Teilwiedergabe aus der WOZ Nr. 49 – 7. Dezember 2023
"Interne Dokumente zeigen, wie Karin Keller-Sutter ihre Kampagne gegen die Konzernverantwortung führte. Diese widersprach dem verfassungsmässigen Recht der Bürger:innen auf freie Willensbildung.
Es ist der 23. Oktober 2020, und im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) geht es zu wie in einer Kampagnenagentur. Die Arbeitsgruppe zur Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) trifft sich online zu ihrer vierten Sitzung im Abstimmungskampf. «In der CVP gibt es einen Basis-Elite-Konflikt. Ausserdem sind Parteiungebundene und Frauen wichtig. Auch das Land, die Agglomeration muss überzeugt werden», referiert Christoph Nufer, damals Kommunikationschef im Departement.
Für die Überzeugungsarbeit als besonders geeignet erscheinen Auftritte von Bundesrätin Karin Keller-Sutter in einzelnen Kantonen. «Auftritte geben immer auch Medienbegleitung, das ist wichtig», betont Martin Dumermuth, der Direktor des Bundesamts für Justiz. Auch die Pressekonferenz eines Wirtschaftskomitees steht für die kommende Woche auf der Agenda. Ein früheres Hintergrundgespräch von Economiesuisse mit Journalist:innen sei «unfähig» und «alarmistisch» gewesen, weiss Keller-Sutters persönliche Mitarbeiterin Heidi Gmür. «Das darf sich nicht wiederholen, und das müsste man ihnen noch einmal sagen.» So steht es im Protokoll zur Sitzung, das der WOZ exklusiv vorliegt.
Die Abstimmung über die Initiative, die Konzerne zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten wollte, war eine der emotionalsten der letzten Jahre. Eine grosse Allianz aus der Zivilgesellschaft stand damals mit orangen Fahnen den Wirtschaftsverbänden und den bürgerlichen Parteien gegenüber. Und einer Bundesrätin: Karin Keller-Sutter. Die Abstimmung endete äusserst knapp: Zwar nahm die Bevölkerung das Anliegen mit 50,7 Prozent an, doch die Initiative scheiterte schliesslich am Ständemehr der kleineren, konservativen Kantone.
Weil sich Keller-Sutter derart vehement gegen die Kovi engagierte – «Das sind Trump-Methoden!» (Alt-FDP-Ständerat Dick Marty) –, wurde sie später Teil einer Untersuchung: Die Geschäftsprüfungskommis- sion (GKP) des Nationalrats beurteilte anhand von vier Abstimmungsvorlagen die bundesrätliche Kommunikation. Vorletzte Woche hat das Gremium seinen Bericht veröffentlicht. Bei einer der Vorlagen und an einer Bundesrätin übt es für Schweizer Verhältnisse ungewohnt harsche Kritik: bei der Kovi, an Karin Keller-Sutter.
Die Bundesrätin habe die Stimmberechtigten nicht verhältnismässig informiert, sondern versucht, einen «Meinungsumschwung beim Zielpublikum» zu erwirken. «Die Kommunikation überschritt somit die Grenze zwischen Information und Kampagne», so das Fazit der GPK. Kampagne – das Wort ist in diesem Zusammenhang ein heftiger Vorwurf: Die Bundesverfassung schützt das Recht auf freie Willensbildung. Der Bundesrat muss über Abstimmungsvorlagen sachlich und verhältnismässig informieren. Eine Checkliste der Bundeskanzlei verbietet es explizit, Kampagnen zu führen – und sich an Kampagnen anderer zu beteiligen.
Auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes hat die WOZ die Dokumente eingefordert, die dem GPK-Bericht zugrunde liegen, dort aber lediglich summarisch zitiert werden. Sie ermöglichen einen einmaligen Einblick in den Regierungs-PR-Apparat, der in den letzten Jahren enorm gewachsen ist. Sie zeigen, wie Keller-Sutter mit ihrem Stab versuchte, die Meinung in der Bevölkerung und in den Medien gegen die Kovi zu drehen. Und sie belegen die äusserst enge Zusammenarbeit des Departements mit den Wirtschaftsverbänden."
Der Kognitionsforscher Rainer Mausfeld beschäftigt sich schon lange mit der neoliberalen Ideologie, der Umwandlung der Demokratie durch Eliten und mit den psychologischen Techniken der Meinungslenkung, die diese nutzen, um ihre herrschende Position zu sichern. Seine Gedanken zu diesen Themen hat er in Büchern wie „Warum schweigen die Lämmer“ oder „Angst und Macht“ ausgebreitet, in mutigen Werken, die Machtkritik äussern und zum Kern des autoritären Geistes der Gegenwart vordringen. Auch seine jüngste Publikation schlägt in die gleiche Kerbe. In „Hybris und Nemesis“ variiert Mausfeld seine Grundthesen, stellt sie aber in einen viel grösseren Kontext. Entlang historischer Linien zeigt er auf, wie der Begriff der Demokratie seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt worden ist und heute als Herrschaftsinstrument dient.
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ohn Pilger, a giant of journalism born in Australia in 1939, has died at the age of 84, according to a statement released online by his family.
His numerous books and especially his documentaries opened the world’s eyes to the failings, and worse, of governments in many countries – including his birthplace.
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Artikel von Kiji Noh auf Consortium News (die automatische Übersetzung auf Deutsch ist leider ziemlich fehlerbehaftet)
"Die 700 reichsten US-Bürger haben 8,5 Billionen Dollar Kapitalgewinne angehäuft. Diese sollen nun besteuert werden.
Nach aktuellen Schätzungen zahlen die Milliardäre in den USA bloss 4,8 Prozent Einkommenssteuern. Eigentlich müsste dieser Satz sehr nahe beim maximalen Steuersatz von 37 Prozent liegen. Dass dies nicht so ist, hat zwei Gründe. Zum einen haben die Milliardäre genug Geld, um sich Senatoren und Abgeordnete zu kaufen. Vor allem die Republikaner haben in den letzten Jahren viele Steuerschlupflöcher für die Superreichen geschaffen. Nicht zuletzt deshalb ist dadurch die Summe der nicht versteuerten Kapitalgewinne der rund 700 US-Milliardäre von 3200 auf 8500 Milliarden Dollar gestiegen."
s the gathering of the global elites at the annual World Economic Forum meeting in Davos, Switzerland gets underway, the international aid agency Oxfam has published a devastating report on the escalation of inequality.
It shows how the enormous growth of corporate power and wealth is reshaping the world, producing social devastation for billions and the accumulation of fabulous wealth for a handful of oligarchs.
The report begins by noting that since 2020 the world’s five richest men have more than doubled their fortunes, at the rate of $14 million per hour, from $405 billion to $869 billion, while almost 5 billion people, over half the world’s population, have been made poorer.
Speaking on the report, Oxfam interim Executive Director Amitabh Behar said: “We are witnessing the beginnings of a decade of division, with billions of people shouldering the economic shockwaves of pandemic, inflation and war, while billionaires’ fortunes boom.”
“This inequality,” he continued, “is no accident; the billionaire class is ensuring corporations deliver more wealth to them at the expense of everyone else.”
Importantly, he also pointed to a trend which was emphasised in the New Year perspective statement of the World Socialist Web Site—the role of corporate power and concentration, not just the growth of individual wealth, in undermining all democratic structures and paving the way for extreme right-wing and fascist regimes.
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er Bürger darf und soll klagen: Eine freie Presse hilft ihm, seine persönliche Bilanz mit den nationalen Notwendigkeiten in Übereinstimmung zu bringen.
In der Silvesterausgabe hat Bild am Sonntag die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA veröffentlicht. In der wurde nach den dringendsten Probleme der Bürger gefragt, die dann – entsprechend der Häufigkeit der Nennung – in eine Rangfolge gebracht wurden. Das Blatt für die Massen bereitet natürlich alles so auf, dass kein Unterschied zwischen den Gründen des einfachen Volks für seine Sorgen und der Sicht der verantwortungsvollen Redaktion auf die nationale Notlagen entsteht. Das ist man sich als Vierte Gewalt im Staate schuldig!
Die Ergebnisse sind wenig überraschend, die Liste der Probleme steht jeden Tag in Bild. Die Zeitung fragt jedoch nicht nach den Ursachen, sondern hat nur eins im Auge, nämlich den Auftrag an die Zuständigen. Für die Abstellung der Übel ist eben nur einer verantwortlich: die Regierung. Ist das so selbstverständlich? Dazu einige Anmerkungen.
Angesprochene Themen:
Platz 1: Die Bekämpfung der Inflation
Platz 2: Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
Platz 3: Sicherung der Rente
Platz 4: Steuerung von Migration
Platz 5: Sicherung der Energieversorgung
Platz 6: Bekämpfung des Pflegenotstands
Platz 7: Wirtschaftswachstum ankurbeln
Platz 8: Ausstattung der Schulen verbessern
Platz 9: Kampf gegen Extremismus und Terrorismus
Platz 10: Bekämpfung des Klimawandels
Die Suche nach einer Begriffsbestimmung
In den letzten vier oder fünf Jahren hatte ich, wie fast jeder andere auch, das Gefühl, dass eine Art grosse Veränderung, eine Art grundlegender Wandel stattgefunden hat, den ich nicht ganz definieren konnte. Es gab durchaus Vorkommnisse, die herausstachen. Es gab die Trump-Präsidentschaft, es gab die COVID-Pandemie, es gab die schrecklichen Kriege in der Ukraine, in Gaza und anderswo usw. Keines dieser Phänomene ergab jedoch für sich allein oder in Verbindung miteinander eine befriedigende Antwort auf meine Suche.
Umgekehrter Sozialismus?
Vor zwei Jahren schrieb ich für Pressenza einen Artikel mit dem Titel „Wir sind in eine postkapitalistische Ära eingetreten„. (1) In diesem Artikel bezeichnete ich die späten 2010er und frühen 2020er Jahre als eine Ära des umgekehrten Sozialismus. In dieser Ära, in der wir uns immer noch befinden, tragen die Armen und die Mittelschicht den Grossteil der Steuerlast, während die Reichsten der Reichen oft wenig bis gar keine Steuern zahlen. Gleichzeitig ist in den letzten Jahren das Wohlstandsgefälle zwischen den Superreichen und allen anderen in einem Tempo gewachsen, das niemals zuvor für möglich gehalten wurde.
Der Technofeudalismus betritt die Bühne
Ich begnügte mich damit, dieses Phänomen einfach als umgekehrten Sozialismus zu bezeichnen, bis ich einen Youtube-Clip entdeckte, in dem der Ökonom und Schriftsteller Yanis Varoufakis den Begriff „Technofeudalismus“ einbrachte. Schon nach den ersten Minuten seiner Erklärung dieses Begriffs wusste ich, dass ich eine bemerkenswert klare Beschreibung dessen hörte, was bald zu einer bahnbrechenden sozioökonomischen Beobachtung und Theorie werden sollte.
Die Betreiber der „Cloud“ und das „Cloud“-Kapital
Das Ende 2023 erschienene neue Buch „Technofeudalism: What Killed Capitalism“ („Technofeudalismus: Was den Kapitalismus tötete“) von Varoufakis ist eine wunderschön geschriebene Beschreibung dessen, wie sich die gesamte Weltwirtschaft gerade in den letzten Jahren vom Kapitalismus zu einer neuen Art von Feudalismus gewandelt hat. Womit wir es jetzt zu tun haben ist, dass eine Handvoll von Personen, die Varoufakis „Cloudalists“ nennt, das „Cloud-Kapital“ kontrollieren. Diese techno-feudalen Herren besitzen die bestehenden Cloud-Plattformen (Amazon Web Services, Facebook, Google Cloud und einige andere), an die all die anderen Kapitalisten 40 % ihrer Profite zahlen müssen, um ihre Geschäfte in den Clouds dieser „Cloudalisten“ betreiben zu können. Diese neuen techno-feudalen Herren der Clouds lehnen sich einfach zurück und kassieren die Miete von ihren kapitalistischen Vasallen, die nun auch den Cloudalists leibeigen sind, und damit Teil einer neu errichteten Leibeigenschaft, der wir alle 7 1/2 Milliarden angehören.
Das Ende des Profitstrebens
Zum ersten Mal in der Geschichte ist erstaunlicherweise der Profit nicht mehr die treibende Kraft der globalen Marktwirtschaft. Das wurde erstmals vor einigen Jahren am 12. August 2020 deutlich. Aus Angst, 2008 (die Finanzkrise – Anm. des Übersetzers) könnte sich im Laufe der Pandemie wiederholen, wurde von der Fed (erneut) ein riesiger Haufen Geld gedruckt und in Umlauf gebracht. Dieses Geld folgte letzten Endes, wie auch schon in der Vergangenheit, dem Weg des geringsten Widerstands und floss hin zu den Superreichen. Nur dass es dieses Mal auf ein völlig anderes Ergebnis hinauslief. Als sie realisierten, dass es als Ergebnis des kontinuierlichen massenhaften Gelddruckens zu einer Abwertung des papiernen Kapitals kommen würde, „handelten ‚Cloudalisten‘ wie Jeff Bezos und Elon Musk schnell und tauschten ihr Papierkapital gerne gegen etwas ein, das sich am Ende als weitaus wertvoller herausstellen sollte: das ‚Cloud Kapital'“. (2)
Profit ist für Verlierer
Sowohl Bezos als auch Musk erkannten, dass Profit bedeutungslos geworden war und dass das Papierkapital, auf dem ihre Multimilliardärskollegen sassen, bald einen Grossteil seines aufgeblähten Wertes verlieren würde. Sie wussten, dass es vor allem darauf ankam, diese Chance zur Erringung einer vollständigen Marktdominanz zu nutzen. Im Jahr 2021 veranschaulichte ein offizieller, von Goldman Sachs herausgegebener Finanzbericht perfekt, wie diese neue Geschäftspraktik den Kapitalismus vom Streben nach Profit unabhängig machte. Dieser Bericht stellte eine kleine Gruppe von „Verluste erzeugenden“ Kapitalisten vor, die erfolgreich die Kontrolle über den Markt an sich gerissen hatten.
Der Coup von Bezos und Musk im Jahr 2020
Zwischen 2017 und dem Beginn der Pandemie stieg der Aktienwert verlustreicher Cloud-Unternehmen um 200 %. Bis zur Mitte der Pandemie stieg ihr Aktienwert um weitere 300 %. Im Jahr 2020 hatte Jeff Bezos‘ Unternehmen Amazon sein explosivstes Jahr aller Zeiten und erzielte einen Gewinn von 44 Milliarden. Bezos zahlte in diesem Jahr dennoch keinerlei Steuern, da er eine Gewinnspanne von 0 auswies. Elon Musk tat im Jahr 2020 das Gleiche als seine Aktienkurse bis zum Jahresende um 743 % stiegen. Er gab ebenfalls eine Gewinnmarge von knapp unter null an. [...]
Die Bilanzsumme ist zum Schweizer BIP 15-X grösser als die von JP Morgan zum US-GDP. Und CEO Ermotti will wachsen wie einst Ospel.
Die UBS sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. Erst musste die Bank nach gewaltigen Fehlspekulationen am amerikanischen Immobilienmarkt vom Schweizer Staat gerettet werden. 15 Jahre später dann durfte sie mit grosszügigen öffentlichen Garantien den wegen grober Misswirtschaft serbelnden Erzrivalen Credit Suisse zu günstigen Konditionen übernehmen.
Nun, genau ein Jahr darauf, schwadroniert ein Teil der Medienlandschaft nachträglich aber episch darüber, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Der andere ergötzt sich angesichts der deutlichen Kursgewinne der Aktie an der spekulativ erregten Börse an euphorischen Fantasien, wo das wohl noch hinführen könnte.
Nach der anfänglichen Verunsicherung, wie die einzige verbliebene Schweizer Grossbank die ehemals global systemrelevante Credit Suisse werde retten und integrieren können, hätten die Aktien von UBS ein Kursfeuerwerk gezündet – und der Schwung dauere weiter an, heisst es. Und weiter: Der Kursgewinn der vergangenen 365 Tage nehme erst einen Bruchteil des Potenzials vorweg, das UBS aus dem Deal noch schöpfen könne.
CEO Sergio Ermotti will wachsen wie einst «Marcel Ospel».
Diese Euphorie mag sich aus dem jüngsten Public-Relations-Marathon der Grossbank ableiten lassen. In dessen Rahmen stellte sie sich und ihre Strategie landauf und landab sowie im Ausland im besten Licht dar. Es gebe nur blendende Wachstums- und Ertragsmöglichkeiten, Risiken seien kaum vorhanden, so der Tenor. UBS-Chef Sergio Ermotti machte in einem Interview mit dem Chef des norwegischen Staatsfonds sogar einen auf Marcel Ospel.
2022 erschüttert ein Korruptionsskandal Brüssel und das Europäische Parlament. Im Zentrum: Eva Kaili, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Es geht um Korruption, um mutmasslich erkaufte politische Einflussnahme von Drittstaaten und Koffer voller Bargeld.
Es ist ein politisches Beben: Im Dezember 2022 erschüttert ein Korruptionsskandal rund um die ehemalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili – auch „Katargate“ genannt - Brüssel und die EU. Es geht um mutmasslich erkaufte Einflussnahme von Drittstaaten. Aktive und ehemalige EU-Abgeordnete wurden verhaftet, Ermittler beschlagnahmten Koffer voller Bargeld in den Wohnungen der Politiker, mutmasslich bezahlt von Marokko und Katar, die sich so Einfluss auf die Gesetzgebung in der EU erkaufen wollten.
„Katargate bedroht die ganze Institution“, sagt Nick Aiossa von „Transparency International“. Die ohnehin schwachen Ethikregeln des Parlaments würden kaum befolgt, Verstösse seit Jahrzehnten so gut wie nie geahndet. Aiossa: „Eine fatale Kultur der Straflosigkeit!“. Steckt der Fehler im System?
Der Dokumentarfilm rekonstruiert „Katargate“, den bislang grössten Korruptionsskandal in der EU. Im Interview bezieht Eva Kaili als eine der Hauptbeschuldigten Stellung. Sie sieht sich als Opfer eines Justizskandals. Auch andere Beschuldigte, wie Niccolò Figà-Talamanca und die unter Verdacht geratene EU-Abgeordnete Marie Arena geben Auskunft.
Der Dokumentarfilm nutzt Unterlagen und Protokolle der Ermittlungsbehörden und der Bundesanwaltschaft in Brüssel und verfolgt die Frage, was die EU-Institutionen der Einflussnahme entgegensetzen können und vor allem wollen. Ein System von mangelnder Transparenz und zu laschen Regeln wird erkennbar - der Wille nach Aufklärung und stärkeren Anti-Korruptions-Gesetzen scheint kraftlos. Dabei steht angesichts von wachsendem Euroskeptizismus und den kommenden EU-Wahlen viel auf dem Spiel.
(Red. Unser Kolumnist aus den USA Patrick Lawrence macht darauf aufmerksam, dass in den letzten dreitausend Jahren auf dieser Welt etliche Imperien entstanden und, meist nach einer längeren Krisenzeit, auch wieder definitiv untergegangen sind. Das, so nimmt er an, trifft auch auf das „Imperium“ der USA zu. Offen sei nur, so meint er, die zeitliche Länge der bereits laufenden Vor-Untergangskrise. (cm)
Vor zehn Jahren habe ich ein Buch veröffentlicht, in dem ich den USA 25 Jahre Zeit gab, sich mit dem Verlust ihrer geopolitischen Vormachtstellung zu arrangieren, die sie in den vergangenen sieben Jahrzehnten genossen hatten. Ich nannte das Buch «Time No Longer: Die Amerikaner nach dem amerikanischen Jahrhundert.» Als Anfangsdatum wählte ich das Jahr 2001, als die Anschläge vom 11. September in New York und Washington dem „amerikanischen Jahrhundert“ ein abruptes Ende bereiteten.
