Ukraine - Teil 04

November 2022 - Januar 2023

Hinweis: gewisse Sachverhalte werden in westlichen, ukrainischen und russischen Medien unterschiedlich dargestellt. Das gilt ganz grundsätzlich, ganz besonders aber bei Kriegs- und Konfliktsituationen, wo jeweils die krasseste Propaganda stattfindet.

Die meisten Medien sind auf Kriegspropaganda umgestiegen. Mit den Analysen von swiss policy research behalten Sie den Überblick.

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Offener Brief: keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie seitens der Bundesregierung

Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen haben mit Beschluss vom 20.10.2022 die Bürgermeisterin beauftragt, einen offenen Brief an die Bundesregierung zu versenden. In dem Brief wird die Bundesregierung mit Blick auf die umfassenden globalen Auswirkungen aufgefordert, alles zu unterlassen, was den Krieg in der Ukraine verlängert und die Eskalationsspirale zu durchbrechen.

Der Brief der Stadtverordneten an die Bundesregierung basiert auf einem demokratisch abgestimmten Votum, dass das Organ der Stadt Königs Wusterhausen, die Stadtverordnetenversammlung, für sich selber getroffen hat und bildet die Meinung der Mehrheit (17 von 24 Anwesenden) eben dieses Organs ab.

Alle Beschlüsse und entsprechende Anlagen sind in den Ratsinformationen hinterlegt. Dazu gehören unter anderem der Beschluss, der Gegenentwurf sowie das jeweilige Abstimmungsergebnis. Eine Aufzeichnung der Sitzung vom 20.10.2022 steht ebenfalls auf der Webseite der Stadt zur Verfügung.

Offener Brief der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen an die Bundesregierung

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,
sehr geehrte Ministerinnen, sehr geehrte Minister

als Organ der kommunalen Selbstverwaltung gilt unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger, der Bereitstellung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Infrastruktur.

Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sei es im Ergebnis der so genannten Flüchtlingskrise oder der Pandemiepolitik, haben die personelle und finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen bereits mehrfach überstrapaziert.

Anstatt uns nun den vielen drängenden Kernaufgaben widmen zu können, steht uns unübersehbar die nächste Krise bevor.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine löste nahezu unmittelbar eine Eskalationsspirale aus, die sich immer schneller dreht und droht, zu einer umfassenden globalen Krise zu werden.

Völlig anders als bei allen sonstigen Konflikten, gibt es seitens der Bundesregierung keinerlei wahrnehmbares Bemühen um Diplomatie. Allein Waffen und völlig entfesselte Sanktionsmaßnahmen sollen diesmal das alleinige Mittel der Wahl sein. Eine forcierte militärische Aufrüstung geht damit einher.

Wir wollen uns nicht anmaßen zu wissen, was die richtigen Mittel sind in dieser politischen Situation. Aber was wir mit Sicherheit wissen, ist die Tatsache, dass Deutschland nicht über die Bodenschätze, Rohstoffe und Energieauswahl verfügt, um unabhängig von anderen Ländern in der Welt seine Wirtschaft und den minimalen Wohlstand der Bevölkerung aufrecht erhalten zu können. Die Länder, von denen wir abhängig sind, haben in der Regel ihr eigenes konträres

"Wertesystem", oft führen sie seit Jahren Kriege gegen ihr eigenes oder andere Völker. Wollen wir also künftig mit all diesen Ländern im Kriegszustand sein?!

Wir betrachten diese Art von Entwicklungen mit fassungslosem Entsetzen, insbesondere angesichts der bereits jetzt absehbaren Folgen.

Eine Politik, die sich darauf versteift, dass es nur eine militärische Lösung dieses Konfliktes geben könne, nimmt Tod und Zerstörung – vor allem für zigtausende Unbeteiligte und Unschuldige – billigend in Kauf.

Neben den unmittelbaren Kriegsfolgen in der Ukraine, hat der Sanktionskrieg auch Auswirkungen auf eigentlich völlig Unbeteiligte, die Menschen im sogenannten globalen Süden. Durch den nahezu vollumfänglichen Sanktionsdschungel bedingt, wurden enorme Mengen an Dünger- und Getreideexporten aus Russland und Weißrussland faktisch blockiert. Abgesehen von den ukrainischen Getreideexporten besteht das Problem fort. Eine Ausweitung von Hungersnöten in vielen ohnehin schon gebeutelten Ländern ist die Folge. Ist das im Sinne einer "wertegeleiteten" Politik?

Die Folgen der gegen Russland gerichteten Sanktionspolitik schlagen mittlerweile auch spürbar auf uns zurück. Energie- und Nahrungsmittelpreise steigen mit zunehmender Rasanz, der historische Anstieg der Erzeugerinnen- und Erzeugerpreise in Höhe von 45,8% im August zeigt an, dass die für September prognostizierte Inflation von 10 % lediglich eine Zwischenstufe auf dem Weg zu neuen Rekorden sein wird.

Bereits im Juli meldete der Sparkassen- und Giroverband, dass bei einer Verstetigung des Inflationsgeschehens 60% der deutschen Haushalte keine Rücklagen mehr bilden können, der Einlagenzuwachs im Vergleich zu 2020 um 98% zurückgegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag die Inflation bei 7,9%.

Die nun markig als "Doppel-Wumms" angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von 200 Mrd. € lösen das grundsätzliche Problem nicht, es wird an den Symptomen herumgedoktert, wo eine kritische Reflektion der ergriffenen Maßnahmen und ein Umsteuern notwendig wäre.

Die Meldungen über endgültige Betriebsschließungen und Insolvenzen häufen sich. Vielen bereits durch die Pandemie-Politik gebeutelten Gewerbetreibenden geht nun endgültig die Luft aus, aufgrund hoher Kosten bei gleichzeitig einbrechendem Umsatz.

Es kommen nicht bezifferbare Verluste durch Betriebsschließungen, Produktionsverlagerungen ins Ausland, Rezession und Kaufzurückhaltung auf uns zu. Ganze Branchen werden verschwinden und Deutschland verliert seine letzten Standortvorteile. Die zunehmende Inflation wird zu einer massiven Kapitalflucht führen, das ohnehin angeschlagene Finanzsystem droht zu kollabieren. Der Umfang des Gesamtschadens ist unabsehbar. Die Arbeitslosigkeit wird explodieren, gleichzeitig steigt die Zahl der Flüchtlinge, die Sozialsysteme sind jetzt schon völlig überlastet. Daraus folgende soziale und politische Unruhen sind zwangsläufig.

Alle weiteren Entwicklungen sind absehbar, ohne dass damit den Menschen in der Ukraine geholfen ist.

Wir rufen Sie daher dazu auf, alles zu unterlassen, was diesen Krieg verlängert und alles dafür zu tun, dass die Waffen schweigen. Sowohl im Waffenkrieg als auch im Wirtschaftskrieg!

Schließen möchten wir mit den Worten Willy Brandts, die nichts an Ihrer Gültigkeit verloren haben

"Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts."

Der Originalartikel der Stadt Königs Wusterhausen kann hier besucht werden

Obiger Artikel stammt von Pressenza


Putin geht mit der Unfähigkeit der Vereinigten Staaten ins Gericht

Während in Deutschland eine Rede des Bundespräsidenten Steinmeier, die von Hybris und wertewestlicher Verwirrtheit gekennzeichnet ist, von den Medien als "Epochenwandel" gefeiert wird, sucht man Berichte über die nahezu zeitgleich gehaltene Rede des russischen Präsidenten Putin vor dem Waldai-Klub vergeblich. Das ist wenig verwunderlich, ging Putin doch genau mit jener Hybris und Verwirrtheit hart ins Gericht, die zurzeit die Außen- und Sicherheitspolitik des Westens prägen. Ray McGovern hat die Rede kommentiert. Susanne Hofmann hat sie für die NachDenkSeiten ins Deutsche übertragen.

Weiterlesen auf NachDenkSeiten


Es ist, als würde man einen Panzerfahrer zum Fliegen eines Flugzeugs zwingen": Wie Moskauer Militärbeamte Dokumente ändern, um Männer ohne Kampferfahrung einzuberufen

Zum englischen Originaltext auf Meduza

Interviews von Anna Evdanova. Gekürzte Übersetzung von Sam Breazeale.

Im Laufe seiner Mobilisierungskampagne hat das russische Militär Hunderttausende von Menschen eingezogen - darunter auch einige, die noch nie eine Waffe in der Hand gehalten haben. Nach Erhalt der Einberufungsbescheide sind diese unqualifizierten Wehrpflichtigen zu ihren örtlichen Militärkommissariaten gegangen, um die Sache zu klären - nur um dann auf der Stelle eingezogen zu werden. Da sie jedoch nicht über die von der Armee benötigten Fähigkeiten verfügen, werden die Männer tagelang von Einheit zu Einheit geschickt, bis die Beamten schließlich ihre eigentliche militärische Berufsbezeichnung - sei es "Kabeltechniker" oder "Musiker" - durch das Wort "Schütze" ersetzen. Mehrere Wehrpflichtige, die unter diesen falschen Vorwänden eingezogen wurden, haben bei der russischen Militärstaatsanwaltschaft Beschwerde über diese illegale Praxis eingereicht. Sie berichteten Meduza über ihre Erfahrungen.

