoliberale Haltung wider, die die Rolle des Staates in der Wirtschaftsordnung drastisch verkleinern und die Verantwortung für das Wohl der Gesellschaft auf den Markt verschieben möchte.

Neoliberalismus als ideologische Grundlage

Müllers Aussagen sind in ihrer zentralen Argumentation nicht neu, sondern basieren auf einer neoliberalen Weltsicht, die in den letzten Jahrzehnten an Einfluss gewonnen hat. Weil sie nachweislich zerstörerische Auswirkungen hat, sollte sie längst ausgedient haben, bestimmt das Geschehen jedoch weiterhin. Der neoliberale Gedanke, der vor allem in den 1980er Jahren durch Persönlichkeiten wie Milton Friedman, Margaret Thatcher und Ronald Reagan populär wurde, postuliert, dass Märkte sich selbst regulieren und der Staat nur eine minimalistische Rolle spielen sollte. In dieser Sichtweise ist die Aufgabe des Staates auf das Aufrechterhalten der öffentlichen Ordnung und den Schutz von Eigentum begrenzt – nicht jedoch auf die Gewährleistung sozialer Sicherheit oder die Förderung von Wohlstand für alle. Unternehmen und Kapitalisten sollen weitgehend von staatlichen Eingriffen befreit werden, und die soziale Absicherung wird als "wettbewerbsverzerrend" und als Belastung für die freie Marktwirtschaft betrachtet.

Müllers Aussage, dass es "nicht die Aufgabe der Arbeitgeber" sei, existenzsichernde Löhne zu zahlen, fügt sich perfekt in dieses neoliberale Narrativ ein. Der Arbeitgeber wird hier nicht als Teil eines sozialen Gefüges verstanden, sondern als ausschliesslich profitorientierter Akteur, dessen Hauptziel es ist, Gewinne zu maximieren. Die Verantwortung für das Wohlergehen der Arbeitnehmer, so die implizite Logik, solle nicht in erster Linie bei den Unternehmen liegen, sondern bei einem Staat, der die notwendige Unterstützung durch Sozialhilfe leisten soll. Doch dieses Denken ignoriert nicht nur die soziale und moralische Verantwortung von Unternehmen, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stabilität.

Die implizierte Feindschaft zwischen Staat und Wirtschaft

Ein zentrales Element in Müllers Argumentation ist seine implizierte Feindschaft zwischen Staat und Wirtschaft. In seiner Sichtweise ist der Staat ein externer Akteur, der sich in die Wirtschaftsordnung einmischt, anstatt ein integraler Bestandteil dieses Systems zu sein. Dies zeigt sich vor allem in seiner Darstellung der Sozialhilfe als "Notwendigkeit", die erst dann zum Tragen kommt, wenn die Wirtschaft versagt. Müller sieht den Staat als ein Mittel, um die von der Wirtschaft nicht erfüllte soziale Verantwortung aufzufangen.

Dies ist eine äusserst problematische Sichtweise, die die symbiotische Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat ignoriert. Der Staat ist nicht nur ein "Verschieber" von Ressourcen, sondern derjenige, der die Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Wirtschaft überhaupt erst schafft. Es ist der Staat, der mit seiner Geldpolitik die Grundlage für wirtschaftliche Aktivitäten legt, indem er Geld schöpft, Infrastruktur aufbaut und stabile rechtliche Rahmenbedingungen schafft. Ohne diese fundamentalen staatlichen Eingriffe gäbe es keine funktionierende Wirtschaft, und der Markt würde kaum in der Lage sein, ohne massive gesellschaftliche Verwerfungen zu funktionieren.

Indem Müller den Staat lediglich als "Helfer in der Not" darstellt, verkennt er die historische und wirtschaftliche Tatsache, dass die heutige Wirtschaft nicht ohne die aktive Rolle des Staates bestehen kann. Der Staat ist nicht nur ein passiver Akteur, der die Folgen der Marktwirtschaft abfedert, sondern vielmehr der Architekt des gesamten Systems.

Das Missverständnis der Finanzierung des Sozialstaates

Ein weiterer kritischer Punkt in Müllers Argumentation ist seine fehlerhafte Vorstellung von der Finanzierung des Sozialstaates. Er suggeriert, dass die Finanzierung der Sozialhilfe und anderer sozialer Leistungen durch Unternehmenssteuern erfolgt. Diese Annahme ist falsch, da sie die Funktionsweise des Steuer- und Finanzsystems grundlegend missversteht. Und damit ist sie auch gefährlich, weil sie das falsche neoliberale Narrativ, dass Steuern Staatsausgaben finanzieren, stützt.

In Wirklichkeit dient das Steuersystem in unserem Fiat-Geldsystem nicht der Finanzierung von Sozialleistungen. Stattdessen sind Steuern in erster Linie ein Mittel zur Regulierung der Gesamtwirtschaft und zur Umverteilung von Ressourcen.

Der Staat hat die Möglichkeit, durch die Schaffung von Geld (insbesondere durch Zentralbanken) wirtschaftliche Bedingungen zu steuern, die den sozialen Zusammenhalt fördern. Die Sozialhilfe ist also nicht primär durch Steuern finanziert, sondern ist vielmehr ein Instrument, das den sozialen Frieden und die Stabilität sichert.

Müllers Darstellung, dass Unternehmen durch ihre Steuerabgaben die sozialen Sicherheitsnetze und -programme sichern, ist falsch. Vielmehr sind diese durch die Staatsausgaben und die Geldpolitik des Staates gedeckt, die weit über das hinausgehen, was Unternehmen (und Private) durch Steuern leisten könnten.

Fehlende Anerkennung der Rolle von Löhnen für die Wirtschaft

Ein weiterer gravierender Fehler in Müllers Argumentation ist seine Einschätzung der Rolle von Löhnen für das Funktionieren der Wirtschaft. Löhne sind nicht nur Kostenfaktoren für Unternehmen, sondern auch wesentliche Treiber der Nachfrage in einer Volkswirtschaft. Arbeitnehmer geben einen grossen Teil ihres Einkommens für Konsumgüter aus, und so fördern ihre Löhne nicht nur ihre eigene Existenzsicherung, sondern auch das Wirtschaftswachstum insgesamt durch erhöhte Produktion, mehr Arbeitsplätze, höhere Steuereinnahmen und so dreht sich die Spirale. Deren möglicher Nebeneffekt der Inflation kann dann, wie bereits oben erwähnt, wiederum durch Steuererhöhungen gedämpft werden.

Müller und seine neoliberale Denkweise scheinen dies zu übersehen. Wenn Löhne nicht ausreichen, um ein angemessenes Leben zu führen, wird die Kaufkraft der Bevölkerung geschwächt, was zu einer Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führt, die Produktion nimmt ab, Arbeitsplätze verschwinden, Steuereinnahmen sinken. Steuersenkungen und andere Massnahmen können diese Abwärtsspirale abfedern.

Seine Fehleinschätzung ignoriert das grundlegende Prinzip der Wirtschaft, dass Angebot und Nachfrage in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Ein Markt, der auf billigen Löhnen basiert, kann nicht nachhaltig sein, weil er die Grundlage für eine stabile und funktionierende Binnenwirtschaft untergräbt.

Fazit: Eine verzerrte und neoliberale Sichtweise

Roland A. Müllers Aussagen sind nicht nur eine verzerrte Sicht auf die Rolle von Unternehmen und Staat, sondern auch ein gefährlicher Versuch, die soziale Verantwortung der Arbeitgeber in einem neoliberalen Rahmen zu entkoppeln. Die Vorstellung, dass es nicht die Aufgabe der Arbeitgeber sei, existenzsichernde Löhne zu zahlen, und dass der Staat diese Lücken durch Sozialhilfe schliessen müsse, führt zu einer Entmenschlichung des Wirtschaftssystems. Sie verkennt die Tatsache, dass die Wirtschaft ohne die staatliche Infrastruktur und die Schaffung von Geld nicht funktionieren würde und dass die Finanzierungsstruktur des Sozialstaates weit komplexer ist, als Müller es darstellt.

Es scheint, Müller stellt den Staat als einen äusseren Akteur dar, der nach Belieben in die Wirtschaft eingreift, und übersieht dabei die fundamentale Rolle des Staates als Wirtschaftsschöpfer und -lenker. Es ist dringend notwendig, dass wir die Verantwortung für die Existenzsicherung der Arbeitenden nicht nur auf den Markt verschieben, sondern als gemeinsame Aufgabe von Staat und Wirtschaft begreifen. Ein funktionierender Sozialstaat ist nicht nur moralisch gerecht, sondern auch ökonomisch sinnvoll, da er zur Schaffung eines stabilen und prosperierenden wirtschaftlichen Umfelds beiträgt.

Das Denken von Roland A. Müller ist ein Rückfall in veraltete neoliberale Vorstellungen, die die soziale Verantwortung von Unternehmen ausblenden und die strukturellen Probleme einer Wirtschaft, die auf Ungleichheit und unsicheren Arbeitsverhältnissen beruht, nicht adressieren. In einer Gesellschaft, die den Wohlstand aller fördern will, darf diese Sichtweise keine Zukunft haben.

Finden der Staat, ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen einen gemeinsamen Weg, ihre Interessen zu wahren mit der vergleichsweise geringen Gewerkschaftsquote und in der aktuellen Situation der Spaltungen, Radikalisierung, Korruption, usw.?


07.06.2025 Warum hören wir auf Fiona Hill?

Übersetzung des Artikels von Richard Murphy. Er schreibt aus Sicht Grossbritanniens und bezieht sich auf die britische Politik. Gewisse Parallelen zur Schweiz sind allerdings erkennbar.

"Wie der Guardian heute Morgen berichtet:

Russland befindet sich im Krieg mit Großbritannien, die USA sind kein verlässlicher Verbündeter mehr, und das Vereinigte Königreich müsse mit mehr Geschlossenheit und Widerstandskraft reagieren – so eine der drei Autorinnen der strategischen Verteidigungsüberprüfung.

Fiona Hill, aus County Durham stammend, wurde während Donald Trumps erster Amtszeit zur wichtigsten Russland-Beraterin im Weißen Haus und trug zur Strategie der britischen Regierung bei. Ihre Aussagen machte sie in einem Interview mit dem Guardian.

Ganz höflich gefragt: Warum hören wir auf eine Person, die tief in der extremen Rechten und dem militärisch-industriellen Komplex verankert ist?

Ich kann mir nur vorstellen, dass sie mit diesen kleinen Broschüren über die nukleare Bedrohung aufgewachsen ist, wie sie damals verteilt wurden – und sich pflichtbewusst einen Luftschutzkeller unter der Treppe gebaut hat, wie man es ihr geraten hat – und dass sie emotional nie darüber hinweggekommen ist.

Auf Grundlage dieses Weltbilds sollen wir nun offenbar mehr Raketen auf Russland richten, statt die Armut im Vereinigten Königreich zu bekämpfen.

Ich bin fassungslos."

08.06.2025 Die Grundlage für eine angemessene Verteidigungsstrategie

Übersetzung des Artikels von Richard Murphy. Er schreibt aus Sicht Grossbritanniens und bezieht sich auf die britische Politik. Gewisse Parallelen zur Schweiz sind allerdings erkennbar.

"Aus den Reaktionen auf meine Kommentare zu Fiona Hills Aussagen zur britischen Verteidigungsüberprüfung, die ich gestern hier veröffentlicht habe, entnahm ich, dass nicht alle mit meiner Meinung übereinstimmen.

Lassen Sie mich ehrlich sein: Ich veröffentliche hier, auf YouTube oder anderswo nicht, um unbedingt Zustimmung zu erhalten. Ich veröffentliche, was ich für einen ehrlichen Kommentar halte, der meine Meinung widerspiegelt – mit der Absicht, zur Debatte darüber beizutragen, was Politiker und andere als angemessene Reaktion auf die aus meiner Sicht bestehenden weltpolitischen Situationen tun könnten.

Da die Themen, über die ich schreibe, fast immer solche sind, bei denen ich bereits Widerspruch zu anderen Kommentatoren gefunden habe, ist es kaum verwunderlich, dass manches, was ich hier schreibe, nicht bei allen Leser:innen Anklang findet. Das mag sogar ein Teil des Erfolgs dieses Blogs sein – auch wenn es bisweilen irritieren könnte.

In diesem Fall betrachte ich die Welt durch eine völlig andere Brille als Fiona Hill. Sie hat sich entschieden, Expertin für Russland zu werden, und ich bezweifle nicht, dass solche Fachleute gebraucht werden. Ich stelle auch ihre Expertise in dieser Sache nicht infrage – ich habe keinen Grund dazu. Aber wenn man eine Russland-Expertin zu einer von drei Personen macht, die eine Verteidigungsüberprüfung durchführen sollen, wobei die anderen beiden stark der traditionellen NATO-Sichtweise verhaftet sind, dann ist es nicht überraschend, wenn das Ergebnis ein Empfehlungskatalog ist, der das gängige Narrativ stützt: Russland ist das Problem, Russland ist die Bedrohung.

Dieses Vorgehen birgt zahlreiche Probleme. Erstens stammt genau dieses Russland-Narrativ aus einer imperialistischen Ära. Es war die Grundlage für den Kalten Krieg – und die Vorstellung, dass dieser Zugang zur internationalen Politik weiterhin notwendig oder gar angemessen sei, ist im Wesentlichen nur unter jenen verbreitet, die meiner Meinung nach vor allem ältere Männer sind.

Trump und Putin sind alte Männer.

Starmer hat die Denkweise alter Männer.

Dieses Denken kreist nur um Machtausübung – nicht nur zwischen Staaten, sondern auch innerhalb von Staaten. Fiona Hill zeigte in ihren Kommentaren, die im Artikel, auf den ich gestern verwiesen habe, zitiert wurden, durchaus ein Bewusstsein für die inneren Spannungen im Vereinigten Königreich. Aber in der Verteidigungsüberprüfung selbst sehe ich davon nichts. Diese Inkohärenz war der Auslöser für meinen Kommentar – und meine Vermutung, dass diesem Denken eine rechte Grundhaltung zugrunde liegt, die Kontrolle über alles andere stellt.

Ich habe diese Vorstellung von Politik durch Kontrolle schon lange verworfen. Für mich gehört sie einer anderen Zeit an. Sie hat zu den zwei großen Konflikten des 20. Jahrhunderts beigetragen und wurde in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts fortgeführt. Dass sie immer noch Grundlage einer Verteidigungsstrategie sein soll, halte ich für einen schwerwiegenden Fehler – und ich verstehe nicht, wie Fiona Hill einerseits die inneren Spannungen im Vereinigten Königreich erkennen kann, andererseits diese aber nicht als zentralen Punkt für die Verteidigungsstrategie betrachtet. Ich sehe keine Verbindung zwischen beidem in ihren Äußerungen.

Für mich ist „Verteidigung“ ein bedeutungsloses Konzept, solange nicht einige grundlegende Fragen beantwortet werden.

Erstens muss gefragt werden, was eigentlich verteidigt werden soll. Die bloße Behauptung, es gehe um einen physischen Raum, ist ohne Kontext sinnlos – es sei denn, man geht davon aus, dass dieser Raum von oben nach unten kontrolliert wird und die darin lebenden Menschen durch Zwang zur Verteidigung der Interessen der Herrschenden gebracht werden können – unabhängig davon, ob diese Interessen den Menschen nutzen oder nicht.

Anders gesagt: Wenn Verteidigung in der modernen Zeit auf Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen soll – und das halte ich für unabdingbar – dann muss klar sein, was genau verteidigt wird, damit das notwendige Opfer – in welcher Form auch immer – von der Bevölkerung getragen wird. Dazu braucht es ein tiefes Verständnis darüber, welche Überzeugungen und Lebensformen in einer Gesellschaft geschätzt werden – und diese Werte müssen die Grundlage der Verteidigung bilden.

Zweitens gehört zur Verteidigung die Förderung dieser Ideologie, die nicht nur erhalten, sondern verbessert werden soll – zum Nutzen aller im Land. Dieses „Austauschverhältnis“ – Opfer bringen im Austausch für Verbesserung – muss klar benannt werden. Die Erzeugung von Angst vor einem entfernten Feind reicht als Grundlage nicht aus. Stattdessen braucht es ein Gefühl von Hoffnung und positiver Zukunft, um überhaupt die Grundlage für eine funktionierende Verteidigungspolitik zu schaffen. Dieser Aspekt fehlt in der aktuellen Strategie völlig.

Drittens braucht es eine fundierte Risikoanalyse, um zu erkennen, wo innerhalb eines Landes ideologische Konflikte entstehen könnten, welche Ursachen sie haben – und wie man diese Versöhnung herbeiführen kann. Genau das wäre in der aktuellen Lage des Vereinigten Königreichs essenziell.

Beispielsweise ist Armut ein massives Problem in diesem Land.

Hinzu kommt das offensichtliche Versagen der Regierung, das zu enormem Druck führt.

Dazu gesellt sich der politische Wachstumsfetischismus, der seit über vier Jahrzehnten keinen erkennbaren Wohlstandszuwachs für die Mehrheit der Bevölkerung gebracht hat. Das erzeugt eine wachsende Kluft zwischen denjenigen, die die Streitkräfte führen würden, und jenen, die man dafür gewinnen will, ihnen zu dienen. Damit wird eine Verteidigungspolitik praktisch undurchführbar.

Die daraus resultierende Unfähigkeit, grundlegende Dienste zur Deckung der Grundbedürfnisse bereitzustellen, ist vermutlich der Hauptgrund für die Spannungen rund um Migration im Vereinigten Königreich. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Menschen, die rechtsextreme Parteien wählen, rassistisch ist – auch wenn ich sehr wohl glaube, dass diese Parteien es sind, weil sie rassistische Erklärungen für das Regierungsversagen nutzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Die Menschen stimmen eher gegen ein gescheitertes zentristisches Establishment – wie ich es kürzlich hier beschrieben habe – und finden dafür derzeit nur bei den Rechten ein Angebot. Das Ergebnis: ein Land mit scheinbar unüberbrückbaren Differenzen. Aber ich glaube, die gleichen Maßnahmen, die eine kohärente Verteidigung ermöglichen würden, könnten auch viele dieser inneren Konflikte entschärfen.

Wenn man das alles zusammenfasst, dann ist die Vorstellung, das Vereinigte Königreich sei eine einheitliche Nation mit genügend gemeinsamer Überzeugung, um Opfer für die Verteidigung gegen eine ferne Bedrohung aus Russland zu bringen, eine Fantasie.

Denn erstens: Es ist nicht klar, ob das Vereinigte Königreich überhaupt noch „vereinigt“ ist. Eine Mehrheit der Schott:innen möchte die Union verlassen. Bis zu 40 % der Waliser:innen ebenfalls. Und in Nordirland ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sich auch dort die Mehrheitsverhältnisse ändern – was demografisch fast unvermeidbar ist. Selbst der geografische Raum, der angeblich verteidigt wird, ist also unklar. So unlogisch ist diese Verteidigungsüberprüfung.

Und auf ideologischer Ebene: Die Menschen spüren – auch wenn sie es vielleicht nicht so analytisch ausdrücken können – dass sie in einem Land leben, in dem die herrschenden Machtideologien gescheitert sind. Die Versprechen, die mit der Aufgabe staatlicher Schutzmechanismen zugunsten freier Märkte gemacht wurden, haben sichtbar nur wenigen Reichtum gebracht, aber kein Wohlstandsplus für die Mehrheit. Die meisten Menschen haben das inzwischen erkannt. Wenn man einen einzigen Grund für den endgültigen Absturz der Konservativen sucht, dann ist es genau dieser.

Dass Labour nun verzweifelt versucht, deren Platz am rechten Rand der Mitte zu übernehmen, ergibt daher ebenfalls keinen Sinn: Sie setzen auf ein System, das erwiesenermaßen nicht funktioniert.

In diesem Kontext ist die Verteidigungsüberprüfung völlig sinnlos. Sie hätte klar machen müssen, dass es keine Einigkeit darüber gibt, was überhaupt verteidigt werden soll.

Dann hätte sie vorschlagen sollen, wie wir eine neue gemeinsame Ideologie entwickeln können, um die Menschen dieses Landes um ein gemeinsames Ziel zu versammeln – eines, das viele ihrer Bedürfnisse und einige ihrer Wünsche erfüllt. Das ist kein unrealistisches Ziel.

Die Überprüfung hätte anerkennen müssen, dass ohne diese Klärung keine nationale Identität entstehen kann, die uns wieder eine Rolle auf der internationalen Bühne gibt. Diese Identität fehlt uns derzeit. Das spüren die Menschen. Und es ist offensichtlich absurd, zwei leerstehende Flugzeugträger im Pazifik kreisen zu lassen, während die realen Bedrohungen hier vor Ort bestehen – nämlich durch eine Regierung, die die Menschen auffordert, für ein System Opfer zu bringen, an das sie nicht glauben. Die Bereitschaft, dem zu folgen, ist gering.

Ich bestreite nicht, dass wir eine kohärente Verteidigungsstrategie brauchen. Aber – um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren – diese Strategie auf Ideen zu stützen, die längst der Vergangenheit angehören sollten, ergibt keinen Sinn. Und wenn diese Ideen Hierarchien der Macht zementieren, die im Widerspruch zu den Interessen der meisten Menschen im Vereinigten Königreich stehen, dann darf man mit Recht sagen: Diese Sichtweise ist Ausdruck einer aufgezwungenen Ideologie, wie sie typischerweise mit dem rechten Rand der Politik verbunden ist – und wir müssen es deutlich besser machen."

Kommentar: mir ist in der Schweizer Medienszene bisher niemand begegnet, der/die sich öffentlich ähnliche Gedanken gemacht hätte. Im Licht des gegenwärtigen Aufrüstungswahns sind solche Gedanken ausschlaggebend, weil sie definieren, ob eine Verteidigungsstrategie - wenn man denn der Meinung ist, es brauche eine - in der Gesellschaft überhaupt Resonanz finden kann.


08.06.2025 Das Aufrüsten ist kurzsichtig und birgt erhebliche Risiken

Erst 2 Prozent, jetzt 5 Prozent fürs Militär – kaum jemand hinterfragt die Priorität. Es droht ein Kontrollverlust anderer Krisen.

Was in der Corona-Pandemie begann, setzt sich beim Thema Aufrüstung fort: Erstaunlich einmütig folgen grosse Medien der Linie der Regierung und – diesmal – der Rüstungslobby, ohne sie kritisch zu prüfen. Statt zu hinterfragen, übernehmen viele Medien die Erzählung einer neuen Bedrohungslage und fordern wiederum – wie bei Corona – ein noch schnelleres Handeln.

Beispielhaft titelte die «NZZ» am 26. April 2025:

 «Nato-Länder geben so viel für Verteidigung aus wie noch nie. Die Rekordausgaben der Verteidigungsallianz reichen aber längst noch nicht» (Print-Ausgabe).

Die Debatte in Talkshows verläuft ähnlich eindimensional: Wie lassen sich die Rüstungsausgaben beschleunigen? Wo soll investiert werden – in Kampfpanzer, Drohnen oder Cyberabwehr?

Die grundsätzliche Frage, ob diese Milliarden an anderer Stelle dringender gebraucht würden, stellt kaum jemand. Auch Print- und Onlinemedien ignorieren Gegenstimmen weitgehend.


Ein zweifelhaftes Dogma: «Prozent des BIP» als Zielmarke

Lange galt innerhalb der Nato das Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) fürs Militär auszugeben. Jetzt schlägt die Nato sogar 5 Prozent als Ziel vor, wovon 3,5 Prozent für Waffensysteme reserviert wären.

Medien fragen nicht: Warum eigentlich in Prozent des BIP?

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08.06.2025 Das Aufrüsten ist kurzsichtig und birgt erhebliche Risiken

Erst 2 Prozent, jetzt 5 Prozent fürs Militär – kaum jemand hinterfragt die Priorität. Es droht ein Kontrollverlust anderer Krisen.

Was in der Corona-Pandemie begann, setzt sich beim Thema Aufrüstung fort: Erstaunlich einmütig folgen grosse Medien der Linie der Regierung und – diesmal – der Rüstungslobby, ohne sie kritisch zu prüfen. Statt zu hinterfragen, übernehmen viele Medien die Erzählung einer neuen Bedrohungslage und fordern wiederum – wie bei Corona – ein noch schnelleres Handeln.

Beispielhaft titelte die «NZZ» am 26. April 2025:

 «Nato-Länder geben so viel für Verteidigung aus wie noch nie. Die Rekordausgaben der Verteidigungsallianz reichen aber längst noch nicht» (Print-Ausgabe).

Die Debatte in Talkshows verläuft ähnlich eindimensional: Wie lassen sich die Rüstungsausgaben beschleunigen? Wo soll investiert werden – in Kampfpanzer, Drohnen oder Cyberabwehr?

Die grundsätzliche Frage, ob diese Milliarden an anderer Stelle dringender gebraucht würden, stellt kaum jemand. Auch Print- und Onlinemedien ignorieren Gegenstimmen weitgehend.


Ein zweifelhaftes Dogma: «Prozent des BIP» als Zielmarke

Lange galt innerhalb der Nato das Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) fürs Militär auszugeben. Jetzt schlägt die Nato sogar 5 Prozent als Ziel vor, wovon 3,5 Prozent für Waffensysteme reserviert wären.

Medien fragen nicht: Warum eigentlich in Prozent des BIP?

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10.06.2025 Apple hat gerade den AGI-Mythos zerstört

Übersetzung des Artikels von Arnaud Betrand:

[AGI = Artificial Generative Intelligence = Künstliche Generative Intelligenz. Es wird gesagt, dieser Typ Künstlicher Intelligenz entspräche bzw. übertreffe die menschlichen Fähigkeiten in praktisch allen kognitiven Aufgaben]

Die versteckten Kosten der teuersten Täuschung der Menschheit

Vor etwa zwei Monaten hatte ich auf Twitter eine Diskussion mit jemandem, der meinte, er sei „wirklich enttäuscht von meiner Meinung“ und ich hätte „völlig unrecht“, weil ich sagte, dass KI „nur ein extrem begabter Papagei ist, der wiederholt, was man ihm beigebracht hat“, und dass das nicht im Entferntesten Intelligenz sei.

Schnitt zu heute – die Debatte ist nun offiziell entschieden: Ich hatte recht, yeah! 🎉

Warum? Weil sie von niemand Geringerem als Apple entschieden wurde, genauer gesagt von deren Abteilung für maschinelles Lernen, in einem wegweisenden Forschungspapier mit dem Titel „The Illusion of Thinking: Understanding the Strengths and Limitations of Reasoning Models via the Lens of Problem Complexity“ – hier nachzulesen.

Was steht in dem Papier? Genau das, was ich behauptet habe: KI-Modelle – selbst die modernsten Large Reasoning Models (LRMs) – sind nicht mehr als extrem talentierte Papageien mit im Grunde keinerlei echter Denkfähigkeit. Sie sind in keiner Weise „intelligent“, zumindest nicht, wenn man Intelligenz als echtes Problemlösungsvermögen versteht und nicht als bloßes Wiederholen zuvor Gelernten ohne echtes Verständnis.

Genau das wollte das Apple-Papier herausfinden: Können sogenannte „Reasoning Models“ tatsächlich logisch denken? Können sie Probleme lösen, die ihnen nicht explizit beigebracht wurden, die aber mit ihrem „Wissen“ eigentlich lösbar sein sollten? Die Antwort ist ein eindeutiges „Nein“.

Ein besonders vernichtendes Beispiel aus dem Papier war folgendes Flussüberquerungsrätsel: Stell dir vor, drei Personen und ihre drei Agenten müssen einen Fluss überqueren, in einem kleinen Boot, das nur zwei Personen gleichzeitig transportieren kann. Der Haken? Eine Person darf nie allein mit dem Agenten einer anderen Person gelassen werden, und das Boot darf nicht leer zurückkehren – jemand muss es immer zurückrudern.

Ein solches Logikrätsel findet man in Kinderknobelbüchern – die richtige Abfolge der Fahrten herauszufinden, um alle sicher über den Fluss zu bringen. Die Lösung benötigt nur 11 Schritte.

Doch genau dieses einfache Rätsel konnte Claude 3.7 Sonnet, eines der fortschrittlichsten „Reasoning AIs“, nicht lösen. Es kam nicht einmal über den vierten Schritt hinaus, bevor es ungültige Schritte beging und das Regeln brach.

Und doch konnte dieselbe KI das Tower of Hanoi-Puzzle mit 5 Scheiben fehlerfrei lösen – ein weitaus komplexeres Problem, das 31 perfekte Züge in der richtigen Reihenfolge erfordert.

Warum der krasse Unterschied? Die Apple-Forscher fanden es heraus: Tower of Hanoi ist ein klassisches Informatikproblem, das überall im Internet auftaucht – die KI hatte also während ihres Trainings tausende solcher Beispiele gesehen und konnte das Muster auswendig. Das Flussrätsel mit 3 Personen? Offenbar zu selten online, als dass die KI das Muster hätte verinnerlichen können.

Das ist ein vernichtender Beweis dafür, dass diese Modelle überhaupt nicht denken. Ein wirklich denkendes System würde erkennen, dass beide Rätsel denselben Typ logischen Denkens erfordern (Regeln befolgen und Einschränkungen managen), nur in unterschiedlichen Szenarien. Aber weil die KI das Flussrätsel nie auswendig gelernt hatte, war sie völlig überfordert.

Und das lag nicht an der Rechenleistung: Die Forscher gaben den Modellen unbegrenzte Token-Budgets. Doch der wirklich seltsame Teil war, dass die Modelle bei Aufgaben, die sie nicht lösen konnten – wie das Flussrätsel – weniger „dachten“, nicht mehr. Sie nutzten weniger Tokens und gaben schneller auf. Ein Mensch würde bei einem schwierigeren Problem tendenziell mehr Zeit investieren – doch diese „denkenden“ Modelle taten das Gegenteil: Sie merkten offenbar, dass sie nichts zum Nachplappern hatten, also gaben sie auf – genau das Gegenteil von echtem Denken.

Fazit: Es sind tatsächlich nur begabte Papageien – oder extrem ausgeklügelte Copy-Paste-Maschinen, wenn man so will.

Das hat tiefgreifende Konsequenzen für die KI-Zukunft, die uns verkauft wird. Einige davon sind erfreulich, andere eher beunruhigend.

Die erste ist: Nein, AGI (Artificial General Intelligence) steht nicht kurz bevor. Das ist alles Hype. In Wahrheit sind wir noch Lichtjahre davon entfernt.