„Kann sich Amerika von einer Nation mit einem offenen Schicksal in eine Nation mit einem klaren Ziel verwandeln?“ Diese Unterscheidung entnahm ich dem Buch «The Promise of American Life», das Herbert Croly, der bekannte Sozialkritiker der Progressiven Ära, 1909 veröffentlicht hatte. Die von mir gestellte Frage war der Schlüssel zu meinem Fall: Das Schicksal, das die Menschen im Raum der zeitlosen Mythologien hält, verleiht ihnen eine halbwegs heilige „Mission“. Eine Bestimmung zu haben bedeutet, im Strom der Geschichte zu leben und irdische Dinge zu tun.
Ein Jahrhundert, nachdem Croly seinen klassischen Kommentar geschrieben hatte, hatten die Ereignisse des Jahres 2001 dem von ihm vorgeschlagenen Wandel eine neue Dringlichkeit verliehen. Amerika könnte ihn vollziehen und so seinen Platz als eine Nation unter vielen mit Anmut, Weisheit, Würde, Phantasie und einem gewissen Mass an Mut einnehmen. Ich argumentierte, dass andere Länder solche Übergänge erfolgreich bewältigt haben und dabei weitaus besser weggekommen sind. Oder Amerika könnte sich der Drehung des Rades der Geschichte widersetzen – dem 21. Jahrhundert ganz und gar widerstehen – und seine globale Hegemonie erst nach einem langen, unaufhörlich zerstörerischen Kampf um die eigene Verteidigung aufgeben.
Meine Vorhersage war nicht so schwer zu formulieren. Und 23 Jahre nach den traumatischen Anschlägen vom 11. September 2001 ist die Entscheidung, die Amerikas angebliche Führer getroffen haben, nun offenkundig – auf grausame und verhängnisvolle Weise. Als ich mich darauf vorbereitete, diesen Kommentar zu schreiben, fragte ich mich, ob das Chaos, die Unordnung und das menschliche Leid, das unsere Welt jetzt überzieht, ohne Beispiel in der modernen Geschichte sei. Das mag letztlich Ansichtssache sein, aber es steht ausser Frage, dass die USA mit ihrer Weigerung, die Realitäten unseres neuen Jahrhunderts zu akzeptieren, uns in eine sehr dunkle Zeit des Krieges, der Gewalt und der Unmenschlichkeit hineingezogen haben.
Mit KI lässt sich in zwei Stunden eine «wissenschaftliche» Arbeit fabrizieren. Gefakte Studien führen zu falschen Entscheidungen.
Falsche wissenschaftliche Publikationen sind ein schnell wachsendes Problem. Es gibt einen veritablen Markt dafür, und er boomt. Sogenannte «paper mills», Papiermühlen, machen vermutlich Milliardenumsätze. Diese Agenturen bieten Unterstützung für redaktionelle Publikationen, treffender ist der Ausdruck «ghost writing». Man könnte ebenso gut von «fake production» sprechen. Wissenschaftler bezahlen bis zu 25’000 Euro für eine gut gemachte Fälschung oder Erfindung. Die Agenturen bieten ihr Material dann Fachzeitschriften zur Publikation an. Dank KI sind solche Fakes und Fälschungen nun immer leichter und schneller zu fabrizieren. Davon handelt der ARD-Beitrag des Hessischen Rundfunks hr «Fake-Studien mit KI». Mit einem konkreten Experiment (siehe Kasten) dokumentiert der Beitrag, wie einfach und schnell künstliche Intelligenz eine «wissenschaftliche Studie» fabrizieren kann.
Trotz CS-Krise fasst er sie im «Too big to fail»-Bericht mit Samthandschuhen an. Deutlich mehr Eigenkapital gefordert? Fehlanzeige.
Die UBS ist fein raus. Wie der gerade veröffentlichte Bericht des Bundesrates zu den systemrelevanten Banken zeigt, haben der jüngste Public-Relations-Marathon und das intensive Lobbying hinter den Kulissen offensichtlich Früchte getragen. Denn die «Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes» hat für den durch die Credit-Suisse-Übernahme entstandenen Bankenmoloch und für die «systemrelevante» Postfinance, die Raiffeisen-Gruppe und die Zürcher Kantonalbank kaum Konsequenzen.
Keine Rede von schärferen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen
Der über 300 Seiten lange «Too big to fail»-Bericht schlägt 22 geplante und 7 zu prüfende Massnahmen vor, um «Lücken» im gegenwärtigen Krisenregime für die global systemrelevanten Grossbanken zu adressieren, wie es heisst. Von deutlich schärferen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen dagegen will man offensichtlich nichts wissen, obwohl viele Fachleute und sogar die Schweizer Nationalbank, das Staatssekretariat für Wirtschaft und die Finanzmarktaufsicht (Finma) genau das vorschlagen und fordern.
Die umfassende Analyse der Pleite der Credit Suisse habe gezeigt, dass das bestehende Too-big-to-fail-Instrumentarium weiterentwickelt und verschärft werden müsse, um die Risiken für die Volkswirtschaft, den Staat und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu reduzieren, heisst es dagegen in dem Bericht. Naiv verweist er auf eine Vielzahl kleinerer Massnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals, wie zum Beispiel die Beschränkung der Anrechnung von aktivierter Software ans Eigenkapital. Massnahmen, die im Ausland schon lange gelten und die hierzulande erst mit Verzögerung gelten sollen.
Brüssel sehen und sterben - Die Show zum Bestseller. Aufzeichnung aus dem Admiralspalast Berlin vom 26.04.2024. Eine Art Abschlussreferat von Nico Semsrott über seine 5 Jahre als Mitglied des Europäischen Parlaments. "Ich glaube, politische Frustration ist total berechtigt. Aber mit einer Stimme für die Linken oder Grünen kann man immerhin die konservativen und rechten Parteien ärgern, die Korruption für alle EU-Abgeordneten ermöglichen wollen."
Eine satirisch/ironische Schau über Nico Semsrotts fünf Jahre im EU-Parlament.
Dieses Video zeigt ein englisch geführtes Interview zwischen Owen Jones und George Monbiot.
[…]
Owen Jones: Was ist Neoliberalismus?
George Monbiot: Er ist eine ebenso dominierende Ideologie in unserer Gesellschaft wie der Kommunismus in der Sowjetunion. Wie Sie sagen, ist es einfach verrückt, dass die meisten Menschen sich dessen entweder überhaupt nicht bewusst sind oder sie sind nicht in der Lage, es zu definieren. Oder wie Sie sagen, verwerfen sie es einfach. «Sehen Sie, das gibt es nicht. Sie erfinden das nur. Das ist ein Schimpfwort, das ist eine Verschwörungsfiktion.» Sie werfen Ihnen alles Mögliche vor, um zu verhindern, dass die Menschen verstehen, was hier geschieht. Neoliberalismus ist eine Ideologie, deren Name durch die ursprünglichen Ideologen wie Friedrik Hayek und Ludwig von Mises und anderen, die sich ursprünglich 1938 trafen, um dem Kapitalismus zu helfen, sein grösstes Problem zu lösen. Das grösste Problem des Kapitalismus ist die Demokratie. Der Kapitalismus funktionierte gut solange die meisten Erwachsenen keine Stimme hatten. Als die meisten Erwachsenen eine Stimme erhielten, begannen sie sich zu wehren: sie wollen nicht ausgebeutet werden, sie wollen nicht als moderne Leibeigene behandelt werden, sie wollen keine verschmutzten Flüsse, sie wollen keine verpestete Luft, sie wollen in angemessenem Wohnraum leben, sie möchten öffentlich finanzierte Dienste, einen Wohlfahrtsstaat, ein wirtschaftliches Sicherheitsnetz. All dem steht der nackte Kapitalismus feindselig gegenüber. Seither versuchte man dieses Problem im Kapitalismus zu lösen. Das gelang anfänglich nicht besonders gut. Doch Neoliberalismus zeigt die Lösung und er ist nun ausserordentlich gut, das Problem zu lösen, zu überleben und sich sogar im Basisdemokratischen zu verbreiten.
OJ: Ich finde es wirklich faszinierend, zurück zu den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs zu gehen, was ein trostloser Moment war, wenn man an das glaubte, was jetzt der zentrale Grundpfeiler des Neoliberalismus ist. Es schien, als wäre der Laissez-faire-Kapitalismus begraben worden. Sie wissen schon, die Erfahrung der Weltwirtschaftskrise und dann ein Völkermord oder Krieg, bei dem zig Millionen Menschen getötet wurden. Man konnte beides nicht wirklich trennen, weil der Faschismus die Verzweiflung, die aus beidem entstanden ist, ausgebeutet hat. Man traf sich im verschlafenen Schweizer Städtchen Mont Pèlerin, um diese Ökonomen zusammenzubringen. Damals fühlten sie sich besiegt. Es ist interessant, was dann geschah. Denn Milton Friedman sagt, du kannst Veränderungen durch eine Krise herbeiführen, doch es hängt ab davon, welche Ideen vorhanden sind. So mussten sie eine organisierte Herangehensweise finden. Sie hatten allerdings keine Macht. Doch sie hatten sehr reiche Leute, mit denen sie rechnen konnten.
GM: Genau so ist es. Man kann von dieser Bewegung viel lernen, wie sie funktionierte. Es gibt eine Menge Strategien, die wir als Linke aufgreifen und anwenden können. Wir müssen verstehen, wie sie organisiert waren, wie sie zusammenkamen. Sie beginnen zunächst, eine Ideologie zu formulieren, eine kohärente Ideologie, mit der wir vernünftigerweise streiten können. Sie hatte die Tugend der Kohärenz und Klarheit. Wie Hayek und von Mises sich vorgestellt hatten, würde jede Form von Kollektivismus unweigerlich zum Totalitarismus führen. Es war ein grosser Irrtum zu glauben, dass man mit einem Wohlfahrtsstaat und mit öffentlich finanzierten Diensten bei Stalin oder Hitler enden werde, dass es historisch unausweichlich sei, dass dies das Ergebnis sei. Deshalb müsse man den dies ermöglichenden Staat und/oder alle das Kapital einschränkenden Hindernisse beseitigen, damit man nicht beim Totalitarismus ende. Ich meine, es war ein erschütternd falsches Argument. Doch die Art theoretischer Rechtfertigung, die sie geschaffen haben, war, dass es eine natürliche Ordnung der Menschheit gibt: es gibt die würdigen Menschen und es gibt die unwürdigen Menschen und die würdigen Menschen verdienen, was sie bekommen, und die unwürdigen Menschen verdienen ebenfalls, was sie bekommen. Und was sie bekommen wird ihnen von dieser gottähnlichen Kraft der unsichtbaren Hand des Marktes verteilt. Es handelt sich im Grunde genommen um einen sehr calvinistischen Ansatz. Es handelte sich im Grunde um Calvinismus, der von Ökonomen benutzt wurde. Diese gottähnliche Kraft der unsichtbaren Hand wird, wenn alle Hindernisse beseitigt sind, auf diejenigen zeigen, die die Gnade der unsichtbaren Hand erfahren. Und sie wird auf diejenigen hinweisen, die sie nicht haben. Und wir können erkennen, wer die Würdigen sind, weil sie reich sein werden, und wir können erkennen, wer die Unwürdigen sind, weil sie arm sein werden. Alles, was die Entdeckung dieser natürlichen Ordnung behindert, wie Steuern und Umverteilung, wie Regulierung, wie Gewerkschaften, wie Demonstranten und - wie wir später bei ihnen entdeckten - die politische Entscheidung selbst, hemmen den Fortschritt der Menschheit. Dieser Fortschritt hängt von der Ungleichstellung ab, er hängt von der Entdeckung dieser Ordnung ab. Er hängt davon ab, dass einige Menschen so reich sind, wie sie nur werden können, und andere Menschen arm bleiben. Und nun, weil diese Ökonomen und Ideologen versuchen müssen, dies der Öffentlichkeit zu verkaufen, gibt es diesen massiven Widerspruch, der besagt, dass, wenn man einigen Menschen erlaubt, enorm reich zu werden, ihr Reichtum zu den Armen durchsickert und dann alle enorm reich werden. Doch dann kommt der Gedanke: Moment mal, ich dachte, wir sollten hier einen Unterschied haben zwischen den sehr Reichen, die es verdienen, und den ganz Armen, die es nicht verdienen. Doch das ist nur der erste einer Reihe massiver Widersprüche innerhalb des Neoliberalismus. Viele Menschen betrachteten dies damals nicht nur als eine höchst irrationale und widersprüchliche Ideologie, sondern als eine obszöne dazu, die dazu bestimmt war, uns zu den schlimmsten Auswüchsen des Kapitalismus, des Feudalismus, der Rentenwirtschaft zurückzuführen. Und so verkauften sich die Bücher zwar recht gut, weil eine Menge starker Interessen dahintersteckte. Wie von Readers Digest, der in diesem Fall durch das Management von General Motors an alle Arbeiter verteilt wurde. Diese Ideen blieben sehr unpopulär, ausser bei einer bestimmten Klasse von Menschen, die die reichsten Menschen auf der Erde waren. Und es waren buchstäblich die reichsten Menschen von Unternehmen auf der Erde, die zusammenkamen und Milliarden in dieses Projekt steckten. Sie schufen, was als Neoliberale Internationale bezeichnet wird. Ein globales Netzwerk insbesondere von Denkfabriken, die die Kampfhunde des Neoliberalismus sind. Diese Dark-Money-Lobbygruppierungen wie die Tufton Street Think Tanks können akademische Institutionen in Chicago, Virginia und vielen anderen Orten einrichten, um Journalisten, Regierungsbeamte und Politiker zu zähmen. Indem sie Geld in diese Sache steckten und einige sehr kluge Leute anheuerten, um diese unerhörten Ideen zu verkaufen und sie wie gesunden Menschenverstand klingen zu lassen, begannen sie Schwung zu entwickeln. Dennoch wussten sie, dass sie noch lange dafür brauchen würden. Wie Milton Friedman, den Sie erwähnt haben, sagte: «Wir warteten. Und als die Zeit kam, waren wir bereit und konnten direkt eingreifen.»
OJ: Brilliant ausgedrückt. Ich meine, ich mag wirklich die Art und Weise, wie diese Diskussion darüber, wie der Neoliberalismus hilft, Ungleichstellung zu rationalisieren und zu rechtfertigen. Als ich vor 12 oder 13 Jahren in meinem Buch «Chavs» über die Dämonisierung der Arbeiterklasse schrieb, sagte ich, Dämonisierung sei das ideologische Rückgrat einer ungleichen Gesellschaft, weil Ungleichheit so pervers ist, wenn man lange genug darüber nachdenkt. Aber sie sagen, das ist nur das Dessert: sie sind ganz unten, weil sie faul sind, sie sind ganz oben, weil sie hart arbeiten. Im Hinblick auf diese Neoliberale Internationale, diese Denkfabriken und den Rest - eine Sache, die mich wirklich interessiert, ist, dass Sie darüber sprechen, was es mit uns macht. Oft versuchen Verteidiger dieser Ideen über die menschliche Natur zu sprechen und über die Tatsache, dass wir soziale Tiere seien, die von Natur aus auf Zusammenarbeit angewiesen sind. Wissen Sie, ich glaube nicht, dass darin viel biologischer Nutzen liegt, wenn wir unendlich formbar sind. Doch wir können verändert werden, keine Frage. Wir Margaret Thatcher bekanntlich 1981 sagte: «Ökonomie ist die Methode. Das Ziel besteht darin, Herz und Seele zu verändern.» Ich interessiere mich was Sie zum Neoliberalismus sagen, was er uns Menschen angetan hat und dass er keine natürliche, angeborene menschliche Eigenschaft ist.
GM: Im Kern der neoliberalen Ideologie steht diese Idee von Hobbes, dass wir im Grunde egoistisch und gierig sind. Aber sie verdrehen das, um zu sagen, dass das eine gute Sache ist. Wir sollten diesen Egoismus und diese Gier mobilisieren. Indem wir sie mobilisieren, werden die Reichen reicher und das sickert nach unten und bereichert jeden, so dass die Armen auch etwas abbekommen … doch halt, dann bekommen sie ja etwas Geld … naja, egal alles. Die Idee ist, dass alle wissen, wir sind dieser Homo oeconomicus, ein sich selbst maximierendes Wesen, das ausschliesslich durch Transaktionsüberlegungen und instrumentelle Triebkräfte motiviert ist. Doch alle Beweise in der gesamten Sozialpsychologie, den Neurowissenschaften, der Anthropologie und mehreren anderen Disziplinen zeigen uns, dass das einfach nicht stimmt. Wir alle haben einen gewissen Egoismus und Gier, aber das sind nicht unsere primären Werte. Das sind nicht die vorherrschenden Werte für die grosse Mehrheit der Menschen. Die vorherrschenden Werte sind Empathie, Altruismus und Familiensinn, Gemeinschaftssinn, der Wunsch nach einer besseren Welt, nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere Menschen. Und doch wurde uns die Vorstellung eingeflösst, dass wir diese gierigen, egoistischen, wirklich ziemlich unangenehmen Wesen sind. Das wird durch die Tatsache verstärkt, dass diejenigen, die uns dominieren, dazu neigen, gierige, egoistische, wirklich ziemlich unangenehme Kreaturen zu sein. Um es grob auszudrücken: Wir sind eine Gesellschaft von Altruisten, die von Psychopathen regiert werden. Das ist eine der Kräfte, die uns in gewisser Weise in die Irre führt, wer wir sind und wo wir stehen. Da ist aber etwas anderes, das Sie angedeutet haben, als Sie von Ihrem brillanten Buch «Chavs» gesprochen haben: der Finger der Schuld. Genauso wie den Reichen vom Neoliberalismus gesagt wird, dass sie reich sind, weil sie brillant sind, unabhängig davon, ob sie ihr Geld geerbt haben, ihr Geld gestohlen haben, ohne Rücksicht, ob sie einen Vorteil wegen ihrer Ausbildung / Stand / Rasse haben - es liegt immer noch ganz an ihnen, dass sie so reich geworden sind. Dieser Trugschluss der Selbstzuschreibung ist das Herzstück des Neoliberalismus. Aber genau wie die Reichen zu ihrem Reichtum beglückwünscht werden, werden die Armen für ihre Armut verantwortlich gemacht. Und wenn sie arm sind ist das, weil sie antriebslos und leichtsinnig sind. Dass ihr Kind fett ist, liegt nicht daran, dass Konzerne Junk Food vertreiben und die Schule ihre Sportfelder verkauft hat, sondern daran, dass sie ein schlechter Elternteil sind und sie ständig dazu gedrängt werden, diese Vorstellung von Schuldzuweisungen und Scheitern anzunehmen. Strukturelles und systemisches Versagen werden einfach geleugnet und aus dem Bild gewicht. Es geht nur um das Individuum. Und wissen Sie, ein anderes berühmtes Zitat von Thatcher war natürlich: «Die Leute reden über Gesellschaft. So etwas gibt es nicht. Es gibt Männer und Frauen in ihren Familien.» Das war so etwas wie ein Manifest - so wollte sie es. Die gesamte Stossrichtung des Neoliberalismus und die Art und Weise, wie der Kapitalismus die Demokratie besiegt, besteht darin, zu teilen und zu herrschen. Indem man uns sagt, dass wir keine Bürger, sondern Konsumenten seien; wenn man Veränderung wolle, solle man einfach zu Hause sitzen und eine bessere Keksmarke kaufen, was natürlich, wie wir wissen, nichts ändert.