Sergej, 31 Jahre alt

Militärische Berufsspezialisierung: Mechaniker für Funkkommunikationsausrüstung

Ich habe meine militärische Berufsspezialisierung 2012 in der Armee erhalten und bin diesem Weg während meiner gesamten Wehrpflicht gefolgt. Ich habe noch nie ein Maschinengewehr in der Hand gehabt, außer beim Ablegen des militärischen Eids.

Am 13. Oktober erhielt ich eine Vorladung. Ich ging damit zum Militärkommissariat, denn ich hatte nicht die Absicht zu fliehen, und das habe ich auch jetzt nicht. Ich ging zum Kommissariat, um meine Daten zu aktualisieren, [wie in der Vorladung angegeben]. Wir waren etwa hundert Leute. Man unterzog mich einer ärztlichen Untersuchung und händigte mir dann eine Mobilisierungsvorladung für den 15. Oktober aus.

Als der Tag kam, ging ich zum Militärkommissariat. Sie schickten uns mit dem Bus zum Patriot Park [ein militärischer Themenpark in der Region Moskau]. Wir waren 48 Personen. Am nächsten Morgen trafen die so genannten "Kunden" ein - die Leute, die auswählen, welche Wehrpflichtigen rekrutiert werden sollten. In den nächsten drei Tagen nahmen sie sieben Leute mit - die gesündesten, am besten ausgebildeten Männer mit den benötigten Fähigkeiten. Am vierten Tag waren nur noch 21 Leute übrig. Dann verkündeten sie, dass wir zurück zum Militärkommissariat gehen würden, um [offiziell unsere Wehrpflicht zu beenden], da niemand uns brauchte.

Um 22.00 Uhr rief [Viktor] Kusnezow, ein Oberstleutnant und unser Militärkommissariat, an und sagte, dass wir nicht zum Kommissariat zurückkehren würden, weil er dafür gesorgt hatte, dass wir zum Patriot Park zurückgebracht wurden. Wir waren ein wenig frustriert, aber so lautete der Befehl. Am nächsten Tag - dem fünften - wurden wir wieder zu den "Kunden" gebracht. Dieses Mal schaffte es ein Teil unserer Gruppe in die zweite Runde, und einige von ihnen wurden schließlich rekrutiert. Es waren 14 Personen übrig. Wir verbrachten die Nacht in Avangard [einem Militärlager für Kinder].

Am sechsten Tag brachten sie uns in ein militärisches Ausbildungszentrum an der Militärakademie Peter der Große. Sie hatten alle dorthin gebracht - alle Betrunkenen, die Nichtsnutze und die Nutzlosen. Alle, die noch übrig waren. Wir waren 14 Jungs aus unserem Bezirk, und alle hatten militärische Berufsspezialisierungen, die nicht gebraucht wurden. Der Oberstleutnant der Einheit kam heraus und schlug vor, dass alle 12 von uns Kanoniere werden sollten. Wir erklärten ihm, dass wir keine guten Schützen abgeben würden, um es vorsichtig auszudrücken. Er sagte: "Dann seid ihr nicht das, was wir brauchen", und wies unseren Anstandswauwau an, uns zum Kommissariat zurückzubringen. Der Anstandswauwau rief [Militärkommissar] Kusnezow an, der sagte, er käme [zum Ausbildungszentrum] und würde dafür sorgen, dass sie uns trotzdem [an die Front] bringen.

Achteinhalb Stunden lang saßen wir in einem Bus, weil sie uns in der Einheit nicht brauchten. Sie gaben uns nichts zu essen, aber wir hatten ein paar trockene Rationen. Gegen 22.00 Uhr kam Kusnezow, stellte uns vor dem Bus auf und schlug vor, dass wir uns weigern sollten, an der Mobilisierung teilzunehmen. Wenn wir das täten, wüssten wir, dass er uns aufschreiben würde - und das Untersuchungskomitee würde sich einschalten, und wir würden alle ins Gefängnis gehen - also ging niemand.

Er sagte, dass er uns in diesem Fall alle als Kanoniere anmelden würde, woraufhin wir antworteten, dass dies illegal sei. Kusnezow sagte, er habe das Recht, in jedem Fachgebiet zu schreiben, das er für notwendig halte. Ein Vertreter des Militärkommissariats sagte [vor Kusnezow], dass sein Vorgehen ungesetzlich sei. Kuznetsov sagte: "Ich habe meine Befugnisse und werde für meine Handlungen verantwortlich sein." Er nahm unsere Militärausweise und ging. Nachdem er unsere Positionen als "Kanonier" eingetragen hatte, kam er zurück und sagte: "Problem gelöst". Und ging.

Am nächsten Morgen erhielten wir den Befehl, uns beim Militärkommissariat einzufinden, um unsere Mobilisierung zu beenden. Unser Bus erreichte das Militärkommissariat gegen 20:00 Uhr. Außer einem diensthabenden Offizier und zwei Polizeikräften, die das Gebäude bewachten, war niemand da. Wir versuchten einzutreten, aber sie hielten uns auf und erklärten, dass sie von Kusnezow angewiesen worden waren, uns nicht hineinzulassen. Der Hauptmann ging zu den Wachen, um ihnen mitzuteilen, dass wir den Befehl erhalten hätten, [im Kommissariat zu erscheinen], dann kam er zurück und sagte: "Sie müssen morgen im Kommissariat erscheinen". Der nächste Tag war Samstag, und das Kommissariat war geschlossen.

Uns war klar, dass wir, wenn wir gingen, am nächsten Tag offiziell als unentschuldigt fehlen würden [und damit strafrechtlich verfolgt würden]. Wir begannen, alle Kommissariate anzurufen. Schließlich beschlossen sie, dass wir den Befehl erhalten sollten, am folgenden Montag zum Militärkommissariat zu kommen.

Am Montag wurden wir alle in ein einziges Büro getrieben, und von dort aus brachten sie uns einzeln in ein anderes Büro, wo sie neue Einberufungsbefehle für den 2. November ausstellten. Als wir fragten, warum sie unsere Mobilisierung nicht einfach für abgeschlossen erklärten, sagten sie: "Wir werden dafür sorgen, dass ihr vollständig mobilisiert werdet, denn die Mobilisierungsaktion ist noch nicht beendet."

Jetzt sind wir in der Schwebe. Wir haben Mobilisierungsbefehle, die besagen, dass wir einer Einheit zugeteilt werden sollen, aber da wir nicht gebraucht werden, können wir weder zur Arbeit gehen noch irgendetwas anderes tun, außer die Befehlskette zu durchlaufen. Am 2. November werden wir zum Militärkommissariat gehen. Ich habe nicht die Absicht, mich vor irgendjemandem zu verstecken, denn ich sage nichts Illegales. Ich möchte, dass das Gesetz funktioniert und dass [die Schuldigen] bestraft werden.

Igor Zhadanov, 33 Jahre alt

Militärische Berufssparte: Kabel- und Kommunikationstechniker

Polizeibeamte des Militärkommissariats kamen zu unserem Arbeitsplatz [in Moskau] und verlangten von unserem Arbeitgeber die Militärausweise aller, die früher gedient hatten. Dort stellten sie unsere Einberufungsbefehle aus - etwa 26 Stück. Ich hatte Feierabend, aber ich kam herein und fragte: "Warum genau muss ich zum Militärkommissariat gehen?" Sie sagten: "Weil Sie aus einer anderen Region [der Region Rostow] kommen, deshalb müssen wir Ihre Angaben überprüfen." Ich dachte, da sie nur ihre Unterlagen überprüfen müssen, warum sollte ich nicht hingehen?

Ich ging am 13. Oktober gegen 9:00 Uhr morgens zum Militärkommissariat im Bezirk Zarizyno. Um 18:00 Uhr sagte man mir: "Sie gehen nirgendwo hin - Sie müssen sich einer [medizinischen] Untersuchung unterziehen. Sie nahmen mir meinen Reisepass und meinen Militärausweis ab. Ich unterzog mich der ärztlichen Untersuchung, berichtete von meinem angeborenen Herzfehler und meinen Plattfüßen und teilte mit, dass meine Frau eine Behinderung hat und sich einer Gentherapie unterzieht. Am Abend wurde mir ein Einberufungsbefehl ausgestellt und ich sollte mit gepackten Sachen erscheinen. Ich stand ein wenig unter Schock.