Die gute Nachricht daran: Wir müssen uns vorerst keine Sorgen um „KI-Überherrscher“ machen. Die schlechte Nachricht ist, dass möglicherweise Billionen an Kapital falsch zugewiesen worden sind.


12.06.2025 Journalisten und ihre Schatten

Übersetzung des Artikels von Chris Hedges:

Patrick Lawrence und Chris Hedges schildern den Niedergang der Mainstream-Medien und des journalistischen Handwerks sowie die dunkle psychologische Realität hinter der Komplizenschaft der Medien mit den Machenschaften der Mächtigen.

Chris Hedges: Die kommerzielle oder Mainstream-Presse ist ein Sprachrohr der herrschenden Klasse. Sie kniet nieder vor etablierten Politiker*innen, Generälen, Geheimdienstchefs, Konzernbossen und bezahlten Apologet*innen, die den Unternehmensputsch durchgeführt haben, der unser System des invertierten Totalitarismus geschaffen hat.

Die Konzernstrukturen, die das Land im Würgegriff halten und die Deindustrialisierung sowie die Auszehrung demokratischer Institutionen vorangetrieben haben – wodurch mehr als die Hälfte des Landes in chronische Armut und Elend gestürzt wurde – gelten in den Augen der etablierten Journalist*innen als unantastbar.

Sie werden als Kräfte des Fortschritts dargestellt. Die Verbrecher an der Wall Street, einschließlich der Chefs von Finanzfirmen wie Goldman Sachs oder profitorientierten Gesundheitskonzernen wie UnitedHealth, werden mit Ehrfurcht behandelt. Freihandel wird mit Freiheit gleichgesetzt. Respekt gezollt wird demokratischen Prozessen, Freiheiten, Wahlpolitik und Rechten, die in unserer Verfassung verankert sind – von fairen Verfahren bis zum Schutz der Privatsphäre –, die es in Wirklichkeit nicht mehr gibt.

Es ist ein riesiges Täuschungsmanöver unter dem Deckmantel einer hohlen Moral. Diejenigen, die vom Konzernkapitalismus beiseitegeschoben wurden – Noam Chomsky nennt sie „Unpeople“ – werden unsichtbar gemacht und gleichzeitig verachtet. Die „Expert*innen“, deren Meinungen zu jedem Thema – von Wirtschaft über Imperium bis Politik – verstärkt werden, stammen aus von Konzernen finanzierten Denkfabriken wie der Heritage Foundation und dem American Enterprise Institute oder sind ehemalige Militär- und Geheimdienstbeamte oder Politiker*innen, die für das Scheitern unserer Demokratie verantwortlich sind und meist im Dienst von Konzernen stehen.

Die Kabelnachrichten haben zudem die inzestuöse Angewohnheit, ihre eigenen Nachrichtenprominenten zu interviewen. Die scharfsinnigsten Kritiker*innen des Imperiums, darunter Andrew Bacevich, werden verbannt, ebenso wie Kritiker*innen der Konzernmacht, darunter Ralph Nader und Chomsky. Diejenigen, die die Verschwendung im Militär anprangern – wie der emeritierte MIT-Professor Ted Postol, der das nutzlose 13-Milliarden-Dollar-Raketenabwehrprogramm aufdeckte –, werden nicht gehört.

Befürworter*innen einer universellen Gesundheitsversorgung wie Dr. Margaret Flowers werden von nationalen Gesundheitsdebatten ausgeschlossen. Die Liste der Zensierten ist lang. Das akzeptable Meinungsspektrum ist so eng, dass es fast nicht existiert.

Wie ist das passiert? Wie hat sich die Presse zu einem schmeichelnden Echoraum der Milliardärsklasse gemacht? Was bedeutet das für unsere schwindende Demokratie? Und was können wir tun, um uns zu wehren? Um den desolaten Zustand des Journalismus zu diskutieren, ist bei mir Patrick Lawrence, der viele Jahre im Ausland für die *International Herald Tribune* und den *Far Eastern Economic Review* gearbeitet hat. Er ist Autor von *Journalists and Their Shadows*.

Patrick, du beginnst das Buch mit dem Kalten Krieg. Das war vielleicht das Trainingsfeld für den Zustand, in dem wir uns heute befinden. Du schreibst über die großen Tageszeitungen und Netzwerke:

„Sie lieferten den Kalten Krieg bis vor unsere Haustür, in unsere Autoradios, in unsere Wohnzimmer. Sie prägten ein Bewusstsein. Sie erzählten den Amerikaner*innen, wer sie waren, was sie amerikanisch machte und was Amerika zu Amerika machte. Eine freie Presse war grundlegend für dieses Selbstbild, und die Amerikaner*innen hegten ein tiefes Bedürfnis zu glauben, dass sie eine hatten. Unsere Zeitungen und Netzwerke gaben sich große Mühe, diesen Anschein von Freiheit und Unabhängigkeit zu wahren. Dass dies eine Täuschung war, dass sich die amerikanischen Medien dem neuen nationalen Sicherheitsstaat und seinen verschiedenen Kreuzzügen des Kalten Krieges unterworfen hatten, ist heute eine ausgemachte Sache. Ich zähle es zu den bittersten Wahrheiten der letzten 75 Jahre amerikanischer Geschichte.“

Du argumentierst im Buch sogar, dass unsere heutige Situation schlimmer ist – aber lass uns dort anfangen, denn ich denke, es ist wichtig zu sehen, wie Journalist*innen wie I.F. Stone hinausgedrängt wurden. Sogar *The Nation* wollte Stone nicht veröffentlichen. *The Nation* hat dich doch auch rausgeworfen, oder? Wegen Ukraine – Russiagate.

Patrick Lawrence: Russland, Russiagate.

Chris Hedges: Das Fantasiegebilde Russiagate. Aber lass uns damit beginnen: Was ist mit der Presse passiert?

Patrick Lawrence: Nun, zunächst einmal danke für die Einladung. Freut mich, dich wiederzusehen. Eines der Dinge, die ich mit dem Buch erreichen wollte – eines von drei Zielen –, war, der heutigen Pressemisere, wie ich sie nenne, eine Geschichte zu geben. Ich weiß nicht, wie viele deiner Zuhörer*innen diese Jahre, den Kalten Krieg, miterlebt haben – einen Teil, alles oder nichts davon. Aber was heute passiert, hat eine lange Geschichte.

Es geht zurück auf die frühesten Tage des Kalten Krieges. Und es ist erstaunlich, wie genau die Fehler und Versäumnisse von damals heute wiederholt werden – mit verblüffender Genauigkeit, dieselben Dinge.

Warum? Weil die Fehler und Verfehlungen von damals nie eingestanden wurden. Und wenn man seine Fehler nicht eingesteht, kann man nicht aus ihnen lernen. Die Presse ist keine Institution, die gerne aus ihren Fehlern lernt. Also wollte ich ihr zunächst eine Geschichte geben.

Ich denke, es ist wichtig, wenn wir verstehen wollen, wo wir heute stehen – und zweitens, wohin wir gehen könnten –, dass man die Vergangenheit kennt, oder? Das war mein Ziel.

Chris Hedges: Nun, lass es uns charakterisieren. Erstens glaube ich nicht, dass es Fehler waren. Die Karrierist*innen in der Presse haben die Lage sehr, sehr gut eingeschätzt. Ich habe einmal mit dem widerlichen Joseph Alsop zu Abend gegessen, der immer betrunkener wurde. Ich war ein junger Student, ein Theologiestudent, und er fuhr mich in dieser Runde an und wetterte gegen meine Generation, die weder die Bibel noch Shakespeare kenne – beides kannte ich weit besser als Joseph Alsop.

Ich habe die Bibel auf Griechisch gelesen. Aber lass uns ein wenig über die Klasse von Journalist*innen sprechen, die sich während des Kalten Krieges an die sogenannte „Machtelite“ von C. Wright Mills angepasst hat. Viele von ihnen, wie du im Buch schreibst, wurden von der CIA rekrutiert oder dienten ihr zumindest als nützliche Idioten, indem sie Informationen lieferten. Und das war im Kalten Krieg sehr verbreitet.

Wenn du dich diesem sogenannten „Kreuzzug für Patriotismus gegen den Kommunismus“ angeschlossen hast, bist du sehr, sehr gut gefahren. Und du hast bei der *International Herald Tribune* gearbeitet, ich bei der *New York Times*. Wir sprechen über durchtriebene Karrierist*innen. Also, was du als „Fehler“ bezeichnest – wir sind diejenigen, die tatsächlich dachten, Journalismus hätte etwas mit Integrität zu tun. Und wir wurden hinausgedrängt. Also lassen wir das klarstellen: Diese Leute haben keinen Fehler gemacht. Sie haben sehr kluge Karriereentscheidungen getroffen.

Patrick Lawrence: Lass mich das Wort ändern – ich lasse mich korrigieren –, nicht „Fehler“, sondern „Verfehlungen“. Können wir damit leben?

Chris Hedges: In Ordnung.

Patrick Lawrence: Verstöße gegen Prinzipien. Ja. Wo soll ich anfangen? Es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu diskutieren. Eine ist die Professionalisierung des Handwerks. Diesen Begriff kann man auf zwei Arten verwenden. Die eine ist, sein Handwerk zu lernen, seine Techniken und so weiter. Man ist ein*e Profi in seinen Abläufen. Das schätze ich durchaus.

Die Art, wie ich es im Buch meine, ist Professionalisierung, wie sie in den 1920er Jahren begann, als Journalist*innen anfingen, sich nicht mehr als Bewohner*innen einer unabhängigen Machtsäule zu verstehen, die über die Institutionen berichten, die sie beobachten sollten, sondern als Teil der Machtstruktur – eine verhängnisvolle Entwicklung im Beruf.

Das geht zurück auf Walter Lippmann in den 1920ern. Er schrieb drei Bücher über die Presse. In gewisser Weise handelten sie davon. Also diese Professionalisierung.

Chris Hedges: Lass uns bei Lippmann innehalten, denn er ist eine äußerst wichtige Figur, weil seine These besagt, dass die allgemeine Öffentlichkeit einfach zu ahnungslos ist, um zu verstehen, wie man herrschende Institutionen managt, und er daher im Grunde argumentiert, dass sie in Unwissenheit gehalten, manipuliert und benutzt werden sollte – und das sollte der sogenannten professionellen Klasse überlassen werden, einschließlich dieser neuen professionellen Klasse, der Presse.

Und wie du im Buch feststellst, waren Journalist*innen vor all dem Arbeiter*innen ohne College-Abschluss. Heute könnte man problemlos ein Klassentreffen jeder Ivy-League-Schule in der Redaktion der *New York Times* abhalten – zumindest zu meiner Zeit.

Patrick Lawrence: Ja, ich meine, [H. L.] Mencken hat das toll auf den Punkt gebracht. Ich zitiere ihn mit den Worten: *„Früher verdiente ein Reporter genauso viel wie ein Barkeeper oder ein Polizist. Heute verdient er so viel wie ein Arzt oder Anwalt.“*

Er bedauerte das. Nun, bei Lippmann erwähne ich später im Buch die sogenannten Lippmann-Dewey-Debatten der 1920er. Tatsächlich gab es nie formale Debatten, aber sie tauschten sich über ihre Bücher und Rezensionen aus. Lippmann betrachtete, wie du richtig sagst – beide entwickelten diese Ideen, als Amerika zu einer Massengesellschaft wurde, das ist der Hintergrund –, die Menschen als einfach unfähig, die Welt um sie herum zu verstehen. Man muss ihnen sagen, was los ist. Sie sind zu beschäftigt. Sie sind zu weit von der Macht entfernt. Also besteht die Aufgabe der Journalist*innen darin, als eine Art Bote, als Tribun, Teil der Machtelite zu sein, die die Politik, Urteile und Anweisungen der Mächtigen, der politischen Struktur, an die Bevölkerung weiterreicht. Das war seine Vorstellung davon, was die Presse tun sollte.

Dann kam [John] Dewey. Ich bin kein großer Fan von Dewey, aber ich denke, er hatte in diesem Punkt recht, oder? Er sagte: *„Nein, der Journalist muss an einem anderen Ort stehen. Er muss außerhalb der Macht stehen und den Leser*innen die bekannten Überlegungen präsentieren, wenn es um Fragen der nationalen Politik geht, und eine öffentliche Debatte anregen, damit die Menschen ihre Schlüsse ziehen und diese äußern können.“*

Das war die Aufgabe der Journalist*innen, richtig? Ich habe viele Probleme mit Dewey, das ist ein anderes Thema. Aber in diesem Punkt, wo der Journalist positioniert sein sollte, hatte er recht. Und was haben wir heute? Eine ausgesprochen Lippmann’sche Presse, oder? Diese Leute sind, soweit ich das beurteilen kann, völlig zufrieden damit, dass das so verstanden wird, wie wir darüber sprechen.

„Wir sind Teil der Machtstruktur, und wir geben euch weiter, was passieren wird – angeblich warum, obwohl das nie wirklich klar ist – und wie ihr denken sollt.“ Erinnere dich: Es war Lippmann, der uns die „Herstellung von Zustimmung“ bescherte. Das stand in einem der drei Bücher, die er in den 1920ern schrieb, der Zeit, von der ich spreche.

Chris Hedges: Lass uns darüber sprechen, was passiert ist. Du schreibst, dass alles nach den Niederlagen in Südostasien 1975 begann, die die amerikanische Psyche verletzten und die Machtelite erschütterten. Dann verschwand es mehr oder weniger vollständig, als die Jahre des Kalten Krieges dem Triumphalismus der Nachkriegszeit Platz machten, der die 1990er prägte.

Danach folgten die Ereignisse von 2001 – die Anschläge vom 11. September. Sie erwiesen sich als entscheidender Moment für die Rückkehr unserer Medien zu den schlimmsten der vielen schlechten Angewohnheiten, die sie in den 1950ern entwickelt hatten. Du markierst also diese Vorstellung einer unipolaren Welt mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Ich war damals in Ost- und Mitteleuropa und habe das miterlebt.

Aber dann markierst du auch den 11. September, als das Land nach diesen Anschlägen diesen sehr dunklen Trank des Nationalismus trank. Und die Kehrseite des Nationalismus ist natürlich Rassismus. Und es begannen diese militärischen Debakel, die bis heute andauern – in der Ukraine, in Gaza und überall sonst. Aber sprich über diese historischen Momente.

Patrick Lawrence: Okay, erinnere dich an den Nachmittag des 11. Septembers und die folgenden Tage, als ständig die Bilder der Flugzeuge, die in die Türme krachten, wiederholt wurden – ich bin sicher, alle Zuhörer*innen erinnern sich daran. Meiner Meinung nach war das, was Literaturkritiker*innen ein „objektives Korrelativ“ nennen, richtig? Dieser Moment wurde psychologisch am tiefsten verstanden.

Den Amerikaner*innen wurde von [John] Winthrop bis dahin beigebracht, dass wir immun gegen die Geschichte sind, oder? Wie [Arnold J.] Toynbee einmal sagte: *„Geschichte ist das, was anderen passiert.“* In diesem Moment endete dieser Mythos. Plötzlich sind wir genauso anfällig für Zeit und Geschichte wie der Rest der Welt. Es war ein tiefer Schock.

Und ich denke, auf der Ebene des Imperiums begannen die politischen Cliquen zu verstehen, dass sich die Welt grundlegend verändert hatte. Und an diesem Punkt musste die Presse… Es war eine neue Situation – neu, aber mit einer Geschichte –, und die Presse musste rekrutiert werden. Es gibt eine Passage im Buch, die erzählt, was wenige Tage nach dem 11. September passierte. Bushs Pressesprecher – entschuldige, ich habe seinen Namen vergessen.

Chris Hedges: Ari Fleischer.

Patrick Lawrence: Ari Fleischer lud alle Schwergewichte des Washingtoner Pressekorps ein, hauptsächlich die leitenden Redakteur*innen, vielleicht hier und da ein*e Korrespondent*in, vielleicht Tom Friedman, solche Leute, und sagte: *„Hört zu, wir wollen nicht, dass ihr Geschichten veröffentlicht, die uns in ein schlechtes Licht rücken, während wir anfangen, das zu tun, was wir tun werden.“*

Damit meinte er, wie sie sagen, „Quellen und Methoden“, richtig? Und wir wissen, wie das ausging – die ganze Hässlichkeit. Jill Abramson, damals Chefin des Washingtoner Büros der *Times*, später Herausgeberin ohne große Wirkung, erzählte von diesem Gespräch. Und sie sagte: *„Wir haben alle bereitwillig zugestimmt, zu kooperieren.“* Und sie fügte hinzu: *„Und tatsächlich haben wir jahrelang nichts geschrieben, was dem Weißen Haus missfiel.“*

Es war ein sehr wichtiger Moment. Und ich habe diese Zeit gewählt, weil das für mich das Datum ist, an dem das amerikanische Jahrhundert sehr plötzlich und abrupt endete. Nicht alle sind damit einverstanden, aber für mich ist das das Datum. Seitdem hat es nur noch Chaos angerichtet. Und in diesem Moment schalteten sich die Medien, sozusagen, um und stellten sich genauso auf die Seite wie in [Harry S.] Trumans späteren Jahren und durch die 1950er – als reaktivierte Soldaten. Deshalb habe ich 2001 gewählt.

Chris Hedges: Nun, 2001 war der Moment, in dem der Rest der Welt endlich in der Sprache zu uns sprach, die wir jahrzehntelang benutzt hatten, um zu ihnen zu sprechen – Tod und Explosionen in einer Stadtsilhouette. Und du hast recht, und das ist aus deinem Buch zu diesem Thema:

„Ihre Aufgabe verlagerte sich zunächst subtil und dann ganz offensichtlich von der Information der Öffentlichkeit hin zum Schutz der Institutionen, über die sie berichteten, vor den Blicken der Öffentlichkeit.“

Wir sollten auch anmerken, obwohl es in deinem Buch nicht erwähnt wird, dass dies mit dem wirtschaftlichen Niedergang der Medieninstitutionen zusammenfiel, insbesondere der großen Tageszeitungen, sodass ihre Werbeeinnahmen so stark schrumpften und sie noch unterwürfiger gegenüber den Machtzentren wurden. Du hast früher geschrieben, dass es damals im Mainstream einen Platz gab, wenn auch keinen großen, für Journalist*innen, die an den Idealen, Prinzipien und Zielen festhielten, die Menschen gewöhnlich in diesen Beruf ziehen.

Aber ich denke, die Kombination – und ich war in Paris und habe Al-Qaida für die *New York Times* in Europa und im Nahen Osten recherchiert, also war ich Teil dieser Diskussionen, zusammen mit der widerlichen Judy Miller bei der *New York Times* – ich kam für diese Besprechungen nach New York zurück.

Aber sie waren alle – es war nicht so, dass sie zynisch waren, sie waren alle gläubige Anhänger*innen. Und die Franzosen, die nicht wollten, dass wir in den Irak einmarschieren, hatten mir massiven Zugang zu streng geheimen Geheimdienstinformationen gegeben – nicht weil ich ein großartiger Reporter war, sondern weil ich für die *New York Times* arbeitete.

Und ich kam mit sehr harten Fakten zurück – denn der Irak hatte natürlich nichts mit den Anschlägen vom 11. September zu tun –, und sie wurden einfach abgetan: *„Nun, das ist nicht das, was Dick Cheney uns gesagt hat, das ist nicht das, was Lewis ‚Scooter‘ Libby uns gesagt hat, das ist nicht das, was Richard Perle…“*

Es war also völlig unkritisch. Und wie du schreibst:

„Die großen Tageszeitungen und Nachrichtenagenturen berichten routinemäßig die Behauptungen von Regierungsbeamten, als ob diese Behauptungen allein schon Beweise für ihre Richtigkeit wären.“

Und genau das ist passiert.

Ich möchte über etwas sprechen, das eine kleine, aber wichtige Sache ist, die du ansprichst – diese Art von Jekyll-und-Hyde-Qualität… Du hast für die *International Herald Tribune* gearbeitet, ich für die *New York Times*, und ich wusste sofort, wovon du sprichst. Es geht um diese Spaltung, weil diese Institutionen all diesen Werten huldigen – journalistische Unabhängigkeit, Furchtlosigkeit, „Demokratie stirbt in der Dunkelheit“ oder was auch immer.

Aber natürlich ist das eine Maskerade. Sie dienen den Machtzentren. Aber für Journalist*innen, die sich tatsächlich um diese Werte kümmern, erzeugt das in diesen Institutionen eine enorme Angst. Ich hatte einen Kollegen mit großem Gewissen, der jeden Morgen in die *New York Times* kam, auf die Toilette ging und sich vor der Arbeit übergeben musste. Aber diese Spannung – und du schreibst darüber innerhalb der Institution –, aber ich möchte das nicht übergehen, denn ich denke, es ist wichtig.

Patrick Lawrence: Ja. Du bringst mich zum zweiten der drei Themen, die ich in dem Buch untersuchen wollte, und das spiegelt sich im Titel wider: *Journalists and Their Shadows* („Journalist*innen und ihre Schatten“). Ohne zu sehr in die Psychoanalyse abzudriften, habe ich das von [Carl] Jung übernommen, okay? Er argumentierte, dass wir alle das haben, was er „Schatten“ nannte.

Dieser Teil von uns selbst, der durch soziale Konventionen, orthodoxe Moral, Akzeptanz unter Gleichgesinnten, beruflichen Zwang von Arbeitgeber*innen und all dem verdeckt wird, schafft in uns allen etwas, das Jung den „Schatten“ nannte – das verborgene Selbst, das verdeckte Selbst, richtig?

Nun, mein Argument ist, dass dies – und ich kann das nicht genug betonen – ausgesprochen wichtig im Fall von Journalist*innen ist. Denn wenn ihr Selbst gespalten ist, beginnen die Kompromisse. Es ist eine psychologische Frage. Eine psychosoziale Frage.

Die Korruption in der Presse beginnt mit der Korruption der Persönlichkeiten, die bezahlt werden wollen, befördert werden wollen und so weiter. Und mein Argument – ich nenne es „Desintegration“. Wie ich erwähnte, brachte mir der Pastor in meiner kleinen New-England-Stadt die Beziehung zwischen zwei Wörtern bei: „Integration“ und „Integrität“.

Und wenn man im Mainstream arbeitet – ich bin sicher, das war auch deine Erfahrung, ich wette, das war es –, werden die Leute loyal gegenüber den Orthodoxien, die von den Arbeitgeber*innen auferlegt werden. Und sie sind so darin vertieft, dass sie ihren eigenen Zustand der Entfremdung nicht einmal mehr erkennen, richtig? Es ist eine ernste Sache und ein sehr ernstes Phänomen.

Nun, der kleine Raum, der Journalist*innen und Korrespondent*innen zugestanden wurde, die in der Lage waren, ihre Ideale und Prinzipien zu verteidigen – ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, und ich wurde darin bestärkt durch den verstorbenen John Pilger, der einige Jahre älter war als ich, aber das war auch seine Erfahrung, richtig?

Und er ermutigte mich, zu erkennen, dass es diesen Raum gab, aber er schloss sich. Es war nie ein großer Raum, aber er wurde geschlossen. Wieder, nach 2001, denke ich, ist das passiert, richtig? Es war nie ein großzügig bemessener Teil des Berufsstands, aber er war da. Und plötzlich war er weg.

Chris Hedges: Ja, er war da, aber du warst ein Managementproblem, und wenn du nicht schließlich domestiziert wurdest, haben sie dich rausgeworfen. Er war da, aber keiner dieser Reporter*innen hatte eine lange Lebensdauer innerhalb – sie wurden sicherlich nicht innerhalb der Institution befördert.

Sydney Schanberg war ein Freund von mir – bekannt durch *The Killing Fields*, er gewann den Pulitzer in Kambodscha, kam zurück, leitete die Metro-Redaktion, ging gegen die großen Immobilienentwickler vor, die Freunde des Verlegers waren, und er war fertig. Abe Rosenthal, der damalige Herausgeber der *New York Times*, nannte ihn „meinen kleinen Kommunisten“. Ich muss nur diese kleine Beschreibung aus der *New York Times* vorlesen, denn obwohl ich nicht viel Zeit im Newsroom verbracht habe – ich wurde vom Auslandsressort eingestellt, verbrachte sieben Monate dort, was genug war, und war dann wieder im Ausland –:

„Der Newsroom in der 43rd Street“ – das ist das alte Times-Gebäude – „entpuppte sich als schlimmer als meine schlimmsten Vorstellungen. Übelwollen und Bösartigkeit waren in den abgenutzten Industrieboden eingearbeitet. Es ging um zu viel Macht, das war meine Diagnose, und zu viele Leute, die sie zu verbissen anstrebten. Redakteur*innen und Reporter*innen schienen nur daran zu denken, clever dazustehen, dort vorne, wo die leitenden Redakteur*innen saßen. Ich konnte nur ein geringes Interesse daran erkennen, was in der Welt und in den Nachrichtenseiten vor sich ging. Kein Wunder, dass so viele Journalist*innen, die vergaßen, warum sie Journalist*innen waren, gleichgültig gegenüber oder einfach unwissend über ihren Platz in der ideologischen Ordnung waren. Reinkommen, klarkommen, rauskommen – nie schien eine bessere Idee.“

Diese Desintegration, die du erwähnst – und ich bin sicher, du hast das gesehen –, zerbricht diese Leute. Wenn diese Reporter*innen und Redakteur*innen, die mit einer gewissen – viele von ihnen mit einer gewissen Idealismus – hereinkommen, in ihren 50ern sind, sind sie völlig gebrochene Individuen. Ich meine, da ist so eine Art Willy-Loman-Qualität bei diesen Typen. Sie wurden von diesen Institutionen einfach zerstört.

Patrick Lawrence: Ja. Noch einmal, es ist ein psychologisches Phänomen. Ich beziehe mich auf diesen Begriff von [Jean-Paul] Sartre: *mauvaise foi* – „Unaufrichtigkeit“. Sie werden zu Nachahmungen von Journalist*innen. Zeitungen werden zu Nachahmungen von Zeitungen. Es hat so eine Meta-Qualität. Zwei Punkte:

Erstens, es ist weitverbreitet. Leute, die Gehälter von der *Washington Post* oder der *Times* beziehen und das jetzt hören, würden, da bin ich mir sicher, entweder nicht verstehen, wovon wir reden – nicht, weil sie gegen das Phänomen immun sind, sondern weil sie so tief darin stecken, dass sie nicht hinaussehen können –, oder sie würden es leidenschaftlich als Bekehrte leugnen, richtig? Weil sie die Ideologie derjenigen übernommen haben, die die Schecks ausstellen.

Ich erwähne René Descartes im Buch. *„Ich denke, also bin ich“* wird zu *„Ich bin, also denke ich.“* *„Ich bin ein Reporter der Washington Post, also denke ich das.“* So funktioniert das.

Zweitens – um die Perspektive zu drehen –, das ist der Grund, warum ich nicht viel Hoffnung habe, dass die Mainstream-Presse, die etablierte Presse, wie auch immer man sie nennen will, sich in all diesen Fragen bessern wird. Ich denke, es ist eine selbstzerstörerische Institution, und deshalb setze ich mein beträchtliches Vertrauen – wenn „Vertrauen“ das richtige Wort ist –, deshalb setze ich mein beträchtliches Zutrauen in die unabhängigen Medien als Quelle der Dynamik und Zukunft des Berufsstands.

Chris Hedges: All das ist wahr, aber natürlich nutzen die digitalen Plattformen, die jetzt im nationalen Sicherheitsstaat verankert sind, alles – ob Algorithmen, Deplatforming oder Demonetarisierung –, um unabhängige Medien im Wesentlichen auszulöschen. Ich möchte über einen weiteren wichtigen Punkt sprechen, den du als ausländischer Korrespondent ansprichst – die „Realität der Differenz“. Die Schaffung und Aufrechterhaltung eines psychologischen Konstrukts, das gemeinhin als „Selbst und Andere“ bezeichnet wird – das ist ein extrem wichtiger Punkt in Bezug darauf, wie man die Welt berichtet.

Du erwähnst auch, dass große Zeitungen wie die *New York Times* dich nie länger als drei bis fünf Jahre in einem Auslandsbüro bleiben lassen – wegen dessen, worüber du schreibst, dieser Realität der Differenz. Erkläre, was das ist und warum es nicht nur unsere Ignoranz, sondern eine bestimmte Weltsicht stützt.

Patrick Lawrence: Ja, die Realität der Differenz bedeutet ganz einfach: Die amerikanische Ideologie – wenn ich diesen Pauschalbegriff verwenden darf – verlangt, dass wir uns als die außergewöhnlichen Menschen auf der Erde betrachten und alle anderen in gewissem Maße „anders“ sind, richtig?

Wenn wir über die Franzosen oder die Briten sprechen – okay, sie sind freundliche, sympathische Leute, aber sie sind grundlegend anders als wir, richtig? Ihre Systeme sind anders. Nun, die Franzosen haben ein ziemlich gutes Gesundheitssystem, aber das ist Frankreich, sie sind anders, richtig? Wenn wir zu nicht-westlichen Menschen kommen – angefangen oben auf der Pyramide mit den Japanern und weiter nach unten –, sind sie wirklich sehr anders.

Und über solche Orte zu berichten – ich war von Anfang an an nicht-westlichen Ländern interessiert, an Problemen der Dritten Welt und all dem –, diese Menschen werden zutiefst, wenn ich so sagen darf, „otherisiert“, richtig? Man berichtet über sie fast wie über Exemplare, richtig? Man berichtet über sie hinter einer Glasscheibe, durch die man niemals durchgehen wird.

Und du hast diese Standardtour für Korrespondent*innen erwähnt – drei bis fünf Jahre –, das stimmt, denn nach dieser Zeit neigen Korrespondent*innen dazu, das Land oder die Länder, über die sie berichten, ein wenig zu gut für den Geschmack der Auslandsredaktion zu verstehen, richtig?

*„Moment mal, du berichtest tatsächlich aus der Perspektive dieser Menschen, du zeigst uns die Welt, wie sie diesen Leuten erscheint – nein. Wenn du in Berlin warst, musst du jetzt nach Buenos Aires gehen, richtig? Fang ganz von vorne an. Verstehe die anderen nicht zu gründlich.“*

Chris Hedges: Nun, der Punkt ist, dass du nicht nur anfängst, sie zu verstehen, sondern auch uns. Und das wollen sie nicht.

Patrick Lawrence: Ja, sie sind alle Spiegel. Ja, ich meine, bei einem*guten Korrespondenten geht nach einigen Jahren im Einsatz das Licht an. Ich stelle 1.000 Fragen. Und während ich die Antworten bekomme, lerne ich über mich selbst.