OJ: 2008 gab es den grossen Finanzcrash, und wir leben immer noch im Schatten davon. Ich denke, viele Menschen waren damals zersplittert - nicht nur bei den Linken. Ich denke, das ist tatsächlich vielleicht teilweise eine Antwort auf den Punkt, den Milton Friedman anmerkt: «Wenn diese Krise eintritt, hängen die Massnahmen, die ergriffen werden, von den Ideen ab, die im Umlauf sind». Doch trotzdem dachten viele Leute damals: Das war’s wohl für den Neoliberalismus. Wir können sehen, was mit ungehinderten freien Märkten passiert ist, mit Gier. Märkte sind ausser Kontrolle geraten. Das hat eine Katastrophe verursacht. Es sich nicht ganz so entwickelt, wie einige von uns es aufgrund dieses Trümmerhaufens erhofft hatten. Was wir stattdessen in Grossbritannien und anderswo sahen, war eine Verdoppelung der Sparmassnahmen des Staates, so dass die Krise des privaten Sektors zu einer Krise des öffentlichen Sektors wurde. Es seien die Staatsausgaben, die das Durcheinander verursacht hatten, und nicht die Tatsache, dass die Märkte ausser Kontrolle geraten waren. Was zum Teufel ist dort los? Wie sind wir in einer ständigen Krise dieses Wirtschaftssystems gelandet? Es ist immer noch da, und es scheitert immer wieder.
GM: Sie sehen es täglich. Schauen Sie sich Liz Truss an. Sie war die Über-Neoliberale. Sie ist ihm nach dem Lehrbuch gefolgt. Hier ist, was uns der Neoliberalismus sagt: er wird enormen Reichtum, Erfolg und Wohlstand schaffen. Wir haben alle die unmittelbaren Ergebnisse gesehen. Es hat einen Tag gedauert, bis ihr Mini-Budget völlig zusammengebrochen ist und vieles mit sich gerissen hat und den Menschen in diesem Land noch grösseres Leid zugefügt hat. Der Neoliberalismus scheitert immer wieder und zwar auf spektakuläre Weise. Doch diese Zombie-Doktrin läuft weiter. Warum ist das so? Ich denke, das liegt daran, dass der Neoliberalismus etwas hat, das wir nicht haben. Dieses Etwas ist eine ganz besondere Art von Geschichte. Es ist unsere Behauptung [die Behauptung von Monbiot und Hutchison], dass politische und religiöse Veränderungen über Jahrtausende hinweg immer damit einhergegangen sind, dass diese Veränderung durch eine bestimmte Erzählstruktur ermöglicht und bevollmächtigt wird, so dass sie stattfinden kann. Es gibt viele Grundhandlungen, doch eine davon ist immer diese Grundhandlung, die ich als Geschichte der Wiederherstellung bezeichne. Sie geht so: Unordnung sucht das Land heim wird, die von mächtigen und ruchlosen Menschen verursacht wird, die gegen die Interessen der Menschheit arbeiten. Doch der Held oder die Helden werden sich dieser Unordnung allen Widrigkeiten zum Trotz stellen, diese mächtigen und ruchlosen Kräfte stürzen und die Harmonie im Land wiederherstellen. Und das ist die Geschichte, die Marx erzählte. Es ist eine Geschichte, die Keynes erzählte. Und es ist eine Geschichte, die vielleicht zum ersten Mal überhaupt, bewusst und absichtlich durch die Neoliberalen erzählt wurde. Sie verstanden die Macht dieser Erzählung. Und natürlich können Sie in diese Geschichte alles Mögliche mit hinein verpacken. Keynes würde sagen, die mächtigen und schändlichen Kräfte waren ungezähmte Kapitalisten und der Held der Geschichte war der unterstützende Staat, der vom Mittelstand und der Arbeiterklasse unterstützt wurde. Die Neoliberalen drehen das genau andersherum: der Bösewicht ist der ermöglichende Staat und der Held ist der Unternehmer, der für die Freiheit gegen diesen totalisierenden Kollektivstaat kämpfen, der der grosse Dämon ist, der so viel Unordnung verursacht hat. Die Neoliberalen waren sehr schlau, als sie sagten: So funktioniert der menschliche Geist. Das ist es, was uns anzieht. Das ist es, was uns sagt, wer wir sind und wo wir stehen, wohin wir gehen und was wir sind, wenn wir dort ankommen. Es handelt sich um eine Geschichte. Eine Geschichte setzt alles ausser Kraft. Es spielt keine Rolle, wie viele Daten Sie haben. Es spielt keine Rolle, wie gut Ihre Argumente sind. Es spielt keine Rolle, wie konsistent und rational Sie sind. Sie können völlig inkonsistent und irrational und ehrlich gesagt verrückt sein, wie einige der neoliberalen Titel wie Hayeks «Die Verfassung der Freiheit». Aber wenn es eine einfache und kohärente Geschichte gibt, die alles zusammenfügt, ist es diese, die zählt. Keynes setzte sich nach der Weltwirtschaftskrise hin und schrieb mit seiner «Allgemeinen Theorie» und weiteren Schriften etwas, das im Grunde eine Wiederherstellungsgeschichte ist. Er tat es irgendwie instinktiv, so scheint es mir. Aber natürlich hat er die Erzählung verstanden und mit vielen Schriftstellern in Kontakt gehabt. Er hat es sehr gut gemacht. Als der Keynesianismus Ende der 1970er Jahre in Schwierigkeiten geriet, hatten die Neoliberalen ganz bewusst und absichtlich ihre eigene Restaurierungsgeschichte aufpoliert. Wie Friedman sagte, konnten sie direkt eingreifen und diese Geschichte so erzählen: was ist hier schief gelaufen, hier stehen Sie, das ist der Grund, warum wir das tun werden, um Sie da rauszuholen und Sie in dieses gelobte Land zu bringen. Als der Neoliberalismus 2008 zusammenbrach, hatten wir [Linken] keine andere Geschichte an der Hand. Wir hatten viele brillante Ideen, viele fantastische Richtlinien, viele tolle Pläne, um dies und jenes und den Rest zu tun, aber wir hatten sie nicht in einer kohärenten Erzählstruktur zusammengeführt und so konnten die Leute nicht wirklich hören, was wir zu sagen hatten. Es ist ein bisschen so, als würde man versuchen, einen Wandteppich ohne Webstuhl herzustellen. Man hat viele tolle farbige Fäden, aber wo ist das Bild, in welchem ich mich wiedererkenne? Nur wenn man alles zu einer zusammenhängenden Geschichte fügt, kann man die Menschen erreichen.
OJ: Sie sprechen darüber, sie kennen diese rechtsgerichteten autoritären Bewegungen. Sie wissen, wir könnten uns Leute wie den Bolsonaro ansehen, den Modi. Es ist offensichtlich völlig plausibel, dass Trump Präsident werden könnte. Wenn Sie vor 10 Jahren über die Aussichten eines Bürgerkriegs in den Vereinigten Staaten gesprochen hätten, hätten die Leute Sie für ziemlich verrückt halten. Aber Sie können nicht ausschliessen, dass die Bedrohung für die Demokratie vorhanden ist, wie sie unter Vorbehalt auch für die US-Demokratie derzeit sein mag. Wir können den Aufstieg des Neoliberalismus in ganz Europa sehen: den Aufstieg von Orban in Ungarn und anderen unerfreuliche… Wie analysieren Sie diese krankhaften Bewegungen zum Neoliberalismus.
GM: Eine Sache, die der Neoliberalismus tut, ist, Staatsversagen zu erzeugen. Es ist ein mit Absicht herbeigeführtes Versagen. Der Staat soll nicht funktionieren. Der Staat ist im Neoliberalismus sehr mächtig. Denn was den Neoliberalismus von der Laissez-faire-Ökonomie oder dem klassischen Liberalismus, wie er manchmal genannt wird, unterscheidet, ist, dass er den Staat absichtlich als Rammbock nutzt, um die Demokratie und die Gewerkschaften, die Demonstranten, die politische Entscheidungen, den Verwaltungsstaat aus dem Weg zu räumen mit dieser oft extremen Gewalt. Das überlässt uns, wie Tony Judt in seinem letzten Buch «Ill Fares the Land» betonte, nur diesen autoritären Kern des Staates. Alles, was der Staat uns dann zu bieten hat, ist Gehorsam und Bestrafung, wenn wir aus der Reihe tanzen. Während der Neoliberalismus Parteien im gesamten politischen Spektrum erobert, was wir leider auch hier im Vereinigten Königreich seit 45 Jahren sehen. […] Am Ende haben wir a) einen Staat, der nicht in der Lage ist, unsere Probleme zu lösen, und b) einen Mangel an politischer Entscheidung. Das ist irgendwie ironisch, weil es beim Neoliberalismus angeblich nur um Wahl geht, aber wie Margaret Thatcher immer wieder sagte, gebe es keine Alternative. Man hat eine volle und freie Wahl - und es gibt keine Alternative. Am Ende haben wir eine völlige Desillusionierung gegenüber der Politik, wie üblich. Das schafft eine Öffnung für die Orbans und die Trumps und die Netanyahus und die Modis und die anderen Killerclowns, die sich dann in dieses Vakuum bewegen. Die sagen dann, wir stehen abseits der Politik, wir sind die Anti-Politik-Leute. Wir sind nicht in all das Elite-Geschwätz vertieft, das über euren Köpfen vor sich geht, wir sind wirklich mit euch verbunden. Sie beweisen diese Verbindung, indem sie sehr offen, in vereinfachenden und direkten Begriffen sprechen. So präsentieren sie sich als Lösung für die Krise, die durch den Neoliberalismus verursacht wurde. Aber sobald sie an die Macht kommen, verschärfen sie natürlich massiv all diese Krisen, die Krise der Korruption oder Vetternwirtschaft, den Verkauf von Staatsvermögen, das völlige Versagen, die Bedürfnisse der Armen zu erfüllen, die massiv eskalierende Ungleichheit, die ihnen immer folgt.
OJ: Ich spreche mit Ihnen auch über den Klimanotstand und die offensichtliche existenzielle Bedrohung für die Menschheit und ein gewinnorientiertes System, das den Profit über die Zukunft unseres grösseren Problems stellt. Wie sehen Sie diese Zukunft? Wie skizzieren Sie diese Hoffnung auf eine Alternative zu dem, was wir dort sehen, nämlich, wie wir besprochen haben, rechtsautoritäre Bewegungen, die die Phasen des Neoliberalismus ausnutzen und dann genau die Probleme, die sie ausgenutzt haben, noch einmal verstärken?
GM: ich denke, dass den meisten Menschen Verzweiflung die rationale Option zu sein scheint, was in einer Situation wie dieser selbstverständlich ist. Wo ist die Hoffnung, wissen Sie? Wie können wir aus diesem schrecklichen Schlamassel herauskommen? Aber ich denke, Verzweiflung ist die irrationale Reaktion darauf, denn Verzweiflung ist das, was Menschen empfinden, wenn sie sich die Gesellschaft fälschlicherweise als ein einfaches System vorstellen. Eines der grössten Versäumnisse unserer Ausbildung besteht darin, dass wir niemals die Prinzipien komplexer Systeme lernen. Alles, was für uns wichtig ist, ist ein komplexes System: das menschliche Gehirn, der menschliche Körper, die menschliche Gesellschaft, das Finanzsystem, das Wirtschaftssystem, jedes Ökosystem, die Atmosphäre, das Eis der Ozeane - alles sind komplexe Systeme. Komplexe Systeme haben ganz besondere Funktionsweisen, und sie haben diese aufkommenden adaptiven Eigenschaften und sie haben Kipppunkte und sie können in der Gesellschaft sehr schnell von einem Gleichgewichtszustand in einen anderen wechseln. Die Gesellschaft unterscheidet sich nicht von diesen anderen komplexen Systemen. Die Gesellschaft hat zwei Gleichgewichtszustände, der eine wird als unmöglich und der andere als unvermeidlich bezeichnet. Aus der Perspektive von allem, was Sie verändert sehen wollen, ist alles immer unmöglich. Stimmrecht für Frauen: das muss ein Scherz sein. Unabhängigkeit für Indien: Sie sind wahnsinnig. Bürgerrechte, ein Ende der Apartheid, Gleichstellung in der Ehe, sexuelle Befreiung, all dies. Wenn man darauf drängt, scheint es einfach unmöglich, man hat diese massive Mauer vor sich. Doch dann ändert es sich, und alle sagen, das war doch unvermeidlich, nicht wahr? Und was vorgefallen ist: es gab einen Kipppunkt. Die Gleichstellung der Ehe, ist ein gutes Beispiel dafür, wie dieser Wandel geschieht. Es begann als Wahrnehmung einer schrecklichen Idee. Alle waren dagegen, alle Politiker, Religionen, Medien. Es fängt so an, wie es immer anfängt, und ich denke, die Kampagne war brillant gemacht, eine wirklich fantastische Kampagne. Sie war schwierig. Sie dauerte lange und sie haben in einer Situation begonnen, in der dies als eine absolut schreckliche Idee angesehen wurde. Das war, wie wenn dies das Ende der Zivilisation bedeuten würde. Jedermann war dagegen, alle religiösen Organisationen, fast alle Politiker, alle Zeitungen. Doch sie begannen damit, wie Sie es immer tun müssen: man redet mit den Sympathisanten. Mein ganzes Leben lang hat man mir gesagt, nicht mit den Sympathisanten zu reden. Tut mir leid, aber mit wem zum Teufel sollen wir sonst reden? Bei jedem Mal reden vergrössert sich der Kreis der Sympathisanten. Man macht weiter und weiter, bis man schliesslich den Wendepunkt erreicht, von dem einige Untersuchungen ausgehen, dass er bei etwa 25% der Menschen liegt. Das Argument der Oxford Union, dass man seine Anliegen den Gegnern vorträgt und sie damit überzeugt, ist völliger Unsinn. So ist es nie zu politischen Veränderungen gekommen. Doch weil die Leute denken, dass politische Veränderungen nur so stattfinden können, denken sie, dass niemals Veränderungen passieren können. Ich werde niemals meinen mürrischen Nachbarn überzeugen, der die «Daily Mail» liest. Nein, politische Überzeugung ist als politische Kraft massiv überbewertet. Du überzeugst die Sympathisanten und du mobilisierst sie und du rüstest sie aus und überzeugst sie und ein paar Leute um sie herum und sie überzeugen noch ein paar mehr, bis Sie ungefähr 25% der Gesellschaft erreicht haben. Dann passieren plötzlich zwei Dinge: Erstens setzt die Dynamik des komplexen Systems ein und Sie können zu einer Art Kipppunkt zwischen diesen Gleichgewichtszuständen kommen, und zweitens, weil wir das übersoziale Wesen sind, dessen Fühler ständig suchen, um zu spüren, aus welcher Richtung der soziale Wind weht. Wir wollen nicht zurückgelassen werden. Dann geschieht plötzlich dieser Wendepunkt, bei dem nicht jeder zum Aktivisten für Ihre Sache wird. Doch die Opposition lässt nach, weil die Leute nicht das Gefühl haben wollen, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit sind. Was man dann findet, sind Leute, von denen man weiss, dass sie strikt dagegen waren und jetzt sagen: «Natürlich habe ich Sie immer unterstützt.» Nach dem Krieg waren immer alle Mitglied des Widerstands. Sie sehen diese plötzlichen Wendungen von einer unmöglichen Situation zu einer unvermeidlichen Veränderung. Wir können diese Kippvorgänge auslösen, indem wir eine kraftvolle Restaurierungsgeschichte erzählen, die unsere Werte einbezieht.
OJ: Das wird in diesem Buch sehr kraftvoll dargestellt. Es erreicht Menschen, die meiner Meinung nach dieses ganze Thema ziemlich beängstigend finden. Es ist sehr gut geschrieben, mit Klarheit und viel Information, sehr lehrreich, auch für Leute, von denen ich denke, dass sie vielleicht viel über Neoliberalismus gelesen haben. Obwohl oft über sehr düstere Dinge gesprochen wird, ist es voller Optimismus über die Gründe, die Sie ansprechen. Es zeigt einen praktischen Weg nach vorn und das ist es, worüber wir reden müssen. Beschaffen Sie sich ein Exemplar von «Invisible Doctrine – The Secret History of Neoliberalism» von George Monbiot & Peter Hutchison.
In this speech, Yanis Varoufakis explains in detail how and why we must defy Europe's oligarchs and warmongers, in order to save Europe from itself. On June 9, at the EU elections, let's make our governments pay at the ballot box. Vote for MERA25 in Italy, Germand and Greece, so that we can call them out and unmask their hypocrisy.
Media and philisophy, part7. A virtual lecture on Noam Chomsky.
Matt Chorley speaks to Noam Chomsky about the war in Ukraine, asks if the left have been too soft on Putin. They discuss Corbyn's election performances, and what hope Noam holds for the future of humanity.
Yanis Varoufakis considers himself a politician by necessity, not by choice. An economist and academic by training, he became Greece’s finance minister amidst the country's financial crisis, creating an image for himself both beloved and reviled. He discusses his complicated role in his new book, And the Weak Suffer What They Must?: Europe's Crisis and America's Economic Future, and on the live stage alongside renowned academic and theorist Noam Chomsky.
Noam Chomsky is widely credited with having revolutionised the field of modern linguistics. Chomsky is the author of numerous best-selling political works, which have been translated into scores of countries worldwide. Among his most recent books are Hegemony or Survival, Failed States, Hopes and Prospects, and Masters of Mankind. Haymarket Books recently released twelve of his classic works in new editions. His latest books are What Kind of Creatures Are We? And Who Rules the World?
Last month, the German army published a document asserting that it bases itself on the tradition of the Wehrmacht, the army of the Nazi regime that massacred and starved tens of millions of civilians during World War II.
Almost unnoticed by the public, on July 12 the Bundeswehr (Armed Forces) issued “Supplementary information on the guidelines for understanding and maintaining traditions in the Bundeswehr.” The document was signed by Lieutenant General Kai Rohrschneider, head of the Department for Operational Readiness and Support of the Armed Forces in the Defence Ministry. It explicitly names top officers of the Nazi Wehrmacht as “tradition-forming” and “identity-creating” for the Bundeswehr, today’s German army.
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Am 22. September stimmt die Schweiz über die BVG-Vorlage ab. Die grosse Profiteurin der Vorlage ist die Finanz- und Versicherungsindustrie. Diese investiert fast eine Million Franken in die Ja-Kampagne und ist stark in SVP- und FDP-Kreisen verankert.
Die Verwaltung der Pensionskassengelder ist bereits heute ein Milliardengeschäft. Der Ex-Preisüberwacher Ruedi Strahm hat berechnet, dass jährlich 8,1 Milliarden Franken der angesparten Pensionskassengelder in der Finanzwirtschaft versickern. Das sind durchschnittlich 1420 Franken pro versicherte Person und Jahr. Sollte die BVG-Vorlage angenommen werden, kann sich die Finanz- und Versicherungsindustrie an noch mehr Geld bedienen.