Am 15. Oktober, nachdem wir uns [im Militärkommissariat] umgezogen hatten, schickten sie uns nach Avangard [ein Militärlager für Kinder]. Am nächsten Tag kam das Kommando aus Nishnij Nowgorod. Sie nahmen die Fahrer und Sanitäter mit. Am Montag, dem 17. Oktober, sahen sie uns erneut an - und entschieden erneut, dass wir nicht ihren Anforderungen entsprachen. Wir verbrachten eine weitere Nacht [in Avanguard]. Am Dienstag brachten sie uns zur Moskauer Höheren Militärkommandohochschule, wo ich meine Karte sah und feststellte, dass sie meine Tauglichkeitsklasse nicht angegeben hatten. Ich ging [zur Chefärztin] und sie fragte mich nach meinem Beruf. Ich sagte ihr, ich sei Seekabeltechniker. Sie sagte: "Oh, [Ihr Fachgebiet] passt nicht zu unseren Anforderungen - gehen Sie zum Oberst und er wird alles klären." Ich ging zu ihm und wartete in der Schlange. Er gab meinen Militärausweis seinem Vorgesetzten und sagte: "Sie können ihn zurück zum Militärkommissariat bringen. Wir brauchen ihn nicht." Er rief den Kommissar Kusnezow, der sagte: "Nein! Bleiben Sie hier und warten Sie." Wir warteten eine Weile und wollten gerade zum Militärkommissariat gehen, als Kusnezow anrief und sagte: "Geht zu Avangard - ich habe es mit ihnen geklärt."

Nach einem Tag, an dem wir von "Kunden" geprüft wurden, verbrachten wir eine weitere Nacht in Avangard, dann schickte man uns zur Militärakademie Peter der Große. Es war [der] 21. Oktober. Dort wurde mir eine Vertraulichkeitserklärung ausgehändigt - und wenn ich sie nicht unterschreibe, werde ich [automatisch] zum Kanonier ernannt. Sie sagten mir: "Unterschreibe sie zuerst, dann werden wir dir alles erzählen". Ich sagte: "Nein, sagen Sie mir, was genau ich tun werde." Ich wusste, dass sie in diesen Einheiten keine Kabeltechniker brauchten. Sie sagten: "Wir melden dich als Kanonier an." Aber ich bin kein Richtschütze! Ich habe noch nie ein Gewehr in der Hand gehabt und weiß auch nicht, wie man es bedient. Sie sagten, sie hätten keine geeignetere Position für mich. Ich weigerte mich, zum Richtschützen umgeschult zu werden, und sie gaben meinen Militärausweis an die Anstandsdame weiter.

Der Leutnant der Staatsanwaltschaft, der diese Einheit vertrat, stand neben ihm, ebenso wie der Kommandeur der Einheit. Sowohl der Leutnant als auch der Kommandeur sagten, dass das Eintragen einer neuen militärischen Berufssparte illegal sei. Aber Kuznetsov nahm der Aufsichtsperson alle unsere Militärausweise ab [und schrieb unsere neuen Spezialisierungen auf unsere Ausweise].

Das Kommando wies uns nicht als Kanoniere aus, sondern schickte uns zum Übernachten in [ein nahe gelegenes Dorf]. Ich verstand nicht, wo wir hinwollten, und rief meine Frau an, die sich Sorgen machte und die Polizei rief. Als wir dort ankamen, stellten wir fest, dass sie uns in einen örtlichen Kurort geschickt hatten. Dort tauchte eine Polizeistaffel auf und dokumentierte die Tatsache, dass auf unseren Militärausweisen "Gunner" eingetragen worden war.

Am nächsten Morgen wurden wir zur Militärakademie "Peter der Große" gebracht, wo der Befehl zur Beendigung unserer Mobilisierung erteilt wurde. Das Kommando der Strategischen Raketentruppen stellte uns einen Bus zur Verfügung, der uns nach Moskau brachte. Der Hauptmann ging hinein [zum Militärkommissariat], kehrte dann zurück und sagte: "Sie lassen euch nicht hinein. Ihr könnt nach Hause gehen." Wir sagten, wir würden nicht nach Hause gehen, denn das war ein Trick - wenn wir gingen, könnten sie uns zu Deserteuren erklären.

Schließlich schrieb der Hauptmann einen offiziellen Brief, in dem er uns bis Montag entließ. Als wir am Montag zum Militärkommissariat gingen, war Kusnezow, soweit wir das verstanden, abgereist, um uns nicht sehen zu müssen. Seine Untergebenen sagten, dass er unsere Mobilisierung nicht für abgeschlossen erklären würde - das heißt, er würde einen Weg finden, uns auf jeden Fall als Kanoniere zu verpflichten. Sie stellten uns neue Einberufungsbefehle aus.

Am 2. November habe ich vor, zum Militärkommissariat zu gehen. Wenn wir nicht erscheinen, werden wir zur Fahndung ausgeschrieben und dann ins Gefängnis gesteckt. Wir [die Wehrpflichtigen] sind verantwortungsvolle Bürger: Wenn es ein Problem gibt, erscheinen wir. So bin ich verantwortungsbewusst [beim ersten Mal] zum Kommissariat gegangen. Wenn Kusnezow eine Einheit fand, die meine militärische Berufssparte brauchte, war ich bereit zu dienen. Wie Putin sagte, sollte die Mobilisierung rechtmäßig erfolgen, entsprechend der Spezialisierung der Leute. [Andernfalls] werde ich einfach getötet - ich wäre völlig unbrauchbar. Das ist so, als würde man einen Panzersoldaten in ein Flugzeug setzen und ihn in den Himmel schicken.

Anastasia, Schwester von Alexey, einem 31-jährigen Wehrdienstleistenden

Militärische Berufssparte: Militärkapellenmusiker

Mein Bruder ist Musiker. Im Jahr 2010 leistete er seinen obligatorischen Militärdienst ab. Zuerst war er in dem Dorf Dalneye Konstantinovo [in der Region Nischni Nowgorod]. Er kam in eine Kompanie, in der er als Kanonier eingestuft wurde. Nach einer zweimonatigen Grundausbildung legte er seinen Eid ab und wurde zur Militärkapelle in Yoshkar-Ola versetzt. Er verbrachte seinen gesamten Pflichtdienst in der Militärkapelle. Das ist die Spezialisierung, die sie in seinen Militärausweis eingetragen haben.

Sie steckten seine Einberufungskarte in den Briefkasten. Er war bei unseren Eltern, nicht in Moskau, und so war es seine Frau, die die Vorladung fand. Niemand hat ihr direkt etwas ausgehändigt. Dann kam die Polizei zu seiner Frau nach Hause und sagte, er sei ein Wehrdienstverweigerer und seine Abwesenheit könne ernste Folgen haben. Am nächsten Tag begann der Bezirksrat mit der Suche nach ihm. Als mein Bruder nach Hause kam, ging er sofort zum Militärkommissariat und erfuhr, was vor sich ging. Er ist einfach niemand, der sich verstecken würde. Er ist wirklich ein sehr freundlicher Mensch, und er hat ihnen sofort gesagt, dass er der Einberufung zustimmen würde. Aber wir gingen [zum Kommissariat], weil wir dachten, sie würden ihn nicht brauchen.

Wir haben dort einen ganzen Tag lang gewartet. Da er eine Brille trägt [und schlecht sieht], sagte man ihm, er müsse zu einem Augenarzt - aber zu keinem anderen Arzt. Der Augenarzt fragte nur, ob er irgendwelche Beschwerden habe - und er beschwert sich nie über irgendetwas. Meiner Meinung nach ist das nicht richtig: jemanden nicht einmal zu untersuchen, bevor man ihn irgendwohin schickt. Aber sie gaben Alexey schließlich nur einen einzigen Tag Zeit, bevor es Zeit für ihn war zu gehen.

Am nächsten Tag schickten sie ihn in den Patriot Park. Alexey verbrachte dort einen Tag, dann brachten sie alle, die [zusammen mit ihm] eingezogen worden waren, zur Moskauer Höheren Militärkommandoschule. Dort schrieben die Leiter der Schule eine neue Spezialisierung auf seinen Militärausweis: "Kanonier".

Seit dem 10. Oktober trainiert Alexey in Naro-Fominsk als Teil der 4. Wir haben ihn zweimal gesehen; einmal haben sie ihm einen ganzen Tag frei gegeben. Ihnen [Alexey und anderen Wehrpflichtigen] wurde gesagt, dass sie 27 Tage lang in Naro-Fominsk bleiben werden. Aber das klingt alles sehr verdächtig, denn jedes Mal [wenn wir reden], sagt er, dass jemand anderes [an die Front] geschickt wurde. Und niemand sagt ihnen genau, wohin diese Leute geschickt worden sind.


10.11.2022: Krieg als Rebellion. Warum Putins Regime durch Niederlagen an der Front nicht zusammenbricht

(Zum russischen Originalartikel auf Carnegie Endowment for International Peace, übersetzt mithilfe von Deepl.com)

Die unklaren Konturen des russischen Sieges bedeuten auch die unklaren Konturen seiner Niederlage, weshalb die automatische Verbindung zwischen militärischen Niederlagen und dem Zusammenbruch des Regimes in diesem Fall nicht funktioniert. Für Putin ist es ebenso schwierig, diesen Krieg zu verlieren, wie ihn zu gewinnen. Allerdings ist es etwas einfacher, ihn zu gewinnen, denn schon der Beginn des Krieges wird von seinen Befürwortern als Sieg gewertet.

Misstrauische Beobachter sprechen von der Falle, die Russland den Ukrainern mit dem Rückzug aus Cherson bereitet, aber eine solche Falle wäre ein Fall für das Spiel des Fängers - so wenig ist es machbar, alles zu versorgen, was die russischen Truppen brauchen, wenn sie in einem isolierten Brückenkopf auf einer fremden Seite eines breiten Flusses bleiben. Es sei denn, sie versuchen, sich einzuschränken und auf Massenvernichtungswaffen zu verzichten.