Chris Hedges: Und da ist noch ein anderer Aspekt, den du ansprichst und der wichtig ist. Du sprichst darüber, wie westliche Korrespondent*innen, die über den Nicht-Westen berichten, die Geschichte „entfaktualisieren“. Und du hast recht damit. Erkläre, was du damit meinst.

Patrick Lawrence: Nun, meine Erfahrung war vor allem – meine prägenden Jahre als Korrespondent waren Ende der 1970er, du weißt schon, der Höhepunkt des Kalten Krieges oder vielleicht etwas nach seinem Höhepunkt, aber immer noch eine sehr ernste Realität, richtig? Und ich habe hauptsächlich in Ostasien berichtet, nicht nur, aber hauptsächlich.

Und da gab es die Diktaturen in Korea, Indonesien, den berühmten Fall der Marcos auf den Philippinen, sozusagen starke Männer in Malaysia, solche Orte. Und dann der Fall Japan – wir haben die Japaner nach der Niederlage von 1945 neu erfunden und die Liberaldemokratische Partei installiert und dafür gesorgt, dass sie dort bleibt, richtig?

Wir konnten über diese Phänomene nicht so berichten, wie sie waren. Wir konnten nicht in den Bereich von Ursache und Wirkung vordringen – wie kamen die südkoreanischen Diktatoren an die Macht? Wie kam Suharto 1965 an die Macht, als Sukarno – ich liebe Sukarno, er war einer der großen Menschen des 20. Jahrhunderts –, als er durch eine CIA-Operation gestürzt wurde? Diese Dinge konnten nicht diskutiert werden.

Es ging nur um – im Fall der Japaner – das „japanische Wunder“, richtig? Es gab kein Wunder in Japan. Es war das, was ich einen „sozialen Vertrag des Kalten Krieges“ nenne. Amerika verpflichtete sich, die Exporte all dieser Länder zu kaufen. Deshalb sind die Ostasiaten so exportabhängig.

Sie verpflichteten sich, die Exporte dieser Länder zu kaufen, damit sie einen sozialen Vertrag mit ihren Bürger*innen schließen konnten, der so aussah: *„Wir geben euch materiellen Wohlstand. Ihr könnt einen Kühlschrank oder einen Farbfernseher oder ein winziges japanisches Auto haben – vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte eurer Familie –, aber Politik dürft ihr nicht anfassen. Das ist der Deal.“*

Aber man konnte das beobachten, wenn man wachsam und immun gegen die ideologischen Gleise war. Man konnte es verstehen, aber man konnte nicht darüber schreiben.

Chris Hedges: Das führt zu einem anderen Punkt, und das ist das Fehlen von Kontext, das Fehlen von Geschichte. Ich mochte Robert Fisk – ich weiß nicht, ob du Bob kanntest, er war ein guter Freund von mir.

Patrick Lawrence: Ich kannte ihn nicht, aber ich kannte ihn natürlich vom Hörensagen.

Chris Hedges: Ja, und sein Buch *The Great War for Civilization* ist ein großartiges Buch über den modernen Nahen Osten, aber es verbindet seine Berichterstattung – er war 44 Jahre im Nahen Osten – mit seinem tiefen Verständnis von Geschichte.

Aber wenn man die Geschichte nicht versteht und nichts in einen Kontext gestellt wird, dann erscheint ein Ausbruch – wie am 7. Oktober durch die Palästinenser mit ihrem Eindringen in Israel –, weil er nicht in einen Kontext gestellt wird, in den Medien als unverständlich, und damit werden die Menschen, die ihn durchgeführt haben, unverständlich.

Patrick Lawrence: Ja, ich meine, das passiert – ich muss dir nicht sagen, Chris –, das passiert heute als tägliche Routine, richtig? Wie viele Menschen haben den Kontext, um die Ereignisse in Syrien in den letzten Wochen zu verstehen? Nicht viele. Kontext ist in gewissem Sinne Geschichte.

Ich hatte eine Liste von fünf Dingen: Kontext, Geschichte, Kausalität, Handlungsfähigkeit und Verantwortung – all das ist wesentlich, damit wir die Ereignisse in der Welt um uns herum verstehen können. Und nichts davon ist in den Unternehmensmedien in irgendeiner wirksamen Weise erlaubt. Dinge passieren, Dinge passieren aus dem Nichts. Warum ist das passiert? Nun, diese anderen Leute – es gibt keine Erklärung für sie, richtig? Es ergibt für uns keinen Sinn, weil wir anders sind als sie, und so weiter, richtig?

Hier ist ein gutes Beispiel. Hier ist ein perfektes Beispiel für uns: Die „unprovozierte“ russische Militäroperation in der Ukraine – unprovozierte, unprovozierte, unprovozierte. Das ist das Herausstreichen von Geschichte und Kontext, ganz einfach. In diesem Fall ist es so dreist täuschend.

Man muss kein*e Geschichtsstudent*in an der University of Wisconsin sein, um zu wissen, was vor dem 24. Februar 2022 passiert ist. 30 Jahre davon, richtig? Und dann der Putsch 2014, die acht Jahre der Bombardierung, der brutalen Bombardierung russischsprachiger Menschen im Osten – es ist alles da. Aber die Medien löschen es mit außergewöhnlicher Dreistigkeit aus. Und die Macht der Medien, die Macht der unaufhörlichen Darstellung macht diese Art von Dingen so bedauerlich effektiv. Ja, das meinen wir mit Kontext. Ein perfektes Beispiel.

Chris Hedges: Ich möchte über etwas sprechen, das du aus dem Buch *The Eclipse of Reason* zitierst:

„Vernunft als ein Organ zur Wahrnehmung der wahren Natur der Realität und zur Bestimmung der leitenden Prinzipien unseres Lebens“, schreibt [Max] Horkheimer, „wird als obsolet betrachtet.“

Und du schreibst:

„Diese Kapitulation vor dem Irrationalen richtet großen Schaden an der kapitulierenden Gesellschaft an, wie wir sehen, wenn wir aus unseren Fenstern blicken. Sie ist für die Praxis des Journalismus nahezu tödlich.“

Sprich über diese Kapitulation vor dem Irrationalen.

Patrick Lawrence: Okay, ich mag dieses Buch, Horkheimers Buch. Es ist kein sehr langes Buch. Es ist ein sehr zugängliches Buch, falls irgendwelche deiner Zuhörer*innen oder Rezensent*innen interessiert sind, es zu finden. Man kann es auf den Seiten für gebrauchte Bücher finden, *The Eclipse of Reason*.

Worüber er sprach – und das wurde 1947 veröffentlicht, Zuhörer*innen, merkt euch das, das war der Beginn des Kalten Krieges, richtig? –, ist der sokratische Prozess des Denkens: Man nimmt eine Situation und arbeitet sich durch das bekannte Universum der Fakten und Beweise vor und kommt zu einer Schlussfolgerung. Man ist nicht für die Schlussfolgerung verantwortlich. Was man auf dem Weg lernt, wird einen zur richtigen Schlussfolgerung führen.

Das wurde in unserer hyperideologischen Gesellschaft auf den Kopf gestellt, sodass man zuerst seine Schlussfolgerung zieht und dann rückwärts argumentiert – Russiagate ist ein perfektes Beispiel.

*„So muss es ausgehen. Jetzt lasst uns rückwärts argumentieren, um die Schlussfolgerung zu stützen, die wir bereits gezogen haben.“* Es ist eine lebendige Katastrophe für unseren Beruf, wenn man bedenkt, dass wir mit Fakten, Beweisen und Recherche handeln.

Wie der wunderbare Bob Parry es ausdrückte – er kommt im Buch kurz vor –: *„Mir ist egal, was die Wahrheit ist, mir ist nur wichtig, was die Wahrheit ist.“* Das ist jetzt aus dem Fenster. *„Mir ist wichtig, was die Wahrheit ist, und ich werde einen Fall konstruieren, um meine Version der Wahrheit zu stützen.“* Das ist keine funktionierende Art, sich als Journalist*in zu verhalten, aber nimm irgendeine große Tageszeitung zur Hand – das ist es, was du liest.

Chris Hedges: Ich möchte über einen kleinen Punkt sprechen, aber er hat bei mir natürlich Anklang gefunden, weil ich ihn erlebt habe. Sie umarmen nie die Ideologie, die sie fördern, aber die Art, wie sie zensieren – und du schreibst über eine deiner eigenen Erfahrungen –, du sagst:

„Geschichten, die außerhalb der ideologischen Grenzpfähle geschrieben werden, werden nie aus diesem Grund zurückgewiesen. Da die Grenzpfähle nicht anerkannt werden können, ist es immer: ‚Wir wollen bessere Quellen‘ oder ‚Nicht genug solide Berichterstattung hier‘ oder das Allerweltsargument ‚Du untermauerst deinen Fall nicht.‘“

Patrick Lawrence: Du musst… Ich spüre, dass ich bei dir einige Glocken läuten lasse, richtig? Ich habe das dargelegt, weil jede*r Profi, der das Buch liest, sagen wird: *„Oh mein Gott, ja, genau das.“*

Schau, ich habe eine meiner direkten Erfahrungen geschildert, als ich in meinen letzten Tagen bei der *Herald Tribune* war – die *New York Times* hatte die *Washington Post* ausgekauft, es war eine Eigentumswohnung. Die *Times* besaß 50 % und die *Post* 50 %.

Chris Hedges: Ja, aber lass mich kurz unterbrechen, Patrick. Es war eine gute Zeitung, weil sie redaktionelle Unabhängigkeit von beiden hatte.

Patrick Lawrence: Ja, und die Hauptredaktion war in Paris. Das machte einen großen Unterschied. Aber jedenfalls machte die *Times* der *Post* ein sehr unangenehmes Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Und so gehörte die *Times* plötzlich alles.

Chris Hedges: Nun, sie drohten, die *Herald Tribune* zu zerstören. Lass uns klar sein, es war wie bei der Mafia.

Patrick Lawrence: Ja. Du kennst die Geschichte. Und so begann die *Times* mit dem Prozess der „Timesifizierung“ der *Trib*. Und das ist der Anlass für die eine Erfahrung, die ich gemacht habe. Ich hatte die asiatische Ausgabe redigiert. Sie nahmen mich davon runter, weil sie einen *Times*-Mann brauchten.

Und sie machten mich zu einer Art umherziehenden Korrespondenten für die Region. Okay, ich dachte eigentlich, meine Tage als Korrespondent wären vorbei, aber ich sagte: *„In Ordnung, versuchen wir es.“* Und ich schrieb eine Geschichte, von der ich wusste – ich dachte: *„Du solltest das hinter dich bringen. Du solltest ein für alle Mal herausfinden, wer diese Leute sind.“*

Ich schrieb eine Geschichte für sie, die eine sehr gute *Herald-Tribune*-Geschichte war. Keine Ideologie, eine weltoffene Perspektive, nicht von irgendeiner nationalistischen Orthodoxie beeinflusst. Einfach die Dinge so betrachten, wie sie sind. Das ist ein Grund, warum ich denke, dass der Standort der *Trib*-Redaktion in Paris wichtig war. Schreib diese Geschichte und schau, was passiert.

Chris Hedges: Lass mich kurz unterbrechen. Es war eine Geschichte über den Niedergang des amerikanischen Einflusses und der Hegemonie. Den Aufstieg dessen, was wir eine multipolare Welt nennen, insbesondere China.

Patrick Lawrence: Ja, genau. Das stimmt. Russland, China, Iran am Rande, wie ich im Buch sage – ich werde meinen Hut essen oder was auch immer die Leute vorschlagen, wenn diese Geschichte, die 2006 geschrieben wurde, nicht die Welt ist, die heute vor unseren Fenstern liegt, richtig?

Also schrieb ich die Geschichte und reichte sie ein, und sie kam von meinem Redakteur mit all diesen – nicht wirklich Einwänden, aber *„mach hier ein bisschen mehr Arbeit“* zurück. Wie ich im Buch sage, war das Stück messingbeschlagen, als ich es ihnen gab, weil ich wusste, dass es Gegenwind geben würde. Mein Redakteur in Hongkong gab schließlich auf. Ich beantwortete alle seine Fragen. Also schickte er es nach Paris.

Die Redaktion in Paris warf alle möglichen anderen Fragen auf. Ich beantwortete diese Fragen. Sie wollten es immer noch nicht veröffentlichen. Sie schickten es nach New York. Und dann sahen sich der Auslandsredakteur, einige nationale Sicherheitskorrespondenten, deren Namen ich gerne nennen würde, aber nicht werde, und einige Büroleiter in Asien die Geschichte an, richtig? Nun, die Interessenkonflikte leuchten.

Ich hatte eine Geschichte, die sie nicht hatten. Und sie redeten weiter und weiter – einer sagte: *„Abgenutzte alte Quellen.“* Ein anderer sagte, was ich sagte und was ich im Buch wiederholte: *„Schlecht belegt, man kann nicht erkennen, worum es geht“*, und so weiter. Und schließlich kam es am anderen Ende der Pipeline von meinem Redakteur in Hongkong heraus: *„Patrick, wir können das einfach nicht bringen.“* Das ist alles. *„Wir können das einfach nicht bringen.“*

Du sprichst über die obersten Ränge des amerikanischen Journalismus. Wie ich im Buch sage, habe ich seitdem eine große Zuneigung zu diesem Satz – die obersten Ränge des amerikanischen Journalismus. Das ist es, was passiert. Niemand konnte zu irgendeinem Zeitpunkt sagen: *„Patrick, das ist nicht die Orthodoxie. Wir verteidigen hier die amerikanische Vorherrschaft, und du stellst sie in Frage.“* Das war der Knackpunkt. Aber das kann nicht gesagt werden, richtig?

Chris Hedges: Sy Hersh hat eine großartige Memoiren geschrieben, *Reporter*, die jeder lesen sollte, aber er schildert genau einen langen investigativen Artikel, den er über Gulf and Western geschrieben hat. Ein sehr ähnlicher Prozess – er verließ die Zeitung nicht lange danach.

Aber bevor wir schließen, möchte ich dich etwas fragen, weil ich eine leichte Meinungsverschiedenheit mit dir habe. Du stellst WikiLeaks, die Berichterstattung über den Vietnamkrieg, Watergate – all das als Momente der Integrität dar, das mag nicht dein Wort sein, im amerikanischen Journalismus. Ich tue das nicht.

Der Vietnamkrieg – für mich änderte sich die Berichterstattung, sobald sich die öffentliche Meinung änderte. Die Presse ist eine reaktive Kraft, die nicht führt. Bei Watergate – all diese Taktiken, das ist Noam Chomsky, wurden gegen Anti-Kriegs-Gruppen und Dissident*innen angewandt, die Black Panthers, einschließlich der Ermordung von Fred Hampton. Aber die Presse kümmerte sich nicht darum, bis die Elite anfing, sich selbst zu fressen, d.h. die republikanische Regierung von Nixon ging gegen die Demokratische Partei vor.

Und im Fall von WikiLeaks – und ich war bei der *New York Times* –, ich denke, sie waren beschämt, dass sie, wenn sie die Enthüllungen von WikiLeaks nicht veröffentlicht hätten, für das entlarvt worden wären, was sie sind. Sie haben es zwar veröffentlicht, diese Veröffentlichung, eine Zusammenarbeit mit Julian Assange, mit zusammengebissenen Zähnen, und wussten, dass ihr nächster Schritt, sobald die Tinte trocken war, darin bestand, Julian Assange zu zerstören.

Kurz dazu, und dann möchte ich darüber sprechen, wohin wir gehen.

Patrick Lawrence: Okay, okay. Ja, ich verstehe. Ich meine, was du anscheinend sagst, ist, dass das politische Umfeld in all diesen Fällen eine Rolle spielte. Watergate wäre nicht passiert, wenn beträchtliche Fraktionen der Washingtoner Machtelite sich gegen Nixon gewandt hätten.

Die Berichterstattung, die wir in unserem Beruf und andere, nehme ich an, aus Vietnam bewundern – David Halberstam, Malcolm Browne, [unhörbar] und all diese Leute. Ich glaube nicht, dass diese Berichterstattung zustande gekommen wäre, wenn nicht beträchtliche Teile der Machtelite in Washington, die Politikcliquen und natürlich die Anti-Kriegs-Bewegung sich gegen den Krieg gewandt hätten. Das ist es, was ich mit „das politische Umfeld zählt“ meine.

WikiLeaks – ich hatte es nicht so gesehen wie du, sie waren beschämt. Ich erinnere mich im Herbst 2010, als es eine große Veröffentlichung von WikiLeaks-Dokumenten gab. Entschuldige, ich kann mich nicht erinnern, welche es waren.

Chris Hedges: 2010 waren die Kriegstagebücher des Irak.

Patrick Lawrence: Ja, okay. Ich erinnere mich an die Titelseite der *Times*, David Sanger – ich nenne seinen Namen gerne –, der zugab, dass die *Times* sich mit der Regierung abgestimmt hat, um sicherzustellen, was wir veröffentlichen können und was nicht. Du erzählst diese Geschichte später, die Leute können es nicht glauben, aber es war da, und es ist in der Tat Routine, okay?

Ich dachte, ich hatte es ein wenig anders als du. Ich dachte, die Konzernmedien, die Mainstream-Presse, sahen in der Assange-Operation eine echte Veränderung dessen, was Journalismus sein könnte. Aber ich denke, du könntest näher dran sein. Sie hatten keine Wahl.

Der Schlüsselmoment, denke ich, ist, als [Mike] Pompeo, der widerliche Pompeo, eine Rede bei CSIS [Center for Strategic and International Studies] hielt, glaube ich, und Assange einen „russischen Akteur“ nannte, all diese Phrasen, die sie sich ausdenken, und sich gegen ihn wandte. Das war, entschuldige meine Daten, 2011, 2012, also das war, als die Medien sich wandten und sagten: *„Okay, wir können jetzt auf diesen Typen losgehen.“* Und er wurde eine Art, wie ich im Buch erzähle, ein heiliger Ausgestoßener, richtig? Und sie machten sich sofort über Assange her, genau wie du angedeutet hast.

Chris Hedges: Nun, WikiLeaks bedrohte ihr gesamtes Journalismusmodell. Ich meine, sie mussten sie zerstören. Und ich kann dir sagen, weil ich es weiß, ich war drinnen mit Bill Keller und all diesen anderen… Sie hassten, hassten Assange.

Patrick Lawrence: Warst du zu dieser Zeit noch bei der Zeitung?

Chris Hedges: 2010, nein. Aber natürlich kenne ich all diese Leute. Ich meine, ich kenne sie und gut. Keller war mein Auslandsredakteur, bevor er Chefredakteur wurde. Nein, sie hatten ein Eigeninteresse daran, Julian in dem Moment, in dem es veröffentlicht wurde, zu zerstören.

Ich möchte über unabhängige Medien sprechen. Unabhängige Medien waren schon immer die Kontrolle der kommerziellen Presse. Das geht zurück auf Ida B. Wells und noch weiter – die großen kämpferischen Journalist*innen gründeten ihre Zeitung in Memphis, die die Realität der Lynchjustiz aufdeckte, die nichts mit schwarzen Männern zu tun hatte, die weiße Frauen sexuell angriffen. Wie sie in ihren Untersuchungen zeigte, ging es darum, die schwarzen Ärzte, die schwarzen Geschäftsleute zu zerstören, um die Armut und Unterwerfung eines segregierten Südens durchzusetzen.

*Ramparts* – du hast Bob Scheer erwähnt –, noch einmal, *Ramparts* hat nie einen Cent verdient, COINTELPRO und dieses Foto des Kindes, das die Straße entlangläuft, von Napalm im Vietnamkrieg verbrannt, und all das kommt in der alternativen Presse heraus. Wir hatten früher die *Village Voice*. Wir hatten früher eine dezentralisierte Presse, also gab es viel mehr alternative Wochenzeitungen. Es waren immer die unabhängigen Medien, die die kommerziellen Medien beschämten oder zwangen, widerwillig die Realität zu akzeptieren.

Das wurde ins digitale Zeitalter übertragen, und du stellst *Consortium News* und andere Seiten heraus, die ich respektiere, betrieben von Joe Lauria, gegründet von Bob Parry. Ich kannte Bob, weil ich den Contra-Krieg in Nicaragua abgedeckt habe. Und du hast recht, dass dort die Hoffnung liegt, aber ich denke, die Hoffnung lag schon immer in den alternativen Medien.

Und du schreibst über deine Arbeit für ein alternatives Medienunternehmen, das diese Werte vertrat – es hieß *The Guardian*, wenn ich mich recht erinnere. Aber wir sehen, wie es sich jetzt im digitalen Zeitalter abspielt. Und wir sehen, wie die grobe staatliche Zensur ziemlich aggressiv vorgeht, um sie zu zerschlagen. Ich meine, da sind wir, denke ich.

Ich bin ein bisschen weniger hoffnungsvoll als du. Ich bin hoffnungsvoll in Bezug auf die Qualität der unabhängigen Medien und das, was daraus entstehen kann. Aber ich denke, dass die Heftigkeit der Zensur fast täglich ausgeprägter wird. Und ich spreche als jemand, der deplatformed, demonetarisiert, mit Algorithmen geschlagen wurde und all das andere.

Patrick Lawrence: Ja, ich weiß. Nun, ein paar Punkte. Ich denke zunächst – im Buch verwerfe ich den Begriff „alternative Medien“, richtig?

Chris Hedges: Ja, das war richtig von dir.

Patrick Lawrence: Weit zurück in meiner Jugend war ich Auslandsredakteur bei *The Guardian*, *The American Guardian*, eines der wunderbaren Experimente des Journalismus im 20. Jahrhundert. Es verlor sich in sektiererischem Unsinn. Mein Argument jetzt ist, dass unabhängige Medien sich nicht als Alternative zu irgendetwas verstehen sollten – und auch ihre Leser*innen und Zuschauer*innen nicht.

Sie sollten eine autonome, eigenständige Reihe von Institutionen, Publikationen, was auch immer, Rundfunkanstalten sein, die ihren eigenen Weg finden und nicht das, was sie am Tag zuvor in der *New York Times* gelesen haben, qualifizieren. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt – die Unabhängigkeit im wahrsten Sinne des Wortes.

Der zweite Punkt, den ich hier machen möchte, ist, dass das, worüber wir gerade sprechen – die Art und Weise, wie du und ich jetzt sprechen –, ich kenne deine Technologie nicht im Detail, von diesen außergewöhnlichen digitalen Technologien abhängig ist. Das ist großartig. Sieh dir die Explosion der unabhängigen Medien an. Man muss sich nicht mehr mit Zeitungspapier herumschlagen und all dem, richtig? Es ist sofort da draußen.

Aber das ist das gewichtige Paradox unserer Zeit. Was die unabhängigen Medien über einen sehr langen Zeitraum so außergewöhnlich effektiv gemacht hat – und kein Fehler, die Konzernpresse ist durchaus besorgt über die Herausforderung, der sie sich gegenübersieht –, aber dieselben Technologien machen uns extrem anfällig dafür, abgeschaltet zu werden, wie du sagtest, zensiert zu werden. Sie können den Stecker ziehen.

Meine Antwort darauf – und ich möchte nicht engelsgleich oder idealistisch klingen – ist, denke an das menschliche Engagement für erneuerte Ideale, das sich in all den guten Menschen in den unabhängigen Medien zeigt. Das ist menschliches intellektuelles Engagement, Karriere auf dem Spiel und so weiter. Man könnte die Technologie zerstören. Joe [Lauria] hat gerade diesen grotesken Hack der gesamten *Consortium*-Website bereinigt. Man könnte das tun, aber man wird den Geist und das Engagement der Menschen, die diese Arbeit machen, nicht zerstören. Und daraus ziehe ich ein Maß an Optimismus, das du vielleicht nicht teilst. Was auch immer passiert, wir werden das tun.

Chris Hedges: Nein, das teile ich. Ich meine, ich denke, die digitalen Medien haben uns eine Art Reichweite gegeben, die Dissident*innen wie wir normalerweise nicht hätten – unabhängige Journalist*innen. Ich erinnere mich, I.F. Stone begann sein *Weekly*, indem er es in seinem Keller druckte.

Patrick Lawrence: Ich dachte, es war sein Esstisch.

Chris Hedges: War es das? Vielleicht war es sein Esstisch. Ich weiß es nicht. Aber schau, es hatte… Und er ließ die großen journalistischen Institutionen zittern und beben, obwohl die Auflage nie über 60.000 lag, aber das spielte keine Rolle – es war, wen sie erreichte.

Patrick Lawrence: Ich liebe dieses Detail – wer hat uns das erzählt? Wer hat diese Geschichte erzählt? *Washington Post*-Reporter saßen im Bus in D.C. mit der *Post* vor sich und I.F. Stones *Weekly* darin. Lustig.

Chris Hedges: Das wusste ich nicht. Das ist großartig. Okay, nun, vielen Dank. Du warst großartig. Ich möchte Diego [Ramos], Max [Jones], Thomas [Hedges] und Sofia [Menemenlis] danken, die die Show produziert haben. Ihr könnt mich auf ChrisHedges.Substack.com finden.


12.06.2025 "Si Vis Pacem, Para Bellum" führt nur zu mehr Krieg!

Wer die Ukraine und ihre Geschichte seit 1991 kennt, der weiß, dass es vor allem die von der NATO in der Ukraine betriebene “Interoperability“ – die militärische Zusammenarbeit – war, die Russland veranlasste, im Februar seinerseits militärisch zu intervenieren. Stefano di Lorenzo weist in seinem neusten Text darauf hin, dass militärische Aufrüstung mit dem vermeintlichen Ziel der Kriegsverhinderung meist das Gegenteil bewirkt: den Beginn eines Krieges. Eine äußerst lesenswerte historische Analyse! (cm)

In der internationalen Politik gibt es nur wenige Sprichwörter, die mit solcher Ehrfurcht zitiert werden wie das lateinische „si vis pacem, para bellum“ – wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor. Es ist eine Maxime, die seit Jahrhunderten militärische Planungen, Wettrüsten und nationale Verteidigungsdoktrinen untermauert. Die Geschichte zeigt jedoch etwas zutiefst Paradoxes, ja sogar Tragisches: Die Nationen, die sich im Namen des Friedens am eifrigsten auf den Krieg vorbereiten, geraten oft wirklich in einen Konflikt. Wenn man Frieden will und sich auf den Krieg vorbereitet, bekommt man in der Regel genau den Krieg, den man vermeiden wollte.

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13.06.2025 „Sind wir unfähig zum Frieden?“ – oder: Die fatale Aktualität eines 45 Jahre alten Essays

Im Mai 1980 – der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte kurz zuvor erklärt, die aktuelle Situation erinnere stark an die Vorphase des Ersten Weltkriegs 1914 – publizierte der Arzt, Psychoanalytiker und spätere Mitbegründer der deutschen Sektion der „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs“ (IPPNW), Horst-Eberhard Richter (1923-2011) einen langen Essay, der nicht unwesentlich zur Entstehung der Friedensbewegung der Achtziger Jahre beitrug. Wir veröffentlichen hier unkommentiert Auszüge, denn dieser Text bedarf angesichts der heute aktuellen Weltlage keiner weiteren Erläuterung. – Die Zitate ausgewählt hat Leo Ensel.

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16.06.2025 «Der Selbstbedienungsladen Credit Suisse»

Kumuliert über 15 Jahre: Total netto 800 Millionen Gewinn - 40 Milliarden Boni. Diese zwei Zahlen sagen alles über die Abzocker-Mentalität bei der CS.

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16.06.2025 Razzia gegen Inside Paradeplatz

Die Staatsanwaltschaft durchsuchte das Büro von «Inside Paradeplatz». Der Vorwurf gegen Lukas Hässig: Bankgeheimnis-Verletzung.

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Kommentar: Interessant ist der folgende Hinweis: "Die Razzia gegen «Inside Paradeplatz» sind die erste Folge einer Gesetzesverschärfung zum Bankgeheimnis vor zehn Jahren. Seither können auch Leute, die mit einer Bank nichts zu tun haben, wegen einer Bankgeheimnis-Verletzung verurteilt werden. Die Gegner der Gesetzesverschärfung warnten in der Parlamentsdebatte davor, dass Journalisten die Leidtragenden sein können. Und so ist es nun gekommen.""

Weiter interessant ist, dass der 2022 vom Zürcher Bezirksgericht für mehrere Jahre Haftstrafe verurteilte Stocker den Spiess unter Inanspruchnahme dieses neuen Gesetzes nun gegen Lukas Hässig dreht. Ist Stocker nun unschuldig oder hat er mit dem Ex von Raiffeisen gemeinsame Sache gemacht? Weshalb hatte Stocker bereits zwei Mal Erfolg mit seinen Einsprachen? Funktioniert das Zürcher Bezirksgericht nicht? Will Stocker Zeit gewinnen? Geht es auch um eine Massnahme, "Inside Paradeplatz" zum Schweigen zu bringen? Ist der Zweck dieses verschärften Gesetzesartikels hauptsächlich, die Einflussreichen, Mächtigen und Finanzstarken schadlos zu halten? Betrachte ich die politischen und sozialen neoliberalen Entwicklungen in der Schweiz und in sehr vielen Ländern in der letzten Zeit, würde ich die letzte Frage zweifellos mit ja beantworten.

***

Update 07.07.2025: "Causa IP: Sieg für die Medienfreiheit"

"Zürcher Zwangsmassnahmen-Richterin verbietet Staatsanwaltschaft Auswertung von Notizen, Handy und Laptop. Wichtiges Signal.

Vor fünf Wochen marschierten Ermittler und Polizisten bei dieser Redaktion ein. Sie beschuldigten den hier Schreibenden in der Causa Vincenz der Verletzung des Bankgeheimnisses.

Um ihren Verdacht zu erhärten, konfiszierten sie Computer, Telefon, Dokumente und Notizbücher. Der Bedrängte siegelte alles.

Damit kam das Zwangsmassnahmen-Gericht an die Reihe. Letzte Woche entschied die mit dem Fall betraute Vizepräsidentin des Zürcher Bezirksgerichts über den Fall.

Sie tat dies in unmissverständlicher Art. Ihr Beschluss vom 2. Juli schützte die Medienfreiheit ohne Wenn und Aber.

Allen Forderungen der Zürcher Staatsanwaltschaft, das Beschlagnahmte für die laufende Strafuntersuchung zu nutzen, schob sie einen Riegel.