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Wacquant untersucht die Ausweitung des Strafrechtsstaat und zeigt, dass Gefängnisse vor allem dazu dienen, die Überflüssigen der neoliberalen Gesellschaft verschwinden zu lassen.
Loïc Wacquant, Soziologieprofessor in Berkeley und Wissenschaftler am Centre de Sociologie Européenne in Paris, untersucht in einem neuen Werk die transatlantisch explodierende Ausweitung des Strafrechtsstaats und dessen untrennbarer Zusammenhang zum Abbau des Sozialstaats und Ausweitung sozialer Unsicherheit.
Der Autor, der bereits mit Armut hinter Gittern (Universitätsverlag Konstanz, 2000) einen beeindruckenden Einblick in ein Panoptikum einer überbordenden Gefängnispopulation in den USA lieferte, bezieht diesmal Europa mit ein, wozu er als Franzose, der auf beiden Seiten des Atlantiks forscht, natürlich prädestiniert ist. Die Zahlen der Inhaftierungen stiegen seit den 1970er Jahre kontinuierlich, um schliesslich nach der Reform des Sozialstaats durch die Clinton-Regierung 1996, welche starke Einschnitte für die Ärmsten zur Folge hatte, bei gleichzeitiger Verschärfung des Strafrechts, bis hin zur Ausgangssperre für Jugendliche, Kriminalisierung von Bagatelldelikten wie z.B. das öffentliche Urinieren bei Obdachlosen, regelrecht aus den Fugen zu geraten.
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Mit dem obigen Slogan bewarben amerikanische Reisebüros Anfang der Achtziger Jahre Reisen nach Europa im Zuge der Diskussion um die Stationierung atomar bestückter Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper. Nun scheint das Pentagon erneut mit einem Atomkrieg in Europa zu rechnen.
Offizielle Umfragen bestätigen, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung an der historisch gewachsenen Neutralität der Schweiz festhalten will. Also lässt Viola Amherd als Verantwortliche für die Schweizer Verteidigungspolitik eine Studie erstellen, die ihre neutralitätsverletzende NATO-freundliche Politik gutheisst – mit notabene 16 selbst ausgewählten von insgesamt 23 Experten. Vorgegebene Basis der Studie: Die NATO und die EU sind die Guten, Russland ist das Böse schlechthin.
Die Fische in den Weltmeeren gehören allen. Staaten versuchen, mit Milliardensubventionen noch zu fischen, was zu fischen ist.
There is a growing feeling, among those who have the responsibility of managing large economies, that the discipline of economics is no longer fit for purpose. It is beginning to look like a science designed to solve problems that no longer exist.
A good example is the obsession with inflation. Economists still teach their students that the primary economic role of government—many would insist, its only really proper economic role— is to guarantee price stability. We must be constantly vigilant over the dangers of inflation. For governments to simply print money is therefore inherently sinful. If, however, inflation is kept at bay through the coordinated action of government and central bankers, the market should find its “natural rate of unemployment,” and investors, taking advantage of clear price signals, should be able to ensure healthy growth. These assumptions came with the monetarism of the 1980s, the idea that government should restrict itself to managing the money supply, and by the 1990s had come to be accepted as such elementary common sense that pretty much all political debate had to set out from a ritual acknowledgment of the perils of government spending. This continues to be the case, despite the fact that, since the 2008 recession, central banks have been printing money frantically in an attempt to create inflation and compel the rich to do something useful with their money, and have been largely unsuccessful in both endeavors.
Weiterlesen auf davidgraeber.org
The megalomaniacs who control X and Facebook are only able to pollute the public sphere and undermine democracy because of our deference to money.
There are two kinds of aphrodisiac. The first is power. A good example was provided by the late Henry Kissinger, who could hardly be described as toothsome yet was doted upon by a host of glamorous women.
The other powerful aphrodisiac is immense wealth. This has all kinds of effects. It makes people (even journalists who should know better) deferential, presumably because they subscribe to the delusion that if someone is rich then they must be clever. But its effects on the rich person are more profound: it cuts them off from reality. When they travel, writes Jack Self in an absorbing essay: “The car takes them to the aerodrome, where the plane takes them to another aerodrome, where a car takes them to the destination (with perhaps a helicopter inserted somewhere). Every journey is bookended by identical Mercedes Vito Tourers (gloss black, tinted windows). Every flight is within the cosy confines of a Cessna Citation (or a King Air or Embraer)… The ultra-rich never wait in line at a carousel or a customs table or a passport control. There are no accidental encounters. No unwelcome, unapproved or unsanitary humans enter their sight – no souls that could espouse a foreign view. The ultra-rich do not see anything they do not want to see.”
Mr Self estimates that there are currently 2,781 of these gilded creatures in the world. He divides them into two kinds: “self-made” and “second gen”. He seems to feel sorry for the latter. “To inherit a condition of unjustifiable wealth,” he writes, “means to never experience cause and effect. All external pressures are alleviated by capital: there are no consequences to missing a deadline, to not finishing a project, to dropping out or giving up. It is terrifically difficult to fail, in any normal sense.” Aw, shucks.
The paper itself has exposed the story behind its editorial refusal to endorse any candidate in the US presidential election
The theory is that journalists should report the news rather than headline it – but on Friday the Washington Post, the celebrated ally of American democracy during Watergate, broke that principle. The paper came out refusing to endorse the candidate in the forthcoming election who will defend the rule of law, against the convicted criminal who has shown time and again – not least on 6 January 2021 – that he explicitly aims to overturn it.
The Post’s British chief executive, Will Lewis, wrote an editorial that stated the Post would sit on the fence for the most significant US election of modern times (bringing to mind that old truth “the only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing”).
That editorial, however, was followed by an act of open sedition from the news desk of the Post, which broke the inside story of the alleged influence on that decision from Jeff Bezos, the Amazon oligarch who bought the newspaper for $250m in 2013.
Bezos now finds himself in what might be called the “libertarian” billionaire’s dilemma. Having guaranteed the editorial independence of the Post, he can’t quite be seen to shut down the current story of his own interference; the result is that – at a paper that trumpets “democracy dies in darkness” – the craven decision-making of owner and chief executive stand exposed for all to see.
And for those many of us who first nurtured the idea of becoming journalists after watching All the President’s Men, it is cheering to read Bob Woodward and Carl Bernstein still to the fore in this latest deep throat exposé.
Übersetzung eines Artikels von TIMOTHY SNYDER
In Platons berühmtem Gleichnis sind wir alle Gefangene in einer Höhle, die glauben, dass ihre schattige Umgebung die Realität ist, aber ausbrechen müssen in eine sonnigere, luftigere, lebendigere Welt.
In unseren amerikanischen Wahlzyklen sind die Umfragen die Höhle.
Schon sehr früh legen die Umfragen einen gewissen Erwartungshorizont fest. Dann können die Zeitungen darüber berichten, wenn eine Umfrage etwas Überraschendes aussagt - was nur bedeutet, dass sie sich von anderen Umfragen unterscheidet. In der Höhle gewöhnen wir uns an die Überschneidung von Schatten und verwechseln diese mit Licht.
In Umfragen werden die Menschen aufgefordert, zwischen zwei Kandidaten zu entscheiden. Sie fragen selten nach der Politik. Wir schauen nur auf das, was direkt vor uns liegt. Draussen in der Welt jedoch, jenseits der Umfragenhöhle, sind es die Unterschiede in der Politik, die in unserem Leben eine Rolle spielen. Und so steht unsere Besessenheit von Meinungsumfragen dem Wissen im Wege, das wir eigentlich brauchen würden, um Urteile zu fällen.
In der Meinungsforschungshöhle vertreiben wir uns die Zeit. Und wir kommen zu dem Schluss, dass unser schattenhaftes Mediendomizil die Normalität ist. Die Medien behandeln die Umfragen als normativ, als Beschreibung der Welt, wie sie sein sollte. Unser eigenes Verhalten, wenn der Wahltag kommt, wird dann als „Wahlfehler“ bezeichnet.
In Platons Geschichte von der Höhle werden wir alle von denen, die uns manipulieren, von einem Gefühl zum anderen getrieben. Sie gehen hinter uns und halten Gegenstände in der Hand, die beängstigende Schatten auf die Wand vor uns werfen. Und so ist es auch in unserer Umfragenhöhle. Man sagt uns, dass die Umfragen ein knappes Ergebnis zeigen und dass die Wahl deshalb knapp ausfallen wird. Und so ist die Höhle voller Spannung.
Das ist natürlich eine bequeme Situation. Die Kandidaten können ihren AnhängerInnen sagen, dass sie wählen müssen. Die Medien können am Rande zweier dramatisch unterschiedlicher Szenarien schweben. Aber wir müssen bedenken, dass dies nur ein Schattenspiel ist. Es ist nicht die Realität, in der wir nach dem Wahltag leben werden.
Und das Spiel, das muss gesagt werden, ist nicht fair gespielt worden. Seitdem die Geschichte eines engen Rennens früh feststand, haben die Leute, die die Umfragen sammeln und beurteilen, andere Umfragen, die eine andere Geschichte erzählen, abgetan.
Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, selbst wenn alle Umfragen perfekt wären, würde das nicht das bedeuten, was wir zu denken pflegen. Wenn alle Umfragen ein sehr knappes Rennen vorhersagen, bedeutet das im wahrsten Sinne des Wortes, dass alles möglich ist: es könnte knapp werden, oder es könnte ein Erdrutschsieg für Harris werden, oder es könnte ein Erdrutschsieg für Trump werden.
Wundern Sie sich also nicht, wenn diese Wahl nicht knapp ausfällt. Selbst die Meinungsforscher, wenn Sie genau hinhören, sagen Ihnen, dass ein klarer Sieg des einen oder anderen Kandidaten wahrscheinlicher ist als ein knappes Ergebnis.
Und vor allem: Verlassen Sie die Höhle der Meinungsforscher und begeben Sie sich in die reale Welt. Gehen Sie wählen, und freuen Sie sich, dass Sie wählen können.
Es gibt eine Welt da draussen, eine Welt, die nicht von unseren Ängsten und deren Profiteuren bestimmt wird, eine Welt, die ab und zu durch unser Handeln verändert werden kann.
Wir wurden monatelang in der Meinungsforschungshöhle festgehalten. Aber heute können Sie dieser schattenhaften Illusion entkommen und dazu beitragen, eine bessere Welt zu schaffen.
Gehen Sie also hinaus und seien Sie Teil der grossen Überraschung.
"Iraqi torture survivors won a major jury verdict against CACI, a United States military contractor that was responsible for their cruel and inhuman treatment at Abu Ghraib more than twenty years ago.
The jury awarded the three survivors—Salah Al-Ejaili, a journalist, Suhail Al-Shimari, a middle school principal, Asa’ad Zuba’e, a fruit vendor—$3 million in compensatory damages and $11 million in punitive damages.
This was the second trial for Iraqi torture survivors. As The Dissenter previously covered, the first trial in August ended in a mistrial. But more crucially, the verdict marked the first time that any U.S. military contractor was held liable for torture that occurred after the September 11th attacks as part of the global “war on terrorism.”"
"„Die bisherige Weltordnung geht unwiderruflich zu Ende, oder besser gesagt, sie ist bereits zu Ende gegangen, und es findet ein ernsthafter und unversöhnlicher Kampf um die Entwicklung einer neuen Weltordnung statt. Unversöhnlich vor allem deshalb, weil es sich nicht einmal um einen Kampf um Macht oder geopolitischen Einfluss handelt. Es ist ein Kampf um die Grundsätze, auf denen die Beziehungen zwischen den Ländern und Völkern in der nächsten historischen Phase beruhen werden. Sein Ausgang wird darüber entscheiden, ob es uns gelingen wird, durch gemeinsame Anstrengungen eine Welt aufzubauen, die es allen Nationen ermöglicht, sich zu entwickeln und entstehende Widersprüche auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung der Kulturen und Zivilisationen ohne Zwang und Gewaltanwendung zu lösen. Und schließlich auch über die Frage, ob die menschliche Gesellschaft in der Lage sein wird, ihre humanistischen ethischen Grundsätze zu bewahren, und ob der Einzelne in der Lage sein wird, Mensch zu bleiben“, sagte Putin vor dem Valdai-Club."
Übersetzung des englischen Artikels auf Scheerpost
"Zum zweiunddreißigsten Mal in so vielen Jahren wurde die US-Blockade gegen Kuba bei der jährlichen Abstimmung der UN-Vollversammlung im Oktober weltweit verurteilt. Nur Tel Aviv schloss sich Washington an und verteidigte die völkerrechtswidrige kollektive Bestrafung.
Für die große Mehrheit der Kubaner, die nach der Verhängung der ersten einseitigen Zwangsmaßnahmen geboren wurden, ist das Leben unter diesen Bedingungen die einzige Normalität, die sie kennen. Selbst Freunde, die mit dem Sozialismus sympathisieren und Kuba unterstützen, mögen sich fragen, warum die Kubaner nach 64 Jahren nicht einfach gelernt haben, unter diesen Umständen zu leben.
Die Erklärung dafür ist, dass das relativ milde Embargo von 1960 in regelmäßigen Abständen verschärft wurde und immer verheerendere Wirkung zeigte. Der andere wichtige Faktor ist, dass sich der geopolitische Kontext zu Kubas Ungunsten verändert hat. Diese Faktoren wiederum haben sich kumulativ nachteilig ausgewirkt.
Die kubanische Revolution erzielte für eine kleine, ressourcenarme Insel mit einer Geschichte kolonialer Ausbeutung bemerkenswerte Anfangserfolge.
Nach der Revolution von 1959 erreichte die Bevölkerung schnell eine Alphabetisierungsrate von 100 %. Die Lebenserwartung und die Kindersterblichkeitsrate übertrafen schon bald die der reicheren Länder, was auf die Einführung einer sozialisierten Medizin zurückzuführen ist, bei der die medizinische Grundversorgung im Vordergrund steht. Kuba entwickelte sich auch zu einem weltweit führenden Sportland und machte bemerkenswerte Fortschritte in der Biotechnologie. Gleichzeitig halfen kubanische Truppen beim Sturz der Apartheid in Südafrika, neben vielen anderen Beispielen des Internationalismus.
Kuba machte diese Fortschritte nicht allein, sondern profitierte von der Solidarität der Sowjetunion und anderer Mitglieder des sozialistischen Blocks. Von Beginn der Revolution an half die UdSSR bei der Stabilisierung der Wirtschaft, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Industrie. Vor allem exportierte Kuba Zucker zu über den Marktpreisen liegenden Preisen in die Sowjetunion.
Die militärische Hilfe der UdSSR in Form von Ausbildung und Ausrüstung trug dazu bei, dass die Kubaner die Invasion der USA in der Schweinebucht 1961 erfolgreich abwehren konnten. Darüber hinaus unterstützte der sozialistische Block Kuba diplomatisch in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Gremien. Ostdeutschland, die Tschechoslowakei und Polen beispielsweise unterstützten die kubanische Wirtschaft mit Wirtschaftshilfe, Investitionen und Handel.
Die Implosion des sozialistischen Blocks in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren hatte schwerwiegende Folgen für Kuba.
Ohne den Schutz dieser Verbündeten wurde Kuba durch das volle Gewicht der von den USA geführten Regimewechsel-Kampagne in eine Phase gestürzt, die als „Sonderperiode“ bekannt wurde. Nach einem anfänglichen BIP-Rückgang von etwa 35 % zwischen 1989 und 1993 erholten sich die Kubaner in den 2000er Jahren wieder etwas. Doch jetzt werden die Bedingungen auf der Insel wieder zunehmend problematisch.
Eine neue multipolare Welt mag im Entstehen begriffen sein, aber sie war nicht in der Lage, Kuba in dieser Zeit der Not ausreichend zu helfen. China und Vietnam sowie das postsowjetische Russland, die Überbleibsel des früheren sozialistischen Blocks, unterhalten zwar immer noch freundschaftliche kommerzielle und diplomatische Beziehungen zu Kuba, aber bei weitem nicht mehr in dem Maße wie früher.
Die sich ständig verschärfende US-Blockade soll sicherstellen, dass der Sozialismus keinen Erfolg hat; sie soll alle möglichen Alternativen zur etablierten imperialen Ordnung im Keim ersticken.
Die ersten Restriktionen, die Dwight Eisenhower 1960 verhängte, untersagten US-Exporte nach Kuba, mit Ausnahme von Lebensmitteln und Medikamenten, und reduzierten Kubas Zucker-Exportquote in die USA. Kurz vor Ende seiner Amtszeit im Jahr 1961 brach der US-Präsident die diplomatischen Beziehungen ab.
Außerdem leitete er verdeckte Operationen gegen Kuba ein, die von seinem Nachfolger John Kennedy und den nachfolgenden US-Regierungen noch erheblich verstärkt wurden. Seitdem hat Kuba zahllose Terroranschläge und Attentatsversuche auf die politische Führung der Revolution erdulden müssen.
John Kennedy hatte 1960 einen Wahlkampf geführt, in dem er der Eisenhower-Nixon-Regierung vorwarf, die Ausbreitung des Kommunismus nicht ausreichend bekämpft zu haben. Kennedy war entschlossen, den Kommunismus daran zu hindern, in Amerikas „Hinterhof“ Fuß zu fassen. Er machte die Absetzung des „Castro-Regimes“ zu einer nationalen Priorität und verhängte ein umfassendes Wirtschaftsembargo.
Nach der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht 1961 und der Kubakrise im folgenden Jahr leitete Kennedy die Operation Mongoose ein. Der Präsident beauftragte seinen Bruder Robert Kennedy mit dem Versuch, die Revolution mit verdeckten Mitteln zu stürzen. Diese CIA-Operation, die Sabotage und andere Destabilisierungsmethoden umfasste, sollte Kuba „den Schrecken der Welt“ bringen.
Nachfolgende US-Regierungen setzten die Politik der Blockade, der Besetzung von Guantánamo und der offenen und verdeckten Destabilisierungsmaßnahmen fort.
Der ehemalige CIA-Direktor und damalige US-Präsident George H.W. Bush nutzte 1992 die Gelegenheit, die sich durch den Zusammenbruch des sozialistischen Blocks bot. Unter seiner Ägide wurde das überparteiliche kubanische Demokratiegesetz verabschiedet. Dieses Gesetz, das im Volksmund nach einem Sponsor der Demokratischen Partei im Kongress Torricelli Act genannt wurde, schrieb das Embargo gesetzlich fest, das nur durch einen Akt des Kongresses aufgehoben werden konnte.
Mit dem Gesetz wurde das Embargo zu einer Blockade ausgeweitet, indem US-Tochtergesellschaften von in Drittländern tätigen Unternehmen der Handel mit Kuba untersagt wurde. Schiffen, die mit Kuba Handel getrieben hatten, wurde die Einfahrt in die USA für 180 Tage untersagt. Der wirtschaftliche Würgegriff, in dem sich Kuba befand, wurde durch die Sperrung von Devisenquellen verschärft, was die Möglichkeiten Kubas, am internationalen Handel teilzunehmen, weiter einschränkte.
Die Schrauben wurden 1996 unter US-Präsident Bill Clinton mit dem Helms-Burton-Gesetz erneut angezogen. Bestehende einseitige wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen wurden verstärkt und erweitert.