Die politische Kontrolle über Cherson ging in dem Moment verloren, als die obersten und höchsten Militärkommandeure die Stadt für aufgegeben erklärten. Zusammen mit der Stadt jenseits des Dnjepr sind auch die Träume von der Wiedererlangung des Erbes Katharinas und der Rache für Odessa im Jahr 2014 - Ziele, die die russischen Kriegsbefürworter inspirierten - hinter sich gelassen worden. Eine weitere Vernachlässigung der Kriegsziele und der Rückzug aus Gebieten, die gerade erst unter dem Slogan "für immer" offiziell an Russland angegliedert wurden, gerade wegen dieses Slogans und der Volksabstimmungen ist eine politische Niederlage, auch wenn die Strategen eine künftige Rückkehr planen.

Schon in den ersten Wochen und Monaten des Krieges gab es Spekulationen, dass eine russische Niederlage in der Ukraine oder einfach ein gescheiterter Feldzug dazu führen könnte, dass Putin die Macht abgeben muss. So wurden die argentinische Junta 1982 und die griechische Junta 1974 nach gescheiterten militärischen Abenteuern gestürzt. Die erfolglosen Kolonialkriege führten zur Nelkenrevolution in Portugal und zum Zusammenbruch des Salazar-Caetano-Regimes, das in vielerlei Hinsicht dem modernen Russland ähnelte.

Aber es gibt auch andere Beispiele. Die Niederlage in Kuwait 1991 brachte das Regime von Saddam Hussein nicht zu Fall, und das nationalistische Milosevic-Regime überlebte nicht nur die Niederlage der serbischen Streitkräfte in Kroatien und Bosnien, sondern sogar die Bombardierung Jugoslawiens selbst und den Rückzug aus dem Kosovo. Es gibt Grund zu der Annahme, dass selbst massive Rückschläge in der Ukraine die lange Herrschaft von Wladimir Putin nicht beenden werden. Und hier ist der Grund dafür.

Es ist schon oft gesagt worden, dass die Ziele Russlands im Krieg gegen die Ukraine unklar sind. Hohe russische Wortführer nannten gleichzeitig die Entnazifizierung und Entkommunisierung (Putin in seiner Kriegserklärung), die Gewährleistung der Sicherheit der Bewohner des Donbass, die Entmilitarisierung und die Verhinderung des NATO-Beitritts der Ukraine, die Rückgabe angestammter russischer Ländereien, den Schutz der russischen Sprache und sogar die Rettung ukrainischer Städte vor Gay-Pride-Paraden (Patriarch, Abgeordnete, Vertreter des Sicherheitsrats).

Die Unklarheit und Verwirrung über die Ziele des Krieges führt zu Ungewissheit darüber, was unter einem Sieg zu verstehen ist. Selbst unter den Befürwortern des Krieges unter den Bürgern Russlands bleiben die Vorstellungen von diesem Sieg sehr vage und widersprüchlich.

Die Unbestimmtheit der Parameter des Sieges bedeutet, dass auch die Kriterien der Niederlage unklar sind. Es ist also nicht ganz klar, was genau an den Fronten passieren muss, damit die Befürworter Putins und seines Krieges ihn als Verlierer betrachten. Vor allem so besiegt, dass er die Macht verliert.

In der Tat hat Putin bereits mehrere schwere Niederlagen erlitten. Sein Frühjahrsblitzkrieg ist gescheitert, und die russischen Streitkräfte mussten sich aus der ukrainischen Hauptstadt zurückziehen. Russland verlor das Flaggschiff seiner Schwarzmeerflotte, den Kreuzer Moskwa, und gab die ukrainische Insel Serpentine auf, deren Einnahme der erste und symbolisch wichtige Sieg zu Beginn des Krieges war. Die Region Charkow wurde chaotisch verlassen, zusammen mit der Zivilbevölkerung, die dort ihre Zugehörigkeit geändert hatte. Das symbolisch wichtige Ziel der Krim-Brücke wurde verfehlt. Solche militärischen Misserfolge hätten zum Machtverlust anderer Regierungen führen können, aber nicht unbedingt zum Machtverlust des russischen Führers.

Paradoxerweise sehen die Befürworter Putins und seines Krieges den Einmarsch in die Ukraine nicht als Aggression gegen einen Nachbarstaat an. Für sie ist es ein Akt des Widerstands, ein Vergeltungsschlag gegen viel mächtigere Kräfte im Westen.

Forscher der russischen Gesellschaft beobachten ein überraschendes Paradoxon. In der Geschichte gehört Russland zu den großen westlichen Kolonialreichen. Nach der Niederlage im Kalten Krieg, dem Zusammenbruch der UdSSR und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der 1990er Jahre begann jedoch ein zunehmender Teil der russischen Bevölkerung, ihr Land als nicht unabhängig genug, fast als eine Kolonie, die von externen westlichen Mächten beherrscht wird, zu betrachten. Die Träger dieser Auffassung glaubten, dass eine Rückkehr zur Gerechtigkeit und zum eigenen Erfolg im Leben nur möglich sei, wenn man sich vom Joch der äußeren Kräfte befreien würde, die dem Land Ungleichheit, einen ungerechten Kapitalismus, neue Grenzen, eine Einflusssphäre und ein unbestreitbares internationales Prestige auferlegt hatten.

Viele Russen hielten ihr Land für nicht souverän genug und erwarteten von den Behörden, dass sie diese Souveränität wiederherstellen. Da diese externen Kräfte, die Russland versklavt haben, von Natur aus mächtiger sind, ist der Ausgang des Kampfes gegen sie nicht von vornherein klar.

Der Sieg in den Augen der Menschen, die mit ihrer Situation unzufrieden sind und äußere Kräfte dafür verantwortlich machen, ist der Versuch des Widerstands selbst, fast unabhängig von seinem Endergebnis.

Selbst wenn Russland einige eroberte ukrainische Gebiete verlässt, werden die Anhänger Putins und seines Krieges dies nicht unbedingt als Niederlage betrachten. Der Sieg bedeutet für sie, unabhängig von der Lage auf ukrainischem Boden, den Bruch mit dem Westen, was wiederum eine offene Herausforderung für die Weltordnung darstellt. Selbst wenn sie sich zurückziehen, werden sie sich mit dem Gedanken trösten, dass sie die weitere Versklavung Russlands verhindert haben.

Ein großer Teil der Elite hat sich diese antikoloniale Rebellion ebenfalls zu eigen gemacht, so dass sie in ihrer Einstellung recht aufrichtig geworden ist. Außerdem ist die Position eines Rebellen auf seine eigene Art und Weise günstig, denn sie erfordert nicht die Einnahme feindlicher Hauptstädte. Die Guerilla nimmt Berlin nicht ein, sie verhindert, dass Moskau eingenommen wird, und das ist ihre Aufgabe und ihr Sieg. Es ist einfacher, sich wie ein Aufständischer zu fühlen - sowohl näher am Volk als auch profitabler für uns selbst.

Die unklaren Konturen des russischen Sieges bedeuten auch die unklaren Konturen seiner Niederlage, weshalb die stillschweigende, automatische Verbindung zwischen militärischen Niederlagen und dem Sturz des Regimes in diesem Fall nicht funktioniert. Für Putin ist es ebenso schwierig, diesen Krieg zu verlieren, wie ihn zu gewinnen. Es ist jedoch etwas einfacher, ihn zu gewinnen, da schon der Beginn des Krieges von seinen Befürwortern als Sieg gewertet wird.

Nach diesem Verständnis werden die zweifelhaftesten Ergebnisse an den Fronten Putin in den Augen seiner aktiven Anhänger wie einen Gewinner aussehen lassen - einen echten russischen Führer, der sich nicht scheut, den Westen offen herauszufordern. Und die passive Mehrheit kann davon überzeugt werden, dass dies das bestmögliche Ergebnis ist, genauso wie sie davon überzeugt werden konnte, sich mit dem Krieg abzufinden.

Das Problem für Putin selbst besteht darin, dass dieses Verständnis des Sieges durch die aktiven Befürworter des Krieges seinen Status als Sieger, d.h. als der eigentliche Führer Russlands, auch im Falle eines Scheiterns an der Front bewahren wird. Allerdings wird dieser Status auch in Frage gestellt, wenn ein Kompromiss mit der Ukraine oder dem Westen angestrebt wird.

In der Zwischenzeit ist das Wort "Verhandlungen", das früher fast tabu war, in die russischen Reden auf hoher Ebene zurückgekehrt. Und die "schwierige Entscheidung", von der General Surowikin unmittelbar nach seiner Ernennung sprach, stellte sich nicht als Atombombe, sondern als Rückzug der Truppen hinter den Dnjepr heraus.

Die Ernennung von General Surowikin und die Lobeshymnen auf ihn waren zum Teil darauf zurückzuführen, dass eine Figur mit einem Mandat geschaffen wurde, die Dinge zu tun, die Putin nicht in seinem eigenen Namen tun wollte. Die Kampagne half ihm, sich mit Ruhm und Autorität für jede Gelegenheit vollzupumpen.