Es bestehe „kein auch nur ansatzweise hinreichender Tatverdacht“ für einen weitreichenden Eingriff wie eine Razzia mit folgenden Sicherstellungen, urteilte die Unparteiische."

Zum Artikel auf Inside Paradeplatz

Zum Artikel auf infosperber


16.06.2025 Wirtschaftswissenschaften sind unsinniger Mist

Übersetzung des Artikels von Richard Murphy

Die Wirtschaftswissenschaften, wie sie heute gelehrt werden, sind fast völliger Unsinn. Kein Wunder, dass die Welt im Chaos steckt, wenn politische Entscheidungen auf diesem Unsinn basieren.

Vor einigen Jahren habe ich mir ein Akronym ausgedacht. Das Akronym lautete CRAp und steht für Completely Rubbish Approximations to the truth (komplette, unsinnige Annäherungen an die Wahrheit). Und die Wirtschaftswissenschaften sind, wenn man dieses Akronym verwendet, völliger Mist.

Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, denn jeden Tag wird im Radio, im Fernsehen, in allen Nachrichtenmedien, die Sie sich ansehen, und in den sozialen Medien über Wirtschaft gesprochen, und das meiste, worüber sie reden, ist ebenfalls völliger Blödsinn.

Und ich sage das aus gutem Grund. Der Großteil der Wirtschaftswissenschaften, wie sie heute gelehrt, von Politikern und Ökonomen geglaubt und in den Medien wiederholt werden, ist Unsinn, weil sie auf falschen Annahmen basieren, die zutiefst schädlich sind. Und ich denke, ich habe die Pflicht, Ihnen das zu sagen.

Im Grunde basiert die Wirtschaftslehre, die uns beigebracht wird und die zur Rechtfertigung der Vorstellung herangezogen wird, Märkte seien der beste Weg, um Ressourcen in unserer Gesellschaft zu verteilen, auf einer Reihe von Unwahrheiten.

Die größte dieser Unwahrheiten besteht darin, dass die Welt Gewissheit hat.

Wir wissen alles.

Wir ändern unsere Meinung nicht.

Wir können die Zukunft vorhersagen und es besteht kein Zweifel darüber, was passieren wird.

Wenn wir uns heute auf den Markt begeben, welcher Markt auch immer das sein mag, können wir uns über alle verfügbaren Produkte und Dienstleistungen sowie deren Preise informieren, diese mit unseren Bedürfnissen abgleichen und ein optimales Ergebnis erzielen. Und ich kann Ihnen versichern: Diese Annahme, die Ökonomen treffen müssen, damit ihre Berechnungen aufgehen, ist völliger Unsinn.

Sie wissen das. Ich weiß das. Jeder auf der Erde weiß das, und trotzdem bauen Ökonomen ihre Wirtschaftsmodelle auf der Grundlage dieser Fantasie auf.

Es ist nicht überraschend, dass diese Modelle nicht funktionieren und wir am Ende eine beschissene Wirtschaft haben, die auf dieser beschissenen Annahme aufbaut, die wiederum eine beschissene Politik anheizt, die glaubt, dass dies wahr ist, und das Ergebnis ist völliger Mist.

Mit anderen Worten: Wir haben etwas, das nur annähernd etwas Nützlichem gleichkommt, obwohl wir wissen, dass wir etwas Besseres haben könnten.

Und wir wissen schon lange, dass es besser gehen könnte. Die Vorstellung von Unsicherheit in der Welt existiert seit über einem Jahrhundert. Ihr größter früherer Vertreter war wahrscheinlich Lord Keynes, John Maynard Keynes, der meiner Meinung nach der größte Ökonom des 20. Jahrhunderts war. Er schrieb in den 1920er Jahren darüber, basierend auf den Arbeiten einiger anderer, sollte ich sagen, die kurz vor ihm kamen. Er betonte jedoch, dass die Welt unsicher ist.

Und der Unterschied zwischen einer sicheren Welt und einer unsicheren Welt ist absolut enorm.

In einer bestimmten Welt wissen Sie, welche Folgen eine von Ihnen getroffene Entscheidung haben kann.

Mit anderen Worten: Wenn Sie heute Abend ausgehen, kennen Sie die gesamte Bandbreite der möglichen Ereignisse. Wissen Sie das? Haben Sie das jemals gewusst? Natürlich nicht. Man kann einfach nicht alles vorhersagen, was so einfach passieren könnte, wenn Sie heute Abend ausgehen. Es gibt Unsicherheiten; Dinge, die wir einfach nicht kennen. Die unbekannten Unbekannten, von denen Donald Rumsfeld einmal sprach. Und diese Unsicherheiten können nicht mit einer mathematischen Wahrscheinlichkeit verbunden werden, weil wir schlicht nicht wissen, ob sie existieren oder ob sie eintreten könnten. Das bedeutet, dass unsere gesamte Wirtschaftswissenschaft falsch ist, weil sie die Möglichkeit ausschließt, dass das Unbekannte tatsächlich eintritt.

Es lässt auch die Tatsache außer Acht, dass wir irrational und inkonsequent sind und dass wir uns in Wirklichkeit nicht wie das verhalten, was ein Ökonom leicht scherzhaft als „Homo oeconomicus“ bezeichnen würde, den rationalen Menschen, den es natürlich nicht gibt.

Wenn Sie erst einmal zu dem Schluss kommen, dass etwas wie der Mensch etwas anderes ist, als er tatsächlich ist – rational, obwohl er es nicht ist –, können Sie auch viele andere absurde Annahmen treffen.

Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass der Staat eine Einschränkung des menschlichen Verhaltens darstellt und ihm eigentlich jegliche Aktivität untersagt sein sollte, da alles, was er tut, unserem Wohlbefinden schadet, weil es uns daran hindert, rationale Entscheidungen zu treffen.

Tatsache ist jedoch, dass wir keine rationalen Entscheidungen treffen und aufgrund der uns zur Verfügung stehenden Informationen möglicherweise extrem schlechte Entscheidungen treffen, die der Staat kompensieren kann. Daher ist ein Staat tatsächlich eine gute Sache, auch wenn uns die neoliberale Ökonomie das Gegenteil behauptet. Und jede einzelne etablierte politische Partei in Großbritannien – und ich betone: etabliert – ist der Ansicht, dass deshalb die Größe des Staates reduziert werden sollte. Diese Annahme ist falsch, weil die Grundlage, auf der diese Schlussfolgerung beruht, falsch ist.

Und es gibt noch weitere, ziemlich absurde Beispiele aus der Makroökonomie, bei denen Annahmen gemacht werden, die aber nicht der Wahrheit entsprechen.

Beispielsweise nimmt die Makroökonomie keine Rücksicht auf die Existenz von Unternehmen.

Es geht nicht davon aus, dass sie existieren, Macht haben oder unser Verhalten beeinflussen. Es geht davon aus, dass diese einzelne Person, der Homo oeconomicus, dieser rationale Mensch, die Instanz ist, die die Wirtschaft antreibt, obwohl dies eindeutig nicht der Fall ist. Wir haben also wieder einmal ein Wirtschaftsmodell, das in keiner Weise auf der Realität basiert, weder in Bezug auf die Regierung noch auf die Funktionsweise von Märkten.

Es gibt daher einen tiefgreifenden theoretischen blinden Fleck in der Ökonomie, und das Ergebnis ist, nun ja, erstaunlich bedeutsam. Beispielsweise basierte die gesamte Ökonomie der Austerität auf den falschen Modellen, die ich gerade erläutert habe. Sie ging davon aus, dass es bestimmte Verhaltensweisen geben würde, wenn die Regierung versuchte, den Staat zu verkleinern, die der Realität völlig widersprachen.

Und noch einmal: Die Inflationstheorie ist völlig falsch, denn sie geht – wie die Bank of England sie verfolgt – davon aus, dass Arbeitslosigkeit und Ungleichheit keine Rolle spielen. Und doch gibt es zahlreiche Belege aus Gesprächen mit Menschen und der Frage nach ihren Prioritäten: Sie sind viel besorgter über das Risiko der Arbeitslosigkeit und das Risiko der Ungleichheit innerhalb der Wirtschaft als über die Inflation.

Also noch einmal: Die Prioritäten der Wirtschaftswissenschaften sind schlichtweg falsch, weil sie die Realitäten dessen, wer wir wirklich sind, nicht berücksichtigen.

Wir treffen unsere Entscheidungen nicht auf der Grundlage von Gewissheit, weil wir das nicht können, weil wir wissen, dass es sie nicht gibt.

Wir treffen unsere Entscheidungen auf der Grundlage von Werten; das ist unsere Ethik; was wir für wichtig halten; wie wir uns unserer Meinung nach verhalten sollten, was unsere moralischen Urteile sind und so weiter.

Wir verwenden auch Heuristiken oder, wie sie allgemeiner genannt werden, Faustregeln. Das sind Dinge, die es uns ermöglichen, sehr komplexe Daten in etwas zu verwandeln, das wir verstehen können.

Wir können uns beispielsweise die große Produktvielfalt in einem Supermarkt ansehen. Vor uns liegen vielleicht 30 oder 40 Produkte, die alle ziemlich ähnlich aussehen. Doch wir verwenden eine sogenannte Heuristik, um zu entscheiden, welches wir möchten.

Wir könnten zu dem Schluss kommen, dass ein hoher Preis ein Zeichen für die hohe Qualität des Produkts ist.

Oder wir kommen zu dem Schluss, dass wir dieses bestimmte Produkt schon einmal hatten und es uns gefiel, und ignorieren deshalb den Rest.

Es spielt keine Rolle, was es ist. Der Punkt ist, dass wir die Schwierigkeit der Entscheidungsfindung in dieser Situation auf eine Art Regel reduziert haben, mit der wir die Komplexität der Märkte bewältigen können. Es mag nicht rational sein, aber wir tun es, weil es funktioniert, und das ist etwas völlig anderes als die Annahme eines Ökonomen.

Und schließlich orientieren sich Maximen an unserem Verhalten: Regeln für gutes Verhalten. Hier einige Beispiele, die hier hilfreich sein können: „Richte keinen Schaden an.“ Ein anderes Beispiel: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Diese Maximen geben uns eine Interpretation unserer Werte, die es uns ermöglicht, sie in die Praxis umzusetzen.

So treffen wir wirklich Entscheidungen, und so handeln wir angesichts von Unsicherheit. Wir müssen Modelle entwickeln, die uns helfen, zurechtzukommen, damit wir angesichts der überwältigenden Datenmenge konkrete Entscheidungen treffen können, mit denen wir leben und arbeiten können. Und genau das tun wir.

Doch dies spiegelt sich in keiner Weise in der Wirtschaftswissenschaft wider, die uns gelehrt wird, die die Politik oder das Denken des britischen Finanzministeriums bestimmt.

Warum spreche ich dann immer noch über Wirtschaft?

Warum lasse ich die ganze Idee der Wirtschaft nicht einfach fallen und rede über etwas anderes?

Bis zu einem gewissen Grad verzichte ich natürlich auf die Diskussion über Wirtschaftswissenschaften, weil ich über politische Ökonomie spreche, die sich von der Wirtschaftswissenschaft insofern unterscheidet, als sie die Existenz von Machtverhältnissen und die Art und Weise, wie diese Ressourcen innerhalb der Wirtschaft verteilen, zulässt.

So erlaube ich beispielsweise die Existenz großer Unternehmen auf meine Weise, im Gegensatz zu Ökonomen, dies nicht tun.

Was ich aber auch tun möchte, ist, die Wirtschaftswissenschaften zurückzugewinnen, die Macht, unsere Entscheidungen über die Wirtschaft zu steuern, damit sie unseren Interessen dienen können, statt ihnen zu schaden, wie es heute der Fall ist.

Das ist mein Ziel. Und zu verstehen, dass die Wirtschaftswissenschaften Mist sind, ist der erste Punkt, den wir auf dem Weg zu einer besseren Wirtschaft erreichen müssen. Wenn das, was wir haben, eine völlig minderwertige Annäherung an die Wahrheit ist, brauchen wir etwas, das menschlichem Verhalten viel besser entspricht, um die Wirtschaftswissenschaften zu erreichen, die wir uns wünschen, damit die Welt funktioniert.


18.06.2025 US-Armee ernennt Führungskräfte von Palantir, Meta und OpenAI zu Oberstleutnanten

Übersetzung des Artikels von The Grayzone

Vier leitende Angestellte von Palantir, Meta und OpenAI wurden offiziell zu Oberstleutnants der US-Armee ernannt, nachdem eine „Spezialeinheit“ für reiche Experten der großen Technologieunternehmen geschaffen worden war, die militärische Führungspositionen anstreben.

Am 13. Juni gab die Armee die Gründung des Detachment 201 bekannt, auch bekannt als „Executive Innovation Corps“, das sie als „eine neue Initiative beschreibt, die darauf abzielt, modernstes technisches Know-how mit militärischer Innovation zu verbinden“.

Vier ultrareiche Führungskräfte führender Technologieunternehmen wurden im Vorfeld der von Präsident Trump groß beworbenen Militärparade, die wiederum von Palantir gesponsert wurde, in die Einheit vereidigt. Der oberste Sprecher der Armee erklärte, das Detachment 201 werde „geschaffen, um Führungskräfte im Bereich Technologieinnovation zu gewinnen, die der Armee bei der Rekrutierung und anschließenden Ausbildung von „technikorientierten Personen“ helfen sollen.

„Indem das Det. 201 Know-how aus dem privaten Sektor in die Uniform einbringt, verstärkt es Bemühungen wie die Army Transformation Initiative, deren Ziel es ist, die Truppe schlanker, intelligenter und tödlicher zu machen“, schrieb die Armee in einer offiziellen Erklärung.

Palantir ist die mit Abstand leistungsstärkste Aktie des S&P 500 in diesem Jahr, was vor allem den gigantischen Verträgen zu verdanken ist, die das Unternehmen mit der Trump-Regierung abgeschlossen hat. Laut Firmengründer Alex Karp ist Palantir „da, um zu stören … und wenn nötig, um Feinde einzuschüchtern und sie gelegentlich zu töten.“

Die Aktien des dystopischen Datenunternehmens, das nach der alles sehenden Kugel benannt ist, mit der der böse Zauberer Saruman im „Herrn der Ringe“ Mittelerde überwacht, schossen nach dem grundlosen Angriff Israels auf den Iran auf ein Allzeithoch.

An anderer Stelle hat Karp das Modell des Katastrophenkapitalismus eifrig angenommen und bemerkt: „Schlechte Zeiten sind sehr gut für Palantir, weil wir Produkte bauen … die für Gefahren gebaut sind.“

In den letzten Jahren hat Palantir die westliche Informationswelt dominiert und genießt nun uneingeschränkten Zugriff auf sensible Daten von Bürgern in Ländern von den USA bis Großbritannien. Zu seinen Kunden zählen das Verteidigungsministerium, die CIA, die NSA, das FBI, die ICE und das Special Operations Command. Palantir hat sich zu einem zentralen Anbieter für waffenfähige KI-basierte Datenanalyse entwickelt. Inmitten der Trümmer der obsessiven Suche des nationalen Sicherheitsstaats nach Feinden im Ausland erwarb sich Palantir den Ruf, sowohl benutzerfreundlich als auch sklavisch dem Militär zu gehorchen.

„Wenn Sie sich nicht wohl dabei fühlen, die legitimen Bemühungen Amerikas und seiner Verbündeten im Kontext eines Krieges zu unterstützen, schließen Sie sich Palantir nicht an“, erklärte Karp.

In einem Artikel, der an dem Tag veröffentlicht wurde, an dem Militärbeamte die Gründung von Detachment 201 bekannt gaben, erklärte der in Mumbai geborene Palantir-CTO Shyam Sankar, er sei einer der vier Mitglieder der „Wirtschaftselite des Landes“, die für ein „Spezialkorps“ ausgewählt wurden, dessen Aufgabe es sei, „ihre technischen Talente in den Dienst der [US-]Regierung zu stellen“.

„Später heute, am Vorabend des 250. Geburtstags der US-Armee , werde ich meine rechte Hand heben, einen Eid ablegen, die Verfassung zu unterstützen und zu verteidigen, und als Oberstleutnant in das neu gegründete Detachment 201: Executive Innovation Corps der Army Reserve eintreten“, prahlte er.

Zu Sankar gesellten sich einige der, wie er es beschrieb, „beeindruckendsten Köpfe aus der Welt der Technologie: Kevin Weil, Chief Product Officer von OpenAI; Andrew „Boz“ Bosworth, Chief Technology Officer von Meta; und Bob McGrew, ehemaliger Chief Research Officer von OpenAI und Engineering Director von Palantir Technologies, wo ich als Chief Technology Officer arbeite.“

Die Schaffung der technisch versierten Poindexter-Patrouille sei notwendig gewesen, so Sankar, weil es einen „tiefen geopolitischen Wandel“ gegeben habe, in dessen Verlauf „Kriege in Europa und im Nahen Osten und vor allem die Gefahr eines Krieges im Pazifik“ die Aufmerksamkeit der Nation geschärft und eine wilde Mobilisierung ausgelöst hätten.

Trotz seiner offensichtlichen Freude darüber, dass ihm so schnell die militärische Führung zugeteilt worden war, räumte Sankar ein, dass es sich um ein ungewöhnliches Arrangement handelte.

Vor einem Jahrzehnt wäre es undenkbar gewesen, dass sich so viele Tech-Schwergewichte offen mit dem US-Militär verbündeten. Ebenso wäre es für das Militär untypisch gewesen, die Unterstützung der Wirtschaftselite des Landes zu gewinnen – geschweige denn, ein Spezialkorps zu gründen, um seine technischen Talente in den Dienst der Regierung zu stellen.

Der Palantir-Manager verwies auf „explodierende Pager und Langstrecken-Drohnenangriffe aus Schiffscontainern“ als Angriffe, die „beweisen, dass die Technologie das Schlachtfeld erneut verändert hat“ und dass „unser Militär sich mit ihr verändern muss“.

Da ihre frischgebackenen Oberstleutnants weit entfernt sind, wird Palantirs Offizierskorps nicht die Truppen für den nächsten Krieg sammeln. Doch sicher hinter ihrem digitalen Vorhang werden sie zusehen – und die nächste Generation von Nerds dazu überreden, sich ebenfalls anzumelden.


22.06.2025 Ein Rückblick auf das Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg

Wenig überraschend blicken die großen Medien vor allem in den Nahen Osten, wo die USA drei Nuklear-Anlagen im Iran bombardiert und beschädigt und damit die Welt einen deutlichen Schritt näher an einen dritten Weltkrieg gebracht haben. Dass Russland seinerseits Geschäftsleute aus über hundert Ländern nach St. Petersburg an das Wirtschaftsforum locken konnte, wird nur ungern zur Kenntnis genommen.

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24.06.2025 Chris Hedges: Kriegs-Déjà-vu

Übersetzung des Artikels von Chris Hedges

Diese Gerüchte hörten wir schon vor dem Irakkrieg 2003. 22 Jahre später sind sie wieder aufgetaucht. Wer sich für Verhandlungen, Diplomatie und Frieden einsetzt, ist ein Handlanger der Terroristen.

Es gibt kaum Unterschiede zwischen den Lügen, die den Krieg gegen den Irak entfachen sollten, und denen, die einen Krieg gegen den Iran entfachen sollten. Die Einschätzungen unserer Geheimdienste und internationalen Organisationen werden, wie schon bei den Forderungen nach einem Einmarsch in den Irak, leichtfertig als Halluzinationen abgetan.

Alle alten Klischees wurden wiederbelebt, um uns in ein weiteres militärisches Fiasko zu verleiten. Ein Land, das weder für uns noch für seine Nachbarn eine Bedrohung darstellt, steht kurz davor, in den Besitz einer Massenvernichtungswaffe zu gelangen, die unsere Existenz gefährdet.

Das Land und seine Führer verkörpern das pure Böse. Freiheit und Demokratie stehen auf dem Spiel. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird der nächste rauchende Colt ein Atompilz sein. Unsere militärische Überlegenheit sichert den Sieg. Wir sind die Retter der Welt. Massive Bombenangriffe, eine moderne Version von „Shock and Awe“, werden Frieden und Harmonie bringen.

Diese Gerüchte hörten wir schon vor dem Irakkrieg 2003. 22 Jahre später sind sie wieder aufgetaucht. Wer sich für Verhandlungen, Diplomatie und Frieden einsetzt, ist ein Handlanger der Terroristen.

Haben wir aus den Fiaskos in Afghanistan, im Irak, in Libyen und Syrien, ganz zu schweigen von der Ukraine, irgendwelche Lehren gezogen?

Alle Geister, die uns unter falschen Vorwänden diese vergangenen Kriege verkauft haben, wie etwa der konservative Talkshow-Moderator Mark Levin, Max Boot – der schreibt, „dieser strategische Imperativ spreche für die Bombardierung von Fordow“, wo das iranische Atomanreicherungsprogramm im Untergrund vergraben ist –, David Frum, John Bolton, General Jack Keane, Newt Gingrich, Sean Hannity und Thomas Friedman, sind zurückgekehrt, um die Radiowellen mit atemloser Panikmache zu überfluten.

Dabei ist ihnen ihr großer Plan, die Taliban in Afghanistan zu stürzen und anschließend die Regime im Irak, Libanon, Syrien, Libyen, Sudan, Somalia – und schließlich im Iran – zu erobern, um die Ohren geflogen. Und dass ihre Kriegslust Hunderttausende, vielleicht Millionen Tote forderte und die US-Staatskasse um Billionen Dollar belastete, ist ihnen egal.

Lassen wir die schiere Idiotie ihrer Argumente beiseite. Ihre Megaphone sind sicher. Sie sind pflichtbewusste Handlanger der Rüstungsindustrie, hirnlose Neokonservative und völkermörderische Zionisten, die an die magische Erneuerung der Welt durch Gewalt glauben und dabei eine Katastrophe nach der anderen ignorieren.

Vergessen Sie die jährliche Bedrohungseinschätzung der Geheimdienste, in der es heißt: „Der Iran baut keine Atomwaffe und der oberste Führer Khomeini hat das von ihm 2003 ausgesetzte Atomwaffenprogramm nicht genehmigt.“ Diese Aussage wurde diese Woche vom Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Rafael Grossi, wiederholt.

Vergessen Sie, dass Benjamin Netanjahu seit fast drei Jahrzehnten unentwegt davor warnt, dass der Iran kurz vor der Herstellung einer Atomwaffe steht. Vergessen Sie, dass der Präventivschlag Israels gegen den Iran ein Kriegsverbrechen ist , ganz zu schweigen von den Bombenanschlägen auf ein Krankenhaus, einen Krankenwagen und Journalisten.

Vergessen Sie die Hunderte iranischer Zivilisten, die Israel in seinen Luftangriffen niedergemetzelt hat. Vergessen Sie, dass Israel seinen Angriff auf den Iran startete, als die sechste Verhandlungsrunde über die nukleare Anreicherung zwischen den USA und dem Iran in Oman stattfinden sollte.

Vergessen Sie, dass gegen den israelischen Premierminister und nicht gegen den iranischen Staatschef ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorliegt.

Vergessen wir, dass Israel, das mitten in einem Völkermordfeldzug gegen die Palästinenser steckt, mindestens 90 Atomwaffen besitzt – gebaut unter Verletzung des Atomwaffensperrvertrags (NPT) – und Inspektionen der IAEA blockiert. Vergessen wir auch, dass Donald Trump 2018 den Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan (JCPOA) aufkündigte , ein Abkommen zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms, an das sich der Iran hielt.

Vergessen Sie, dass Washington und London den Putsch von 1953 orchestrierten , der die demokratisch gewählte Regierung des Iran stürzte – die erste in der Region – und den willfährigen Schah Mohammad Reza Pahlavi an die Macht brachte. Vergessen Sie, dass die USA gemeinsam mit Israel des Schahs, den SAVAK, die brutale Geheimpolizei ausbildeten und ausrüsteten.

Bombe! Bombe! Bombe!

Das angebliche iranische Atomwaffenprogramm ist das unbewiesene Äquivalent zu Saddam Husseins mythischen Massenvernichtungswaffen und seinem Bündnis mit Al-Qaida.

Die Invasion und Besetzung des Irak, die zum Tod von über 4.000 US-Soldaten und Marines sowie Hunderttausenden irakischen Zivilisten führte, hatte weitreichende Zerstörung und regionale Instabilität zur Folge und führte zur Entstehung einer Reihe fanatischer extremistischer Gruppen, darunter des Islamischen Staates im Irak und Syrien (ISIS).

Die Zusicherungen – dass unsere Invasion in Bagdad eine Demokratie einführen würde, die Wirkung zeigen im gesamten Nahen Osten würde, dass man uns als Befreier begrüßen würde und dass die Öleinnahmen den Wiederaufbau finanzieren würden – waren eine Fantasie der Regierung von George W. Bush und der Washingtoner Thinktanks.

Diese Anhänger endloser Kriege begreifen weder die Mechanismen noch die Folgen des Krieges. Sie kennen die Länder, die sie angreifen, weder kulturell, historisch noch sprachlich. Irak. Afghanistan. Libyen. Syrien. Iran. Ich bezweifle, dass sie den Unterschied erkennen.

Diese Kriegsbefürworter sind, sobald sich ihr Unrecht herausstellt, geübt darin, Entschuldigungen auszusprechen. Sie versichern uns ihre guten Absichten. Sie wollten keine Desinformation verbreiten. Sie wollten lediglich die Welt vor „Übeltätern“ schützen und unsere nationale Sicherheit wahren.

Niemand, nicht einmal die Regierungen Bush und Trump, handeln absichtlich unehrlich. Es ist nicht ihre Schuld, wenn sie auf Grundlage fehlerhafter Geheimdienstinformationen handeln. Das Problem liegt im Urteilsvermögen, nicht in der Tugend. Sie sind gute Menschen.

Doch genau das ist vielleicht die größte Lüge. Die Geheimdienstauswertungen, die zur Rechtfertigung des Irak-Krieges herangezogen wurden, wurden von einer Kabale durchgeknallter Neokonservativer und fanatischer Zionisten erfunden , weil ihnen die Einschätzungen der Central Intelligence Agency (CIA) und anderer Geheimdienste nicht gefielen.

Nun erfindet eine weitere, von Israel-First-Anhängern dominierte Kabalegefälschte Geheimdienstberichte, um einen Krieg mit dem Iran zu rechtfertigen. Diese Kriege werden nicht in gutem Glauben geführt. Sie basieren nicht auf einer sorgfältigen und rationalen Auswertung überprüfbarer Geheimdienstinformationen. Es sind utopische Visionen, losgelöst von der Realität. Unsere eigenen Geheimdienste werden ebenso ignoriert wie internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, Massenvernichtungswaffeninspektoren oder die IAEA.

Die Geschichte des modernen Iran ist die Geschichte eines Volkes, das gegen Tyrannen kämpfte, die von westlichen Mächten unterstützt und finanziert wurden. Die jahrzehntelange brutale Niederschlagung legitimer demokratischer Bewegungen führte zur Revolution von 1979, die die iranischen Geistlichen an die Macht brachte.

Die neue islamische Regierung von Ayatollah Ruhollah Khomeini verteidigte den Islam und plädierte dafür, den „arroganten“ Weltmächten und ihren regionalen Verbündeten die Stirn zu bieten, die andere – darunter auch die Palästinenser – unterdrücken würden, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

„Die zentrale Geschichte des Iran in den letzten 200 Jahren war die nationale Demütigung durch ausländische Mächte, die das Land unterworfen und ausgeplündert haben“, sagte mir Stephen Kinzer, der Autor des Buches All the Shah’s Men: An American Coup and the Roots of Middle East Terror .

Lange Zeit waren die Täter Briten und Russen. Ab 1953 übernahmen die USA diese Rolle. In diesem Jahr stürzten die amerikanischen und britischen Geheimdienste eine gewählte Regierung, löschten die iranische Demokratie aus und führten das Land auf den Weg in die Diktatur.

„In den 1980er Jahren unterstützten die USA Saddam Hussein im Iran-Irak-Krieg und versorgten ihn mit militärischer Ausrüstung und Geheimdienstinformationen, die seiner Armee die Tötung Hunderttausender Iraner ermöglichten“, sagte Kinzer. „Angesichts dieser Geschichte ist die moralische Glaubwürdigkeit der USA, sich als Förderer der Demokratie im Iran darzustellen, nahezu null.“

Ein Interview, das ich mit Kinzer über den Iran geführt habe, können Sie hier sehen.

Wie würden wir reagieren, wenn der Iran in den USA einen Putsch inszenieren würde, um eine gewählte Regierung durch einen brutalen Diktator zu ersetzen, der jahrzehntelang Demokratieaktivisten verfolgt, ermordet und inhaftiert hat? Wie würden wir reagieren, wenn der Iran einen Nachbarstaat bewaffnet und finanziert, um Krieg gegen uns zu führen, wie wir es während des achtjährigen Krieges mit dem Irak getan haben?

Wie würden wir reagieren, wenn der Iran eines unserer Passagierflugzeuge abschießen würde, wie es die USS Vincennes (CG49) – von den Besatzungen anderer amerikanischer Schiffe ätzend „Robocruiser“ genannt – im Juli 1988 tat, als sie Raketen auf ein mit iranischen Zivilisten besetztes Verkehrsflugzeug abfeuerte und dabei alle 290 Passagiere, darunter 66 Kinder, tötete?

Wie würden wir reagieren, wenn iranische Geheimdienste den Terrorismus in den USA unterstützen würden, so wie es unsere und Israels Geheimdienste im Iran tun? Wie würden wir reagieren, wenn diese staatlich geförderten Terroranschläge Selbstmordattentate, Entführungen, Enthauptungen, Sabotageakte und gezielte Morde an Regierungsbeamten, Wissenschaftlern und anderen iranischen Führungspersönlichkeiten umfassten?

Wie würden wir reagieren, wenn uns ein Land wie Israel auf der Grundlage einer Hypothese angreifen würde, ein Angriff, der gemäß der UN-Charta, die Präventivkriege verbietet, illegal ist?

Die Kriegstreiber, die diese militärischen Fiaskos orchestrieren, sind wieder einmal aus ihren Gräbern auferstanden. Wie Zombies ziehen sie von Regierung zu Regierung. Sie haben sich in Thinktanks verschanzt – dem Project for the New American Century, dem American Enterprise Institute, der Foreign Policy Research Initiative , dem Atlantic Council und der Brookings Institution – und werden von Konzernen, der Israel-Lobby und der Rüstungsindustrie finanziert.