Das Gesetz fügte auch Beschränkungen hinzu, um ausländische Investitionen in Kuba zu erschweren, insbesondere in US-Eigentum, das nach der kubanischen Revolution enteignet worden war. Der berüchtigte Titel III des Gesetzes ermöglichte es US-Bürgern, vor US-Gerichten gegen ausländische Unternehmen zu klagen, die mit solchen beschlagnahmten Gütern „handelten“.
Titel III rief bei den Verbündeten der USA, wie der Europäischen Union und Kanada, erheblichen Widerstand und einige Gegenmaßnahmen hervor, da seine extraterritoriale Anwendung gegen internationale Handelsabkommen und Souveränität verstieß. Infolgedessen wurde Titel III vorübergehend außer Kraft gesetzt.
Später änderte US-Präsident Barack Obama während seiner Amtszeit die Taktik der USA, indem er die diplomatischen Beziehungen zu Kuba wieder aufnahm und einige Beschränkungen lockerte, um die imperiale Strategie des Regimewechsels noch wirksamer umzusetzen.
Doch selbst diese leichte Erleichterung wurde durch die „Maximaldruck“-Kampagne seines Nachfolgers wieder zunichte gemacht. Im Jahr 2019 hat US-Präsident Donald Trump Titel III wiederbelebt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Auswirkungen der Blockade zu einer zunehmend katastrophalen wirtschaftlichen Situation in Kuba geführt.
Wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit setzte Trump Kuba wieder auf die Liste der „State Sponsors of Terrorism“ (SSOT), nachdem Obama diese 2015 aufgehoben hatte. Diese Einstufung hatte enorme Auswirkungen auf Kuba, da der Handel mit Drittländern aus Angst vor Sekundärsanktionen seitens der USA eingeschränkt wurde, der Großteil der internationalen Finanzströme abgeschnitten wurde und der Tourismus weiter zurückging.
Präsident Joe Biden setzte die meisten der Trump'schen Maßnahmen des maximalen Drucks“ fort, einschließlich der Ausweisung als SSOT, und fügte einige eigene hinzu. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die Insel besonders stark von der Covid-Pandemie betroffen war, die den Tourismus, eine der wenigen Devisenquellen Kubas, zum Erliegen brachte.
In den vorausschauenden Worten von Lester D. Mallory, stellvertretender stellvertretender US-Außenminister im Jahr 1960, sahen die Imperialisten die Gelegenheit, „Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung herbeizuführen“.
Zusätzlich zu der oben skizzierten Geschichte der unaufhörlichen Maßnahmen zum Regimewechsel, die von jeder US-Regierung seit Beginn der kubanischen Revolution durchgeführt wurden, sind einige zusätzliche Faktoren erwähnenswert.
Die großen technologischen Fortschritte im Zusammenhang mit der Computertechnologie und der künstlichen Intelligenz wurden von den USA genutzt, um ihre Zwangsmaßnahmen effektiver zu verfolgen und durchzusetzen. Darüber hinaus hat die Furcht vor Geldstrafen, die die USA bei Verstößen gegen ihre extraterritorialen Verbote gegenüber Akteuren aus Drittländern verhängen können, zu einer Übererfüllung der Vorschriften geführt.
Uncle Sam ist auch immer einfallsreicher geworden. Die visumfreie Einreise (VWP) in die USA ist für die meisten europäischen und einige andere Staatsangehörige nicht mehr möglich, wenn sie in Kuba einen Zwischenstopp eingelegt haben, was den Tourismus auf der Insel erheblich einschränkt.
Auch das innenpolitische Klima in den USA hat sich mit der Übernahme beider großer Parteien durch die Neokonservativen verändert. Vor allem jetzt, mit der zweiten Trump-Präsidentschaft, hat Kuba weniger Freunde in Washington, und seine Feinde haben jetzt noch weniger Hemmungen, ihre Regimewechsel-Kampagnen durchzuführen. Hinzu kommt eine allgemein aggressivere internationale Machtprojektion der USA.
Unter der Blockade wurden bestimmte Errungenschaften der Revolution in Verbindlichkeiten umgewandelt. Die Revolution mit ihrer allgemeinen Bildung, der Mechanisierung der Landwirtschaft und der kollektiven oder genossenschaftlichen Organisation der Arbeit befreite die Bauern von der schweißtreibenden Arbeit, die rund um die Uhr auf den Feldern verrichtet wurde. Heute liegen die Felder brach, unter anderem, weil Treibstoff und Ersatzteile für die Traktoren mit einem Embargo belegt sind.
Kubas Verbündete, insbesondere Venezuela, das selbst Opfer einer US-Blockade ist, haben versucht, Kuba mit dringend benötigtem Öl zu versorgen. Der Bau von 14 Öltankern, die Venezuela im Ausland in Auftrag gegeben hat und die dieses Öl transportieren könnten, wurde blockiert. Direkte Verbote der USA gegenüber Schifffahrtsgesellschaften und Versicherungsunternehmen haben die Ölversorgung ebenfalls eingeschränkt.
Ohne den Treibstoff kann kein Strom erzeugt werden, mit dem Pumpen zur Trinkwasserversorgung betrieben werden. Infolgedessen kam es in Kuba in letzter Zeit zu Stromausfällen auf der ganzen Insel sowie zu Lebensmittel- und Wasserknappheit. Dies macht deutlich, dass die Blockade im Wesentlichen ein schmutziger Wirtschaftskrieg gegen die Zivilbevölkerung ist.
Das Leben in Kuba ist unter der US-Belagerung einfach hart und wird immer härter. Dies hat in letzter Zeit zu einer noch nie dagewesenen Abwanderung geführt. Die daraus resultierende Abwanderung von Fachkräften und der Mangel an Arbeitskräften verschlimmern die Situation. Darüber hinaus haben die unerbittliche Knappheit und die damit verbundene eingeschränkte Lebensqualität unter diesen Bedingungen im Laufe der Zeit eine zersetzende Wirkung gezeigt.
Unter dem Druck der Belagerung war Kuba gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, die die sozialistische Gleichheit untergraben, aber die notwendigen Einnahmen generieren. So haben Obama und die nachfolgenden US-Präsidenten die Bildung von Kleinunternehmen gefördert und damit die begrenzten „Reformen“, die während der Zeit von Raúl Castro als kubanischem Präsidenten eingeführt wurden, erweitert.
Die Kubaner werden mit Sicherheit durchhalten, wie sie es in der Vergangenheit getan haben. „Die Widerstandsfähigkeit des Landes ist bemerkenswert“, schreibt ein langjähriger Kuba-Beobachter aus Havanna.
Außerdem lassen ihnen die Imperialisten kaum eine andere Wahl. Eine Kapitulation und eine sanfte Landung ist keine Option, die angeboten wird. Der absichtlich gescheiterte Staat Haiti, weniger als 50 Meilen östlich, dient als abschreckendes Beispiel dafür, was aus einem Volk wird, das unter dem Wohlwollen der USA steht.
Dies ist ein historischer Moment, in dem nicht nur anerkannt werden sollte, was Kuba nicht geschafft hat, sondern auch, wie viel es mit so wenig Mitteln und unter so widrigen Umständen, die es nicht selbst verschuldet hat, erreicht hat."
Professor John Mersheimer, ein prominenter Politikwissenschaftler, spricht mit Rawaa Auge von Al Jazeera über den anhaltenden Konflikt zwischen Israel und Gaza und bietet eine kritische Perspektive auf die US-Außenpolitik, insbesondere in Bezug auf Israel. Er argumentiert, dass die USA aufgrund ihrer bedingungslosen Unterstützung Israels am Völkermord der Palästinenser im Gaza mitschuldig sind. Dies sei ein Ergebnis des starken Einflusses der pro-israelischen Lobby. Mearsheimer kritisiert die westliche Erzählung zum Konflikt und behauptet, dass Israels Expansionismus und das mangelnde echte Interesse an einer Zwei-Staaten-Lösung zu einer unhaltbaren Situation für die Palästinenser geführt haben, die unter Unterdrückung und Vertreibung leiden.
Mersheimers Theorie der internationalen Beziehungen, die sich auf die Großmachpolitik konzentriert, steht im Gegensatz zu anderen Theorien, wie denen von Fukuyama und Huntington, insbesondere in Bezug auf die Dynamik im Nahen Osten. Er kommentiert die zwei anderen Theorien. Er schlägt vor, dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht zwischen Staaten, sondern als ein innerisraelischer Konflikt stattfindet, bei dem Palästinenser gegen die israelische Kontrolle, Unterdrückung und Apartheid Widerstand leisten.
Zur Rolle der USA argumentiert Mimer, dass deren Politik weder rational noch im strategischen Interesse des Landes sei. Er schlägt vor, dass die USA ihre Unterstützung für Israel von dessen Handlungen abhängig machen und sich für eine demokratische Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts einsetzen sollten, entweder durch einen demokratischen Ein-Staat oder eine Zwei-Staaten-Lösung.
Er geht auch auf die komplexen Beziehungen zwischen Iran, Israel und den USA ein, wobei Iran eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von Widerstandsgruppen spielt, aber direkte Konfrontationen vermeidet. Mearsheimer spricht zudem über den wachsenden Einfluss der Jugend, insbesondere im Westen, die stärker auf Menschenrechte und Gerechtigkeit ausgerichtet ist und wie dies zukünftige Außenpolitik beeinflussen könnte.
Abschließend argumentiert Mearsheimer, dass, obwohl junge Menschen möglicherweise eine Veränderung der Politik fordern, die tief verwurzelte Macht der pro-israelischen Lobby bedeutet, dass eine wesentliche Veränderung der US-Politik in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist.
Der US Gesandte Amos Hochstein kommt im Libanon an, während sein Land durch seine kolonialen Siedler Massentötungen an Zivilisten begeht. Die Libanesen sollten mit Schuhen nach ihm werfen.
Israel hat seine Luftangriffe auf den Libanon und insbesondere auf Beirut intensiviert, im Vorfeld eines Besuchs am Dienstag oder Mittwoch durch den US-Gesandten Amos Hochstein, bei dem er Druck auf den Libanon ausüben wird, einem amerikanisch-israelischen Waffenstillstandsplan zuzustimmen.
Dieser Plan wird als auf der Grundlage für die Resolution 1701 [von 2006] des UN-Sicherheitsrates beruhend angepriesen, stellt aber in Wirklichkeit eine Abkehr davon dar.
Zum Artikel auf Consortium News
Über 200 Versäumnisse: Ein beträchtlicher Teil der Parlamentsmitglieder kneift weiterhin bei der Transparenz ihrer Mandate.
Im aktuellen Bericht prüfte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), inwiefern die Schweiz frühere Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung bei Parlamentarier:innen umgesetzt hat. Es geht dabei auch um die Frage, wie weit die Mitglieder eines demokratisch gewählten Parlaments ihre Mandate offenlegen müssen. Die Umsetzung der Empfehlungen bleibe in der Schweiz «eher zurückhaltend», resümiert die GRECO trocken. Ein Blick in die Datenbank von Lobbywatch zeigt aber: Die Schweiz täte gut daran, genauer auf die GRECO zu hören.
Mangelnde Kontrolle
Die GRECO beanstandet dreierlei: Kontrolle, Schulung und Entlöhnung. Am stärksten kritisiert die GRECO die fehlende Kontrolle. Es seien «keine Massnahmen ergriffen» worden, «um ein System zur Kontrolle durch das Parlament einzuführen». Die Parlamentarier:innen würden zwar darauf hingewiesen, ihre Interessenbindungen selbstständig zu aktualisieren. «Allfällige vorsätzliche Fehler oder Unterlassungen können dadurch jedoch nicht aufgedeckt werden», so die GRECO. Das stimmt nicht ganz: In Abwesenheit einer offiziellen Regelung kontrolliert Lobbywatch bereits seit 10 Jahren, ob National- und Ständeräte ihre Interessenbindungen vollständig offenlegen. Und die Arbeit zeigt: Es ist nötig.
Mehr Kontrolle
Allein im Jahr 2024 fanden wir über zweihundert nicht deklarierte, aber deklarationspflichtige Mandate von Mitgliedern des National- und Ständerats. Das ist viel. Mit 13 nicht deklarierten (aber deklarationspflichtigen) Interessenbindungen steht Nationalrätin Veronika Thalmann-Bieri (SVP LU) auf der diesjährigen Spitzenposition. Darunter ist ihre Vorstandsmitgliedschaft im Verein Entlebucher Kaffeeschnapswanderungen – kein Mandat von politischer Wichtigkeit.
Frage: Kann man davon ausgehen, dass dies nur die Spitze des Eisbergs an Korruption im Parlament ist?
Die Schweiz vertieft ihre Zusammenarbeit mit USAID, der entwicklungspolitischen Behörde der USA. Wo Washington also mit der Finanzierung von «farbigen Revolutionen» Regierungswechsel anstrebt, will die offizielle Schweiz offenbar tatkräftig Hilfe leisten.
«Die Schweiz ist begeistert über die Demokratieförderung der USA». So titelte «swissinfo.ch», eine zu den Öffentlich-Rechtlichen Medien gehörende offizielle Info-Plattform mit dem Zielpublikum Schweizer und Schweiz-Interessierte im Ausland am 16. Oktober 2024. Grund der Begeisterung ist die Initiative «Democracy Delivers», die 2022 von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) ins Leben gerufen wurde. «Democracy delivers», «Demokratie liefert», so werden wir von Swissinfo informiert, ist ein Projekt, das Staaten unterstützen soll, die von Washington als demokratische „Lichtblicke“ eingestuft werden. Die Schweiz gehöre «zu den engagiertesten Partnerländern der Initiative», denn auch die Schweiz habe sich außenpolitisch der Demokratie-Förderung verschrieben, so Swissinfo.
Wo auf der Welt «demokratische Lichtblicke» auszumachen sind, bestimmt weitgehend Samantha Power, Direktorin von USAID. Power ist eine ehemalige UNO-Botschafterin der USA. Sie inszenierte sich in ihrer gesamten Karriere und auch in ihren Memoiren («The Education of an Idealist») als Kämpferin für Menschenrechte. Sie sah die Menschenrechte aber immer vor allem dort gefährdet, wo Washington seine geostrategische Ordnung herstellen wollte. Die Verteidigung der Menschenrechte implizierte dann stets einen Regimewechsel. Oder umgekehrt.
Seit ihrer Tätigkeit als Journalistin in den Balkankriegen plädiert Samantha Power für sogenannte «humanitäre Interventionen» der USA und ihrer NATO-Verbündeten. Sie bekam den Pulitzer-Preis für ihr Buch «A problem from hell», welches eine Art Argumentationsgrundlage für das Recht und die Pflicht der NATO zum völkerrechtswidrigen militärischen Angriff gegen Serbien war. Im Denkgebäude der USAID-Direktorin Samantha Power sind militärische Aufrüstung, Krieg und der Kampf für Menschenrechte quasi unverzichtbare Bauteile einer gut funktionierenden Maschinerie. Nach den «humanitären Bombardierungen» der NATO strömten 1999 unter Führung von USAID etwa 300 internationale Hilfsorganisationen in die winzige Provinz Kosovo, und es floss in kurzer Zeit «Aufbauhilfe» von einer Milliarde Dollar.
Das Rüstungsgeschäft, der Krieg und die Wiederaufbauhilfe gehen oft Hand in Hand. Dick Cheney zum Beispiel war zunächst Manager des militärischen Logistikkonzerns Halliburton, dann Vizepräsident der USA und einer der fanatischen Verfechter der «Kriege gegen den Terror». Die USA bombardierten den Irak, und Halliburton erhielt einen Exklusivvertrag für den «Wiederaufbau» des zerstörten Landes.
Anfang November haben 36 Friedensorganisationen eine Kampagne gegen die Stationierung landgestützter US-Mittelstreckensysteme in Deutschland gestartet. „Die Entscheidung zur Stationierung der Mittelstreckenwaffen in Deutschland ist eine Bedrohung für den Frieden in Europa“, warnen die beteiligten Organisationen, darunter die IPPNW Deutschland.
Der bundesweite Friedenspolitische Ratschlag – traditionell Anfang Dezember seit 1994 – findet auch in diesem Jahr wieder statt. Am Veranstaltungsort im Philipp-Scheidemann-Haus in Kassel werden aufgrund der vorliegenden Anmeldungen wieder mehr als 400 Teilnehmende erwartet.
Übersetzung des Artikels auf ScheerPost
Lieber Joe,
Was hast du gemacht? Ich habe gesehen, dass du im Regenwald warst. Das sah cool aus. Ich fand es toll, wie du dich am Ende einfach abgewandt hast und in den Dschungel gegangen bist, als ob du nie wieder gesehen werden wolltest. Alle Präsidentschaften sollten auf diese Weise enden.
Vor etwas mehr als einem Monat habe ich dir einen netten Brief mit einigen Vorschlägen geschickt, wie du den Rest Ihrer Zeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nutzen könntest. Dinge wie die endgültige Streichung der Studentenschulden, die Schließung von Guantanamo, die Befreiung Kubas, die Freilassung von Leonard Peltier, die Begnadigung Snowdens und andere gute Taten. Anstatt irgendetwas davon zu tun, hast du nichts davon getan.
Wenn ich die Nachrichten richtig lese, gehst du sogar in die entgegengesetzte Richtung. Meine Vorschläge zielten alle darauf ab, deine Status als „Großer Präsident“ zu festigen - dein Vermächtnis zu gestalten, dich zu einer unvergesslichen Figur im Pantheon aller 44 weißen Männer zu machen, die vor dir dieses Land regiert haben (und auch deines früheren Chefs). Du hingegen scheinst zu versuchen, dein Vermächtnis als Kriegstreiber zu zementieren - indem du einige Ihrer schlimmsten Fehler und schlimmsten Impulse wieder aufgreifst.
Deshalb frage ich dich noch einmal: WAS TUST DU?
Donald Trump hat gerade die Wahl gewonnen. In zwei Monaten wirst du ihm die Schlüssel zum Weißen Haus und die PIN-Nummer für die Alarmanlage übergeben. Und du wirst keine Zeit mehr haben.
Anstatt deine kostbare wenige verbleibende Zeit zu nutzen, um etwas zu tun, um dem amerikanischen Volk zu helfen, bestand deine erste Handlung nach Trumps Sieg darin, die Lieferung von Waffen im Wert von über 6 Milliarden Dollar an die Ukraine zu beschleunigen. Dann riefst du Zelensky an und gaben ihm grünes Licht, ballistische Langstreckenraketen auf ein Land zu schießen, das über eine große Menge an Atomwaffen verfügt, nämlich Russland. Und als ob das nicht schon genug Gemetzel für eine Woche wäre, hast du den Einsatz von Antipersonen-Landminen in Russland genehmigt.
LANDMINEN, Joe? Ist das dein Ernst? Das ist dein Vermächtnis? Ist das die Art und Weise, wie du abtreten willst? In einer Flamme des Grauens? Wie, wenn Joe gehen muss, müssen wir alle mit ihm gehen... direkt in den Dritten Weltkrieg?
Joe - Amerika hat weit über eine MILLIARDE DOLLAR ausgegeben, um Landminen aus Ländern wie Irak, Afghanistan, Vietnam, Laos und Kambodscha zu entfernen (du weisst schon, die Länder, in die wir einmarschieren und dann unsere Landminen zurücklassen). Vietnam ist 50 Jahre her, Joe. Und auch heute noch werden Kindern in Südostasien durch unsere Landminen die Arme weggesprengt. Das ist dein Erbe, Joe. Das ist es, was du tust.