Grob gesagt, brauchte man einen russischen de Gaulle, der im Notfall sein Algerien abtreten würde und dazu berechtigt wäre. Das heißt, er würde sie als Kampfgeneral aufgeben, nicht als korrupter Hintermann oder ziviler Bürokrat, selbst wenn er einen Waffenrock trüge. Er wurde als ein Mann dargestellt, der Siege anführen würde, aber in Wirklichkeit brauchte man einen Mann, der, wenn nötig, einen Rückzug anführen würde, ohne die Anhänger der Regierung und die Befürworter des Krieges zum Sieg zu verärgern.

Die Hälfte des Mandats, das der General heute in Anspruch genommen hatte, sollte er nun auch für die andere Hälfte verwenden. Für einige ist es eine Folgeoffensive, die beweisen wird, dass alle Rückzüge Manöver waren. Für andere ist es eine Fixierung des aktuellen Ergebnisses und die Erzwingung eines Waffenstillstands nach der Cherson-Formel im Austausch für Frieden, Licht, Wasser und Wärme in den Städten.

Ein solcher Austausch ist nicht nur deshalb problematisch, weil die Ukrainer durch ihr Vermögen ermutigt sind und Russland nicht trauen, das sich nicht weigert, Cherson als russische Stadt zu betrachten und deshalb zurückkehren will. Die Festlegung des Ergebnisses wird auch durch das in Russland vorherrschende aufrührerische Konzept des Krieges erschwert. Ein solches Konzept übersteht zwar einzelne militärische Niederlagen, nicht aber Kompromisse.

Das Problem des Siegeskonzepts der Guerilla besteht darin, dass es viel schwieriger ist, von der Position der Rebellen zu Verhandlungen überzugehen, denn das würde das Ende der Rebellion und die Aufgabe der rebellischen Identität bedeuten, und somit den einzigen Sieg in Form eines Aufstandes, der nicht von der Position an der Front abhängt. Ganz zu schweigen davon, dass sich der Kompromiss für den Rebellen eher in der Vermeidung von Strafe ausdrückt.

Das rebellische Siegesverständnis der aktiven Befürworter der Invasion in der Ukraine verhindert einen echten Kompromiss und treibt Putin in einen schier endlosen Krieg, einen völligen Bruch mit dem Westen und noch mehr Repression im eigenen Land, als er vielleicht von Anfang an nicht geplant hatte.


11.11.2022: Ukrainische Soldaten kündigen Massaker an Zivilisten in Cherson an

Auf ukrainischer Seite werden öffentlich Racheakte an "Kollaborateuren" angekündigt. Was das bedeutet, haben wir bei Charkow bereits erlebt, als wahllos Zivilisten erschossen wurden, die als "Kollaborateure" bezeichnet wurden.

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11.11.2022: Den US-Militarismus verbergen, indem man ihn heilig spricht

Das Ausmaß der Militarisierung der Vereinigten Staaten und die Härte ihrer Kriege im Ausland wurden verschleiert, indem der Tod zu etwas Heiligem gemacht wurde, schreibt Kelly Denton-Borhaug in einer Ansprache an US-Veteranen am Veteranentag.

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Liebe Veteraninnen und Veteranen,
ich bin eine Zivilistin, die, wie viele Amerikaner, eine starke Verbindung zu den US-Streitkräften hat. Ich habe nie erwogen, mich zu melden, aber mein Vater, meine Onkel, Cousins und Neffen haben es getan.

Als Kind habe ich Kekse gebacken, um sie mit Briefen an meinen Cousin Steven zu schicken, der in Vietnam diente. In meinem Stammbaum finden sich Soldaten auf beiden Seiten des Bürgerkriegs. Einige Jahre vor dem Tod meines Vaters erzählte er mir, wie er während des Koreakriegs eingezogen wurde und während seines Urlaubs nach Hiroshima, Japan, reiste. Dort, nur wenige Jahre nachdem eine amerikanische Atombombe die Stadt am Ende des Zweiten Weltkriegs verwüstet hatte, wurde er vom Anblick der dunklen Schatten der Toten heimgesucht, die die Atomexplosion auf den Beton geworfen hatte.

Als Amerikaner sind wir alle in gewisser Weise mit der Gewalt des Krieges verbunden. Aber die meisten von uns haben kaum eine Vorstellung davon, was es bedeutet, vom Krieg berührt zu werden. Seit den Ereignissen des 11. September 2001 habe ich als Religionswissenschaftlerin versucht zu verstehen, was ich als "US-Kriegskultur" bezeichne. Denn in den Monaten nach diesen schrecklichen Anschlägen vor mehr als 20 Jahren wurde mir die Tiefe unserer Kriegskultur und die allgegenwärtige Militarisierung unserer Gesellschaft bewusst.

"Die Amerikaner täuschen sich selbst, indem sie darauf bestehen, dass sie eine friedliche Nation sind, die das Wohlergehen aller Völker anstrebt."

Schließlich erkannte ich, wie wichtige Wahrheiten über unser Land verborgen wurden, als wir die Gewalt des Krieges zu etwas Heiligem machten. Und das Wichtigste: Während ich versuchte, mit dieser dissonanten Realität zurechtzukommen, fing ich an, Ihnen, den Veteranen unserer jüngsten Kriege, zuzuhören, und konnte einfach nicht mehr aufhören.

Entlarvung der Lügen über und Rechtfertigungen für unsere Kriege

Die einzig richtige Antwort auf den 11. September 2001, so versicherten uns unsere politischen Führer damals, sei der Krieg und nichts als der Krieg - "ein notwendiges Opfer", ein Satz, den sie endlos wiederholten. In den folgenden Jahren tauchte in Reden und öffentlichen Auftritten immer wieder ein bestimmtes Bild auf. Das Leben - und vor allem die Verletzungen und der Tod - amerikanischer Soldaten wurden unablässig mit den Verletzungen, die Jesus von Nazareth zugefügt wurden, und mit seinem Tod am Kreuz in Verbindung gebracht. Präsident George W. Bush zum Beispiel nutzte diese Symbolik im Jahr 2008:

An diesem Wochenende kommen Familien in ganz Amerika zusammen, um Ostern zu feiern... In dieser besonderen und heiligen Zeit des Jahres halten Millionen von Amerikanern inne, um sich an ein Opfer zu erinnern, das über das Grab hinausging und die Welt erlöste... An Ostern tragen wir diejenigen in unseren Herzen, die diesen Feiertag weit weg von zu Hause verbringen werden - unsere Truppen... Ich weiß das Opfer, das sie und ihre Familien bringen, zutiefst zu schätzen... An Ostern erinnern wir uns besonders an diejenigen, die ihr Leben für die Sache der Freiheit gegeben haben. Diese mutigen Menschen haben die Worte des Evangeliums in die Tat umgesetzt: "Niemand hat eine größere Liebe als die, dass er sein Leben für seine Freunde hingibt." (Johannes 15:13)

Die missbräuchliche Ausnutzung der Religion zur Segnung der Gewalt überzog die Realität der schrecklichen Zerstörungskraft des Krieges mit einem sakralen Anstrich. Und diese Rechtfertigung für das, was schnell als globaler Krieg gegen den Terror bekannt wurde, beunruhigte mich und ließ mich mit vielen Fragen zurück. Ich fragte mich: Ist es wahr, dass wir das, was wir im Leben am meisten schätzen, dadurch zeigen, dass wir dafür sterben?

Was ist mit dem Leben für das, was wir am meisten schätzen?

Die biblischen Geschichten über das Leiden und den Tod des ausgesprochen gewaltlosen Jesus von Nazareth wurden in jenen Jahren schamlos manipuliert, um unsere Kriege zu sakralisieren, und die Religiösen unter uns versäumten es weitgehend, solche bizarren Zusammenhänge zu hinterfragen. Schließlich begann ich zu verstehen, dass Kriegskulturen von Natur aus Todeskulte sind. Das Ausmaß der Militarisierung dieses Landes und die Härte seiner Kriege im Ausland wurden verschleiert, indem der Tod zu etwas Heiligem gemacht wurde. In der Zwischenzeit wurde der Tod von Afghanen, Irakern und so vielen anderen in solchen Konflikten allgemein ignoriert. Tragischerweise erwies sich die Religion als eine allzu nützliche Ressource für eine solche moralische Ausbeutung.

Wir Zivilisten täuschen uns selbst, indem wir darauf bestehen, dass wir eine friedliche Nation sind, die das Wohlergehen aller Völker anstrebt. In Wirklichkeit haben die Vereinigten Staaten ein Imperium von Militärstützpunkten (mehr als 750 bei der letzten Zählung) [Anm. von oder-anders: in 38 Ländern in Übersee, Präsenz von 100'000 Soldaten allein in Europa - siehe Krisenfrei, Ausgaben von 11 Billionen US Dollar1) von 2006 bis 2021 - siehe Statista] auf allen Kontinenten außer der Antarktis errichtet. Unsere politischen Führer bewilligen jedes Jahr einen Militärhaushalt, der apokalyptisch hoch ist (und noch vor Ende dieses Jahrzehnts eine Billion Dollar pro Jahr erreichen könnte). Wir geben mehr für unser Militär aus als die nächsten neun Nationen zusammen, um die Gewalt des Krieges zu finanzieren.