Sie sind Marionetten, die von ihren Herren hin- und hergeschoben werden, denen die bankrotten Medien Megaphone in die Hand drücken und die uns von einem Sumpf in den nächsten treiben.

Die alten Gesichter und die alten Lügen sind zurück und treiben uns in einen weiteren Albtraum.


24.06.2025 US-Richter erlaubt Unternehmen, KI mit urheberrechtlich geschütztem literarischem Material zu trainieren

Übersetzung des Artikels von Al Jazeera:

Das Urteil stellt sich gegen die Autoren, die behaupteten, dass Anthropic ohne Zustimmung ein KI-Modell mit ihrer Arbeit trainiert habe.

Ein US-Bundesrichter hat entschieden, dass das Unternehmen Anthropic die Bücher, die es zum Trainieren von Werkzeugen der künstlichen Intelligenz (KI) verwendete, ohne die Erlaubnis der Autoren „fair verwendet“ habe.

Das positive Urteil fällt in eine Zeit, in der die Auswirkungen der KI von Regulierungsbehörden und politischen Entscheidungsträgern diskutiert werden und die Branche ihren politischen Einfluss nutzt, um auf einen lockeren Regulierungsrahmen zu drängen.

„Wie jeder Leser, der Schriftsteller werden möchte, wurden die LLMs [Large Language Models] von Anthropic nicht anhand von Werken geschult, um diese zu überstürzen und zu replizieren oder zu ersetzen – sondern um eine schwierige Wende zu schaffen und etwas anderes zu schaffen“, sagte der US-Bezirksrichter William Alsup.

Eine Gruppe von Autoren hatte eine Sammelklage eingereicht, in der sie behaupteten, dass die Verwendung ihrer Arbeit durch Anthropic zum Trainieren seines Chatbots Claude ohne ihre Zustimmung illegal sei.

Alsup betonte jedoch, dass das KI-System nicht gegen die Schutzbestimmungen des US-amerikanischen Urheberrechts verstoßen habe, die darauf abzielen, „Kreativität zu ermöglichen und den wissenschaftlichen Fortschritt zu fördern“.

Er akzeptierte die Behauptung von Anthropic, dass die Ergebnisse der KI „überaus transformativ“ seien und daher unter den Fair-Use-Schutz fielen.

Alsup entschied jedoch, dass das Kopieren und Speichern von sieben Millionen Raubkopien von Büchern durch Anthropics in einer „Zentralbibliothek“ die Urheberrechte der Autoren verletzte und keinen fairen Gebrauch darstellte.

Die Fair-Use-Doktrin, die die begrenzte Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials für kreative Zwecke erlaubt, wird von Technologieunternehmen bei der Entwicklung generativer KI angewendet. Technologieentwickler nutzen oft große Mengen vorhandenen Materials, um ihre KI-Modelle zu trainieren.

Dennoch wird weiterhin heftig darüber debattiert, ob KI zu mehr künstlerischer Kreativität führt oder die Massenproduktion billiger Imitationen ermöglicht, die Künstler zum Vorteil großer Unternehmen überflüssig machen.

Die klagenden Autoren Andrea Bartz, Charles Graeber und Kirk Wallace Johnson behaupteten, dass die Praktiken von Anthropic einem „groß angelegten Diebstahl“ gleichkämen und dass das Unternehmen versucht habe, „aus der Ausbeutung des menschlichen Ausdrucks und Einfallsreichtums, der hinter jedem dieser Werke steht, Profit zu schlagen“.

Obwohl die Entscheidung vom Dienstag als Sieg für die KI-Entwickler gewertet wurde, entschied Alsup dennoch, dass Anthropic im Dezember wegen des mutmaßlichen Diebstahls von Raubkopien vor Gericht gestellt werden müsse.

Der Richter schrieb, das Unternehmen habe „keinen Anspruch darauf, Raubkopien für seine zentrale Bibliothek zu verwenden“.


25.06.2025 Oberster Gerichtshof macht den Weg frei für Trumps Netzwerk globaler Gulags

Übersetzung des Artikels in Public Notice

Und dabei brennen die MAGA-Richter die Justiz nieder.

Am Montag fällte der Oberste Gerichtshof sein bisher beschämendstes Urteil im Schattengerichtsverfahren.

Mit einem einzigen harmlosen Absatz entzog das Gericht gleichzeitig den Richtern der unteren Instanzen den Boden und verurteilte zahllose Einwanderer zur Überstellung in ein System globaler Gulags.

Es handelt sich um eine Entscheidung, die eine nachhaltige zerstörerische Wirkung auf die amerikanische Zivilgesellschaft und den Respekt vor den Gerichten haben wird.

„Ich kann mich einem so groben Missbrauch des Billigkeitsermessens des Gerichts nicht anschließen“, schrieb Richterin Sonia Sotomayor in ihrer leidenschaftlichen abweichenden Meinung.

DVD gegen DHS

In dem Fall geht es um die Anfechtung von Abschiebungen aus Drittländern, also von Einwanderern, die nicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können und stattdessen in einem anderen Land abgeschoben werden, das sie aufnimmt. [Anm.: "DHS" ist das Department of Homeland Security, Ministerium für innere Sicherheit; "DVD" sind die Initialen eines der Kläger, der als kubanischer Einwohner von Massachusetts identifiziert wurde, dessen Frau und zwei Kinder US-Bürger sind und die gegen das Department of Homeland Security prozessieren.]

Wie die meisten Menschen, die Trumps Abschiebe-Razzia zum Opfer fallen, wurde die große Mehrheit der betroffenen Einwanderer bereits vor Jahren wieder in die Gesellschaft entlassen und hat niemandem geschadet – eine Tatsache, die die Regierung zu vertuschen versucht, indem sie Polizeifotos der winzigen Minderheit der Abgeschobenen mit schweren Vorstrafen in die Welt setzt.

Doch The Intercept berichtet, dass das Weiße Haus in seinem blutrünstigen Bestreben, so viele Menschen wie möglich so schnell wie möglich hinauszuwerfen, „mit mindestens 19 Ländern Vereinbarungen erkundet, angestrebt oder abgeschlossen hat: Angola, Benin, Costa Rica, El Salvador, Eswatini, Äquatorialguinea, Guatemala, Guyana, Honduras, Kosovo, Libyen, Mexiko, Moldawien, Mongolei, Panama, Ruanda, Saudi-Arabien, Ukraine und Usbekistan.“

Am 23. März klagte eine Gruppe von Häftlingen vor dem Bezirksgericht von Massachusetts auf eine einstweilige Verfügung, die die Regierung daran hindern soll, sie ohne Vorankündigung und mit Einspruchsmöglichkeit gemäß der Antifolterkonvention (CAT) in Drittländer abzuschieben. Unter Berufung auf die Urteile des Obersten Gerichtshofs in Fällen des Alien Enemies Act argumentierte Richter Brian Murphy, dass es eindeutig gegen ein ordnungsgemäßes Verfahren verstößt, Menschen beim Einsteigen in Flugzeuge mitzuteilen, dass sie in einem Land abgesetzt werden, das sie noch nie gesehen haben:

Dieser Fall wirft eine einfache Frage auf: Bevor die Vereinigten Staaten jemanden zwangsweise in ein anderes Land als sein Herkunftsland abschieben, muss dieser Person dann mitgeteilt werden, wohin sie geht, und muss sie die Möglichkeit erhalten, den Vereinigten Staaten mitzuteilen, dass sie im Falle einer Abschiebung getötet werden könnte? Die Angeklagten argumentieren, dass die Vereinigten Staaten einen abschiebbaren Ausländer in ein anderes Land als sein Herkunftsland abschieben dürfen, in das ein Einwanderungsrichter die Abschiebung nicht angeordnet hat, und wo er sofort gefoltert und getötet werden könnte, ohne der Person die Möglichkeit zu geben, den Abschiebungsbehörden mitzuteilen, dass sie aufgrund einer solchen Abschiebung in großer Gefahr oder mit dem Tod rechnen muss. Alle neun amtierenden Richter des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, der stellvertretende Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten, der Kongress, der gesunde Menschenverstand, grundlegende Anständigkeit und dieser Gerichtshof sind anderer Meinung.

Richter Murphy ordnete an, dass die Regierung den Häftlingen eine schriftliche Mitteilung „in einer für den Ausländer verständlichen Sprache“ zukommen lassen müsse. „Diesem Ausländer muss ausreichend Gelegenheit gegeben werden, seine Angst vor einer Rückführung zu äußern, um Anspruch auf den CAT-Schutz zu haben. Und … falls sich herausstellt, dass der Ausländer keine ‚begründete Angst‘ nachgewiesen hat, muss ihm eine ausreichende Gelegenheit und mindestens 15 Tage Zeit gegeben werden, um die Wiederaufnahme des Einwanderungsverfahrens zu beantragen und die mögliche Abschiebung in ein Drittland anzufechten.“

Es sei darauf hingewiesen, dass Richter Murphy die Regierung wiederholt aufgefordert hat, die Mindestfrist für die Benachrichtigung festzulegen, die ihrer Ansicht nach einem ordnungsgemäßen Verfahren entspricht. Das Justizministerium, möglicherweise aus Angst vor einer Missachtung des Gerichts, falls das Ministerium die Frist ignoriert, weigerte sich strikt, überhaupt eine Benachrichtigung zu veranlassen.

Die Regierung legte Berufung beim Ersten Gerichtsbezirk ein, der sich jedoch weigerte, Richter Murphys Urteil bis zur Berufung auszusetzen. Daraufhin beantragte das Justizministerium eine Eilprüfung beim Obersten Gerichtshof. Doch inzwischen war die Situation völlig außer Kontrolle geraten, da sich die Regierung beharrlich weigerte, der Anordnung des Gerichts Folge zu leisten.

Gefälschte Compliance

Am 31. März, nur zwei Tage nachdem Richter Murphy seine einstweilige Verfügung erlassen hatte, schob das DHS drei Männer, die unter die einstweilige Verfügung fielen, nach El Salvador ab. Die Regierung erklärte, das Verteidigungsministerium habe die Männer transportiert – allerdings nachdem das DHS sie auf einem Rollfeld in Guantanamo ausgesetzt hatte.

Das Justizministerium argumentierte, dass die einstweilige Verfügung nicht verletzt worden sei, da sich keine Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums an Bord des Überstellungsfluges befunden hätten. Das ist juristisch so, als würde man sich mit dem Mittelfinger an der Augenbraue kratzen und dabei den Richter direkt anstarren.

Am 7. Mai eilten die Kläger dann vor Gericht und forderten eine einstweilige Verfügung, nachdem Berichte aufgetaucht waren, wonach die Regierung Migranten nach Libyen ausliefern wolle, wo Gefangene ihren Angaben zufolge als Sklaven verkauft werden .

„Sollten auch nur der geringste Zweifel bestehen – und das Gericht sieht keinen –, würden die angeblich unmittelbar bevorstehenden Abschiebungen, wie sie von Nachrichtenagenturen berichtet und von den Klägern anhand von Berichten von Sammelklägern und öffentlichen Informationen zu belegen versucht werden, eindeutig gegen die Anordnung des Gerichts verstoßen“, schrieb Richter Murphy . Daraufhin reichte Außenminister Marco Rubio eine Erklärung ein, in der er dem Richter beschuldigte, er mische sich in die US-Außenpolitik ein, indem er der Regierung die illegale Überstellung von Menschen in ein Land ohne stabile Regierung verbiete.

Das Justizministerium musste zudem seine Behauptung zurückziehen, ein Mann aus Guatemala, der behauptete, in Mexiko entführt, vergewaltigt und gegen Lösegeld festgehalten worden zu sein, habe seinen Wachen unbekümmert mitgeteilt, er habe keine Angst vor einer Abschiebung dorthin, selbst als er in einen Bus zum Flughafen verladen wurde. Dieses Szenario – so absurd, dass es beleidigend wirkt – stellte sich als falsch heraus, obwohl die Regierung seine Richtigkeit vor mehreren Gerichten bestätigte.

Der Mann wurde schließlich in die USA zurückgeschickt. Doch die Regierung hatte nicht die Absicht, der gerichtlichen Anordnung Folge zu leisten, und am 20. Mai startete ein Flugzeug mit acht Männern, die nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden konnten, in Richtung Südsudan.

Verachtung unter jedem anderen Namen

Am Morgen des 19. Mai wurden acht Häftlinge einer ICE-Einrichtung in Harlingen, Texas, darüber informiert, dass sie am folgenden Tag nach Südafrika abgeschoben würden. Um 18:35 Uhr teilte man ihnen mit, das korrekte Ziel sei der Südsudan, ein Land, das auf der „Reiseverbotsliste“ des US-Außenministeriums steht, weil dort „ausländische Staatsangehörige Opfer von Vergewaltigung , sexuellen Übergriffen, bewaffneten Raubüberfällen und anderen Gewaltverbrechen“ geworden seien

Am 20. Mai um 9 Uhr morgens waren sie bereits auf dem Weg nach Afrika.

Richter Murphy lud die Parteien am Nachmittag zu einer Anhörung vor Gericht. Die Regierung räumte ein, dass sich die Männer zu diesem Zeitpunkt auf einem Rollfeld in Dschibuti befanden. Als Richter Murphy feststellte, dass das DHS seine Anordnung erneut missachtet hatte, bat er das DOJ (Department of Justice), eine Lösung zu finden, um den Männern das ihnen zustehende Verfahren zu ermöglichen, insbesondere Zeit zu geben, ihre Anwälte zu konsultieren und einem Einwanderungsrichter die Angst vor Folter mitzuteilen. Die anwesenden DOJ-Anwälte beantragten eine Unterbrechung, um sich mit dem DHS zu beraten. Anschließend teilten sie dem Gericht mit, dass sie all dies erledigen könnten, während die Männer in Dschibuti zurückblieben.

Um es klar zu sagen: Das war die Entscheidung der Regierung. Das DHS hätte sie in das texanische Internierungslager zurückbringen können. Doch seitdem lügt das Justizministerium in Gerichtsdokumenten und wirft Richter Murphy vor, dem DHS eine unhaltbare und gefährliche Situation aufgezwungen zu haben.

„Nachdem das Gericht mitten im Flug dieser Ausländer eine Vollbremsung eingelegt und die Regierung so gezwungen hatte, sie auf einem Militärstützpunkt in Dschibuti festzuhalten, der weder für die Unterbringung solcher Krimineller vorgesehen noch ausgerüstet war, präzisierte es seine einstweilige Verfügung rückwirkend, um dem DHS zusätzliche belastende Verfahren aufzuerlegen“, beschwerte sich Generalstaatsanwalt John Sauer in seinem Antrag auf Aussetzung der Anordnung des Untergerichts beim Obersten Gerichtshof. „Dadurch stehen die Vereinigten Staaten vor der unerträglichen Wahl, diese Ausländer für weitere Verfahren in einer Militäreinrichtung auf ausländischem Boden festzuhalten – wo jeder Tag ihrer fortgesetzten Gefangenschaft die amerikanische Außenpolitik schwer schädigen könnte – oder diese verurteilten Kriminellen nach Amerika zurückzuschicken.“

Genau das segnen die Konservativen des Obersten Gerichtshofs mit diesem Beschluss auf der Schattenliste. Sie geben Trump grünes Licht für die Errichtung dieses Systems globaler Gulags und die Auslieferung von Menschen ohne Verbindung zu diesen Ländern. Sie sollen dort auf unbestimmte Zeit inhaftiert, auf die Straße gesetzt oder möglicherweise an Orte zurückgeführt werden, wo sie nach Einschätzung amerikanischer Einwanderungsrichter einer ernsthaften Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind.

Es ist, wie Richter Murphy sagte, schockierend unmenschlich und widerspricht dem in der Verfassung garantierten Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Es ist zudem ein Angriff auf die Fähigkeit der Bundesjustiz, die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen.

Die Justiz niederbrennen, um Trump zu retten

Wie Richterin Sotomayor in ihrer wütenden abweichenden Meinung feststellte, sollten Parteien, die in böser Absicht gehandelt haben, nach der „Clean Hands“-Doktrin von der Billigkeitsforderung ausgeschlossen sein. Dennoch belohnen die Konservativen des Obersten Gerichtshofs nun das Justizministerium und das Heimatschutzministerium für die wiederholte Missachtung von Richter Murphys Anordnung und erlauben ihnen, das von ihnen verursachte Chaos als Rechtfertigung für weitere Gesetzesverstöße zu nutzen.

„Angesichts ihres Verhaltens in diesem Verfahren ähnelt die Haltung der Regierung der eines Brandstifters, der die Notrufnummer 911 anruft, um Feuerwehrleute wegen Verstoßes gegen eine örtliche Lärmschutzverordnung zu melden“, spottete Richterin Sotomayor.

Zudem funktioniert das Justizsystem nur, wenn Prozessparteien verstehen, dass sie sich an Urteile halten müssen, mit denen sie nicht einverstanden sind. Wenn die Regierung einfach den Mittelfinger zeigen und weiterhin Gerichtsbeschlüsse missachten kann, ist das gesamte System der gegenseitigen Kontrolle bedeutungslos.

Sotomayor schreibt:

Die Regierung missachtete damit offen zwei Gerichtsbeschlüsse, darunter auch den, gegen den sie nun Rechtsmittel einlegen möchte. Selbst wenn die fraglichen Verfügungen fehlerhaft gewesen sein sollten, war die Regierung verpflichtet, ihnen Folge zu leisten, bis sie in einem geordneten und ordnungsgemäßen Verfahren aufgehoben würden. Dieser Grundsatz ist ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit. Das Fehlverhalten der Regierung bedroht ihn zutiefst. Dies gilt auch für die Entscheidung dieses Gerichts, der Regierung angemessenen Rechtsbehelf zu gewähren. Dies ist nicht das erste Mal, dass das Gericht die Augen vor Nichtbefolgung verschließt, und ich fürchte, es wird auch nicht das letzte Mal sein. Doch jedes Mal, wenn dieses Gericht Nichtbefolgung mit Ermessensspielraum belohnt, untergräbt es den Respekt vor Gerichten und der Rechtsstaatlichkeit weiter.

Es ist ein schlechter Tag für die Demokratie. Die Schuld an der Grausamkeit, die diesem Ereignis unweigerlich folgen wird, tragen ganz klar die Konservativen des Gerichts.


25.06.2025 Einem Schwein Lippenstift auftragen

Wenn man sich schon mit "gewinnen" und "verlieren" beschäftigen will:

Übersetzung des Artikels von John Mearsheimer

Benjamin Netanjahu hat gerade den Sieg im zwölftägigen Krieg zwischen Israel und dem Iran erklärt.

Das ist Unsinn.

Entgegen Netanjahus Behauptungen konnte Israel seine beiden Hauptziele nicht erreichen.

Tatsächlich ist es dadurch weniger wahrscheinlich geworden, dass eines dieser Ziele jemals erreicht wird.

Erstens hat Israel – selbst mit der Hilfe der USA – das iranische Atomanreicherungsprogramm nicht beendet. Ein Angriff auf den Iran macht es sogar wahrscheinlicher, dass der Iran in den Besitz von Atomwaffen kommt, und nicht weniger.

Zweitens gelang es Israel nicht, einen Regimewechsel im Iran herbeizuführen. Vielmehr hat das Regime heute eine noch größere Kontrolle über das Land als am 12. Juni, dem Tag vor Beginn der israelischen Bombenangriffe.

Darüber hinaus stellten iranische Raketen und Drohnen eine erhebliche Belastung für Israel dar, da dem Land die Luftabwehrraketen ausgingen und es offensichtlich nicht über die nötige Entschlossenheit verfügte, einen Zermürbungskrieg zu führen, während dies bei den Iranern der Fall war.

In meiner Welt nennt man das Verlieren, nicht Gewinnen.


25.06.2025 Angesichts der täglichen Massaker erwägt die EU Maßnahmen gegen Israel.

Übersetzung des Artikels von The Spectacle

Brüssel braucht mehr Zeit, um zu entscheiden, ob 21 Monate Völkermord eine Grenze überschreiten.

Guten Tag,

Und zunächst einmal: Lasst uns alle der Europäischen Union für ihre mutige und entschlossene Führung angesichts des Völkermords herzlich applaudieren. Diese Woche kündigte die nicht gewählte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas an, die Union könne gegen Israel vorgehen, falls sich die Lage im Gazastreifen nicht verbessere. Für mich ist das eine ziemlich erschütternde Enthüllung, wenn man bedenkt, dass die Lage im Gazastreifen derzeit von Massengräbern, grasfressenden Kindern, völlig zerbombten Krankenhäusern und wie Wild niedergeschossenen Hilfssuchenden geprägt ist.

Aber natürlich braucht Brüssel mehr Zeit, um zu entscheiden, ob Israels zweijährige Serie von Kriegsverbrechen eine Grenze überschreitet. Vielleicht wartet man darauf, dass die Palästinenser telepathische Fähigkeiten entwickeln, um unter Beschuss Beschwerde einreichen zu können. Oder vielleicht handelt es sich einfach nur um inkompetente Heuchler, denen die regelbasierte Ordnung, die sie propagieren, völlig egal ist, solange sie ihnen nichts nützt.

Die „Hilfs“-Todeslotterie.

Während die EU zögert, zögert und zögert, industrialisiert Israel unter dem Deckmantel der Hilfsverteilung den Massenmord. Hier kommt die „Gaza Humanitarian Foundation (GHF)“ ins Spiel, ein von den USA und Israel unterstütztes Projekt, das weniger humanitär als vielmehr ein Schießstand für hungernde Zivilisten ist. Der Mord der letzten zwei Wochen verdeutlicht die Geschichte: Am 17. Juni 2025 töteten israelische Truppen in Khan Younis 70 Palästinenser mit Panzergranaten und Drohnen, als sich Menschenmengen zum Mehlkauf versammelten. Überlebende beschreiben die Leichen als „zerfetzt“.

Drei Tage später wurden im Zentrum und im Süden des Gazastreifens 34 Hilfssuchende niedergemetzelt, wodurch die Zahl der Todesopfer durch die GHF seit Ende Mai auf 409 stieg.

Am 11. Juni verblutete der 19-jährige Hatem Shaldan nach einem Angriff im hohen Gras. Sein Bruder musste seine Leiche aus einem mit Leichen beladenen Lastwagen bergen.

Dies war nie ein „Kollateralschaden“. Wir erleben hier ein System des Völkermords, und der GHF ist lediglich eine als Hilfsgüter getarnte Todesfalle. Israel hat 2,3 Millionen Menschen durch Belagerungen verhungern lassen, hält ihnen nun an militarisierten Verteilungspunkten Krümel hin, eröffnet das Feuer, wenn Zivilisten sich auf die Lebensmittel stürzen, und beschuldigt die Opfer, Hilfslastwagen „gestürmt“ zu haben. Es sind Hungerspiele mit deutscher Ingenieurskunst und amerikanischer Finanzierung.

Ich bin feige.

Die von 17 Mitgliedsstaaten initiierte Überprüfung der israelischen Menschenrechtsverletzungen durch den Block ergab, dass es Hinweise darauf gibt, dass Israel seine Verpflichtungen verletzt hat. Wow, das ist wirklich bahnbrechende Arbeit, EU.

So sieht die Reaktion in der EU-Sprache aus: Der Handel läuft im Rahmen des 68 Milliarden Euro schweren Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel weiter, wobei Deutschland und Italien sogar eine teilweise Aussetzung blockieren. Der Waffenhandel geht weiter, Deutschland genehmigt weiterhin Waffenexporte und erwägt, Netanjahu zu empfangen. Gleichzeitig entfaltet sich diplomatisches Theater: Frankreich gibt zu, dass Israel gegen das Abkommen verstoßen hat, verschiebt aber Konsequenzen bis Juli … warum?

Spanien und Irland, die sich rühmen wollen, fordern Sanktionen, werden aber von Ungarn mit einem Veto belegt, das die Untersuchung als „empörend und unanständig“ bezeichnet. Ich persönlich finde, dieser Ausdruck beschreibt die 70 Leichen in Khan Younis besser.

Die Ausreden der EU sind so durchsichtig wie ihre Komplizenschaft. „Wir brauchen Konsens“, rufen sie, was, seien wir ehrlich, ein Synonym dafür ist, Netanjahus Fanclub (Orban und andere) die Justiz mit einem Vetorecht zu überlassen. „Konzentriert euch auf den Iran“, schlagen sie vor – als gäbe es einen Terminkonflikt beim Völkermord. „Hilfsgüter haben Priorität“, beharren sie – während Israel die Lastwagen bombardiert, die sie ins Land bringen sollen. Es ist surreal und unhaltbar.

Als Russland in die Ukraine einmarschierte, fror der Block innerhalb weniger Tage Vermögenswerte ein. Für die Palästinenser? Sechshundert Tage „vielleicht nächsten Monat“. Die Botschaft ist klar: Das Völkerrecht ist ein Strafprogramm für den Globalen Süden, nicht für Israel.

Die Regeln des Westens sind mit palästinensischem Blut geschrieben.

Man darf die Lähmung der EU nicht mit Bürokratie verwechseln. Sie hat ideologische Gründe. Die EU weiß, dass der Völkermord stattfindet.

So sieht der moralische Zusammenbruch Europas aus und wir erleben ihn gerade: Satellitenbilder zeigen, wie im Mai 2025 ganze Städte wie Khuza'a ausgelöscht wurden und die Reaktion der EU lautet: „Wir werden ein Auge darauf haben.“

Die Straße sagt Nein, doch der Staat unterzeichnet die Verträge, die Spannungen erreichen ein beispielloses Ausmaß.

Hier ist also der Zeitplan der EU für Sie, liebe Zuschauer: Warten Sie, bis Gaza zu Staub geworden ist, geben Sie eine Erklärung heraus, in der Sie die Gewalt verurteilen, und nehmen Sie dann den Handel mit Israels glänzenden neuen Siedlungen wieder auf.

Die Frage an die Kommentatoren: Wie viele Massengräber muss es noch geben, bis aus den „Hinweisen“ der EU Anklagen werden?


26.06.2025 Nato-Gipfel in Den Haag: Ein Meilenstein auf dem Weg in einen dritten Weltkrieg

Statt bisher zwei wollen sie spätestens in zehn Jahren fünf Prozent des BIP für Kriegszwecke ausgeben: 3,5 Prozent für rein militärische Ausgaben wie Truppen und Waffen, weitere 1,5 Prozent für erweiterte Maßnahmen wie Cybersicherheit, Infrastruktur und den Bau von Kasernen. Statt 1,5 Billionen Dollar im Jahr 2024 würde die Nato dann – ohne Berücksichtigung von Wachstum und Inflation – 2,8 Billionen Dollar für militärische Zwecke ausgeben. Das ist mehr als die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung von Kanada oder Italien.

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27.06.2025 Die fiktive Geisteskrankheit, die nur Feinde des westlichen Imperiums betrifft

Übersetzung des Artikels von Caitlin Johnstone:

In den Erzählungen westlicher Politiker und Kommentatoren gibt es eine fiktive Art von Geisteskrankheit, die nur Menschen betrifft, die dem US-Imperium nicht gefallen.

Wenn der Iran eine Atomwaffe bekommt, wird seine verrückte Regierung ausrasten und uns alle mit Atomwaffen angreifen.

Passen Sie auf die Hamas, die Hisbollah und die Houthis auf, diese Typen sind ein Haufen wahnsinniger Antisemiten, die Israelis angreifen wollen, nur weil sie Juden sind.

Oh nein, Putin marschiert völlig grundlos in die Ukraine ein, weil er ein Verrückter ist, der die Freiheit hasst und nicht aufhören wird, bis er ganz Europa erobert hat.

China baut sein Militär auf, weil der größenwahnsinnige Xi Jinping die Weltherrschaft an sich reißen will. Die ganzen US-Militärstützpunkte rund um China sind bloß eine Verteidigungsmaßnahme, um Pekings Wahnsinn einzudämmen.

Assad ist eines Tages einfach durchgedreht und hat aus heiterem Himmel angefangen, sein eigenes Volk abzuschlachten.

Gaddafi ist ein sexueller Sadist, der seinen Truppen Viagra gibt, damit sie in Libyen Massenvergewaltigungen begehen.

Saddam Hussein ist so verrückt und böse, dass er versucht, Massenvernichtungswaffen zu beschaffen, um den Amerikanern einen weiteren 11. September zu bescheren.

Früher galten die Nordkoreaner als viel zu verrückt, um den Besitz von Atomwaffen zuzulassen, weil sie San Francisco sofort mit Atomwaffen angreifen würden. Doch nachdem sie über Atomwaffen verfügten, wurden sie auf wundersame Weise von dieser seltenen psychischen Störung geheilt.

Die Geschichten über das westliche Imperium wollen uns glauben machen, dass jeder, der ins Fadenkreuz des Imperiums gerät, ein irrationaler Akteur ist, dessen verrücktes Verhalten nur auf einen unkontrollierbaren Defekt in seinem eigenen Gehirn zurückzuführen ist, oder der bald durchdrehen und etwas Verrücktes tun wird, wenn man ihn nicht mit Gewalt in Schach hält.

Ein Antagonist, der in diesen Märchen des westlichen Imperiums nie auftaucht, ist das westliche Imperium selbst. In der Erzählung des Imperiums gibt es keine weltumspannende Machtstruktur, die ständig Gewalt und Zerstörung über die Bevölkerung der Welt bringt und gleichzeitig versucht, jede Nation zu vernichten, die sich ihren Befehlen widersetzt. Es ist nur ein Haufen irrationaler Psychopathen, die nach Atomwaffen streben und aggressiv militaristisch werden, nur weil sie verrückt sind, während die völlig normale Allianz unter der Führung eines völlig normalen nordamerikanischen Landes unschuldig auf ihr verrücktes Verhalten reagiert.

So ist die Geschichte. In Wirklichkeit ist der mit Abstand aggressivste und unvernünftigste Akteur auf der Weltbühne die imperialistische Machtstruktur, die lose um Washington D.C. zentralisiert ist. Niemand sonst führt ständig Angriffskriege rund um den Globus. Niemand sonst baut um den Planeten Hunderte von Militärstützpunkten, um die Weltherrschaft zu erlangen. Niemand sonst hat das 21. Jahrhundert damit verbracht, Millionen von Menschen zu töten und gezielt mit Hungersanktionen gegen Zivilisten in Ländern am anderen Ende der Welt vorzugehen. Nur das zentralisierte US-Imperium hat diese Dinge getan.

Aber man verlangt von uns, zu glauben, dass diese bösartige imperiale Machtstruktur der einzige rational denkende Akteur auf Erden sei und dass diejenigen, die sich ihren Aggressionen widersetzen, die Verrückten seien.