Diese Woche erhoben sich 19 mutige Demokraten im Senat und stimmten für den Stopp einer Waffenlieferung an Israel. Und was hat das Weiße Haus von Biden getan? Du hast Lobbyarbeit gegen diese demokratischen Senatoren betrieben. Du hattest Angst, dass andere sich ihnen anschließen und Schumer und die anderen anflehen würden, gegen sie zu stimmen, sie zum Schweigen zu bringen und dieses Gemetzel in Gaza, im Westjordanland und im Libanon weiter zu bewaffnen. Also hast du beschlossen, diese Gruppe von Senatoren aus deiner eigenen Partei zu verleumden. Du sagtest, dass diese Demokraten auf der Seite der Hamas stünden, wenn sie diese Waffenlieferungen an Israel stoppten.
Auch in dieser Woche stimmten 14 der 15 Mitglieder des Sicherheitsrates bei den Vereinten Nationen für einen SOFORTIGEN WAFFENSTILLSTAND in Gaza. Vierzehn von fünfzehn, Joe. Und deine Regierung hat die 15. alleinige Stimme abgegeben, um ein Veto gegen die Chance auf Frieden einzulegen. Amerika hat den Waffenstillstand wieder einmal im Alleingang blockiert. Das einzige Land, das sich für noch mehr Tod und Zerstörung aussprach, war das Land, dessen Bürger du und ich sind. Ist das dein Vermächtnis, Joe?
Die Woche endete damit, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, das wichtigste Strafgericht zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in der Welt, einen tatsächlichen Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu ausstellte. Demokratien in aller Welt - darunter auch Kanada - kündigten an, dass sie sich an den Haftbefehl des IStGH halten und Netanjahu in Gewahrsam nehmen würden, sollte er jemals ihren Boden betreten. Und die Reaktion des Weißen Hauses war, die Haftbefehle abzulehnen und das Gericht dafür zu verurteilen, dass es sie ausgestellt hat? Dafür, dass es sich um Gerechtigkeit bemüht? Ist das dein Vermächtnis, Joe?
Was ist mit uns, Joe? Was ist mit Amerika? Du hast noch zwei Monate im Amt. Was wirst du mit dieser Zeit anfangen? Vielleicht solltest du aufhören, ausländische Kriege zu bewaffnen und das dem nächsten Mann überlassen. Vielleicht solltest du dsich stattdessen auf Dinge konzentrieren, die den Amerikanern wichtig sind.
Also noch einmal, Joe, ich rufe dich auf, deine Macht der Feder zu nutzen - und deine VOLLKOMMENE UNMITTELBARKEIT! - zu nutzen, um echte und wirksame Veränderungen zu bewirken.
Wie wäre es, wenn du mit einem ganz einfachen Thema beginnst? Das EQUAL RIGHTS AMENDMENT (E.R.A.) (Gleichberechtigungsgesetz) für Frauen.
Du hast die Befugnis, die Veröffentlichung der E.R.A. in der Verfassung der Vereinigten Staaten anzuordnen. Du hattest fast 4 Jahre Zeit, dies zu tun. Er wurde von der erforderlichen Anzahl von Staaten ratifiziert und sollte als 28. Zusatzartikel zur Verfassung veröffentlicht werden. Frauen, die 51% der amerikanischen Bevölkerung ausmachen - DIE MEHRHEIT - sollten endlich als gleichberechtigte Bürger und gleichwertige Menschen anerkannt werden, die von ihrem Schöpfer mit bestimmten unveräußerlichen Rechten ausgestattet wurden, so wie sie es in fast jeder anderen westlichen Demokratie sind.
Eine große Koalition von Gruppen aus ganz Amerika hat sich an diesem Wochenende zusammengetan und Millionen von Amerikanern aufgefordert, in den nächsten zwei Monaten JEDEN TAG EINE EMAIL AN DAS WEISSE HAUS ZU SCHICKEN UND ANZURUFEN und dich, Joe Biden, aufzufordern, den Zusatzartikel zur Gleichberechtigung endlich zum Gesetz des Landes zu machen.
Du hast die Macht, dies zu tun, Joe. Du hast die Macht, dies zu deinem Vermächtnis zu machen.
Also, Joe, ich sage es dir wirklich zum letzten Mal: TU ES EINFACH.
Übersetzung des Englischen Artikels von Timothy Snyder's Substack
Nicht wenige Amerikaner mögen die Vorstellung einer starken Herrschaft. Und nun haben wir einen designierten Präsidenten, der schwört, den Feind im Inneren zu verfolgen, und der ein Kabinett vorgeschlagen hat, das darauf ausgelegt zu sein scheint, eine Republik zu stürzen.
Was ist daran so schlimm, fragen sich viele? Warum nicht ein Diktator, der die Dinge zu Ende bringt?
Ich habe in Osteuropa gelebt, als die Erinnerungen an den Kommunismus noch frisch waren. Ich habe Regionen in der Ukraine besucht, in denen Russland sein Besatzungsregime durchgesetzt hat. Ich habe Jahrzehnte damit verbracht, Zeugnisse von Menschen zu lesen, die unter der Herrschaft der Nazis oder des Stalinismus gelebt haben. Ich habe Todesgruben gesehen, manche alt, manche frisch ausgehoben. Und ich habe Freunde, die unter autoritären Regimen gelebt haben, darunter politische Gefangene und Überlebende von Folterungen. Einige der Menschen, denen ich am meisten vertraute, wurden ermordet.
Ich glaube also, dass es eine Antwort auf diese Frage gibt.
Die Herrschaft eines starken Mannes ist ein Hirngespinst. Sie beruht auf der Vorstellung, dass ein starker Mann Ihr starker Mann sein wird. Das wird er nicht. In einer Demokratie hören die gewählten Vertreter auf ihre Wähler. Wir nehmen dies als selbstverständlich hin und stellen uns vor, dass ein Diktator uns etwas schuldig wäre. Aber die Stimme, die Sie für ihn abgeben, bestätigt, dass Sie irrelevant sind. Der springende Punkt ist, dass der Machthaber uns nichts schuldig ist. Wir werden missbraucht und wir gewöhnen uns daran.
Eine weitere angenehme Illusion ist, dass der starke Mann die Nation einen wird. Aber ein aufstrebender Diktator wird immer behaupten, dass einige dazugehören und andere nicht. Er wird eine Gruppe nach der anderen als Feind bezeichnen. Das mag sich gut anfühlen, solange man das Gefühl hat, auf der richtigen Seite der Linie zu stehen. Aber jetzt ist die Angst die Essenz des Lebens. Die Politik des „Wir und die“, die einmal begonnen hat, hört nie auf.
Wir träumen davon, dass ein starker Mann es uns ermöglicht, uns auf Amerika zu konzentrieren. Aber eine Diktatur öffnet unser Land für das Schlimmste, was die Welt zu bieten hat. Es wird sich immer herausstellen, dass die Leute, die von „America First“ sprechen, in Wirklichkeit die Diktaturen im Ausland kopieren.
Ein amerikanischer Machthaber wird sich am Reichtum und der Macht anderer Diktatoren messen. Er wird sich mit ihnen anfreunden und mit ihnen konkurrieren. Von ihnen wird er neue Wege zur Unterdrückung und Ausbeutung seines eigenen Volkes lernen.
Zumindest, so die Fantasie, wird der starke Mann die Dinge erledigen. Aber bei diktatorischer Macht geht es heute nicht darum, etwas Positives zu erreichen. Es geht darum, alle anderen daran zu hindern, etwas zu erreichen. Der starke Mann ist in Wirklichkeit der schwache Mann: Sein Geheimnis ist, dass er alle anderen schwächt.
Der Diktator ist dem Gesetz und den Wählern gegenüber nicht rechenschaftspflichtig und hat keinen Grund, über seine eigenen Interessen hinaus zu denken. Im einundzwanzigsten Jahrhundert sind diese einfach: als Milliardär im Bett zu sterben. Um sich zu bereichern und um nicht ins Gefängnis zu müssen, demontiert der starke Mann das Justizsystem und ersetzt die Beamten durch Loyalisten.
Die neuen Bürokraten werden keinen Sinn für Verantwortlichkeit haben. Die grundlegenden Regierungsfunktionen werden zusammenbrechen. Bürger, die Zugang haben wollen, werden lernen, Bestechungsgelder zu zahlen. Bürokraten, die dank Klientelismus im Amt sind, werden korrupt sein, und die Bürger werden verzweifelt sein. Schnell wird die Korruption normal, ja sogar unhinterfragt.
In dem Maße, in dem die Fantasie von der Herrschaft eines starken Mannes in eine alltägliche Diktatur übergeht, wird den Menschen klar, dass sie Dinge wie Wasser, Schulen oder Sozialversicherungsbeiträge brauchen. Sofern solche Güter in einer Diktatur verfügbar sind, haben sie nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen moralischen Preis. Wenn Sie ein Regierungsbüro aufsuchen, wird von Ihnen erwartet, dass Sie Ihre persönliche Loyalität gegenüber dem starken Mann erklären.
Wenn Sie sich über diese Praktiken beschweren wollen, ist das Pech. Die Amerikaner sind streitlustige Menschen, und viele von uns gehen davon aus, dass wir zur Polizei gehen oder klagen können. Aber wenn man einen starken Mann wählt, wählt man auch die Rechtsstaatlichkeit ab. Vor Gericht werden nur Loyalität und Reichtum zählen. Amerikaner, die die Polizei nicht fürchten, werden lernen, dies zu tun. Diejenigen, die die Uniform tragen, müssen entweder zurücktreten oder zu den Vollstreckern der Launen eines Mannes werden.
Alle (außer dem Diktator und seiner Familie und seinen Freunden) werden ärmer. Das Marktsystem ist auf Wettbewerb angewiesen. Unter einem starken Mann gibt es so etwas nicht. Der Clan des Machthabers wird von der Regierung begünstigt. Die Ungleichheit des Reichtums, die schon schlimm genug ist, wird noch größer werden. Jeder, der auf Wohlstand hofft, wird sich um die Gunst der offiziellen Oligarchen bemühen müssen. Ein kleines Unternehmen zu führen, wird unmöglich werden. Sobald Sie irgendeinen Erfolg haben, werden Sie von jemandem denunziert, der Ihr Geschäft haben will.
In der Fantasie des starken Mannes verschwindet die Politik und alles ist klar und hell. In Wirklichkeit ist alles von einer düsteren Politik durchdrungen. Ohne die Androhung von Denunziation kann man kein Geschäft führen. Man kann keine grundlegenden Dienstleistungen erhalten, ohne gedemütigt zu werden. Man hat ein schlechtes Gewissen. Man überlegt sich, was man sagt, denn es kann später gegen einen verwendet werden. Was Sie im Internet tun, wird für immer aufgezeichnet und kann Sie ins Gefängnis bringen.
Der öffentliche Raum schließt sich um Sie herum. Sie können nicht mehr in die Bar oder auf die Bowlingbahn flüchten, denn alles, was Sie sagen, wird überwacht. Die Person auf dem nächsten Hocker oder auf der nächsten Bahn wird dich vielleicht nicht anzeigen, aber du musst davon ausgehen, dass sie es tun wird. Wenn du ein T-Shirt oder einen Autoaufkleber mit einer Botschaft trägst, wird dich jemand anzeigen. Selbst wenn du nur die Worte des Diktators wiederholst, kann jemand über dich lügen und dich anprangern. Und wenn du dann für den starken Mann gestimmt hast, wirst du verwirrt sein. Aber das sollten Sie nicht sein. Das ist es, wofür Sie gestimmt haben.
Denunziation wird zum normalen Verhalten. Ohne Gesetz und Wahlrecht hilft das Anprangern anderer Menschen, sich sicher zu fühlen. Unter der Herrschaft des Stärkeren kann man weder seinen Kollegen noch seinen Freunden oder gar seiner Familie vertrauen. Politische Angst nimmt nicht nur allen öffentlichen Raum weg, sie korrumpiert auch alle privaten Beziehungen. Und bald verschlingt sie auch Ihre Gedanken. Wenn man nicht sagen kann, was man denkt, verliert man den Überblick darüber, was man glaubt. Man hört auf, man selbst zu sein.
Wenn Sie einen Herzinfarkt erleiden und ins Krankenhaus gehen, müssen Sie befürchten, dass Ihr Name auf einer Liste steht. Die Pflege der älteren Eltern ist plötzlich in Gefahr. Das Krankenhausbett oder der Platz im Altersheim sind nicht mehr sicher. Wenn man auf sich aufmerksam macht, werden alte Verwandte auf die Straße gesetzt. So funktioniert Amerika jetzt nicht, aber autoritäre Regime funktionieren immer so.
In der Fantasie des starken Mannes denkt niemand an Kinder. Aber die Angst um Kinder ist das Wesen diktatorischer Macht. Selbst mutige Menschen halten sich zurück, um ihre Kinder zu schützen. Eltern wissen, dass Kinder herausgegriffen und verprügelt werden können. Wenn die Eltern aus der Reihe tanzen, verlieren die Kinder jede Chance, auf die Universität zu gehen, oder sie verlieren ihren Arbeitsplatz.
Die Schulen fallen ohnehin zusammen, denn ein Diktator will nur Mythen, die seine Macht rechtfertigen. Die Kinder lernen in der Schule, sich gegenseitig zu denunzieren. Jede kommende Generation muss zahmer und ignoranter sein als die vorherige. Die Zeit mit kleinen Kindern stresst die Eltern. Entweder wiederholen ihre Kinder die Propaganda und sagen ihnen Dinge, von denen sie wissen, dass sie falsch sind, oder sie haben Angst, dass sie herausfinden, was richtig ist, und in Schwierigkeiten geraten.
In einer Diktatur sagen die Eltern ihren Kindern nicht mehr, was sie denken, weil sie befürchten, dass ihre Kinder es in der Öffentlichkeit wiederholen werden. Und wenn Eltern zu Hause nicht mehr ihre Meinung sagen, können sie keine vertrauensvolle Familie mehr aufbauen. Selbst Eltern, die die Ehrlichkeit aufgeben, müssen befürchten, dass ihre Kinder eines Tages die Wahrheit erfahren, aktiv werden und ins Gefängnis kommen.
Höchstwahrscheinlich wird man nicht getötet oder zum Töten gezwungen werden. Aber inmitten der Tristesse des Lebens in einer Diktatur liegt die dunkle Verantwortung für den Tod anderer. Wenn das Töten beginnt, werden Sie wissen, dass es nicht um die Einheit oder die Nation geht, oder darum, etwas zu erreichen. Die besten Amerikaner, die von Ihnen bei der Stimmabgabe verraten wurden, werden nach Lust und Laune und für den Reichtum eines Diktators ermordet werden. Ihre Tragödie wird darin bestehen, lange genug zu leben, um dies zu verstehen.
Wenn dieser Prozess einmal begonnen hat, ist er nur schwer zu stoppen. In der gegenwärtigen Phase der Strongman-Phantasie stellen sich die Menschen ein spannendes Experiment vor. Wenn ihnen die Herrschaft des starken Mannes nicht gefällt, denken sie, können sie beim nächsten Mal einfach jemand anderen wählen. Das geht an der Sache vorbei. Wer einem starken Mann zur Macht verhilft, beteiligt sich an der Abschaffung der Demokratie.
Das ist schwer zu verhindern, aber nicht unmöglich. Es gibt Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen, wie ich in anderen Beiträgen und in einem kleinen Buch dargelegt habe. Wir werden auch miteinander sprechen müssen. Die Menschen haben aus verschiedenen Gründen so gewählt, wie sie gewählt haben. Das Ergebnis der Wahl macht eine Alleinherrschaft möglich. Wir müssen darüber hinwegkommen, über die Wahl zu streiten, und Gespräche darüber führen, wie Autoritarismus wirklich aussieht. Dieser Beitrag sollte zu diesen Gesprächen beitragen.
Das Schreiben in diesem Forum, mein Substack „Thinking about...“, ist kostenlos. Sie können ihn gerne an andere weitergeben. In diesem speziellen Fall möchte ich Sie dringend bitten, es an jeden in Ihrem Leben weiterzugeben, dem es helfen könnte. Ich danke Ihnen dafür.
Übersetzung des Artikels von John Kiriakou auf Consortium News
Diesmal hat sich Trump dafür entschieden, das F.B.I.-Sicherheitsüberprüfungsverfahren für das vereidigte Mitglied der Vitezi Rend, einer ungarischen Gruppe, die unter den Nazis gedient hat, zu ignorieren.
Sebastian Gorka ist zurück. Der designierte US-Präsident Donald Trump ernannte Gorka letzte Woche zum „Terrorismusbeauftragten“ der Regierung im Nationalen Sicherheitsrat. Seit seiner Wahl am 5. November hat Trump eine Reihe von katastrophalen Ernennungen in seiner Verwaltung vorgenommen. Aber dies könnte die schlimmste sein. Erinnern Sie sich nicht an Sebastian Gorka?
Vor acht Jahren, als Trump zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, war Gorka eine seiner umstrittensten Ernennungen zum „stellvertretenden Assistenten des Präsidenten für nationale Sicherheitsangelegenheiten“, d. h. zum stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater. Das ist eine enorm wichtige Position. Der stellvertretende nationale Sicherheitsberater unterstützt den Präsidenten bei der Leitung der gesamten Nachrichtendienste und leitet die Anti-Terror-Bemühungen der Regierung. Doch Gorka geriet sofort in Schwierigkeiten.
Wie sich herausstellte, war Gorka offenbar ein vereidigtes Mitglied des ungarischen Neonazi-Ordens Vitezi Rend oder „Orden der Helden“, einer Gruppe, die nach Angaben des Außenministeriums „während des Zweiten Weltkriegs unter der Leitung der Nazi-Regierung Deutschlands stand“ und die nach wie vor neonazistisch ausgerichtet ist.
Gorka ist erst seit 2012 amerikanischer Staatsbürger, und die Mitgliedschaft hätte ihn nicht nur von der Staatsbürgerschaft, sondern sogar von der Einreise in die Vereinigten Staaten ausschließen müssen.
Außerdem trug Gorka bei der Amtseinführung von Donald Trump 2017 tatsächlich die Uniform und das Abzeichen der Vitezi Rend, und die Zeitung Times of Israel berichtete, dass er sie möglicherweise sogar von seinem Nazi-Großvater geerbt hat.
Die jüdische Zeitung The Forward berichtete über Gorkas Mitgliedschaft in der Vitezi Rend. Darin heißt es, dass die Führer der Gruppe selbst bestätigen, dass Gorka einen „lebenslangen Loyalitätsschwur“ geleistet hat. (Gorka hat mehrere E-Mail-Anfragen nach einem Kommentar ignoriert.)
Bruce Einhorn, ein pensionierter Einwanderungsrichter und derzeitiger Professor für Staatsangehörigkeitsrecht an der Pepperdine University, sagte gegenüber The Forward, dass Gorkas „Schweigen Bände spricht“. Einhorn fuhr fort, dass Gorkas „Versäumnis, eine wesentliche Tatsache offenzulegen“, nämlich seine Mitgliedschaft in einer rassistischen Organisation, die zu Gewalt aufruft, die Gültigkeit sowohl seines Einwanderungsstatus als auch seines Anspruchs auf die US-Staatsbürgerschaft untergraben könnte. Für einen solchen Verstoß gibt es keine Verjährungsfrist.