Unsere politischen Führer und viele Bürger beharren darauf, dass eine derart schwindelerregende Kriegsinfrastruktur der einzige Weg ist, um die Sicherheit der Amerikaner zu gewährleisten, und behaupten gleichzeitig, dass wir alles andere als ein kriegerisches Volk sind. Analysten der Kriegskultur wissen es besser. Wie der Friedens- und Konfliktforscher Marc Pilisuk es ausdrückt: "Kriege sind das Produkt einer sozialen Ordnung, die sie plant und diese Planung als natürlich akzeptiert."

Krieg lernen ist wie Gift schlucken"

Ich habe die Verwirrung und die widersprüchlichen Reaktionen vieler Veteranen auf diese rätselhafte Verzerrung der Realität persönlich miterlebt. Wie schmerzhaft und destabilisierend muss es sein, von einem Militäreinsatz in eine Gesellschaft zurückzukehren, die darauf besteht, den Krieg in krasser Weise zu feiern und zu verherrlichen, während so viele von Ihnen keine andere Wahl hatten, als die schreckliche Erkenntnis zu verinnerlichen, was für eine Gräueltat er ist. "Der Krieg schadet allen, die ihn führen", schrieb Kaplan Michael Lapsley. "Die Vereinigten Staaten sind von einem endlosen Krieg infiziert worden. Veteranen tragen die Gewalt des Krieges förmlich in ihren Körpern. Es ist, als ob Sie zu "Sündenfressern" geworden sind, die das Böse der Konflikte, die die Vereinigten Staaten in diesen Jahren geführt haben, schlucken mussten und dann mit den Folgen in ihrem Inneren leben.

Schlimmer noch, die meisten Amerikaner weigern sich, unserer nationalen Realität ins Auge zu sehen. Stattdessen verdrehen sie diese Wahrheiten in etwas ganz anderes. Sie distanzieren sich von Ihnen, indem sie Sie als "Helden" und das "Rückgrat der Nation" bezeichnen. Sie bezeichnen das Todeswerk des Krieges als Inbegriff der Staatsbürgerschaft. Sie wollen nicht wissen, wie oft und wie tief Sie Angst hatten, wie zerrissen Sie über Entscheidungen auf Leben und Tod waren, die Sie treffen mussten, als es keine gute Wahl gab. Sie wollen nicht hören, wie ein Veteran kürzlich in meinem Beisein sagte, dass man zu oft "leichtfertig mit Ihrem Leben umgegangen ist".

Sie wollen auch nichts von der militärischen Ausbildung hören, die Sie dazu gebracht hat, rücksichtslos mit dem Leben anderer umzugehen, sowohl von Kämpfern als auch von Zivilisten. Das sind unbequeme Details, die einer nationalen Kriegsbegeisterung im Wege stehen (in einem Land ohne Wehrpflicht, in dem 99% aller Bürger Zivilisten bleiben). Schließlich bedeutet das Kriegsfieber ein gutes Geschäft für die Waffenhersteller des militärisch-industriellen Komplexes. Wie der Pentagon-Experte William Hartung es kürzlich formulierte, "hat die Biden-Administration weiterhin rücksichtslose, repressive Regime" weltweit bewaffnet, während ihre militärische Unterstützung für die Ukraine keine diplomatische Strategie zur Beendigung dieses Krieges enthält, sondern "einen langen, zermürbenden Konflikt ermöglicht, der sowohl das humanitäre Leid in der Ukraine enorm vergrößern als auch eine Eskalation zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland riskieren wird."

Solche komplexen Zusammenhänge, die Alternativen zu Washingtons Kriegsdrang beinhalten, sind natürlich nicht Teil des nationalen Gesprächs am Veteranentag. Stattdessen wird uns versprochen, dass der Krieg und die Kämpfer dieses Landes uns als Nation irgendwie erlösen werden. Die unvorstellbaren Verluste an Familien, Gemeinden, Infrastruktur und Kultur in den Ländern, in denen solche Konflikte in diesem Jahrhundert ausgetragen wurden, sind für die meisten Bürger unsichtbar, während die typischen Gedenkfeiern zum Veteranentag Sie als messianische Erlösungsfiguren darstellen, die "den Preis für unsere Freiheit bezahlt haben".

Aber Krieg zu etwas Heiligem zu machen, bedeutet, einen trügerischen Mythos zu schaffen. Gewalt ist kein harmloses Werkzeug. Sie ist kein Mantel, den man anzieht und ohne Folgen wieder auszieht. Gewalt verroht den Menschen bis ins Mark, kettet ihn an die Kräfte der Entmenschlichung und zerfrisst ihn mit der Zeit wie Säure, die in seine Seele tropft. Dieselbe Entmenschlichung untergräbt auch die Demokratie, was man nicht ahnen kann, wenn man sieht, wie die Vereinigten Staaten ihre Kriege als grundlegend für das Amerikanersein verherrlichen.

Veteranen zum Schweigen bringen und kommerzialisieren

Währenddessen eilen die Bürger herbei, um "für Ihren Dienst zu danken". Sie dürfen Flugzeuge als Erste betreten und erhalten in den Vergnügungsparks der Nation Rabatte. Der Veteranentag verschlimmert nur noch Ihre widerliche Kommerzialisierung, da all die großen Kaufhäuser, Unternehmen und Finanzinstitute Sie benutzen, um ihre Gewinne zu steigern (wie die Bank in meiner Stadt letztes Jahr mit ihrer Zeitungsanzeige: "Freiheit ist nicht umsonst: Veteranen haben unseren Weg bezahlt. Thank you. Embassy Bank").

Diese Dynamik bringt die Wahrheiten, die Sie in sich tragen, zum Schweigen. Ich habe gehört, wie Sie sagten, dass es Ihnen oft unmöglich ist, dem Rest von uns, sogar Familienmitgliedern, zu erzählen, was wirklich passiert ist. Sie kämpfen mit Gefühlen der Entfremdung von der zivilen Kultur und sind nicht in der Lage, Ihre Wut auszudrücken oder Ihre Kämpfe mit tief sitzenden Schamgefühlen, Schuldgefühlen, Ressentiments und Abscheu zu beschreiben.

Ihr Militärdienst hat Sie oft mit lähmenden physischen und psychischen Verletzungen und noch tieferen "moralischen Verletzungen" zurückgelassen. Der Veteran und Autor Michael Yandell hat Mühe, diese ruinöse Selbstdesintegration zu beschreiben, indem er schreibt: "Ich verzweifelte an mir selbst und an der ganzen Welt." Geboren aus dem erdrückenden Leid, das die Welt des Krieges darstellt, erlebten einige von Ihnen einen moralischen Schmerz, der ein unerträgliches Ausmaß annahm. Es gab keine Welt mehr, der Sie vertrauen oder an die Sie glauben konnten, nirgendwo gab es mehr Werte. Und doch stellen Sie einen so kleinen Prozentsatz der Bevölkerung dar - weniger als 1% von uns geht zum Militär - und tragen doch unverhältnismäßig stark das schmerzhafte Erbe der letzten 20 Jahre amerikanischer Kriegsführung in weiten Teilen des Planeten.

Oft werden die unsichtbaren Wunden der zurückkehrenden Veteranen in Schweigen gehüllt. Bei einigen von Ihnen führte der unerträgliche Schmerz zu katastrophalen Folgen wie Selbstbeschädigung, Verlust von Beziehungen, Isolation und selbstzerstörerische Risikobereitschaft. Mindestens eine von drei weiblichen Angehörigen der Streitkräfte hat sexuelle Übergriffe oder Belästigungen durch andere Soldaten erlebt. Mehr als 17 von euch Veteranen nehmen sich täglich das Leben. Und Sie leben mit all dem, während ein Großteil der übrigen Nation nicht den Willen aufbringt, Sie zu sehen, Ihnen zuzuhören oder sich ehrlich mit der amerikanischen Kriegssucht auseinanderzusetzen.

Die Wahrheiten über den Krieg, die Sie uns sagen könnten, werden in der Regel abgelehnt und für ungültig erklärt, was Sie in einen schweren Block des Schweigens zementiert. Militärseelsorger Sean Levine beschreibt, wie die USA "das Trauma ihrer Krieger leugnen müssen, damit dieses Trauma unser Verständnis von Krieg nicht radikal neu definiert". Er fährt fort: "Blinder Patriotismus hat den Seelen Tausender unserer heimkehrenden Krieger unabsehbaren Schaden zugefügt."

Wenn wir Zivilisten auf Ihre Ehrlichkeit achten würden, würden wir uns kopfüber in einen Konflikt mit einer nationalen Kultur stürzen, die den Krieg verherrlicht, die politischen und materiellen Interessen der Titanen der Waffen- und Kriegsproduktion verschleiert und uns erfolgreich vom Ausmaß der Zerstörung ablenkt. Wir Zivilisten machen uns mitschuldig und entziehen uns so der unvermeidlichen Abscheu, der Trauer und der Schuld, die die Realität des Krieges immer begleiten.