Und man sagt Ihnen, wenn Sie das nicht sehen, seien auch Sie verrückt. Sie seien ein Spinner. Ein Verschwörungstheoretiker. Ein paranoider Irrer, dessen Stimme an den Rand gedrängt und dessen Ideen mit Spott abgetan werden sollten.

Sie sind verrückt, wenn Sie nicht glauben, was die verrückteste Machtstruktur der Welt über die Verrücktheit ihrer Feinde sagt.

Es handelt sich um Gaslighting auf globaler Ebene. Es ist Wahnsinn, und deshalb ist diese Zivilisation verrückt geworden.

Hoffen wir, dass jemand einen Weg findet, die Welt vor dem Wahnsinn des westlichen Imperiums zu schützen.


30.06.2025 Der wahre Ursprung des Kapitalismus - George Monbiot (Teil 1)

Zusammenfassung des Videos von George Monbiot, Teil 1:

Die Diskussion im Text dreht sich um das Verständnis von Kapitalismus, Neoliberalismus und Faschismus sowie deren Zusammenhang. Besonders betont wird, wie der Kapitalismus auf den Einsatz bestimmter Mechanismen angewiesen ist, um zu überleben und sich auszubreiten, und wie Neoliberalismus und Faschismus als Werkzeuge zur Stabilisierung und Erweiterung des kapitalistischen Systems fungieren.

Kapitalismus als System

Kapitalismus wird als ein wirtschaftliches System definiert, das vor etwa 600 Jahren entstand, als Land, Arbeit und Geld in eine Ware verwandelt wurden, die einzig und allein der Profitmaximierung dient. Der Ursprung des Kapitalismus wird mit der Entdeckung der Insel Madeira durch die Portugiesen im Jahr 1420 verknüpft, wo die Prinzipien der Landnutzung, der Sklaverei und der Finanzialisierung miteinander kombiniert wurden. Diese Praxis des „Booms und Busts“ (Boom und Zusammenbruch) ist ein fundamentales Merkmal des Kapitalismus, da er ständig neue Ressourcen und Arbeitskraft braucht, um sich auszubreiten und zu wachsen. Der Kapitalismus ist demnach ein System des kollektiven Ausbeutens, das durch Gewalt und Expansion seine eigenen Grenzen überschreitet, immer auf der Suche nach neuen Quellen der Ausbeutung – sei es durch Rohstoffe, Sklavenarbeit oder das Erschließen neuer Märkte.

Neoliberalismus als Antwort auf Demokratie

Der Neoliberalismus wird als eine Antwort des Kapitalismus auf das Problem der Demokratie verstanden. Der Kapitalismus hat in den letzten Jahrhunderten immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass demokratische Bewegungen die Arbeitsbedingungen der Menschen verbessern und die Macht der Reichen und Mächtigen einschränken wollen. Neoliberalismus bietet einen Weg, diese Bestrebungen zu neutralisieren, indem er den Staat schwächt und die Märkte und die individuelle Freiheit fördert. Neoliberalismus strebt an, den Staat auf das Minimum zu reduzieren, sodass das „freie Spiel der Märkte“ ohne Einschränkungen durch Steuern, Sozialstaat oder Arbeitsrecht stattfinden kann.

Faschismus als Instrument des Kapitalismus

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Demokratie und die Arbeiterbewegungen stärker wurden, sah der Kapitalismus die Notwendigkeit, ein autoritäres Regime zu schaffen, das die Demokratie und die sozialen Forderungen der Arbeiterbewegung unterdrückt. Faschismus bot eine Lösung, indem er autoritäre Herrschaft etablierte, die die ökonomischen Interessen des Kapitalismus schützte. Viele der größten Kapitalisten und Industriellen in Europa und Japan unterstützten faschistische Bewegungen, da diese ihren wirtschaftlichen Zielen dienten, indem sie die Arbeiterbewegungen und sozialen Reformen zerschlugen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Faschismus unterlag, fanden Ökonomen wie Friedrich Hayek und Ludwig von Mises eine neue Lösung im Neoliberalismus. Anstatt den Staat durch totalitäre Mittel zu kontrollieren, plädierten sie dafür, den Staat zugunsten von Marktmechanismen und individueller Freiheit zu schwächen. Diese Philosophie gewann nach den 1940er Jahren zunehmend Einfluss und führte zur Gründung der Mont Pèlerin Society 1947, einem Netzwerk von Denkfabriken und einflussreichen Persönlichkeiten, die sich für neoliberale Ideen einsetzten. Ihre Strategie war es, die öffentliche Meinung zu manipulieren und das neoliberale Konzept als natürlichen, unvermeidlichen Zustand zu präsentieren.

Der Siegeszug des Neoliberalismus

In den 1970er Jahren, als der Keynesianismus und die sozialen Demokratien mit der Krise des Weltmarkts und steigenden ökonomischen Problemen zu kämpfen hatten, bot der Neoliberalismus eine scheinbar einfache Antwort: Der Staat sollte sich aus der Wirtschaft zurückziehen, und der Markt würde alles regeln. Neoliberale Ideen, die die Privatisierung öffentlicher Dienste und die Deregulierung der Märkte betonten, wurden als Lösung für die Stagnation und das wirtschaftliche Chaos angesehen. Diese Ideen wurden von der Kapitalistenklasse unterstützt, die in den neoliberalismusfreundlichen Denkfabriken wie der Mont Pèlerin Society eine ideologische Grundlage fand, um ihre Interessen zu fördern und durchzusetzen.

Fazit

Der Kapitalismus, als ein System, das auf der Kommodifizierung von Land, Arbeit und Geld basiert, hat immer wieder neue Methoden gefunden, sich auszubreiten und seine eigenen Widersprüche zu überwinden. Neoliberalismus und Faschismus sind zwei Instrumente, die den Kapitalismus stabilisieren und gleichzeitig demokratische und soziale Forderungen unterdrücken. Während Faschismus auf autoritäre Gewalt setzt, um den Kapitalismus zu schützen, geht der Neoliberalismus einen subtileren Weg, indem er die staatliche Kontrolle reduziert und die Märkte zur alleinigen Regulierungsinstanz erhebt. Beide Systeme sind Ausdruck eines Kapitalismus, der sich stets neue Wege der Ausbeutung und Expansion sucht und dabei die demokratischen Prinzipien in Frage stellt.

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30.06.2025 Wir werden von Psychopathen beherrscht – George Monbiot (Teil 2)

Zusammenfassung des Videos von George Monbiot, Teil 2:

Der Aufstieg des Neoliberalismus und seine globalen Auswirkungen

Das Transkript beschreibt den Verlauf und die globalen Auswirkungen des Neoliberalismus, beginnend mit seinen frühen Experimenten in Ländern wie Indonesien (1966) und Chile (1973), und verfolgt die Entwicklung von Thatcherism und Reaganism in den westlichen Industrieländern. Der Neoliberalismus wurde nicht einfach als wirtschaftliche Theorie propagiert, sondern als eine Politik des Zwangs, die von US-amerikanischen und britischen Eliten aktiv vorangetrieben wurde.

Frühzeitige Experimente: Indonesien und Chile

Die ersten Experimente des Neoliberalismus fanden in Indonesien und Chile statt. In Indonesien, nach dem Putsch gegen Sukarno 1966, unterstützten die USA, das Vereinigte Königreich und die Weltbank das Regime von Suharto, das mit brutalster Gewalt gegen die Bevölkerung vorging. Schätzungen zufolge wurden bis zu eine Million Menschen getötet, um Platz für die Einführung eines neoliberalen Wirtschaftssystems zu schaffen. Dieses Experiment zeigte, wie der Neoliberalismus unter Zwang und Gewalt durchgesetzt werden kann, was die Grundlage für spätere neoliberale Regierungen in anderen Teilen der Welt legte.

In Chile erlebte die neoliberale Politik ihren nächsten Test, als der US-unterstützte Putsch 1973 den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende stürzte und den Diktator Augusto Pinochet an die Macht brachte. Pinochet, unterstützt von den Chicago Boys, einer Gruppe von neoliberalen Ökonomen, setzte ein neoliberales Programm um, das durch brutale Repression und die Vernichtung von Gegnern gekennzeichnet war. Friedrich Hayek, einer der führenden Vordenker des Neoliberalismus, besuchte Chile später und lobte die Maßnahmen der Pinochet-Regierung als notwendig, um das „natürliche“ wirtschaftliche System wiederherzustellen.

Die Ideologie des Neoliberalismus: Unsichtbarkeit und hegemoniale Macht

Der Neoliberalismus, der von Persönlichkeiten wie Margaret Thatcher und Ronald Reagan ab den späten 1970er Jahren in den westlichen Industrieländern eingeführt wurde, wurde nicht nur als politische und wirtschaftliche Theorie verkauft, sondern als „natürliche Ordnung“ dargestellt. Die Ideologen des Neoliberalismus, insbesondere Friedrich Hayek, versuchten, das Bild zu vermitteln, dass der Kapitalismus nicht als eine von Menschen gemachte Ideologie existiert, sondern als unvermeidliche Realität, ähnlich wie Naturgesetze wie Gravitation oder natürliche Selektion. Dies geschah absichtlich, um Widerstand zu untergraben und die Menschen zu überzeugen, dass es keine Alternative (TINA – There Is No Alternative) gebe.

Mit Thatcherism und Reaganism wurde der Neoliberalismus zur dominierenden politischen Richtung im Westen, ohne dass die Menschen den Begriff „Neoliberalismus“ benutzten. Stattdessen wurden die spezifischen politischen Bewegungen nach den führenden Persönlichkeiten benannt, die sie einführten, ohne dass die Bevölkerung die zugrunde liegende Ideologie wirklich verstand oder hinterfragte.

Psychologische und soziale Auswirkungen des Neoliberalismus

Der Neoliberalismus basiert auf der Annahme, dass Menschen von Natur aus egoistisch und gierig sind. Diese Annahme wird nicht nur durch psychologische und soziale Wissenschaften widerlegt – die im Wesentlichen zeigen, dass Werte wie Familie, Gemeinschaft, Empathie und Altruismus die vorherrschenden Werte der meisten Menschen sind – sondern sie wird auch gezielt eingesetzt, um politische und wirtschaftliche Kontrolle zu erlangen. Der Neoliberalismus nutzt diese Fehlannahme, um Menschen in der Vorstellung zu fangen, dass ihre eigentlichen Interessen mit denen der Kapitalisten übereinstimmen.

Durch die Hegemonie des Neoliberalismus wird der gesellschaftliche Raum so gestaltet, dass es immer schwieriger wird, alternative politische Visionen zu sehen. Die neoliberalen Eliten setzen auf das Unbewusste der Gesellschaft und verhindern durch psychologische und kulturelle Manipulation, dass die Menschen politische Vorstellungskraft entwickeln oder alternative Lösungen finden.

Die Erschöpfung politischer Wahlmöglichkeiten: Von Neoliberalismus zu Faschismus

Ein zentraler Aspekt des Neoliberalismus ist die Erschöpfung der politischen Wahlmöglichkeiten. Durch die Überzeugung, dass politische Entscheidungen nur in wirtschaftlichen Kategorien wie Kauf und Verkauf getroffen werden, verlieren die Menschen das Vertrauen in die Fähigkeit der Politik, die grundlegenden Probleme der Gesellschaft zu lösen. Diese politische Entfremdung führt dazu, dass Menschen das Vertrauen in etablierte Parteien und Institutionen verlieren, was den Weg für populistische und faschistische Bewegungen ebnet.

Ein Beispiel für die Abkehr von traditionellen politischen Akteuren sind die „Killerclowns“ – Politiker wie Donald Trump, Boris Johnson, Jair Bolsonaro und Silvio Berlusconi, die sich als Anti-Politiker präsentieren, die gegen das etablierte politische System kämpfen. Sie nutzen das Desinteresse und die Frustration der Bevölkerung, die von den etablierten politischen Kräften enttäuscht wurde, um Unterstützung zu gewinnen. Diese Politiker stellen sich als Mavericks dar, die gegen die „korrupten“ Eliten kämpfen, aber sobald sie an die Macht kommen, führen sie dieselben neoliberalen Agenden fort.

Der Übergang von einem Technokratismus, der von stabilen, gut ausgebildeten Politikern in Anzügen getragen wurde, zu einem aggressiveren Warlord-Kapitalismus zeigt, dass Kapitalinteressen zunehmend von populistischen Politikern vertreten werden, die die bestehenden sozialen Strukturen aufbrechen, um die Gewinne der Eliten weiter zu maximieren. Dies schafft die Grundlage für die Rückkehr von Faschismus, der durch die Förderung von Verschwörungstheorien und nationalistischen Narrativen gestärkt wird.

Fazit: Der Neoliberalismus als eine politische Kraft

Der Neoliberalismus, wie er von den „Chicago Boys“ in Chile und anderen Experimentierfeldern eingeführt wurde, ist mehr als nur eine wirtschaftliche Theorie – er ist eine Politik der Gewalt, die unter dem Deckmantel des „freien Marktes“ die soziale Ordnung zugunsten der Kapitaleliten umgestaltet. Durch seine unsichtbare Präsenz und seine hegemoniale Ausstrahlung hat der Neoliberalismus die politische Landschaft so verändert, dass Alternativen nahezu unsichtbar geworden sind. Gleichzeitig hat die Entfremdung der Bevölkerung von der traditionellen Politik den Weg für populistische und faschistische Bewegungen geebnet, die nun den Neoliberalismus als eine der letzten Formen der politischen Herrschaft nutzen.

Diese Dynamik zeigt, wie Wirtschaft und Politik miteinander verflochten sind und wie neoliberale Ideen tief in die sozialen und kulturellen Strukturen eingedrungen sind, um die politische Vorstellungskraft zu ersticken und eine hegemoniale Ordnung zu schaffen, die der Kapitalinteressen dient.

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30.06.2025 Was ist Neoliberalismus? - George Monbiot (Teil 3)

Zusammenfassung des Videos von George Monbiot, Teil 3:

1. Diskussion über Opportunismus und Strategie von Politikern:

Das Gespräch beginnt mit einer Reflexion über riskante politische Strategien, insbesondere die Gefahr, eine Verschwörungstheorie zu schüren, dass mächtige Kräfte (wie Milliardäre) hinter politischen Entscheidungen stehen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob Politiker wie Boris Johnson wirklich die Auswirkungen ihrer Handlungen durchdenken oder ob sie nur opportunistisch handeln.

Ein Teil der Antwort ist, dass einige Politiker nur die Gelegenheit nutzen, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen, während andere eine langfristige, strategische Planung verfolgen, ohne Rücksicht auf moralische Prinzipien. Dabei wird auf die politische Theorie hingewiesen, dass Wähler oft ohne fundierte politische Informationen abstimmen, was Lügnern wie Boris Johnson oder Donald Trump in die Hände spielt.

2. Neoliberalismus und Liz Truss:

Der Neoliberalismus wird als eine politische Bewegung beschrieben, die stark von Think Tanks wie denen rund um Tufton Street in Westminster geprägt ist, die maßgeblich die politische Agenda beeinflussen. Liz Truss wird als eine politische Figur dargestellt, die fast ausschließlich von den Ideen dieser neoliberalen Denkfabriken geprägt wurde. Ihre Politik, die in der Praxis ein neoliberales Experiment darstellt, wird als das Ergebnis dieser einseitigen Denkrichtungen beschrieben, die auch durch Medien wie die BBC propagiert werden.

3. Trumps zweite Amtszeit und neoliberale Widersprüche:

Es wird die Frage gestellt, wie sich Trumps zweite Amtszeit entwickeln könnte, wobei Trumps opportunistische Natur und seine scheinbaren Widersprüche in Bezug auf neoliberale Prinzipien thematisiert werden. Es wird argumentiert, dass Trump ein Produkt des Neoliberalismus ist, sich aber auch Elemente außerhalb des neoliberalen Konsenses zu eigen macht, wie etwa Handelszölle. Auch hier wird das Fehlen einer konsequenten politischen Philosophie auf der rechten Seite kritisiert.

4. Die Notwendigkeit einer neuen politischen Erzählung:

Die Notwendigkeit, eine neue, überzeugende Erzählung zu entwickeln, wird als zentraler Fehler auf der linken Seite beschrieben. Es wird betont, dass erfolgreiche politische Bewegungen immer eine klare, einfache Geschichte erzählen, die eine Wiederherstellung von Ordnung verspricht – wie es in der neoliberalen Erzählung der Fall war. Nach der Finanzkrise von 2008 hätten Linke die Chance gehabt, eine solche Erzählung zu entwickeln, doch stattdessen wurde oft versucht, alte, gescheiterte Modelle wiederzubeleben.

5. Werte, Zugehörigkeit und eine neue Geschichte:

Der Autor reflektiert darüber, welche Werte er selbst hochhält, wie Gemeinschaft, Empathie und Altruismus, und stellt fest, dass das universelle Bedürfnis nach Zugehörigkeit ein zentraler Wert ist, der auf allen politischen Spektren geteilt wird. Diese Erkenntnis wird als Schlüssel zur Bekämpfung von extremistischen Ideologien wie dem Faschismus gesehen, die oft junge Männer ansprechen, die ein starkes Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben. Es wird vorgeschlagen, dass die Linke eine neue, integrative Erzählung der Zugehörigkeit und Gemeinschaft entwickeln muss, die gegen den neoliberalen Individualismus und die destruktiven Kräfte des Faschismus ankämpft.

6. Die Erzählung der Wiederherstellung:

Der Vorschlag ist, eine Geschichte der Wiederherstellung zu schaffen, die sich gegen den neoliberalen Individualismus richtet. Diese Erzählung würde betonen, dass die landwirtschaftlichen und sozialen Gemeinschaften der Mittel- und Arbeiterklasse die wahren Helden sind, die die Gesellschaft zusammenhalten. Durch eine Politik der Zugehörigkeit, die lokale Gemeinschaften stärkt und die Ressourcen kontrolliert, könnte eine starke Gegenbewegung gegen den Neoliberalismus und den Faschismus entstehen.

Zusammenfassung der Hauptpunkte:

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30.06.2025 „Die Linke sucht nach Verrätern; die Rechte sucht nach Konvertiten“ - George Monbiot (Teil 4)

Zusammenfassung des Videos von George Monbiot, Teil 4:

1. Die Macht der sozialen Veränderung

Zu Beginn reflektiert der Sprecher darüber, wie gesellschaftliche Veränderungen oft unmöglich erscheinen, bis sie plötzlich Realität werden – ein Beispiel dafür ist die schnelle Akzeptanz der Ehe für alle. Der Punkt, den der Sprecher macht, ist, dass Gesellschaften komplexe Systeme sind, die sich nicht linear, sondern auf unvorhersehbare, nicht-lineare Weise verändern. Diese Veränderungen können durch kleine, aber gezielte Eingriffe ausgelöst werden, wenn ein kritischer Punkt überschritten wird. Der Sprecher verweist auf verschiedene Beispiele wie Keynesianische Sozialdemokratie, Neoliberalismus und den Aufstieg der extremen Rechten, um zu zeigen, dass große gesellschaftliche Veränderungen oft durch tiefere und komplexe Prozesse erfolgen, die den Anschein erwecken, als seien sie langsam und allmählich.

Kernaussage: Gesellschaftliche Veränderungen sind möglich, wenn wir die Dynamiken sozialer Systeme verstehen und gezielt auf den Tipping Point hinsteuern.

2. Die Grenzen des Wachstums

Der Sprecher kritisiert die Vorstellung von Wachstum als politisches Hauptziel. Er bezeichnet dies als einen „Kategoriefehler“, weil unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht nur unmöglich ist, sondern letztlich alles zerstört. Er stellt infrage, was mit „Wachstum“ wirklich gemeint ist, und wem es nützt. Während das Wachstum den Wohlstand der Reichen vergrößert hat, ist es gleichzeitig mit einer massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen der Ärmsten verbunden. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen das Wirtschaftswachstum, sondern gegen das gesamte System, das Wachstum als Endziel betrachtet. Der Sprecher plädiert dafür, dass Wachstum nicht das Ziel sein sollte. Stattdessen sollten echte Wohlstandsmessungen und nachhaltige Entwicklung sowie verbesserte öffentliche Dienstleistungen die wahren politischen Ziele sein.

Kernaussage: Wachstum ist nicht der heilige Gral. Es geht um echte Prosperität und nachhaltige Entwicklung, nicht um ungebremstes Wirtschaftswachstum.

3. Lernen von der Rechten

Ein zentraler Punkt des Textes ist die Beobachtung, dass die rechte politische Seite eine erstaunliche Einheit und Koordinierung erreicht hat, während die linke Seite häufig mit Interne Fehden und Uneinigkeit zu kämpfen hat. Der Sprecher weist darauf hin, dass die Rechte trotz ihrer Ideologie des Individualismus eine kollektive Strategie verfolgt und in der Lage ist, sich zu organisieren und auf gemeinsame Ziele hinzuarbeiten. Im Gegensatz dazu ist die Linke oft zu kritisch oder exklusiv, indem sie sich auf sekundäre Probleme konzentriert (wie etwa den Konsum von Leder), anstatt sich auf größere gemeinsame Ziele zu fokussieren.

Kernaussage: Die rechte Seite ist strategisch vereinigt, während die linke Seite oft zu spalterisch ist. Die Linke könnte von einer gemeinschaftlichen Ausrichtung und solidarischen Vorgehensweisen der Rechten lernen.

4. Die Herausforderung des Neoliberalismus

Der Text geht dann auf Neoliberalismus ein, wobei der Sprecher argumentiert, dass die Neoliberalen eine wissenschaftliche Grundlage für ihre politischen Umwälzungen entwickelt haben, die den Wandel in Gesellschaften sehr erfolgreich gestaltet haben. Der Fall von Donald Trump wird als Beispiel genommen, um zu zeigen, dass er den Widerstand gegen das bestehende System nicht nur abgebaut hat, sondern die grundlegenden Probleme des Systems sichtbar gemacht hat. Der Sprecher ist vorsichtig optimistisch, dass soziale Veränderungen ohne Gewalt möglich sind. Dies erfordert jedoch die Entwicklung einer neuen politischen Wissenschaft, die ähnliche Taktiken wie die der Neoliberalen anwendet, aber mit dem Ziel, die Gesellschaft in eine gerechtere Richtung zu lenken.

Kernaussage: Neoliberalismus kann ohne Gewalt überwunden werden, wenn wir die Taktiken verstehen, die zur sozialen Umgestaltung führen, und sie für progressive Ziele anwenden.

5. Die Debatte um Immigration

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Immigrationspolitik, bei der der Sprecher den aktuell toxischen Diskurs kritisiert, der Immigranten als Sündenböcke für politische Probleme benutzt. Der Sprecher fordert eine menschliche und inklusive Auseinandersetzung mit dem Thema Immigration, ohne die politischen Diskussionen der Rechten zu übernehmen, die die Probleme von Einwanderern und Flüchtlingen skandalisieren. Die Verlagerung des Fokus auf Immigrationsfeindlichkeit hat negative politische Konsequenzen, weil dies den extremen Rechten Legitimität verleiht und ihre Ideen mainstreamt.

Kernaussage: Immigration sollte als menschliches Thema behandelt werden, ohne die Hetze der Rechten zu übernehmen. Immigranten als Sündenböcke zu benutzen ist politisch gefährlich.

6. Die Notwendigkeit einer neuen politischen Organisation

Abschließend wird die Notwendigkeit einer neuen politischen Organisation hervorgehoben, die auf lokaler Ebene ansetzt. Der Sprecher argumentiert, dass der traditionelle Fokus auf die Arbeitswelt in einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft nicht mehr ausreicht, um eine breite Bewegung zu mobilisieren. Stattdessen schlägt er vor, dass politische Organisationen auf Nachbarschaftsebene beginnen, um Gemeinschaften zu stärken. Kleine Initiativen wie gemeinsames Kochen oder das Verbessern öffentlicher Räume können dazu beitragen, ein gefühl von Zugehörigkeit und Stärke zu entwickeln. Dies könnte langfristig zu einer stärkeren politischen Bewegung führen, die dezentral organisiert ist und durch partizipative Demokratie geprägt ist.

Kernaussage: Eine neue Form der politischen Organisation muss auf lokaler Ebene beginnen, Gemeinschaften stärken und durch Kooperation und gemeinschaftliches Handeln politische Veränderungen einleiten.

Schlussfolgerung und zentrale Botschaften:

  1. Gesellschaftliche Veränderungen sind komplex, aber sie sind möglich, wenn wir die Dynamiken sozialer Systeme verstehen und gezielt darauf hinarbeiten.
  2. Wachstum als politisches Ziel ist eine falsche Richtung—wir sollten uns auf Wohlstand und Nachhaltigkeit konzentrieren.
  3. Die Rechte ist strategisch vereint, die Linke sollte von dieser Koordination lernen und solidarisch und gemeinsam an ihren Zielen arbeiten.
  4. Immigration sollte ein humanes Thema sein, nicht ein politisches Schlagwort, um Spaltung und Hass zu fördern.
  5. Neue politische Bewegungen müssen lokal beginnen, durch gemeinschaftliches Handeln und partizipative Demokratie können wir eine stärkere und gerechtere Gesellschaft aufbauen.

02.07.2025 Die Geburt des Kapitalismus und der ökologische Zusammenbruch auf Madeira

Basierend auf den Berichten von George Monbiot (siehe oben) bin ich auf die Suche gegangen und habe weitere Berichte (hier und hier) zur Geschichte des Kapitalismus beginnend mit der portugiesischen Kolonialgeschichte gefunden und daraus einen neuen Bericht erstellt.

Der Beginn des 15. Jahrhunderts markierte einen entscheidenden Moment der Weltgeschichte: die portugiesische Kolonisierung der atlantischen Insel Madeira. Dieses zunächst unbedeutend wirkende Ereignis sollte zu einem der grundlegenden Kapitel in der Entstehung des modernen Kapitalismus werden – eines Systems, das durch die Kommodifizierung von Land, Arbeit und natürlichen Ressourcen sowie durch tiefgreifende ökologische und soziale Umwälzungen charakterisiert ist.

Holz: Madeiras erste Handelsware

Als portugiesische Siedler 1420 Madeira erreichten, fanden sie eine unbewohnte, dicht bewaldete Insel vor. Der Name „Madeira“ selbst bedeutet auf Portugiesisch „Holz“ und unterstreicht den Wert, den die Siedler der natürlichen Landschaft beimassen. Die erste wirtschaftliche Aktivität auf der Insel bestand im Export von Holz, das als bedeutende Ressource nach Portugal verschifft wurde.

Auch wenn die Berichte keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Holz Madeiras und dem portugiesischen Schiffbau herstellen, lassen sich einige Rückschlüsse ziehen:

Daraus lässt sich schliessen, dass Holz in der Anfangsphase eine zentrale Rolle in Madeiras Wirtschaft spielte, auch wenn es in den Quellen nicht ausdrücklich für den Schiffbau erwähnt wird. Die Ressource wurde jedoch bald durch andere, noch lukrativere Nutzungen – insbesondere die Zuckerproduktion – ersetzt.

Zuckerrohr: Die zweite, profitablere Phase

Kurz nach der Erschliessung der Holzressourcen wandelte sich Madeira in ein Zentrum des Zuckerrohranbaus. Zucker wurde zur dominierenden Ware und zum Motor der Transformation der Insel in eine der ersten kapitalistischen Volkswirtschaften. Unterstützt von Krediten aus Genua und Flandern sowie durch die Macht der portugiesischen Krone entwickelte sich Madeira bis in die 1470er Jahre zum weltweit führenden Zuckerproduzenten.

Mit dem Einsatz von Sklaven aus Afrika und den Kanarischen Inseln konnten Land und Arbeit äusserst kostengünstig ausgebeutet werden. Doch die Zuckerproduktion war extrem holzintensiv: Laut George Monbiot wurden 60 kg Holz benötigt, um 1 kg Zucker zu raffinieren; Jason W. Moore schätzt etwa 50 Pfund Holz pro Pfund Zucker – eine konservative Angabe. Diese Abhängigkeit führte zu einer rapiden Entwaldung. Die Sklaven mussten immer weiter ins steile Landesinnere vordringen, um an Brennholz zu gelangen, was die Kosten steigerte und die Gewinne schmälerte.

Um 1506 erreichte die Zuckerproduktion mit 2.500 Tonnen ihren Höhepunkt, fiel jedoch bis 1530 um fast 90 %. Der Niedergang war direkt auf die Abholzung der Insel zurückzuführen. Ab 1560 ersetzte Wein den Zucker als Hauptexportgut Madeiras. Das Holz für die Weinfässer musste im 17. Jahrhundert sogar aus Neuengland importiert werden, da die Wälder der Insel erschöpft waren.

Die Kommodifizierung von Natur und Menschen

Monbiot betont, dass auf Madeira nicht etwa ein Auswuchs des Kapitalismus stattfand, sondern sein Ursprung. Ein System, in dem alles zur Ware wird: Bäume, Land, Menschen, Zucker. Dieses Wirtschaftsmodell – von Moore als „Weltökologie des Kapitals“ bezeichnet – wurde zur Vorlage für die spätere Expansion in die Amerikas, nach Afrika und Asien.

In diesem System galt:

Fazit

Die Geschichte Madeiras zeigt eindrücklich die frühe Verbindung zwischen Kapitalakkumulation und ökologischer Zerstörung. Holz, zunächst Exportgut, wurde später massiv für die Zuckerproduktion verbraucht. Auch wenn nicht ausdrücklich erwähnt, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Holz Madeiras auch für den portugiesischen Schiffbau und andere strategische Zwecke eine Rolle spielte.

Der Übergang von Holz zu Zucker, später von Zucker zu Wein, steht exemplarisch für die extraktive Logik des Kapitalismus: Landschaften werden ausgebeutet, Menschen unterdrückt, und wenn nichts mehr zu holen ist, wird das Kapital weiterverlagert.

Wie Monbiot feststellt, ist dies nicht das entstellte, sondern das wahre Gesicht des Kapitalismus – und es prägt unsere Welt bis heute, nicht nur historisch, sondern in aktuellsten Ereignissen.


04.07.2025 Illegaler Holzeinschlag und Korruption im kambodschanischen Umweltministerium

Übersetzung des Artikels von Carlita Shaw

Der Geist des belagerten Waldes

Das Preah Roka Wildlife Sanctuary in der kambodschanischen Provinz Preah Vihear erstreckt sich über fast 2.927 Quadratkilometer. Es wurde 2016 mit dem Versprechen gegründet, Wildtiere zu schützen, Ökosysteme wiederherzustellen und die indigenen Kuy-Gemeinschaften beim Schutz der Artenvielfalt zu unterstützen. Doch diese Versprechen sind wie gefällte Bäume verdorrt.