Um die Sache noch abscheulicher zu machen, ist es laut The Forward Männern, die der Vitezi Rend die Treue geschworen haben, gestattet, ein kleines „v“ als Mittelinitiale und als geheimes Symbol der Brüderlichkeit zu verwenden. Gorka benutzte das „v“ und unterschrieb seinen Namen sowohl in seiner Doktorarbeit von 2008 als auch in seiner Aussage vor dem Kongress im Jahr 2011 als „Sebastian L. v. Gorka“. Am Ende wollte das FBI Gorka keine Sicherheitsfreigabe erteilen, und nach nur sieben Monaten musste er zurücktreten.
Diesmal hat sich Trump jedoch dafür entschieden, den Sicherheitsüberprüfungsprozess des FBI zu ignorieren und hat angekündigt, dass Gorka stellvertretender nationaler Sicherheitsberater und Terrorismusbeauftragter sein wird. Punkt. Für diese Funktion ist keine Bestätigung durch den Senat erforderlich, und technisch gesehen kann Trump einfach anordnen, dass Gorka eine streng geheime Sicherheitsfreigabe erhält; das F.B.I. sei verdammt.
Die Ernennung hat tatsächlich einige Konsequenzen nach sich gezogen. Michael Anton, ein nationaler Sicherheitsbeamter in Trumps erster Amtszeit, der für den Posten des stellvertretenden nationalen Sicherheitsberaters vorgesehen war, zog sich selbst aus dem Wettbewerb zurück, als ihm mitgeteilt wurde, dass auf Gorka ein Posten warten würde, wie die Washington Post berichtet.
Die israelischen Medien, die Trump seit langem unterstützen, sind wütend darüber, dass ein offener Antisemit ein solches Amt bekleiden wird. Und ein ungenanntes Mitglied des Trump-Übergangsteams für nationale Sicherheit sagte der Post: „Das gesamte Team hält Gorka fast durchweg für einen Clown. Sie fürchten sich davor, mit ihm zu arbeiten“.
Gorka hat sich seit der Wahl weitgehend still verhalten. Lediglich seinem alten Freund und Kollegen Steve Bannon hat er Interviews gegeben, und er sagt, er habe Israel einen Rat gegeben, wie man der Hamas gegenübertreten könne. Wie lautete dieser Ratschlag? „Tötet jeden einzelnen von ihnen. Gott segne Israel. Gott segne die jüdisch-christliche Zivilisation“. Für einen Nazi ist das eine seltsame Position.
John Kiriakou ist ein ehemaliger Beamter der Terrorismusbekämpfung der CIA und ein ehemaliger leitender Ermittler des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats. John Kiriakou ist der sechste Whistleblower, der von der Obama-Regierung auf der Grundlage des Espionage Act angeklagt wurde - einem Gesetz, das Spione bestrafen soll. Er saß 23 Monate im Gefängnis, weil er sich gegen das Folterprogramm der Bush-Regierung gewehrt hatte.
Übersetzung des Artikels von Joe Lauria auf Consortium News
Nach einer Geschichte der Einschüchterung und Demütigung durch die USA - vom gebrochenen Versprechen, die NATO nicht zu erweitern, bis hin zur Täuschung über Minsk - kann man nicht davon ausgehen, dass Moskau blufft, wenn es vor einem Atomkrieg warnt.
In seiner bedeutsamen Rede an der American University in Washington vor 61 Jahren, in der er kontrovers um Frieden mit Sowjetrussland und ein Ende des Kalten Krieges warb, sagte Präsident John F. Kennedy:
„Vor allem müssen die Atommächte bei der Verteidigung ihrer eigenen lebenswichtigen Interessen solche Konfrontationen vermeiden, die einen Gegner vor die Wahl stellen, entweder einen demütigenden Rückzug oder einen Atomkrieg zu führen. Ein solcher Kurs im Atomzeitalter wäre nur ein Beweis für den Bankrott unserer Politik - oder für einen kollektiven Todeswunsch für die Welt.“
Achtundzwanzig Jahre später haben die Regierung von Bill Clinton und jede US-Regierung seither, bis hin zur vielleicht rücksichtslosesten, den Bankrott der US-Politik bewiesen, indem sie genau das Gegenteil von dem taten, was Kennedy riet, nämlich die Entschlossenheit zu zeigen, das atomar bewaffnete Russland zu demütigen und einzuschüchtern.
Heute ist der von Generationen gefürchtete Augenblick gekommen. Die Vereinigten Staaten provozierten Russland am Montag weiter mit amerikanischen und britischen Raketenangriffen auf russischen Boden, die von einem Drittland mit amerikanischem und britischem Personal abgefeuert wurden, und ignorierten dabei die unmissverständliche Warnung Moskaus, dass dies zu einem Atomkonflikt führen könnte.
Durch den direkten Beschuss Russlands mit ihren ATACMS- und Storm Shadow-Raketen haben die USA und Großbritannien, die Russland nicht angegriffen haben, Moskau „vor die Wahl gestellt, entweder einen demütigenden Rückzug oder einen Atomkrieg zu führen“.
Beginnend mit dem Ende des Kalten Krieges
Die Demütigung Russlands begann mit dem Ende des Kalten Krieges, das Kennedy angestrebt hatte, aber nicht zu den Bedingungen, die er sich vorgestellt hatte. Trotz des Versprechens von George H.W. Bush, keinen Triumphalismus zu betreiben, war dieser nach der Machtübernahme Clintons in vollem Gange.
In den 1990er Jahren drangen Wall Street und US-Unternehmen in die ehemalige Sowjetunion ein, stürzten sich auf die enormen natürlichen Ressourcen, plünderten die ehemals staatlichen Industrien, bereicherten sich selbst, brachten Oligarchen hervor und verarmten die russische, ukrainische und andere ehemalige Sowjetvölker. Die Demütigung verstärkte sich mit der Entscheidung in den neunziger Jahren, die NATO nach Osten zu erweitern, obwohl sie dem letzten sowjetischen Ministerpräsidenten Michail Gorbatschow im Gegenzug für die Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden war.
Selbst Washingtons Mann im Kreml, Boris Jelzin, war zunächst gegen die NATO-Erweiterung, während Senator Joe Biden sie unterstützte, obwohl er wusste, dass sie russische Feindseligkeit hervorrufen würde.
Nach acht Jahren der Vorherrschaft der USA und der Wall Street wurde Wladimir Putin am Silvesterabend 1999 Präsident Russlands. Er suchte die Freundschaft mit dem Westen. Doch im Jahr 2000 wurde er von Clinton gedemütigt, als er Putins Antrag auf Beitritt Russlands zur NATO innerhalb weniger Stunden ablehnte.
Als der Kalte Krieg zu Ende ging, wollte Russland in den Rest der Welt aufgenommen werden, aber die USA „haben uns ausgetrickst“, so Putin. Sie konnten Russlands Unabhängigkeit nicht respektieren, wo es doch so viel Geld zu verdienen gab - und immer noch gibt.
Putin schloss daraufhin die Tür für westliche Eindringlinge, um die russische Souveränität und Würde wiederherzustellen, was letztlich Washington und die Wall Street verärgerte. Dieser Prozess fand in der unabhängigen Ukraine nicht statt, die weiterhin unter westlicher Vorherrschaft stand.
Am 10. Februar 2007 hielt ein verärgerter Putin eine Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz [und hier], in der er den aggressiven Unilateralismus der USA anprangerte: „Ein Staat, und natürlich in erster Linie die Vereinigten Staaten, hat seine nationalen Grenzen in jeder Hinsicht überschritten. Dies zeigt sich in der Wirtschafts-, Politik-, Kultur- und Bildungspolitik, die sie anderen Nationen aufzwingen. Nun, wem gefällt das? Wer ist darüber glücklich?“
Aber er konzentrierte sich besonders auf die NATO-Osterweiterung. Er sagte:
„Wir haben das Recht zu fragen: Gegen wen richtet sich diese [NATO-]Erweiterung? Und was ist aus den Zusicherungen geworden, die unsere westlichen Partner nach der Auflösung des Warschauer Paktes gegeben haben? Wo sind diese Erklärungen heute? Keiner erinnert sich mehr daran. Aber ich erlaube mir, die Zuhörer daran zu erinnern, was damals gesagt wurde. Ich möchte die Rede des NATO-Generalsekretärs Woerner vom 17. Mai 1990 in Brüssel zitieren. Damals sagte er, dass: 'Die Tatsache, dass wir bereit sind, keine NATO-Armee außerhalb des deutschen Territoriums zu stationieren, gibt der Sowjetunion eine feste Sicherheitsgarantie.' Wo sind diese Garantien?“
Burns' Warnung
Putin sprach drei Jahre, nachdem die baltischen Staaten, ehemalige Sowjetrepubliken an der Grenze zu Russland, dem westlichen Bündnis beigetreten waren. Der Westen demütigte Putin und Russland, indem er dessen berechtigte Bedenken ignorierte, als die NATO 2008, nur ein Jahr nach seiner Rede, erklärte, die Ukraine und Georgien würden Mitglieder werden. Vier weitere ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten traten dann 2009 bei.
William Burns, der damalige US-Botschafter in Russland und heutige CIA-Direktor, warnte in einem von WikiLeaks veröffentlichten Telegramm an Washington, dass,
„Außenminister Lawrow und andere hochrangige Beamte haben ihre strikte Ablehnung bekräftigt und betont, dass Russland eine weitere Osterweiterung als potenzielle militärische Bedrohung ansehen würde. Die NATO-Erweiterung, insbesondere um die Ukraine, ist für Russland nach wie vor ein 'emotionales und neuralgisches' Thema, aber auch strategisch-politische Erwägungen liegen dem starken Widerstand gegen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens zugrunde. In der Ukraine wird u.a. befürchtet, dass die Frage das Land in zwei Hälften spalten könnte, was zu Gewalt oder sogar, wie manche behaupten, zu einem Bürgerkrieg führen könnte, was Russland zu einer Entscheidung über ein Eingreifen zwingen würde.“
Im November 2009 demütigte der Westen Russland erneut, indem er dessen Vorschlag für eine neue Sicherheitsvereinbarung in Europa rundweg ablehnte. Moskau veröffentlichte einen Entwurf für eine Sicherheitsarchitektur, die nach Ansicht des Kremls überholte Institutionen wie die NATO und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ersetzen sollte.
Im Jahr 2014 schürten die USA mit der Organisation eines Staatsstreichs in der Ukraine „Befürchtungen“, wie Burns sagte, „die das Land möglicherweise in zwei Teile spalten und zu Gewalt oder sogar, wie manche behaupten, zu einem Bürgerkrieg führen könnten, was Russland zwingen würde zu entscheiden, ob es eingreift.
Die von den USA eingesetzte Regierung griff ethnische Russen in der abtrünnigen Region Donbass an, die ihre demokratischen Rechte gegen den Putsch verteidigten. Es kam zum Bürgerkrieg, vor dem Burns gewarnt hatte. Russland erarbeitete mit Europa eine Friedensformel, das Minsker Abkommen, das einen autonomen Donbass innerhalb des ukrainischen Staates vorsah. Sie wurden vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebilligt.
Doch sie scheiterten. Im Dezember 2022 erklärte uns die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, warum. Sie gab im Wesentlichen zu, dass der Westen Russland vorgetäuscht hatte, es habe dem Frieden zugestimmt, während die NATO stattdessen Zeit gekauft hatte, um die Ukraine für einen Krieg gegen Russland zu bewaffnen und auszubilden. Dies war eine weitere regelrechte Demütigung Moskaus, das „ausgespielt“ wurde, wie Putin sagen würde.
Der westlichen Öffentlichkeit, die den Einmarsch Russlands in die Ukraine nur als isoliertes Ereignis betrachtet, ist diese ganze Geschichte verborgen.
In der Ukraine in den Krieg ziehen
In der Nacht im Februar 2022, in der er Russlands Eingreifen in den ukrainischen Bürgerkrieg ankündigte, sprach Putin davon, wie der Westen Russland wiederholt gedemütigt habe, indem er seine legitimen Sicherheitsbedenken, einschließlich derjenigen der ethnischen Russen im Donbass, ignoriert habe. Als Hauptgrund für die militärische Intervention nannte er die aus russischer Sicht existenzielle Bedrohung durch die NATO-Erweiterung.
Russland hatte eindeutig genug von 30 Jahren rücksichtsloser Herablassung durch die USA. Putin erklärte der Welt:
„Unsere größten Sorgen und Befürchtungen [sind] die grundlegenden Bedrohungen, die unverantwortliche westliche Politiker Jahr für Jahr auf rüde und unbedachte Weise für Russland geschaffen haben. Ich spreche von der Osterweiterung der NATO, die ihre militärische Infrastruktur immer näher an die russische Grenze heranrückt.
Es ist eine Tatsache, dass wir in den letzten 30 Jahren geduldig versucht haben, mit den führenden NATO-Ländern eine Einigung über die Grundsätze der gleichen und unteilbaren Sicherheit in Europa zu erzielen. Als Antwort auf unsere Vorschläge wurden wir stets entweder mit zynischen Täuschungen und Lügen oder mit Druck- und Erpressungsversuchen konfrontiert, während das nordatlantische Bündnis trotz unserer Proteste und Bedenken weiter expandierte. Seine Militärmaschinerie ist in Bewegung und nähert sich, wie ich bereits sagte, unserer eigenen Grenze.
Warum ist das so? Woher kommt diese unverschämte Art und Weise, von der Höhe ihres Exzeptionalismus, ihrer Unfehlbarkeit und ihrer Allmacht herabzureden? Was ist die Erklärung für diese verächtliche und geringschätzige Haltung gegenüber unseren Interessen und absolut legitimen Forderungen?“
Putin sagte, die Amerikaner hätten mit Russland „gespielt“, indem sie über die NATO-Erweiterung gelogen hätten. Er bezog sich auf
„Versprechen, die NATO nicht einmal um einen Zentimeter nach Osten zu erweitern. Um es noch einmal zu sagen: Sie haben uns getäuscht, oder, um es einfach auszudrücken, sie haben mit uns gespielt. Sicher, man hört oft, dass Politik ein schmutziges Geschäft ist. Das kann sein, aber es sollte nicht so schmutzig sein, wie es jetzt ist, nicht in diesem Ausmaß. Diese Art von betrügerischem Verhalten verstößt nicht nur gegen die Grundsätze der internationalen Beziehungen, sondern auch und vor allem gegen die allgemein anerkannten Normen der Moral und Ethik.“
Putin sagte, Russland wolle schon lange mit dem Westen zusammenarbeiten. „Diejenigen, die nach globaler Vorherrschaft streben, haben Russland öffentlich als ihren Feind bezeichnet. Sie taten dies ungestraft. Machen Sie keinen Fehler, sie hatten keinen Grund, so zu handeln“, sagte er.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion habe zu einer Neuaufteilung der Welt und einer Veränderung des internationalen Rechts und der Normen geführt. Neue Regeln waren nötig, aber stattdessen „... sahen wir einen Zustand der Euphorie, der durch das Gefühl der absoluten Überlegenheit geschaffen wurde, eine Art moderner Absolutismus, gepaart mit den niedrigen kulturellen Standards und der Arroganz derer, die Entscheidungen formulierten und durchsetzten, die nur ihnen selbst passten.“
Wer ist jetzt gedemütigt?
Nach fast drei Jahren des großen Konflikts in der Ukraine sind es die Vereinigten Staaten, Europa und vor allem Joe Biden, die sich gedemütigt fühlen.
Russland hat den Krieg gewonnen: wirtschaftlich, informationell (außer im Westen) und vor Ort. Biden wird auf der Ziellinie am 20. Januar immer noch schwören, dass die Ukraine gewinnen kann. Er sagte jedoch, er habe beschlossen, den USA zu erlauben, Russland von ukrainischem Territorium aus anzugreifen, um der Ukraine zu helfen, genug russisches Territorium zu halten, das sie im Sommer in Kursk erobert hat, um bei den Gesprächen über die Einstellung der Feindseligkeiten zu handeln. Mit anderen Worten, er muss wissen, dass die Ukraine verloren hat.
Aber dies war kein Krieg zur Verteidigung der Ukraine. Es war ein Krieg, um Russlands Führer zu stürzen, wie Biden zugab, und um Russland in seine Knechtschaft der 1990er Jahre zurückzudrängen, ein Krieg, der immer noch andauert.
In seiner Rede warb Kennedy für den Weltfrieden. Er fragte:
„Welche Art von Frieden meine ich? Welche Art von Frieden streben wir an? Nicht eine Pax Americana, die der Welt durch amerikanische Kriegswaffen aufgezwungen wird. Nicht den Frieden des Grabes oder die Sicherheit des Sklaven. Ich spreche von echtem Frieden, der Art von Frieden, die das Leben auf der Erde lebenswert macht, der Art, die es Männern und Nationen ermöglicht, zu wachsen und zu hoffen und ein besseres Leben für ihre Kinder aufzubauen - nicht nur Frieden für Amerikaner, sondern Frieden für alle Männer und Frauen - nicht nur Frieden in unserer Zeit, sondern Frieden für alle Zeiten.“
Biden und andere westliche Politiker haben zu viel von ihrem Stolz, ihrer Glaubwürdigkeit und dem Geld ihrer Bürger in den Versuch investiert, mit „amerikanischen Kriegswaffen“ eine Pax Americana gegen Russland durchzusetzen. Sie zwingen Moskau vor die Wahl zwischen einem demütigenden Rückzug oder einem Atomkrieg.
Wie weit, glauben sie, können sie Russland dieses Mal treiben?
Joe Lauria ist Chefredakteur von Consortium News und ehemaliger UN-Korrespondent für das Wall Street Journal, den Boston Globe und andere Zeitungen, darunter die Montreal Gazette, die London Daily Mail und The Star of Johannesburg. Er war ein investigativer Reporter für die Sunday Times of London, ein Finanzreporter für Bloomberg News und begann seine berufliche Tätigkeit als 19-jähriger Stringer für die New York Times.
Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs war noch nie so groß wie heute – doch von einer Kriegsgefahr ist im beginnenden Wahlkampf der SPD nicht die Rede. Dort scheint man die Parole ausgegeben zu haben, das Thema Friedenspolitik tunlichst zu meiden und bloß kein kritisches friedenspolitisches Profil zu entwickeln; schon gar keins, das bei den Medien oder dem künftigen Koalitionspartner Argwohn erwecken könnte. Stattdessen wiederholt man lieber die alten abgegriffenen Slogans, die ohnehin kein Wähler mehr ernst nimmt, und inszeniert sich martialisch als Kriegspartei. Nicht nur Willy Brandt dürfte zurzeit im Grabe rotieren. Diese SPD kann auch weg. Niemand braucht sie. Ein Kommentar von Jens Berger.
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Übersetzung des Artikels von John Kiriakou auf Scheerpost
Drei irakische Überlebende der US-Folter haben Anfang November einen großen Sieg errungen, als ein Geschworenengericht des Bundesbezirksgerichts für den östlichen Bezirk von Virginia jedem von ihnen 3 Millionen Dollar Schadenersatz und 11 Millionen Dollar Strafschadenersatz zusprach, die vom amerikanischen Rüstungsunternehmen CACI zu zahlen sind, das für die grausame und unmenschliche Behandlung verantwortlich war, die sie vor mehr als zwei Jahrzehnten im irakischen Gefängnis Abu Ghraib erdulden mussten.