Eine Alternative für den Veteranentag

Ehrlich gesagt, der einzige Weg nach vorne ist, dass Sie die unverfälschten Geschichten des Krieges erzählen - und wir sie mitfühlend aufnehmen. Ein Vietnam-Veteran hat anschaulich beschrieben, was der Krieg mit ihm gemacht hat:

Ich zog in den Krieg, als ich etwas über zwanzig war - kein Kind, aber auch noch nicht erwachsen. Als ich nach meinem Einsatz in Vietnam auf dem Flughafen von Cleveland ankam, setzte ich mich einfach hin, wie gelähmt vor verwirrten Gefühlen. Ich rief nicht einmal meine Eltern an, um ihnen zu sagen, dass ich zu Hause war. Ich hatte Angst, dass meine Familie den Menschen sehen würde, der ich war, und den Menschen, der ich geworden war, nicht akzeptieren würde; dass sie mir nicht verzeihen würden, was ich in Vietnam getan und nicht getan hatte. Wie sollten sie auch, wenn ich mir selbst nicht verzeihen konnte? Wie ein giftiger Virus, der sich in einer Petrischale verwandelt, hat der Krieg meine moralische DNA infiziert. Als ich nach Hause kam, konnte ich nicht mehr mit demselben Verstand denken, mit denselben Augen sehen und mit denselben Ohren hören.

Wenn Sie auf diese Weise die Wahrheit sagen, sind Sie der Inbegriff von Bürgersinn, Mut, Verletzlichkeit und einem Bekenntnis zur Hoffnung. Solche Enthüllungen zeigen, dass das Licht Ihres Gewissens nicht durch den Krieg ausgelöscht wurde. Thích Nhất Hạnh, der buddhistische internationale Friedensaktivist, wies den Veteranen und uns anderen gleichermaßen den Weg in die Zukunft, als er schrieb:

Die Veteranen sind das Licht an der Spitze der Kerze, das den Weg für die ganze Nation erhellt. Wenn es Veteranen gelingt, Bewusstsein, Transformation, Verständnis und Frieden zu erreichen, können sie mit dem Rest der Gesellschaft die Realitäten des Krieges teilen.

Das Trauma, das aus der unvermeidlichen Entmenschlichung durch den Krieg resultiert, ist nicht nur Ihr Problem. Die Kriegskultur in diesem Land hinterlässt ein kollektives Trauma, das auf uns allen lastet und durch die nationale Blindheit gegenüber diesem Trauma nur noch schlimmer wird.

Als Zivilistin hoffe ich, am Veteranentag die Schaffung von Räumen unterstützen zu können, in denen Ihre Stimmen mit Nachdruck gehört und Ihre Gesichter gesehen werden. Gemeinsam müssen wir herausfinden, wie wir am besten an der Wiederherstellung der Menschlichkeit in unserer Welt arbeiten können. Jack Saul vom International Trauma Studies Program erinnert uns daran, dass Zuhören "zutiefst humanisierend" ist, weil es die heilende Kraft der Empathie erzeugt. Räume des mitfühlenden Zuhörens "stärken unsere Verbindungen zu anderen und zu uns selbst und machen letztlich die Gesellschaft besser".

An diesem Veteranentag nehme ich an einer "Community Healing Ceremony" des Moral Injury Program in Philadelphia teil, bei der ich und andere Zivilisten Zeugen der Kraft von Veteranen werden, die über das Böse des Krieges in ihrem Leben Zeugnis ablegen. Ihre Worte zu hören, wird mein eigenes Verständnis, meine Vision und meine Entschlossenheit klären. Zuhören kann transformativ sein und dazu beitragen, die trügerischen Mythen der Kriegskultur abzubauen, während es Ehrlichkeit und die Bereitschaft fördert, unsere Welt so zu sehen, wie sie ist.

Lassen Sie mich abschließend Ihnen, den Veteranen unserer Kriege, dafür danken, dass Sie die Wahrheit gesagt haben. Ihr Beitrag ist von unschätzbarem Wert in unserer umkämpften Welt.

1) d.h. "11 Trillion" nach englischer Schreibweise, also 11 Millionen Millionen US Dollar


1.12.2022 Hoher EU-Beamter: "Nüchtern betrachtet sind die USA das Land, das am meisten vom Krieg in der Ukraine profitiert"

Die Fassade der Geschlossenheit zwischen EU und USA bröckelt. In einem Gespräch mit dem US-Politikmagazin Politico ließ jetzt ein ranghoher EU-Beamter seinem Frust über die auf Eigeninteresse fokussierende Haltung der USA im Ukraine-Krieg und gegenüber der Europäischen Union freien Lauf. Laut ihm würden die Vereinigten Staaten mit dem Krieg ein Vermögen verdienen, während gleichzeitig die EU-Länder massiv darunter leiden und ausnahmslos in eine Rezession stürzen. Amerika müss endlich erkennen, dass sich die öffentliche Meinung in vielen EU-Ländern ändere und dabei sei, sich gegen die USA zu wenden, so seine explizite Warnung an Washington. US-Vertreter weisen die Vorwürfe empört von sich. Es knirscht merklich im transatlantischen Gebälk.

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Sicherheitsgarantien für Russland! Kurzstreckendenker gefährden den Weltfrieden

Jetzt hat der französische Präsident Emmanuel Macron mal wieder etwas Selbstverständliches gesagt: Auch das in der westlichen Propagandawelt verteufelte Russland braucht Sicherheitsgarantien. Ohne Sicherheitsgarantien für Russland wird es kein Ende des Mordens in der Ukraine geben. Noch einfacher: Wie jedes andere Land der Welt will Moskau keine US-Atomraketen an seinen Grenzen, die die Zentren der politischen und militärischen Führung Russlands ohne Vorwarnzeiten zerstören können.

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Deutschlands Position in Amerikas neuer Weltordnung

Die US-Politik verfolgt nur ein Ziel: die politische und finanzielle Weltherrschaft und die militärische Dominanz. Deutschland ist zu einem wirtschaftlichen Satelliten von Amerikas neuem Kalten Krieg mit Russland, China und dem Rest Eurasiens geworden. Deutschland und andere NATO-Länder wurden aufgefordert, sich selbst Handels- und Investitionssanktionen aufzuerlegen, die den heutigen Stellvertreterkrieg in der Ukraine überdauern werden. US-Präsident Biden und die Sprecher des Außenministeriums haben erklärt, dass die Ukraine nur der erste Schauplatz einer viel umfassenderen Dynamik ist, die die Welt in zwei gegensätzliche Gruppen von Wirtschaftsbündnissen spaltet. Den größten "Kollateralschaden" aller Länder wird bei dieser Entwicklung Deutschland erleiden.

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Mythos Merkel zerplatzt: "Friedenskanzlerin" bekennt, dass Minsker Abkommen nur ein Trick war

Das Eingeständnis von Angela Merkel gegenüber dem "Spiegel" und der "Zeit", dass das Minsker Abkommen 2015 nur unterzeichnet worden sei, um der Ukraine Zeit für Aufrüstung zu geben, hat mich nicht überrascht. Im Mai 2019 hatte ich schon auf eine Begebenheit hingewiesen, die im krassen Kontrast zum Image des Friedensengels stand, als der sich Angela Merkel seit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2014 inszenierte.

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Wer verübte Nord-Stream-Anschlag? Bundesregierung mauert noch immer und verweist auf "Geheimhaltungsinteresse"

Am 26. September 2022 wurden drei der vier Stränge der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 schwer beschädigt. Nach allgemeiner Experten-Einschätzung ist die Zerstörung eines der teuersten und zentralsten Objekte der kritischen Infrastruktur für die deutsche Energieversorgung auf bewusst durchgeführte Anschläge, die "einer Sprengladung von mehreren hunderten Kilogramm" entsprachen, zurückzuführen. Auch die Bundesregierung sprach von "gezielter Sabotage" und einem mutmaßlich staatlichen Akteur. Doch sobald im Parlament nach konkreten Erkenntnissen nachgefragt wurde, blockte die Bundesregierung alles ab und verwies auf "Staatswohl" sowie "Geheimhaltungsinteresse". Den NachDenkSeiten liegen jetzt neue Antworten der Bundesregierung zu dem Thema vor.

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kontertext: Exil oder nicht Exil, «Europa» oder «Russland»?

Warum habe ich Russland verlassen? Haben wir uns politisch weggeduckt? Was erwarte ich hier? Fragen einer Russin im Exil.

Als ich am frühen Morgen des 24. Februar aufwachte und erfuhr, dass die so genannte «Sonderoperation» in der Ukraine begonnen hatte, war mir sofort klar, dass sich mein Leben für immer verändern würde. Allerdings konnte ich mir damals nicht einmal ansatzweise vorstellen, dass ich mein Land etwas mehr als 3 Monate später verlassen musste. Schliesslich hatte ich jahrelang gegen die Idee der Migration angekämpft – als ich Mitte der neunziger Jahre in den USA studierte, als ich Anfang der 2000er Jahre nach Europa reiste, als ich in den 2010er Jahren Workshops und internationale Residenzen organisierte, und sogar das allerletzte Mal, als ich im März 2021 einen Monat in Dänemark verbrachte, um über die Performanceform des «Neuen Zirkus» zu recherchieren und eben auch, um meinen dänischen Freunden zu beweisen, dass ich nicht bereit war fürs Exil.