Seit der Ausweisung des Schutzgebiets hat sich die Abholzung nur beschleunigt, nicht aber verringert. Kambodscha hat allein zwischen 2001 und 2018 über 557.000 Hektar Waldfläche verloren. In Preah Roka und der Region Chhaeb-Preah Roka bestätigen Satellitendaten die Zerstörung von über 31.600 Hektar. Einige Abholzungsgebiete liegen 60 Kilometer tief im Schutzgebiet, weit abseits jeder Straße – stille Narben, die sich in das Herz des Waldes gegraben haben.

Im April 2021 verzeichnete das Cambodia Youth Network (CYN) innerhalb von nur zwei Tagen 113 Fälle illegalen Holzeinschlags. Seltene, teilweise bis zu 200 Zentimeter breite Dipterocarp-Riesenbäume wurden ohne Konsequenzen gefällt – Bäume, die für die einheimischen Harzsammler von großem Wert sind. Ihr Appell, die Waldpatrouillen wieder einzuführen, wurde abgelehnt. Das Umweltministerium, dem seit langem Absprachen vorgeworfen werden, bezeichnete den Bericht als „von Spendern getriebenen Lärm“. Doch wer durch den Wald geht, weiß es besser.

Tief in Preah Roka murmelt der Wald noch immer, wenn man es wagt, ihm zuzuhören. Seine Stimme summt im goldenen Harz uralter Dipterocarps, in den leisen Schritten der Kuy-Harzzapfer und im stetigen Herzschlag eines Volkes, das im Rhythmus des Dschungels lebt. Doch dieser Atem wird schwächer, erstickt von der unersättlichen Gier der Industrie und der stillen Komplizenschaft des kambodschanischen Umweltministeriums – genau der Institution, die ihn eigentlich schützen sollte.

Die Kuy, Wächter dieses heiligen Bioms, schützen nicht nur ihre Heimat. Sie stehen für ihre letzten Wälder und Arten ein, die nirgendwo sonst zu finden sind:

Kambodschanische Streifenhörnchen flitzen durch das Unterholz, kambodschanische Schneidervögel singen in den Sträuchern der Mekong-Auen, und kambodschanische Häherlinge rufen aus nebligen Baumkronen. Der kambodschanische Wald ist noch immer Zufluchtsort für die verehrten Asiatischen Elefanten, die diese Ökosysteme prägen und die vom Aussterben bedrohten Siamkrokodile, die in seinen Flüssen gleiten. Der Schutz von Preah Roka ist für ihr Überleben unerlässlich, da ihr Wald das Mekong-Becken speist und damit die Lebensader für Reisfelder, Fischerei und Millionen von Südostasiaten ist.

Doch die Verteidiger werden zum Schweigen gebracht. Gemeindepatrouillen, einst eine Zusammenarbeit mit staatlichen Rangern, wurden gänzlich verboten. Aktivisten wie San Mala und Organisationen wie das Preah Roka Forest Community Network (PFCN) sind nun Drohungen, Überwachung und Verhaftung ausgesetzt. Beamte machen „lokalen Missbrauch“ dafür verantwortlich, doch die Wahrheit liegt in Landkonzessionen, Briefkastenfirmen und staatlicher Komplizenschaft.

Der Wald lebt, doch sein Atem wird dünner. Wer wird seine Lieder singen, wenn er verschwunden ist?

Im Mai 2025 registrierte eine Kuy-Patrouille aus der Gemeinde Prame 334 Waldverbrechen, Holzfällerlager, gefällte Riesen und zersägte Stämme mit einem Durchmesser zwischen 25 und 178 Zentimetern. Als der Journalist Stefan Lovgren dieses Jahr an einer früheren Patrouille teilnahm, beschrieb er die Spannung: Zwei Polizisten in Zivil, einer uniformiert, einer in einem grellen Blumenhemd, wirkten wie lächelnde Drohungen, ihre Kameras waren stumme Warnungen. Das ist Schutz, umgekehrt.

Die Kuy verurteilten den Verrat: „Wir sind zutiefst betrübt über das Versagen des Umweltministeriums, Waldverbrechen zu verhindern.“

Im Mittelpunkt des Widerstands der Kuy steht ein Akt der Liebe und des Überlebens: die Harzgewinnung. Mit Händen, die jede Rinde und jede Narbe kennen, ritzen sie vorsichtig Kerben in Dipterocarp-Bäume und gewinnen so goldenen Saft, aus dem Lack, Seife und Siegelwachs hergestellt werden. „Dies ernährt meine Familie“, sagte Jork Vat, ein Stammesältester, der einst 400 Bäume pflegte. Heute sind weniger als 100 übrig. Schätzungsweise 70 % der Harzbäume von Preah Roka sind verschwunden, viele wurden gestohlen, während Familien auf abgelegenen Feldern Reis anbauen.

Kambodscha zählt heute zu den Ländern mit der höchsten Abholzungsrate weltweit. In nur 25 Jahren hat das Land über 2,8 Millionen Hektar Wald verloren, allein in Preah Roka sind es 33.000 Hektar – eine Fläche fünfmal so groß wie Manhattan.

Die Kuy-Patrouillen, nur mit Handys, GPS und Entschlossenheit bewaffnet, dokumentieren jeden umgestürzten Baumstamm – ein Buch über Verlust und Trotz. „Wenn wir Beweise vorlegen, werden wir gerügt“, sagte Chhum Khim mit einem Notizbuch in der Hand. Der Aktivistin Ma Chettra, die die May-Patrouille mit anführte, wurde mit rechtlichen Schritten gedroht. Ihr wurde vorgeworfen, „veraltete Fotos“ verwendet zu haben, obwohl Videos frische Baumstümpfe und aktive Kettensägenlager zeigten.

Kambodschas Wunden sind alt. Von den Narben der Roten Khmer bis hin zu modernem Landraub haben undurchsichtige Abkommen die Wälder schutzlos zurückgelassen. Selbst nach der Übergabe Hun Sens an Hun Manet im Jahr 2023 bestehen die illegalen Netzwerke fort. Die „Schutz“-Ausweisungen von 2016 und die internationalen REDD+-Programme sind hohl geworden. 2025 wurde in Prey Lang eine Zementfabrik genehmigt, die jedes jemals gegebene Naturschutzversprechen in den Schatten stellt.

Der Kampf der Kuys ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer globalen Krise.

Diese Wälder können zwar nicht mit der Artenvielfalt des Amazonas mithalten, sind aber nicht weniger wichtig. Preah Roka ist Teil der ökologischen Lebensader Südostasiens und beherbergt rund 720 Vogelarten, 212 Säugetiere, 240 Reptilien und über 2.300 Gefäßpflanzen, darunter zahlreiche bedrohte, nahezu endemische Waldbewohner und Zugvogelarten. Siamesische Krokodile (die sich in den Kardamomwäldern kürzlich erholt haben), Irawadidelfine und 700 Arten in den westlichen Mangrovenwäldern unterstreichen die Artenvielfalt sowohl im Landesinneren als auch an der Küste.

Sie sind Heimat bedrohter Arten, die nirgendwo sonst vorkommen und tief in das Gleichgewicht des Mekong-Beckens verwurzelt sind. Ihre Zerstörung ist keine lokale Tragödie. Es ist eine regionale Katastrophe mit globalen Folgen für die ökologische Artenvielfalt, das Klima, den Wasserkreislauf und das kulturelle Überleben.

Der Wald flüstert: Ich bin deine Erinnerung, deine Medizin, deine Mutter. Wirst du mich verblassen lassen?

Für die Kuy ist der Wald eine lebendige Kathedrale. „Wenn sie gefällt werden, sterben diese Geister “, sagte Khim. Jeder Verlust bedeutet mehr als nur ökologische Zerstörung, er bedeutet das Aussterben kulturellen Wissens. Über 370 Pflanzenarten, einst in Medizin und Ritualen verwendet, geraten nun ins Wanken. Preah Roka speist den Mekong, so wie der Amazonas die Lunge der Erde speist. Alle sind miteinander verbunden.

Dennoch marschieren die Kuy unbewaffnet und unerschütterlich weiter. „Wir sollten mit den Rangern zusammenarbeiten“, sagte Chhut Chheang, doch viele werden nun für die Zerstörung verantwortlich gemacht. 2024 wurden fünf Aktivisten von Mother Nature Cambodia aufgrund erfundener Anschuldigungen inhaftiert, und 2025 geriet Ma Chettra ins Visier, weil sie tat, was die Regierung nicht tun will: den Wald verteidigen.

Obwohl das Umweltministerium eigentlich die Aufgabe hat, Kambodschas Schutzgebiete zu verwalten, zeichnen seine Handlungen – oder Untätigkeit – ein vernichtendes Bild. Immer wieder, wenn Bürger, Journalisten und indigene Gemeinschaften illegale Abholzung aufdecken, geraten nicht die Täter, sondern die Informanten ins Visier. Das Ministerium weist überprüfbare Satellitendaten zurück, verspottet Berichte von Aktivisten als „Spendertheater“ und droht mit rechtlichen Schritten gegen diejenigen, die genau die Arbeit leisten, die es selbst ablehnt.

Sie verbot der Zivilgesellschaft, in Preah Roka zu patrouillieren. Sie weigerte sich, 113 Fälle illegalen Holzeinschlags zu untersuchen, die vom Cambodia Youth Network dokumentiert worden waren. Sie bezeichnete neue Videobeweise von Patrouillen in Kuy als „alte Fotos“. Und sie genehmigte den Bau einer Zementfabrik im Prey Lang Wildlife Sanctuary, nachdem sie Schutz im Rahmen von REDD+ versprochen hatte .

Statt das lebendige Herz des Waldes zu verteidigen, sucht das kambodschanische Umweltministerium nach Ablenkungsmanövern und Verleugnungen, um diejenigen zu schützen, die von der Zerstörung profitieren. Während Kettensägen immer tiefer in Preah Roka vordringen, tut das Ministerium die von den Kuy-Patrouillen gesammelten Beweise als erfunden ab und brandmarkt Basisaktivisten wie Ma Chettra als Opportunisten auf der Suche nach ausländischer Hilfe. Sprecher Neth Pheaktra bietet keine Gegenbeweise, sondern nur verschleierte Drohungen, getarnt in bürokratischem Zynismus. Indem sie sich weigern, ihrer verfassungsmäßigen und moralischen Pflicht nachzukommen, haben sich das Ministerium und Premierminister Hun Manet, die einst geschworen hatten, diese heiligen Wälder zu schützen, mitschuldig an der langsamen Abschlachtung eines lebendigen Ökosystems gemacht. Ihr Verrat gefährdet nicht nur das kambodschanische Streifenhörnchen, den Schneidervogel und die Hachdrossel, sondern auch asiatische Elefanten, siamesische Krokodile und die Waldgemeinschaften, die von ihrem Atem abhängen. Im Gegensatz dazu ist Kuys mutige Dokumentation von 334 Waldverbrechen im Mai 2025 ein kraftvoller Akt des Widerstands, ein Aufschrei gegen den Ökozid in einem Wald, der das Mekong-Becken nährt und Millionen Menschen ernährt.

Weltweit erleben indigene Völker dasselbe Muster: Regierungen rühmen sich des Naturschutzes, sanktionieren aber gleichzeitig die Rohstoffindustrie, die Gemeinschaften entwurzelt und heilige Ökosysteme verletzt. Um Preah Roka und ähnliche Wälder zu schützen, müssen wir über Petitionen und Versprechen hinausgehen. Es ist an der Zeit, die Rechte der Natur zu verankern und verbindliche Ökozid-Gesetze in Ländern wie Kambodscha zu erlassen, wo Korruption im Herzen der Umweltpolitik floriert. Der Betrug des Ministeriums und Hun Manets gebrochene Versprechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Kampf der Kuy gilt ihrer angestammten Heimat, den Arten, die nirgendwo sonst vorkommen, und dem Fluss, der das Leben erhält – ein Aufruf zum Aufstehen. Dies ist kein Appell an die Nächstenliebe und auch keine Frage des bloßen Überlebens; es ist eine Forderung nach Gerechtigkeit für die Natur und die Arten, die vom Wald abhängig sind. Gerechtigkeit beginnt mit der Durchsetzung von Ökozidgesetzen und der Beseitigung der Korruption in der kambodschanischen Regierung und im Umweltministerium. Diese haben genau die Wälder und Gemeinschaften verraten, die sie eigentlich schützen sollten. Die Urheber der ökologischen Zerstörung müssen benannt, entlarvt und vor Gericht gestellt werden.

von Carlita Shaw

Über die Autorin

Carlita Shaw ist Umweltwissenschaftlerin, Journalistin und Autorin von „Der stille Ökozid: Die Umweltkrise ist eine Krise des menschlichen Bewusstseins“. Seit über zehn Jahren arbeitet sie im Regenwaldschutz und in der Umweltbewegung. Sie verbindet ökologische Wissenschaft mit indigenem Wissen, alten Technologien und alternativen Wirtschaftsmodellen, um Wege aus der globalen Krise aufzuzeigen.


04.07.2025 Panzer erziehen keine Kinder! Mannheimer Wissenschaftler rechnen mit Kriegswirtschaft ab

Deutschland „wehrtüchtig“ zu machen, mag ja nicht jedem gefallen, sei aber „alternativlos“, tönen die Herren der Zeitenwende. Und versprechen: Die Unsummen, die in die Rüstung fließen, kämen allen zugute, schafften Wachstum, neue Jobs und mehr Wohlstand. Zwei Makroökonomen der Universität Mannheim widersprechen den dummen Sprüchen. Die forcierte Waffenproduktion produziere vor allem Übergewinne und torpediere zivilgesellschaftlichen Fortschritt. Jeder Euro in Bildung sei vielfach besser angelegtes Geld.

Weiterlesen auf NachDenkSeiten


04.07.2025 Spotify Mitbegründer investiert in KI-Waffenfabrik

Anstatt den MusikerInnen für ihre Kunst einen existenzsichernden Lohn zu zahlen, beschloss der Geschäftsführer von Spotify, 600 Millionen Euro in ein Start-up-Unternehmen für KI-Militär zu investieren. Und er ist jetzt Vorsitzender dieses Unternehmens! So wird aus Musik Mord.

Zum Bericht auf MSN

Zum Bericht auf Middle East Eye

Zum Bericht im Observer

Würde ich Spotify als Musiker bzw. als Konsument nutzen, ich würde sofort kündigen.


07.07.2025 Durch Proteste kommt es zu Veränderungen

Übersetzung des Artikels von Richard Murphy

Wer Macht hat, gibt sie selten freiwillig ab. Deshalb ist Protest wichtig. So haben wir Arbeitnehmerrechte, Frauenrechte und Rechte für Homosexuelle erkämpft und Ungleichheit in so vielen Formen bekämpft. Doch heute erschweren neue Gesetze den Protest in Großbritannien. Es ist Zeit, lauter zu werden.

Diese Woche war eine schlechte Woche für alle, die an das Recht zu protestieren glauben, und ich glaube an das Recht zu protestieren.

Ich tue dies aus einem sehr guten und sehr einfachen Grund.

Veränderungen sind nie von alleine passiert.

Veränderungen mussten schon immer gefordert werden und Proteste trugen fast immer dazu bei, das Umfeld zu schaffen, in dem Veränderungen stattfinden konnten.

Diejenigen, die Macht haben, wollen diese selten freiwillig aufgeben, und deshalb ist Protest wichtig.

Der Protest hat die Dinge verändert.

Es beendete die Sklaverei in diesem Land und schließlich auf der ganzen Welt auf verschiedene Weise.

Das Wahlrecht für arbeitende Männer und später Frauen kam aufgrund von Protesten zustande, die manchmal ausgesprochen lautstark und sogar gewalttätig waren. Die Menschen, insbesondere die modernen Politiker, würden das heute gern vergessen, aber das sollten sie nicht.

Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften entstanden aufgrund von Protesten.

Die Rechte der Frauen wurden durch Proteste geschaffen.

Die Apartheid wurde durch Proteste in Frage gestellt.

Klimastreiks haben Wirkung.

Schwulenrechte, Gesetze gegen Vorurteile und vieles mehr. All das ist durch Proteste entstanden.

Protest ist kein Privileg; um es klarzustellen: Protest ist ein völkerrechtlich geschütztes Recht. Die UN-Menschenrechtserklärung, an deren Ausarbeitung Großbritannien beteiligt war und die 1948 von rund 70 Ländern und heute von allen Unterzeichnern der UN als Ganzes angenommen wurde, erkennt das Recht auf Meinungs- und Meinungsfreiheit an.

Dies steht in Artikel 19 dieser Erklärung, und Artikel 20 gewährt das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit in friedlicher Weise.

Mit anderen Worten: Wir haben ein Recht auf unsere Meinung, wir haben das Recht, sie so zu äußern, wie wir möchten, und wir haben das Recht, zusammenzukommen und der Welt zu sagen, dass wir unglücklich sind.

Dies sind international anerkannte Menschenrechte, die aber auch Teil des britischen Rechts sind. Die Europäische Menschenrechtskonvention, die offensichtlich auf der UN-Erklärung basiert, wurde 1950 unterzeichnet und fand nach erheblichem Zögern der konservativen Regierungen von 1979 bis 1997 schließlich 1998 Eingang in britisches Recht.

Es war eine Labour-Regierung, die unsere Menschenrechtsgesetze erließ, und der Human Rights Act gibt uns das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf freie Versammlung und Vereinigung.

Mit anderen Worten: Die Rechte, die wir 1948 im Völkerrecht erhielten, wurden 1998 im britischen Recht verankert.

Wir haben das Recht zu protestieren, aber das wird jetzt weltweit und im Vereinigten Königreich in Frage gestellt.

Für unsere Proteste brauchen wir jetzt die Zustimmung der Polizei.

Wir dürfen nicht zu viel Lärm machen, und wenn wir es tun, können wir verhaftet werden.

Anscheinend dürfen wir nur protestieren, solange wir niemanden verärgern, aber das ist der Sinn des Protests: Ohne jemanden zu verärgern, hat sich nie etwas geändert.

Neue Gesetze erschweren das Demonstrieren, Streiken und sogar das Versammeln. Schon langsames Gehen auf der Straße kann nun eine Straftat darstellen.

Die Mächtigen leben in Angst vor Protesten, weil sie wissen, dass sie funktionieren. Dieser Protest erfordert Lärm. Lärm in allen möglichen Formen. Schriftlich, öffentlich, auf Video und in den Medien. Und das sollte auch zur Kenntnis genommen werden, denn der Grund für unseren Protest liegt darin, dass Probleme verschwiegen werden. Viel zu oft wird dies von unseren Medien verschwiegen, und ohne Protest bleibt das Unrecht bestehen.

Ohne Protest besteht kein Handlungsdruck auf die Machthaber, und das ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie.

Demokratie bedeutet nicht nur, alle paar Jahre wählen zu gehen. Es geht darum, den Bürgern die Macht zu geben, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen. Protest ist eine der höchsten Formen demokratischer Teilhabe, denn er stellt die Frage: „Was werden Sie gegen dieses Unrecht tun?“

Wir haben das Recht, diese Frage zu stellen.

Wenn das Parlament versucht, Menschen als außerhalb des Gesetzes stehend zu behandeln, nur weil sie vernünftige Fragen stellen, dann stimmt etwas nicht mit unserer Demokratie.

Wir müssen protestieren, weil wir Veränderungen brauchen.

Es gab noch nie einen großen Fortschritt ohne Protest.

Wir müssen das Recht verteidigen, seine Meinung zu äußern.

Wir müssen bessere Forderungen stellen, und in der letzten Woche sind alle diese Rechte rückgängig gemacht worden.

Daher müssen wir in Zukunft möglicherweise noch lauter sein.

Weitere Maßnahmen ergreifen

eine ChatGPT-Eingabeaufforderung mit vollständigen Anweisungen, die Ihnen dabei hilft Wenn Sie zu den in diesem Blogbeitrag angesprochenen Themen einen Brief an Ihren Abgeordneten schreiben möchten, finden Sie hier .


07.07.2025 Wie kann ich den/die zuständige/n PolitikerIn der Schweiz mit meinen Anliegen anschreiben?

Um in der Schweiz den für dich zuständigen Politiker auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene anzuschreiben, gibt es spezifische Vorgehensweisen für jede Ebene. Die grundlegenden Prinzipien sind ähnlich, aber du musst sicherstellen, dass du den richtigen Politiker an der richtigen Stelle ansprichst. Hier ist eine detaillierte Anleitung:

1. Gemeindeebene:

Auf der Gemeindeebene hast du es mit den Gemeinderäten oder Stadträten zu tun. Diese sind für lokale politische Entscheidungen zuständig (z.B. in einer Stadt oder einem Dorf). In größeren Städten wie Zürich, Genf oder Basel gibt es zudem Stadtparlamente.

So findest du den zuständigen Gemeindepolitiker:

2. Kantonsebene:

Auf Kantonsebene bist du mit dem Kantonsparlament und den Regierungsräten (Exekutive) konfrontiert. Das Kantonsparlament (z.B. der Landrat in Basel-Landschaft oder der Kantonsrat in Zürich) ist für die Gesetzgebung zuständig, während die Regierungsräte (z.B. für Gesundheit, Bildung oder Inneres) in der Exekutive arbeiten. So findest du den zuständigen Kantonspolitiker:

3. Bundesebene (Nationalrat und Ständerat):

Auf Bundesebene gibt es die beiden Kammern des Parlaments: den Nationalrat (Volksvertretung) und den Ständerat (Kantonsvertretung). Die Wahl des richtigen Ansprechpartners hängt von deinem Wohnort und dem Thema ab.

So findest du den zuständigen Bundespolitiker:

4. Allgemeine Tipps für die Kontaktaufnahme:

a. Wie schreibe ich eine E-Mail?

b. Geduld haben:

Politiker erhalten täglich viele E-Mails, daher kann es eine Weile dauern, bis du eine Antwort erhältst. Bleibe höflich und respektvoll in der Kommunikation.

c. Social Media:

Viele Politiker sind auf Plattformen wie Twitter, Facebook oder LinkedIn aktiv. Du kannst ihnen auch dort eine Nachricht senden oder öffentliches Feedback geben, wenn das für dich eine Option ist.


07.07.2025 Blinken befahl den Anschlag. Die großen Tech-Unternehmen führten ihn aus. African Stream ist tot.

Übersetzung des Artikels von Alan MacLeod:

Am Dienstag, dem 1. Juli 2025, veröffentlichte African Stream sein letztes Video , eine trotzige Abschiedsbotschaft. Damit bestätigte das einst florierende panafrikanische Medienunternehmen seine endgültige Schließung. Nicht, weil es gegen das Gesetz verstoßen hätte. Nicht, weil es Desinformationen verbreitet oder zu Gewalt aufgerufen hätte. Sondern weil es die falsche Geschichte erzählte – eine Geschichte, die die Macht der USA in Afrika in Frage stellte und bei schwarzen Zuschauern weltweit zu großen Anklang fand. Als Außenminister Antony Blinken African Stream vorwarf, eine Tarnorganisation des Kremls zu sein, zögerten die großen Technologiekonzerne nicht, und innerhalb weniger Stunden wurde die Plattform von fast allen großen sozialen Medien gelöscht.

Im September verkündete US-Außenminister Antony Blinken den Aufruf und kündigte einen umfassenden Krieg gegen die Organisation an. Ohne Beweise behauptete er, es handele sich um eine russische Tarnorganisation. „Das staatlich finanzierte russische Medienunternehmen RT betreibt heimlich die Online-Plattform African Stream auf zahlreichen Social-Media-Plattformen“, sagte er und fügte hinzu:

Der Website des Senders zufolge ist „African Stream“ – ich zitiere – „eine panafrikanische digitale Medienorganisation, die ausschließlich auf Social-Media-Plattformen basiert und sich darauf konzentriert, allen Afrikanern im In- und Ausland eine Stimme zu geben.“ In Wirklichkeit gibt sie nur den Kreml-Propagandisten eine Stimme.“

Innerhalb weniger Stunden reagierten die großen Social-Media-Plattformen. Google, YouTube, Facebook, Instagram und TikTok löschten die Konten von African Stream, während Twitter die Monetarisierung der Organisation einstellte.

African Stream versuchte, den Betrieb fortzusetzen, stellte ihn aber diese Woche endgültig ein. MintPress News sprach mit dem Gründer und CEO des Unternehmens, Ahmed Kaballo. Dieser erklärte, Washington habe mit nur einer einzigen Erklärung den gesamten Betrieb des Unternehmens zerstören können:

Wir schließen, weil das Geschäft unhaltbar geworden ist. Nachdem wir von Antony Blinken angegriffen wurden, haben wir wirklich versucht, weiterzumachen, aber ohne eine Plattform auf YouTube, Instagram, TikTok und die Demonetisierung von X bedeutete dies, dass es fast unmöglich wurde, Einnahmen zu generieren.“

Die Nachricht enttäuschte die große und schnell wachsende Follower-Basis des in Nairobi, Kenia, ansässigen Mediums. Zum Zeitpunkt der koordinierten Operation hatte der Account fast eine Million Follower auf TikTok, fast 880.000 auf Instagram und fast eine halbe Million auf YouTube und erreichte damit 30 bis 40 Millionen Menschen pro Monat. Aus dem Nichts entstanden, expandierte er 2022 rasant, bot eine panafrikanische Perspektive auf globale Ereignisse und arbeitete daran, die Rolle des Imperialismus auf dem Kontinent aufzudecken.

African Stream hat ein großes und engagiertes Publikum unter Afroamerikanern aufgebaut. Prominente, Rapper und NBA-Basketballstars teilten regelmäßig ihre Inhalte. Kaballo glaubt, dass diese Kombination aus antiimperialistischer Botschaft und Einfluss auf die schwarze Bevölkerung Amerikas die Verleumdungen des Außenministeriums auslöste. Er erklärt:

Wir kritisierten Republikaner und Demokraten. Wir folgten der panafrikanischen Tradition von Malcolm X, der sagte, es gebe keinen Unterschied zwischen Fuchs und Wolf; gebissen wird man so oder so. Und weil wir so großen Einfluss auf die schwarze Community in den USA hatten, wurden wir als Bedrohung für die Demokratische Partei angesehen. Deshalb empfinden wir es als parteipolitischen Angriff.“

Blinkens Angriff war nicht der erste, den African Stream erlitt. Im vergangenen Juni behauptete NBC News (ohne Beispiele zu nennen), African Stream versuche, die Wahlen 2024 durch die Verbreitung von Desinformation zu untergraben. Im August schrieb dann das von der US-Regierung finanzierte Medienunternehmen Voice of America, Kaballos Organisation „verzerre die Mission des US-Militärs in Somalia“ und beharrte darauf, die USA bombardierten eines der ärmsten Länder des Kontinents, um „Zivilisten zu schützen“. Durchgesickerte Dokumente zeigen zudem, dass das britische Außenministerium eine Verleumdungskampagne gegen die Organisation plante.

Kaballo sagte gegenüber MintPress, er habe mit den Angriffen gerechnet. „Es ist keine wirkliche Überraschung“, sagte er. „Die Überraschung war, dass die großen Tech-Unternehmen ohne jegliche Beweise beschlossen haben, uns zu Fall zu bringen.“

Angesichts der extrem engen Verbindungen zwischen Silicon Valley und dem US-Sicherheitsapparat – worüber MintPress immer wieder berichtet hat – hätte Kaballo auf dieses Ergebnis jedoch vielleicht besser vorbereitet sein sollen.

Googles Direktor für Sicherheit und öffentliches Vertrauen, Ben Randa, war beispielsweise früher Strategischer Planungs- und Informationsbeauftragter der NATO. Facebooks Senior Misinformation Policy Manager Aaron Berman, der maßgeblich für die politische Ausrichtung der Plattform verantwortlich ist, ist ein ehemaliger hochrangiger CIA-Agent. Wie andere Plattformen hat auch TikTok Dutzende ehemaliger Beamter des FBI, der CIA und des Außenministeriums angeheuert , um seine sensibelsten internen Angelegenheiten zu überwachen.

Wenn Blinken tatsächlich eine staatlich geförderte Einflussoperation aufdecken wollte, müsste er nicht lange suchen. Anfang des Jahres enthüllte ein Finanzierungsstopp der US-Behörde USAID ein globales Netzwerk angeblich „unabhängiger“ Medien, das von Washington heimlich finanziert wurde. Das Ausmaß dieser Operation war enorm: Mehr als 6.200 Journalisten von fast 1.000 Organisationen auf fünf Kontinenten erhielten ihre Gehälter heimlich ganz oder teilweise von der US-Regierung.

Auch wenn die Ansichten dieser Mediengruppen unterschiedlich waren, hatten sie doch eines gemeinsam: Sie setzten sich unerschütterlich für die Interessen Washingtons ein.

Der Finanzierungsstopp war in der Ukraine deutlich spürbar. Oksana Romanjuk, die Direktorin des dortigen Instituts für Masseninformation, beklagte , dass fast 90 Prozent der lokalen Medien von USAID finanziert würden, darunter viele, die über keine andere Einnahmequelle verfügten.

Im benachbarten Weißrussland ergab eine Umfrage unter 20 führenden Medien, dass 60 Prozent ihrer Budgets direkt aus Washington kamen.

Nach dem Einfrieren der Mittel gerieten die regierungskritischen kubanischen Medien in eine existenzielle Krise. So veröffentlichte beispielsweise das in Miami ansässige CubaNet einen Leitartikel, in dem es seine Leser um Spenden bat. „Wir stehen vor einer unerwarteten Herausforderung: der Aussetzung wichtiger Finanzierungen, die einen Teil unserer Arbeit ermöglichten“, schrieben sie . „Wenn Sie unsere Arbeit schätzen und daran glauben, die Wahrheit am Leben zu erhalten, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung.“

Im Jahr 2024 erhielt CubaNet allein von USAID rund eine halbe Million Dollar. Die von den USA unterstützten iranischen Medien griffen unterdessen zu Massenentlassungen ihrer Mitarbeiter.

Die Geschichte des African Stream wirft ein Schlaglicht auf den beklagenswerten Zustand der globalen Kommunikation. Die USA haben die Macht, Medien, die eine alternative Weltsicht vertreten, zu unterdrücken oder sogar ganz zu löschen. Washington finanziert Tausende Journalisten weltweit für pro-amerikanische Propaganda und hat durch seine engen Verbindungen zum Silicon Valley die Macht, diejenigen zu zerstören, die sich nicht an die Regeln halten.