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Nach Merkel auch Hollande: Minsk-Abkommen sollte Ukraine nur Zeit verschaffen

Was Angela Merkel kürzlich erklärt hatte, wurde jetzt auch von Francois Hollande, dem Präsidenten von Frankreich zwischen 2012 und 2017 bestätigt. Das Minsk-Abkommen war nur eine Täuschung, um der Ukraine mehr Zeit zu verschaffen, sich auf den Krieg mit Russland vorzubereiten.

So bestätigte Hollande die Aussagen der ehemaligen deutschen Kanzlerin in einem Interview mit der ukrainischen pro-westlichen Zeitung "Kyiv Independent". Demnach sei das Abkommen mit Russland geschlossen worden, um die "militärische Position" der Ukraine zu stärken:

"Seit 2014 hat die Ukraine ihre militärische Position gestärkt. Die ukrainische Armee war (im Februar 2022, Anm.) in der Tat völlig anders als die von 2014. Sie war besser ausgebildet und ausgerüstet. Es ist das Verdienst der Minsker Vereinbarungen, der ukrainischen Armee, diese Möglichkeit gegeben zu haben."

Finte gegen Russland

Fast wortgleich drückte sich Angela Merkel im viel beachteten Interview in der "Zeit" im Dezember aus: "Das Minsker Abkommen von 2014 war ein Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie haben diese Zeit genutzt, um stärker zu werden, was man heute sehen kann. Die Ukraine von 2014/15 ist nicht die Ukraine von heute. Wie wir bei den Kämpfen in der Nähe von Debalzewo im Jahr 2015 sehen konnten, hätte Russland damals leicht gewinnen können. Und ich bezweifle sehr, dass die NATO-Staaten damals so viel für die Ukraine hätten tun können, wie sie es jetzt tun. Es war uns allen klar, dass es sich um einen eingefrorenen Konflikt handelte, dass das Problem nicht gelöst war, aber genau das hat der Ukraine wertvolle Zeit verschafft."

Besonders im Donbass nimmt man dieses "Zögern" Russlands beziehungsweise das Vertrauen, das der Kreml in das Minsker Abkommen gesetzt hatte, Putin äußerst übel. Durch die westliche Offenbarung wurde dieser Groll weiter erhöht. Beobachter vermuten, dass der Westen diese Statements nun forciert, um in Russland die Unterstützung für Putin zu schmälern.

Schon im März sagte der ehemalige Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, gegenüber ukrainischen Medien: "Wir haben erreicht, was wir wollten. Wir glaubten Putin nicht, so wie wir ihm jetzt nicht glauben. Unsere Aufgabe bestand darin, erstens die Bedrohung oder zu mindestens den Kriegsbeginn hinauszuzögern. Sich acht Jahre für das wirtschaftliche Wachstum und das Wiedererstarken der ukrainischen Streitkräfte zu erkämpfen. Das war die erste Aufgabe – und sie wurde erfüllt. Die Vereinbarungen von Minsk haben ihren Zweck erfüllt."

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Ukraine: Die «Informationen» zur weihnächtlichen Waffenruhe

Medien erweckten den Eindruck, Russland habe an der orthodoxen Weihnacht unvermindert weiter geschossen. Was geschah wirklich?

Präsident Selensky und Präsident Biden hatten die Feuerpause, die Putin während der orthodoxen Weihnachten einseitig ankündigte, als «zynische Falle», «scheinheilig» und «nicht glaubhaft» bezeichnet.

Was passierte nun tatsächlich am orthodoxen Heiligen Abend des 6. Januars und am Weihnachtstag des 7. Januars? Aufgrund ungenügender und fehlender Informationen können wir es nicht wissen.

Gab es ähnlich viele Angriffe mit Artilleriegeschossen, Drohnen und Raketen wie in den Tagen und Wochen zuvor? Gab es 80 Prozent so viele? 50 Prozent? 20 Prozent oder nur 5 Prozent?

Die unbefriedigende Antwort: Aufgrund der grossen Medien kann man es nicht wissen. Zu wichtigen Fragen fehlen zuverlässige Informationen: 

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16.6.22: The causes and consequences of the Ukraine war - A lecture by John J. Mearsheimer

Vorlesung von Prof. John J. Mearsheimer von der Uni Chicago

Professor John J. Mearsheimer will discuss the current Russian invasion on Ukraine whilst exploring the potential causes and consequences of the crisis. In this lecture, Prof. Mearsheimer will aim to focus on both the origins of the war in Ukraine and some of its most important consequences. He will argue that the crisis is largely the result of the West's efforts to turn Ukraine into a Western bulwark on Russia's border. Russian leaders viewed that outcome as an existential threat that had to be thwarted. While Vladimir Putin is certainly responsible for invading Ukraine and for Russia's conduct in the war, Prof. Mearsheimer states that he does not believe he is an expansionist bent on creating a greater Russia. Regarding the war's consequences, the greatest danger is that the war will go on for months if not years, and that either NATO will get directly involved in the fighting or nuclear weapons will be used — or both. Furthermore, enormous damage has already been inflicted on Ukraine. A prolonged war is likely to wreak even more devastation on Ukraine. Prof. John J. Mearsheimer is the R. Wendell Harrison Distinguished Service Professor in the Political Science Department at the University of Chicago. Disclaimer -- The views and opinions expressed in this video are those of the speakers or authors in their personal capacity and do not necessarily reflect the official position of the Robert Schuman Centre or the European University Institute. Learn more about the Schuman Centre

 

Ein weiterer Vortrag von John Mearsheimer von 2015 zum Thema: Why is Ukraine the West's Fault?


19.1.23: MDR: Soll Deutschland schwere Kampfpanzer an die Ukraine liefern?

"Auf keinen Fall, meint unsere Kommentatorin." Und ich ebenfalls.

MDR Aktuell


25.1.2023: Amtsgericht verurteilt Friedensaktivisten wegen Rede "Nie wieder Krieg gegen Russland

"Das Berliner Amtsgericht hat den bekannten Berliner Friedensaktivisten Heiner Bücker zu einer vierstelligen Geld- oder ersatzweise 40-tägigen Haftstrafe verurteilt. Sein Vergehen? Er hatte bei einer Rede anlässlich des 81. Jahrestages des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 2022 erklärt, man müsse "offen und ehrlich versuchen, die russischen Gründe für die militärische Sonderoperation in der Ukraine zu verstehen". Diese Aussage, so die Begründung im Strafbefehl vom 3. Januar 2023, welcher den NachDenkSeiten vorliegt, billige "den völkerrechtswidrigen Überfalls Russland (sic!) auf die Ukraine" und hätte "das Potential, das Vertrauen in die Rechtssicherheit zu erschüttern und das psychische Klima in der Bevölkerung aufzuhetzen." Eine rechtsstaatliche Farce, die von der verbrieften Rede- und Meinungsfreiheit nur noch Trümmer übriglässt."

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25.1.2023 Deutschlands Regierung hat beschlossen, schwere Panzer an die Ukraine zu liefern ...

... und damit einen weiteren Schritt zum Dritten Bewaffneten Weltkrieg zu tun. Mit der Wahrscheinlichkeit der Provokation zu einem nuklearen Krieg.

Und auch die USA haben vor, Panzer zu liefern.

Quellen dazu sind massenhaft vorhanden im Internet. Die Massenmedien bejubeln dies mehrheitlich...


«Sind Freiheit und Unabhängigkeit nochmals 300'000 Tote wert?»

"Grosse Medien informieren zurzeit vor allem über Argumente, die dafür sprechen, der Ukraine zu helfen, sämtliche von Russland besetzten Gebiete zurückzuerobern. Infosperber geht davon aus, dass die Leserinnen und Leser die entsprechenden Argumente kennen. Deshalb lässt Infosperber zur Meinungsbildung ergänzend Stimmen zu Wort kommen, welche die Fortsetzung des Krieges für riskant halten. Heute den Pazifisten und Philosophen Professor Olaf Müller. Folgendes ist ein Interview von Ralf Erdenberger mit Olaf Müller, das der WDR am 17. Januar ausstrahlte."

weiterlesen auf infosperber


Lulas "Friedensklub" soll den Krieg beenden

"Beim Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz schlägt Brasiliens Präsident Lula einen "Friedensklub" vor, um den Ukrainekrieg zu beenden. Es ist nicht der einzige Punkt, bei dem Unterschiede deutlich werden."

weiterlesen auf der FAZ


 

Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen

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"Die Verpflichtung zum Widerstand beginnt dort, wo man erstens das Verbrechen und den Katastrophenweg erkennt, und zweitens die Möglichkeit hat, etwas dagegen zu tun" (Kurt Sendtner)

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Reden und diskutieren wir mit Andersdenkenden - Setzen wir uns für unsere Anliegen ein - Demonstrieren wir - Seien wir Ungehorsam - Handeln wir friedlich.