African Stream ist bei weitem nicht die erste unabhängige, antiimperialistische Nachrichtenorganisation, die von Washington ins Visier genommen wurde. MintPress selbst wurde wiederholt angegriffen und als geheime iranische, chinesische, russische, syrische oder sogar venezolanische Operation diffamiert. Unsere Reichweite in den sozialen Medien wurde eingeschränkt, und PayPal hat uns das Bankkonto entzogen. Andere führende alternative Medien berichten eine ähnliche Geschichte.

Ähnlich verhält es sich in Europa. Die Unterstützung der Region für Israels Vorgehen in Palästina hat ein hartes Vorgehen gegen den unabhängigen Journalismus ausgelöst. Die Häuser der britischen Journalisten Richard Medhurst und Asa Winstanley wurden von der Polizei durchsucht, und die Europäische Union hat gegen Hüseyin Dogru Sanktionen verhängt , weil er über pro-palästinensische Proteste berichtete.

In ihrem möglicherweise letzten Post veröffentlichte African Stream am Dienstag, dem 1. Juli, ein Video ihrer tanzenden Mitarbeiter, begleitet von den Worten:

Es ist schwer zu akzeptieren, dass wir aufgrund haltloser Anschuldigungen der US-Regierung schließen mussten. Doch anstatt stillschweigend nachzugeben, entschied sich das Team, wie unsere Vorfahren es oft taten, durch Tanzen Widerstand zu leisten. „Ihr könnt uns die Plattform entziehen. Ihr könnt uns verleumden. Aber ihr könnt uns nicht vom Tanzen abhalten.“

Oberflächlich betrachtet mag die offene Zensur eines kenianischen Medienunternehmens durch die US-Regierung eine deprimierende Geschichte sein. Kaballo zeigte sich jedoch optimistisch und bemerkte, dass sich die Lage der radikalen afrikanischen Medien seit 2022 drastisch verbessert habe und viele Sender eine panafrikanische, antiimperialistische Botschaft verbreiteten. „In den nächsten Jahren wird es hoffentlich 20 oder 30 verschiedene Versionen von African Stream geben, die die Menschen mit hochwertigen Inhalten erreichen“, sagte er.

Titelbild | Illustration von MintPress News

Alan MacLeod ist leitender Redakteur bei MintPress News. Er promovierte 2017 und hat seitdem zwei renommierte Bücher verfasst: „Bad News From Venezuela: Twenty Years of Fake News and Misreporting“ und „Propaganda in the Information Age: Still Manufacturing Consent“ sowie zahlreiche wissenschaftliche Artikel. Er hat außerdem für FAIR.org, The Guardian, Salon, The Grayzone, Jacobin Magazine und Common Dreams geschrieben. Folgen Sie Alan auf Twitter für weitere Beiträge und Kommentare: @AlanRMacLeod.


07.07.2025 Sparmaßnahmen führen zu über einer Million vermeidbaren Todesfällen in der EU

Übersetzung des Artikels von Peoples Health Dispatch:

Im Jahr 2022 starben in der EU über eine Million Menschen an vermeidbaren Ursachen. Gewerkschaften fordern höhere öffentliche Investitionen und Vermögenssteuern, um diesen Trend umzukehren.

Mehr als eine Million Menschen starben im Jahr 2022 in der Europäischen Union an vermeidbaren Ursachen, wie aus einem neuen Eurostat-Bericht hervorgeht. Davon waren über 386.000 Todesfälle auf Krankheiten zurückzuführen, die mit einer hochwertigen Gesundheitsversorgung behandelbar gewesen wären. Mindestens 725.000 Todesfälle hätten durch wirksame Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit verhindert werden können.

Zu den genannten Krankheiten gehören Herzkrankheiten, COVID-19 und verschiedene Krebsarten – wie Dickdarm-, Brust- und Lungenkrebs –, die laut Experten schon lange durch entsprechende Investitionen in Screening und Behandlung wirksamer behandelt werden könnten. Trotz dieser Warnungen kürzen die europäischen Behörden weiterhin die Mittel für Gesundheits- und Pflegedienste und geben gleichzeitig Rekordsummen für das Militär aus .

Der Eurostat-Bericht zeigt, dass osteuropäische Länder überproportional betroffen sind. Lettland wies mit 543 vermeidbaren Todesfällen pro 100.000 Einwohner die höchste Rate auf, gefolgt von Rumänien, Ungarn und Litauen – Länder, deren öffentliche Gesundheitssysteme durch Haushaltszwänge und den Übergang zu gewinnorientierten Dienstleistungen stark geschwächt wurden. Im Vergleich dazu verzeichneten Schweden und Luxemburg 169 bzw. 180 vermeidbare Todesfälle pro 100.000 Einwohner.

„Es ist schockierend und inakzeptabel, dass in der EU jedes Jahr über eine Million Menschen aufgrund vermeidbarer Krankheiten ihr Leben verlieren, weil unsere Gesundheitssysteme nicht ausreichend finanziert sind“, sagte Esther Lynch, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). „Es zeigt auch, dass es absolut keinen Spielraum gibt, Mittel von den Sozialausgaben in die Verteidigung umzuschichten.“

Als Reaktion darauf haben die Gewerkschaften ihre Forderung erneuert, die Sparmaßnahmen zu beenden und sicherzustellen, dass die Reichsten einen fairen Beitrag zum Funktionieren des öffentlichen Dienstes leisten. „Die Mittel sind vorhanden: Selbst eine moderate 1-Prozent-Steuer auf extreme Vermögen würde ausreichen, um den Personalmangel im Gesundheitswesen zu decken“, erklärte Jan Willem Goudriaan vom Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD). „Unser öffentlicher Dienst braucht mehr Investitionen, und die Reichsten sollten angesichts der Rekordgewinne und Dividendenausschüttungen ihren gerechten Anteil zahlen“, fügte Lynch hinzu.

Eine zentrale Forderung der Gewerkschaften ist die Erhöhung der Mittel für die Ausbildung und Einstellung von Gesundheitsfachkräften. OECD-Daten zeigen, dass in Europa derzeit mindestens 1,2 Millionen Gesundheitsfachkräfte fehlen. Diese Zahl dürfte jedoch zu niedrig angesetzt sein, da sie auf den Mindestanforderungen für eine allgemeine Krankenversicherung (UHC) und nicht auf den tatsächlichen Anforderungen für eine allgemeine Versorgung basiert.

Die Personalkrise fordert sowohl von Mitarbeitern als auch von Patienten einen hohen Tribut. Es gibt zahlreiche Berichte über Burnout und unsichere Bedingungen, darunter überfüllte Flure und unzureichende Personalschlüssel. „Kommerzialisierung und Privatisierung lösen diese Probleme nicht“, sagte Goudriaan. „Wir brauchen dringend mehr öffentliche Mittel, um das Problem anzugehen. ‚Austerität tötet‘ ist nicht nur ein Slogan – es ist die Realität, mit der Patienten und medizinisches Personal täglich konfrontiert sind.“

People's Health Dispatch ist ein vierzehntägiges Bulletin der People's Health Movement und von Peoples Dispatch . Weitere Artikel und Abonnements von People's Health Dispatch finden Sie hier .


07.07.2025 Es ist jetzt Terrorismus, gegen Waffenhersteller zu protestieren, die Kinder in die Luft sprengen

[Anm.: Mit Palastine Action wird eine Organisation von jungen Menschen, die friedlich und aufsehenerregend gegen Israels Massenmorde und die ethnische Säuberung Gazas sowie die britische Komplizenschaft bei diesen Verbrechen protestieren, als Terrorgruppe eingestuft. Diese Entscheidung zielt darauf ab, Millionen von Menschen zu kriminalisieren, die in Grossbritannien und weltweit auf die Strasse gegangen sind, um gegen diese historischen Verbrechen zu protestieren.]

Auszugsweise Übersetzung des Artikels von Laura von Normal Island News:

Es ist auch Terrorismus, den Eindruck zu erwecken, man unterstütze die Demonstranten

Waffenhersteller, die Kinder in die Luft sprengen, freuen sich, dass es nun offiziell TERRORISMUS ist, gegen sie zu protestieren! Besser noch: Es ist Terrorismus, jedes Wort zu äußern oder T-Shirts oder Abzeichen zu tragen, die direkte Aktionen bekunden. Genau dafür haben die Suffragetten und die Bürgerrechtsbewegung gekämpft (Herz-Emoji).

Die Leiterin des Wahrheitsministeriums, Yvette Cooper, hat entschieden, dass man den Namen einer ihr unbekannten Aktionsgruppe nicht einmal erwähnen darf. Farbspritzer gelten nun als gleichwertig mit Flugzeugen, die in Gebäude fliegen, da die Einheitlichkeit des Gesetzes wichtig ist.

Die Splasher, die erschreckend wenige Menschen getötet und ebenso viele verletzt haben, terrorisieren Firmengebäude und haben Millionen von Opfern gefordert. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank schützt Yvette Cooper die Waffenhersteller! Die Geschichte wird sie in guter Erinnerung behalten, denn jede abweichende Meinung wird in Vergessenheit geraten.

Die Sperrung einer Gruppe, deren Name nicht genannt werden soll, trat gestern Abend in Kraft, nachdem ihre Berufung abgelehnt wurde. Ihr Twitter-Account wurde bereits gelöscht, alle, die ihre Beiträge geliked haben, wurden verhaftet und alle ihre Mitglieder wurden in den Fleischwolf geworfen. Ich meine, die hat es ja nie gegeben. Wovon redet ihr? Von welchen Mitgliedern? Von welchem ​​Verbot? Halt die Klappe, du dachtest, du wärst kriminell, ich melde dich!

Jeder, der über die Gruppe spricht, die nie existiert hat, wird zur, ähm, Neuprogrammierung in Raum 101 gebracht. Wenn sie Glück haben, kehren sie nach 14 Jahren als zerbrochene Hüllen in die Gesellschaft zurück und erinnern die Nation daran, was mit Gedankenverbrechern geschieht. Wenn ihre Neuprogrammierung erfolglos bleibt, haben sie nie existiert.

Als das Terrorismusgesetz verabschiedet wurde, hieß es im Parlament, es werde nicht dazu dienen, gewaltfreie Aktionsgruppen zu verbieten. Doch das ist mittlerweile völlig vergessen. Ignorieren Sie einfach den ganzen Unsinn, den man Ihnen über den Geist des Gesetzes beigebracht hat. Es interessiert niemanden. [...]


07.07.2025 Die MOSAIC-Waffe der IAEA: Prädiktive Spionage und der Krieg gegen den Iran

Übersetzung des Artikels von Kit Klarenberg für The Cradle:

Mit finanzieller Unterstützung der USA und der KI-Tools von Palantir verwandelte die IAEA ihre Iran-Inspektionen in ein Überwachungsregime, das die Grenze zwischen Überwachung und militärischer Zielerfassung verwischte.

Seit Israel am 13. Juni seinen illegalen Angriffskrieg gegen den Iran begann, kursieren Spekulationen über die Rolle von MOSAIC – einem Tool, das von der dubiosen Spionagefirma Palantir entwickelt wurde.

Diese Software ist tief in die Operationen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) eingebettet, insbesondere in ihre „Schutz“-Mission: Inspektionen und Überwachung der staatlichen Einhaltung von Nichtverbreitungsabkommen.

MOSAIC spielt seit einem Jahrzehnt eine zentrale Rolle bei dieser Arbeit und wurde von der Regierung des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama stillschweigend in das im Juli 2015 geschlossene Atomabkommen mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) integriert.

Als Versehen getarnte Spionage

Das Abkommen gewährte den IAEA-Inspektoren ungehinderten Zugang zu den iranischen Atomanlagen, um das Fehlen eines Atomwaffenprogramms zu bestätigen. Dabei sammelte die Behörde eine immense Datenmenge: Überwachungsbilder, Sensormessungen, Anlagendokumente – all diese Daten wurden in das Vorhersagesystem von MOSAIC eingespeist.

Die zentrale Rolle der Software in dem Abkommen blieb jedoch bis zu einer Enthüllung durch Bloomberg im Mai 2018 im Dunkeln, nur wenige Tage bevor US-Präsident Donald Trump während seiner ersten Amtszeit das Abkommen einseitig aufkündigte und Washingtons sogenannte „Maximaldruck“-Kampagne gegen Teheran startete.

Trotz Trumps Aufkündigung des Abkommens wurden die Inspektionen iranischer Atomanlagen fortgesetzt, ebenso wie die Überwachung des teheranischen Atomprogramms durch MOSAIC. Wie Bloomberg feststellte, half Palantirs Technologie der IAEA dabei, riesige Mengen an Informationen aus unterschiedlichen Quellen zu prüfen, darunter 400 Millionen „digitale Objekte“ weltweit, wie etwa „Social-Media-Feeds und Satellitenfotos aus dem Iran“ – eine Fähigkeit, die „die Befürchtung weckte, dass die IAEA die Grenze zwischen nuklearer Überwachung und nachrichtendienstlicher Arbeit überschreiten könnte“.

Der Bloomberg-Artikel lieferte auch Stoff für die oft geäußerte Sorge der Iraner, dass Mosaic den Israelis dabei helfe, iranische Wissenschaftler für Mordanschläge aufzuspüren:

„Wie aus IAEA-Dokumenten hervorgeht, bildet das Tool den analytischen Kern der neuen, 50 Millionen Dollar teuren MOSAIC-Plattform der Agentur. Es wandelt Datenbanken mit geheimen Informationen in Karten um, die den Inspektoren dabei helfen, die Verbindungen zwischen den an nuklearen Aktivitäten beteiligten Personen, Orten und Materialien zu visualisieren.“

Bloomberg zitierte den Chef eines britischen Unternehmens, das „Regierungen in Verifizierungsfragen berät“, zu den Gefahren, die durch die Eingabe falscher Daten in MOSAIC entstehen, „ob aus Versehen oder mit Absicht“:

„Sie generieren eine falsche Rendite, wenn Sie dem System eine falsche Annahme hinzufügen, ohne die entsprechende Einschränkung vorzunehmen … Am Ende werden Sie sich selbst davon überzeugen, dass Schatten real sind.“

Teheran befürchtet weiterhin, dass MOSAIC stark von Palantirs „Predictive-Policing“-Software beeinflusst ist. Diese Technologie, die von vielen Strafverfolgungsbehörden in der westlichen Welt mit enormem Aufwand eingesetzt wird, ist höchst umstritten und weist nachweislich gefährliche, irreführende Vorurteile auf, die zu fehlerhaften Interventionen im Vorfeld von Straftaten führen.

Tatsächlich hat die MIT Technology Review in einem Bericht, der die Gefährlichkeit dieser Technologie bei der Analyse sogar inländischer Kriminaldaten untersucht, ausdrücklich zur Abschaffung der prädiktiven Technologie aufgerufen:

Mangelnde Transparenz und verzerrte Trainingsdaten bedeuten, dass diese Tools ihren Zweck nicht erfüllen. Wenn wir sie nicht verbessern können, sollten wir sie aufgeben.

Angesichts der Einbeziehung zweifelhafter Geheimdienstinformationen – wie etwa des vom Mossad gestohlenen iranischen Atomarchivs, das der israelische Geheimdienst offen für seine Täuschungsmanöver feierte – ist es sehr wahrscheinlich, dass solche manipulierten Daten ungerechtfertigte Inspektionen auslösten. Bloomberg zitierte einen Unterhändler, der an der Ausarbeitung des Abkommens von 2015 beteiligt war. Er äußerte seine Besorgnis darüber, dass „schmutzige oder unstrukturierte Daten“ zu einer „Flut unnötiger Schnellinspektionen“ führen könnten.

Die Software von Palantir half der IAEA insbesondere dabei, „außerplanmäßige Untersuchungen zu planen und zu rechtfertigen“ – mindestens 60 davon wurden durchgeführt, bis die amerikanisch-israelischen Angriffe den Inspektionen ein Ende setzten.

Daten als Waffe

Am 31. Mai veröffentlichte die IAEA einen Bericht , der nahelegt, dass der Iran möglicherweise weiterhin Atomwaffen entwickelt. Obwohl der Bericht keine neuen Beweise vorlegte, bezogen sich die zweifelhaften Vorwürfe auf „jahrzehntelange Aktivitäten“ an drei Standorten, an denen angeblich bis Anfang der 2000er Jahre „nicht deklariertes Nuklearmaterial“ gehandhabt wurde.

Die Ergebnisse veranlassten den Gouverneursrat der Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen vorzuwerfen und damit Tel Aviv einen Propagandavorwand für seinen illegalen Angriff am nächsten Tag zu liefern. am 12. Juni dazu, dem Iran „Verstoß gegen seine Verpflichtungen zur Nichtverbreitung“

Am 17. Juni räumte IAEA-Chef Rafael Grossi ein, die Agentur habe „keine Beweise für systematische Bemühungen Teherans, in den Besitz einer Atomwaffe zu gelangen“. Dennoch war der Schaden angerichtet. Iranische Abgeordnete ein und verwiesen auf den geheimen Austausch sensibler Daten durch die IAEA mit Tel Aviv und Grossis geheime Zusammenarbeit mit israelischen Behörden . stellten jegliche Zusammenarbeit mit der Agentur

Für andere Staaten, die unter Beobachtung der IAEA stehen, ist dies möglicherweise der klügste Weg. MOSAIC ist mittlerweile so eng mit dem Tagesgeschäft der Agentur verwoben, dass jedes Land, das von einem Regimewechsel bedroht ist, aufgrund gefälschter Beweise des Atomwaffenbesitzes beschuldigt werden könnte.

Ein IAEA-Dokument aus dem Jahr 2017 enthüllt, dass MOSAIC aus „über 20 verschiedenen Softwareentwicklungsprojekten“ besteht. Das im Mai 2015 gestartete Projekt sollte den weltweiten „Sicherheitsdienst“ revolutionieren.

Der Bericht beschreibt MOSAIC als Werkzeug für Inspektoren, mit dem sie die Herausforderungen von morgen meistern können. So ermöglicht beispielsweise das Electronic Verification Package (EVP) die automatische Erfassung und Verarbeitung von Felddaten – einschließlich Planung, Berichterstattung und Überprüfung. Bei der Besichtigung einer Anlage erfassen Inspektoren umfangreiche Informationen, die in der Zentrale über das EVP sofort ausgewertet werden.

Darüber hinaus ermöglicht die Collaborative Analysis Platform (CAP) einen umfassenden Vergleich interner und Open-Source-Daten, einschließlich Luftaufnahmen. Sie unterstützt die zentralen Sicherungsprozesse der IAEA: Planung, Informationsbeschaffung und -analyse, Verifizierung und Evaluierung.

CAP ermöglicht der IAEA, „viele Daten- und Informationsquellen zu durchsuchen, zu sammeln und zu integrieren, um umfassende Analysen zu ermöglichen“. Ein im Dokument zitierter IAEA-Vertreter erklärte, die Plattform stelle „einen großen Fortschritt in der Analytik“ und „einen Wendepunkt“ dar. Sie ermögliche es der IAEA, „eine viel größere Menge an Informationen zu sammeln und diese auch gründlicher als zuvor zu analysieren“.

Diese analytischen Fähigkeiten verleihen den Inspektoren die Fähigkeit, „über einen bestimmten Zeitraum hinweg Beziehungen zwischen Informationen aus mehreren Quellen herzustellen“ und „riesige Datenmengen zu verstehen“.

CAP unterstützt auch die Sammlung und Auswertung von Open-Source-Informationen. Das Dokument weist darauf hin, dass die Plattform „deutlich mehr Open-Source-Informationen verarbeiten kann, als das Ministerium derzeit verarbeiten kann“. Außerdem ermöglicht sie es den Mitarbeitern, „Informationen im gesamten Archiv zu durchsuchen, verschiedene Informationstypen sorgfältig zu prüfen und Informationen in visuellen Formaten wie Luftaufnahmen zu nutzen“.

„Außerbudgetäre Beiträge“ der US-Regierung

All diese Geheimdienstinformationen sind hochsensibel und wären eine wahre Fundgrube für Staaten, die militärisch gegen Länder vorgehen wollen, die im Visier der IAEA stehen. Laut dem Bericht von 2017 verbrachten Inspektoren im Jahr 2015 13.248 Tage im Außendienst und inspizierten 709 Atomanlagen. Diese Zahlen sind seitdem gestiegen . Gleichzeitig blieb MOSAIC – ein wenig bekanntes Instrument zur „Früherkennung des Missbrauchs von Nuklearmaterial oder -technologie“ – in Betrieb.

Der Bericht stellte fest, dass MOSAIC aus dem regulären Budget der IAEO, dem Major Capital Investment Fund, sowie aus „außerbudgetären Zuwendungen“ finanziert wurde. Die Kosten beliefen sich damals auf rund 41 Millionen Euro (ca. 44,15 Millionen US-Dollar) – fast 10 Prozent des gesamten Jahresbudgets der Agentur. Quelle und Höhe dieser außerbudgetären Zuwendungen bleiben – vielleicht absichtlich – vage, doch ein Briefing des Congressional Research Service deutet darauf hin, dass Washington die IAEO offiziell mit über 100 Millionen US-Dollar jährlich finanziert.

Darüber hinaus leisten die USA jährlich über 90 Millionen Dollar an außerbudgetären Zuwendungen. Mit anderen Worten: Fast die Hälfte des IAEA-Budgets kommt aus den USA. Das legt den Schluss nahe, dass MOSAIC vollständig auf Kosten Washingtons geschaffen wurde.

Der Zeitpunkt der Einführung – zwei Monate vor der Einigung auf das Atomabkommen der Obama-Regierung – könnte ein weiteres Indiz dafür sein, dass die Finanzierung explizit mit Blick auf den Iran erfolgte. Wie der damalige IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano erklärte im März 2018 , war die Durchdringung Teherans durch die Organisation beispiellos.

Auf einer Pressekonferenz bezeichnete Amano das nukleare „Verifikationsregime“ der IAEA im Iran als „das robusteste der Welt“. Die Inspektoren der Organisation verbrachten jährlich 3.000 Kalendertage im Land und nahmen täglich „Hunderttausende von Bildern mit unseren hochentwickelten Überwachungskameras“ auf. Das sei „etwa die Hälfte der Gesamtzahl solcher Bilder, die wir weltweit sammeln“.

Insgesamt wurden von der IAEA monatlich „über eine Million Open-Source-Informationen“ gesammelt.

Die Fixierung der IAEA auf den Iran, gepaart mit dem Verdacht, dass das Land die Namen von Atomwissenschaftlern preisgegeben hat, die später von Israel ermordet wurden, wirft die Frage auf: Handelte es sich bei dem Abkommen von 2015 wirklich um eine Spionageoperation im industriellen Maßstab, die der Kriegsvorbereitung dienen sollte?

Eine Welle von Morden an Atomwissenschaftlern und IRGC-Kommandeuren in der Anfangsphase von Tel Avivs gescheitertem Krieg gegen den Iran scheint diese Schlussfolgerung zu stützen.

Iranische Regierungsvertreter stellten nicht nur die Zusammenarbeit mit der IAEA ein und ordneten die Demontage von Inspektionskameras an, sondern lehnten auch Grossis Antrag ab, bombardierte Atomanlagen zu besuchen. Außenminister Abbas Araghchi bezeichnete das Beharren des IAEA-Chefs auf einem Besuch unter dem Vorwand von Sicherheitsvorkehrungen als „sinnlos und möglicherweise sogar böswillig“.

Klar ist, dass jeder Staat, der noch mit der IAEO zusammenarbeitet, damit rechnen muss, dass er nicht etwa überwacht, sondern für den Krieg vorbereitet wird.


07.07.2025 Der Fight um Open-Source ist geopolitisch entbrannt

Das Businessmodell geschützter US-Systeme kommt unter Druck. Dies wegen Trumps Politik und Chinas Erfolgen mit Open Source.

Red. Als Vizekanzlerin im Bundeshaus von 1991 bis 2005 leitete die Autorin verschiedene Digitalisierungsprojekte. Nach der Pensionierung engagierte sie sich ehrenamtlich für die Digitalisierung im Bildungsbereich. Heute analysiert Hanna Muralt Müller Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz in ihren Newslettern.

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07.07.2025 Aufrüstung in Europa?

Die EU wie auch die Schweiz planen aus verschiedenen Gründen, über die in den Medien berichtet wird, ihre Rüstungsausgaben massiv zu erhöhen, damit sie einen eigenen verteidigungsfähigen (angriffsfähigen?) Machtblock darstellen, namentlich aktuell gegen Russland, China, aber auch die USA. Dazu planen sie, die Ausgaben für den Sozialstaat zu kürzen, um die Rüstung zu finanzieren.

"Friedensdividende"

Die verminderten Verteidigungsausgaben nach dem Ende des Kalten Krieges wurden in den 1990er-Jahren als Chance gesehen, die freigewordenen Gelder für soziale Ausgaben zu verwenden. Tatsächlich floss jedoch der Grossteil der Einsparungen nicht in den Sozialbereich, sondern in Steuererleichterungen für Unternehmen und Reiche. Die Friedensdividende hat also den Aspekt der gerechteren Verteilung der Mittel in der Bevölkerung nicht erfüllt.

Unsoziale Auswirkungen

Eine Kürzung der Sozialausgaben (Gesundheitswesen, Bildung, soziale Sicherheit, Wohnbau und Wohnungshilfe, öffentliche Infrastruktur, Sicherheitsdienste, Psychosoziale Unterstützung, Integration und Migration, Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, usw.) trifft vor allem die sozial schwächeren Schichten der Bevölkerung. Innenpolitisch würde also die EU geschwächt, was die Wahrscheinlichkeit sozialer Unruhen erhöht und die längerfristige Stabilität der Gesellschaft gefährdet.
Aufrüstung und Verteidigungspolitik sollen im Kontext des Wohlstands und der Sicherheit der BürgerInnen betrachtet werden. Andernfalls kommen die Rüstungsausgaben nur den Interessen von Rüstungsunternehmen und wenigen Reichen zugute.

Wertschöpfung

Die Wertschöpfung beschreibt den Wertzuwachs zwischen den Ausgangsressourcen und dem Wert des Endprodukts bzw. der Enddienstleistung, der durch verschiedene Wirtschaftsaktivitäten entsteht.

Die Wertschöpfung von Rüstungsausgaben ist weitaus geringer als jene von Ausgaben für Soziales.
Die meisten Rüstungsausgaben fliessen in den militärischen Sektor, der keine direkt konsumierbaren Güter oder sozialen Strukturen für die Bevölkerung bereitstellt. Das bedeutet, dass diese Ausgaben nicht zu einem dauerhaft guten Lebens für die BürgerInnen führen. Sie erhöhen in erster Linie die militärische Fähigkeit eines Landes, was in Friedenszeiten weniger greifbare Vorteile für die breite Gesellschaft hat. Militärische Aufrüstung benachteiligt Investitionen in die Bewältigung der zivilen Infrastruktur, Sozial-, Energie-, Umweltkrisen, usw..
Ausgaben für den Sozialstaat (z.B. soziale Sicherheit, Infrastruktur, Bildung, Gesundheit) verbessern die Lebensqualität der BürgerInnen.

Multiplikatoreffekt

Der Multiplikatoreffekt ist ein Konzept aus der Wirtschaftstheorie. Er besagt, dass jede Staatsausgabe eine Kettenreaktion auslöst, die zu einer grösseren Gesamtnachfrage und damit zu mehr Wertschöpfung führt.

Militärausgaben haben einen niedrigen Multiplikatoreffekt, weil sie weniger direkte Rückflüsse in den zivilen Sektor haben und nicht den Wohlstand der Bevölkerung erhalten oder verbessern.
Sozialausgaben haben einen höheren Multiplikatoreffekt, weil alle Menschen mehr Kaufkraft haben, was zu einer höheren Nachfrage nach Gütern führt. Dies stimuliert die Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze in vielen Wirtschaftssektoren. Dadurch steigen die Steuereinnahmen, die wiederum weitere Ausgaben finanzieren können. Sozialer Zusammenhalt wird gefördert, es kann ein gut ausgebildetes Arbeitsumfeld entstehen, was wiederum für Zufriedenheit sorgt. Und das trägt zur Erhaltung der Demokratie bei.

Alternative Finanzierung

Wenn die Militärausgaben erhöht werden sollen, so soll dies über Steuererhöhungen für hohe Einkommen und Vermögen erfolgen. Im Weiteren hat die EU die Möglichkeit, Geld über die Europäische Zentralbank zu schaffen. Zur Kontrolle der Inflation kommen wieder die Steuern zum Zug.

Friedenspolitik

Ich bin der Meinung, dass eine Friedenspolitik anstelle der Kriegspolitik und -wirtschaft treten soll. D.h. Gelder fliessen in den Erhalt von Wohlstand für alle, internationale Zusammenarbeit, Umweltbewusstsein und humanitäre Projekte, nicht in Rüstung und Kriegsführung. Ich glaube, dass der Weg zu wahrer Sicherheit und Wohlstand über Zusammenarbeit und Abrüstung führt, nicht über eine verstärkte militärische Aufrüstung.
Aufrüstung wird als "normal" angesehen. Hingegen baut die Friedenspolitik auf Dialog, Abrüstung, Zusammenarbeit zwischen den Nationen, Vertrauen, soziale Gerechtigkeit, internationale Solidarität.


11.07.2025 Geheim: Nato will Strukturen des zivilen Widerstands aufbauen

Es geht um öffentliche Desinformation, Gesundheit und Infrastruktur. Die Parlamente der Nato-Mitglieder kennen die Vorgaben nicht.

Bereits am 11. Juli 2023 hatten die Nato-Staaten – versteckt in Punkt 61[1] des Communiqués – darüber informiert, dass sie die «2023 Alliance Resilience Objectives» verabschiedet haben («Ziele der Widerstandsfähigkeit»).

Die Nato-Mitglieder sind verpflichtet, diese Ziele umzusetzen. Doch der Inhalt der Vorgaben bleibt unter Verschluss.

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Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen

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"Die Verpflichtung zum Widerstand beginnt dort, wo man erstens das Verbrechen und den Katastrophenweg erkennt, und zweitens die Möglichkeit hat, etwas dagegen zu tun" (Kurt Sendtner)

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Reden und diskutieren wir mit Andersdenkenden - Setzen wir uns für unsere Anliegen ein - Demonstrieren wir - Seien wir Ungehorsam - Handeln wir friedlich.