Das Urteil ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Erstens ist es das erste Mal, dass ein US-amerikanisches Rüstungsunternehmen wegen der Leitung eines Folterprogramms erfolgreich verklagt wurde. Zweitens erging das Urteil der Geschworenen im berüchtigten Eastern District of Virginia, dem Heimatbezirk der CIA, des Pentagons und zahlreicher Rüstungsunternehmen, darunter auch CACI. Und drittens ist dies die erste Feststellung vor einem Bundesgericht, dass es während des so genannten Kriegs gegen den Terror ein Folterprogramm gab, dass Menschen durch Folter geschädigt wurden und dass Folter illegal war. Seltsamerweise fand die Geschichte in den Mainstream-Medien so gut wie kein Echo.
Der Sachverhalt des Falles war relativ einfach. In der Klage wurde behauptet, dass Mitarbeiter von CACI Salah al-Ejaili, einen Reporter von Al Jazeera, Suhail al-Shimari, einen Schuldirektor, und Asad al-Zuba'i, einen Obstverkäufer, festgenommen und gefoltert haben. Sie wurden von CACI-Mitarbeitern über einen Zeitraum von mehreren Wochen gefoltert, unter anderem mit Elektroschocks, Stresspositionen, Hunger, Kampfhunden und Demütigung durch erzwungene Nacktheit. Diese Techniken entsprachen denen, die die CIA an so genannten „hochwertigen Gefangenen“ an geheimen „Black Sites“ in der ganzen Welt anwendet. Die Folterer von Abu Ghraib haben offenbar von den Techniken von CIA-Offizieren erfahren, die zur gleichen Zeit in dem Gefängnis Dienst taten.
Einer der Männer wurde mit einem Taser in den Kopf geschossen, die anderen erlitten Knochenbrüche. Die Kläger sagten auch aus, dass sie von einem weiblichen CACI-Mitarbeiter sexuell missbraucht und gezwungen wurden, der Vergewaltigung eines weiblichen irakischen Gefangenen beizuwohnen. Die Männer behaupteten, dass sie auch fast 20 Jahre nach der Tat noch unter den psychischen Folgen der Folter leiden.
Die Verteidigung von CACI war recht einfach. Die Anwälte des Unternehmens erklärten, dass die Mitarbeiter „nur minimalen Kontakt zu den drei Klägern in diesem Fall hatten und dass die Regierung und nicht CACI für die Misshandlungen verantwortlich sei, da die zivilen Vernehmungsbeamten unter dem Kommando und der Kontrolle des Militärs gehandelt hätten“. Mit anderen Worten, die Verteidigung lautete: „Wir haben nur Befehle befolgt“. Diese Ausrede haben wir auch in Nürnberg gehört.
Der Rechtsstreit hatte einen langen Weg hinter sich. Die Zeitspanne von 16 Jahren ist selbst für einen Bundesfall lang. Die Verzögerung des Prozesses war in erster Linie auf die Behauptung von CACI zurückzuführen, dass das Unternehmen als staatlicher Auftragnehmer, dessen Mitarbeiter im Namen der Regierung handelten, von Zivilklagen hätte freigestellt werden müssen. Letztendlich entschied das Bezirksgericht, dass das Unternehmen nicht in den Genuss eines solchen Schutzes kommt.
Der Fall wurde ursprünglich im Jahr 2008 vom Center for Constitutional Rights im Namen der Kläger eingereicht und kam schließlich im Sommer 2024 zur Verhandlung. Doch im August erklärte Richterin Leonie Brinkema den Prozess für gescheitert, als die Geschworenen kein Urteil fällen konnten. In vielen Fällen wären die Kläger davongekommen. Die Kosten für einen Prozess sind bereits unerschwinglich. Die Kosten für zwei Prozesse sind astronomisch. Aber die Kläger waren entschlossen, weiterzumachen, und die Klage wurde erneut eingereicht.
Brinkema hat die Geheimdienste unterstützt, seit er 1986 von Präsident Ronald Reagan zum Bundesrichter ernannt wurde. Brinkema war der Richter in meinem Fall, als ich wegen fünf Straftaten angeklagt wurde, nachdem ich das Folterprogramm der CIA aufgedeckt hatte. Während meiner Verurteilung, bei der ich einem Angebot des Justizministeriums von 30 Monaten Haft in einem Bundesgefängnis zugestimmt hatte, sagte Brinkema: „Herr Kiriakou, diese Strafe ist zu kurz. Wenn ich könnte, würde ich Ihnen 10 Jahre geben. Aber mir sind die Hände gebunden.“ (Meine Anwälte sagten mir später, dass Brinkema, wenn sie gewollt hätte, den Deal tatsächlich hätte ablehnen und mich zu 10 Jahren verurteilen können. Am Ende posierte sie wahrscheinlich nur für die Dutzenden von Journalisten, die an diesem Tag im Gerichtssaal waren).
Nur zweieinhalb Jahre später verurteilte sie den CIA-Whistleblower Jeffrey Sterling wegen „Spionage“ zu dreieinhalb Jahren Gefängnis, obwohl es buchstäblich keine Beweise dafür gab, dass Sterling jemals Spionage betrieben hatte. Sterling war beschuldigt worden, Informationen über eine fehlgeschlagene CIA-Operation gegen das iranische Atomprogramm an den New York Times-Journalisten James Risen weitergegeben zu haben. Der einzige Beweis war, dass Sterling und Risen im vergangenen Jahr mehr als 50 Mal miteinander telefoniert hatten. Sterling hatte jedoch eine Klage wegen Rassendiskriminierung gegen die CIA eingereicht, über die Risen berichtet hatte. Sterling behauptete, dass diese Klage das Thema ihrer Anrufe war. Sterling sagte später in seinem Buch „The Unwanted Spy“, dass er, als die ehemalige Nationale Sicherheitsberaterin und Außenministerin Condoleeza Rice, die er nie getroffen hatte, vor Gericht aussagte, dass die Enthüllung der Iran-Operation aufgedeckt wurde, „verdammt“ war, obwohl es keine Beweise dafür gab, dass die Informationen von ihm gekommen waren.
Das CACI-Urteil ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich die Geschworenen aus Einwohnern des östlichen Bezirks von Virginia zusammensetzten. Stellen Sie sich eine Jury vor, die aus Personen besteht, die für die CIA, das Verteidigungsministerium oder Dutzende von bundesstaatlichen Verteidigungsunternehmen arbeiten oder Freunde und Verwandte haben, die für sie arbeiten. Ein unparteiischer Prozess, bei dem es um eine Frage der nationalen Sicherheit geht, ist im östlichen Bezirk selten.
Doch trotz dieser Hindernisse waren die Kläger erfolgreich.
Ein weiteres Problem ist, dass es praktisch keine Medienberichterstattung über diese bahnbrechende Entscheidung gab. Sicher, es gab kurze Artikel in der Associated Press und der New York Times, aber die eigentliche Berichterstattung kam von den alternativen Medien, wie Kevin Gosztolas The Dissenter und The Intercept. Und es gab buchstäblich keinen einzigen Kommentar auf den redaktionellen Seiten der Mainstream-Medien. Nichts.
Nebenbei bemerkt unterrichte ich seit einem Jahr an der spanischen Universität Salamanca einen Kurs mit dem Titel The History of Terrorism. Ein wichtiger Teil dieses Kurses ist die Reaktion der USA auf den Terrorismus im so genannten Krieg gegen den Terror, einschließlich des Folterprogramms. Als ich das Thema Folter in der letzten Veranstaltung des Kurses im Oktober ansprach, wurde ich mit leeren Blicken empfangen. Ich fragte die Studenten, ob sie noch nie vom Folterprogramm der CIA gehört hätten. Einer der Studenten sagte schließlich: „Herr Professor, Sie wissen doch, dass wir alle nach dem 11. September geboren wurden, oder?“ Diese Bemerkung war eine Nicht-Folgerung. Die meisten von uns wurden nach dem Zweiten Weltkrieg geboren, und wir haben trotzdem vom Holocaust erfahren.
Die Tatsache, dass junge Menschen nichts über Folter wissen, die Tatsache, dass die Mainstream-Medien nicht über Entwicklungen im Zusammenhang mit Folter berichten, die Tatsache, dass wir immer noch Menschen haben, die nie eines Verbrechens angeklagt wurden und die in Guantanamo einen langsamen Tod sterben, sind allesamt politische, gesellschaftliche, kulturelle und mediale Fehler. Es ist eine sehr gute Sache, dass die CACI-Kläger ihren Fall gewonnen haben. Aber was ist der nachhaltige positive Effekt für unsere Gesellschaft, wenn niemand davon weiß? Es liegt an uns allen, dafür zu sorgen, dass wir nicht schweigen.
Manager großer Rüstungskonzerne planten vergangene Woche auf einem Geheimtreffen in Hamburg eine Konzentration der europäischen Rüstungsbranche. Europas Wehretats könnten um 280 Milliarden US-Dollar wachsen.
Mit 305 Delegierten aus 28 Ländern war es das größte dieses traditionsreichen Kontinentaltreffens. Die Delegierten kamen aus 108 Freundschaftsverbänden, Parteien, Parlamenten sowie aus Sozial-, Jugend-, Feministinnen- und Friedensorganisationen. Aus Deutschland nahmen über zwanzig Aktivisten aus acht Organisationen teil.
In den zahlreichen Redebeiträgen wurden die akuten und komplexen Problemlagen in Kuba diskutiert, darunter die Folgen der beiden Hurrikane und Erdbeben. Der Ökonom José Luis Rodriguez vom Centro de Estudios de la Economía Cubana erläuterte Probleme und Umsetzungsdefizite der eigenen Wirtschaftspolitik sowie die massiven Störungen, die durch die US-Blockade alltäglich verursacht und verschärft werden.
Die Erfahrungen vieler Teilnehmenden untermauerten die negativen Folgen der Blockade, und warnten vor den Gefahren, die von der kommenden Regierung unter Präsident Donald Trump zu befürchten seien. Die von Trump vorgesehenen Hardliner in wichtigen Positionen hätten sich bereits sehr aggressiv gegen Kuba geäußert.
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Übersetzung des Artikels von Vijay Prashad, Tricontinental Institute for Social Research
Bevor die Geschichte endet, hat der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. In der Anklageschrift heißt es, es gebe „hinreichende Gründe für die Annahme, dass beide Personen der Zivilbevölkerung im Gazastreifen absichtlich und wissentlich Gegenstände vorenthalten haben, die für ihr Überleben unentbehrlich sind, darunter Lebensmittel, Wasser, Medikamente und medizinische Versorgung sowie Treibstoff und Strom“. Das Gericht fand ausreichende Gründe für die Annahme, dass die beiden Männer „strafrechtliche Verantwortung“ für das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen - und das Kriegsverbrechen der vorsätzlichen Leitung eines Angriffs auf die Zivilbevölkerung tragen. US-Präsident Joe Biden verurteilte fast umgehend das Vorgehen des Gerichtshofs und erklärte, dass die Ausstellung von Haftbefehlen gegen israelische Führer durch den IStGH empörend sei. Die Vereinigten Staaten, so Biden, „werden immer an der Seite Israels stehen“.
Nur einen kurzen Spaziergang von Bidens Weißem Haus entfernt befindet sich Freedom House, eine 1941 gegründete Einrichtung, die hauptsächlich vom US-Außenministerium finanziert wird. Jedes Jahr veröffentlicht Freedom House seinen „Freedom in the World“-Index, in dem anhand verschiedener Daten beurteilt wird, ob ein Land „frei“, „teilweise frei“ oder „nicht frei“ ist. Gegner der Vereinigten Staaten - wie China, Kuba, Iran, Nordkorea und Russland - werden durchweg als „nicht frei“ eingestuft, auch wenn sie über Wahlverfahren und gesetzgebende Organe verschiedener Art verfügen (bei den iranischen Parlamentswahlen 2024 kandidierten beispielsweise 15 200 Kandidaten für 290 Sitze in der Beratenden Versammlung; in Kuba wurden im vergangenen Jahr die 470 Sitze der Nationalversammlung der Volksmacht von 75,87 % der Wahlberechtigten gewählt). Der Index 2024 bewertet Israel mit einer „globalen Freiheitsnote“ von 74/100 und erklärt es zum einzigen „freien“ Staat in der Region, obwohl die Autoren anmerken, dass in Israel „die politische Führung und viele in der Gesellschaft arabische und andere ethnische oder religiöse Minderheiten diskriminiert haben, was zu systemischen Ungleichheiten in Bereichen wie Infrastruktur, Strafjustiz, Bildung und wirtschaftliche Chancen geführt hat“. Nach den Maßstäben dieses vom US-Außenministerium finanzierten Indexes, der routinemäßig verwendet wird, um Länder auf der ganzen Welt zu verunglimpfen, die als unfrei gelten, wird ein Apartheidsystem, das auf Besatzung und nun Völkermord aufgebaut ist, als vorbildliche Demokratie betrachtet.
Indizes, wie der von Freedom House, sind nicht so unschuldig, wie sie erscheinen mögen. Der Aufbau des Index - der auf den subjektiven Einschätzungen von Analysten und Beratern aus der Welt der westlichen Think Tanks beruht - führt zu Ergebnissen, die oft vorgeschrieben sind. Während Freedom House behauptet, sich auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966) zu berufen, ignoriert es den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966). Letzterer würde ein viel umfassenderes Verständnis von Demokratie erfordern als die bloße Abhaltung von Wahlen und die Existenz mehrerer politischer Parteien. Allein Artikel 11 des zweiten Paktes würde den Begriff der Demokratie um das Recht auf Wohnung und das Recht, nicht hungern zu müssen, erweitern. Wie in Artikel 4 festgestellt wird, besteht das Ziel des Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte darin, „das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft“ zu fördern. Der Begriff „Demokratie“ wird hier im weitesten Sinne verwendet und geht weit über das einfache Wahlrecht hinaus. Und selbst in Bezug auf die Wahlbeteiligung gibt es im Freedom-House-Index kaum Bedenken wegen der hohen Wahlenthaltung in den liberalen Demokratien und wegen des Zusammenbruchs einer lebendigen Medienkultur, die die politischen Parteien und Führer zur Rechenschaft zieht.
Aber was kümmert es diejenigen, die hinter solchen Indizes stehen? Sie halten sich für die Herren des Universums. Die Reaktionen auf die IStGH-Anklage aus den Vereinigten Staaten und Deutschland - den beiden Ländern mit den größten Waffenlieferungen an Israel während dieses Völkermords - waren erwartet, aber dennoch schockierend. Bidens unbekümmerte Reaktion bestätigt, dass die Vereinigten Staaten die Schwere ihrer Gefühllosigkeit entweder nicht verstehen oder sich nicht darum scheren, und dass die Vereinigten Staaten nicht begreifen, dass ihre Ablehnung der IStGH-Haftbefehle der letzte Nagel im Sarg der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung“ der USA ist. Zur Frage der Kaltschnäuzigkeit: Vor den US-Präsidentschaftswahlen 2024 erklärte die Biden-Regierung, dass Israel innerhalb von dreißig Tagen Hilfsgüter nach Gaza liefern müsse, andernfalls würde ein Waffenstillstand verhängt. Die „regelbasierte internationale Ordnung“ war schon immer eine kleine Farce. Im Jahr 2002, während des von den USA geführten Krieges gegen den Terror, debattierte der US-Kongress über die Möglichkeit, einen US-Soldaten oder CIA-Agenten wegen eines Kriegsverbrechens anzuklagen. Um diesen Soldaten oder Agenten zu immunisieren, verabschiedete der US-Kongress den American Servicemembers' Protection Act, der weithin als „Haager Invasionsgesetz“ bezeichnet wurde. Das Gesetz besagt zwar nicht, dass die USA in die Niederlande einmarschieren können, um das Personal des IStGH zu befreien, aber es besagt, dass der US-Präsident „befugt ist, alle notwendigen und angemessenen Mittel einzusetzen, um die Freilassung einer Person zu erwirken, die vom Internationalen Strafgerichtshof, in dessen Auftrag oder auf dessen Ersuchen festgenommen oder inhaftiert wurde“. Etwa zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Gesetzes traten die Vereinigten Staaten offiziell aus dem Römischen Statut (1998) aus, mit dem der Internationale Strafgerichtshof gegründet wurde.
Sowohl die US-Senatoren Tom Cotton als auch Lindsey Graham haben sich auf das Haager Invasionsgesetz berufen, nachdem der IStGH Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant ausgestellt hatte. Graham ging sogar so weit zu sagen, dass der US-Senat Sanktionen gegen Verbündete wie Kanada verhängen sollte, weil diese die Frechheit besaßen, vorzuschlagen, dass sie die Haftbefehle aufrechterhalten würden. Wenn die USA die ICC-Haftbefehle in den Wind schlagen, dann haben sie der Welt endgültig gesagt, dass sie nicht an die Regeln glauben oder dass die Regeln nur dazu da sind, andere zu disziplinieren und nicht sie selbst. Es ist bemerkenswert, die Liste der internationalen Verträge zu sehen, die die Vereinigten Staaten entweder nie unterzeichnet oder nie ratifiziert haben. Einige wenige Beispiele reichen aus, um ihre Missachtung einer echten, auf Regeln basierenden internationalen Ordnung zu verdeutlichen:
Noch erschreckender sind die Rüstungskontrollübereinkommen, deren Unterzeichnung die Vereinigten Staaten entweder verweigert haben oder aus denen sie sich einseitig zurückgezogen haben:
Der Konflikt um die Ukraine hat sich so sehr entzündet, weil die USA einseitig aus dem ABM-Vertrag und dem INF-Vertrag ausgestiegen sind. Russland hatte mehrfach deutlich gemacht, dass das Fehlen eines Rüstungskontrollregimes für nukleare Mittelstreckenraketen eine Bedrohung für seine Großstädte darstellen würde, wenn seine Nachbarn der Nordatlantikvertragsorganisation (NATO) beitreten würden. Am 18. November erlaubte Biden der Ukraine in einer provokativen und gefährlichen Aktion, Mittelstreckenraketen auf russisches Territorium abzufeuern, was eine heftige Reaktion Russlands auf die Ukraine zur Folge hatte. Hätte sich Russland entschlossen, als Vergeltung eine dieser Raketen auf einen US-Stützpunkt in Deutschland abzufeuern, könnten wir uns bereits mitten in einem nuklearen Winter befinden. Die Missachtung des Rüstungskontrollregimes durch die USA ist nur ein Teil ihrer absoluten Missachtung jeglichen internationalen Rechts, die durch ihren erhobenen Mittelfinger gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof besiegelt wird.
1982 veröffentlichte der südafrikanische Freiheitskämpfer und Dichter Mongane Wally Serote (geb. 1944), der in Botsuana lebte und mit dem Medu Art Ensemble arbeitete (über das wir letztes Jahr ein Dossier geschrieben haben), in seinem epischen Buch The Night Keeps Winking den Satz „Die Zeit ist abgelaufen“. Viele von uns sind verrückt geworden“, schrieb er, weil ‚wir Menschen sind und dies unser Land ist‘. Serote schrieb über Südafrika, aber wir können seine Vision jetzt auf Palästina, ja auf die ganze Erde ausdehnen. Und dann schreibt Serote:
Zu viel Blut ist vergossen worden
Bitte, meine Landsleute, kann jemand ein Wort der Weisheit sagen ...
Ah, wir haben uns mit dem Grauen vertraut gemacht
das Herz unseres Landes
wenn es seinen Pulsschlag macht
tickende Zeit
uns verwundet
Meine Landsleute, kann jemand, der begreift, dass es jetzt zu spät ist
der weiß, dass Ausbeutung und Unterdrückung wahnsinnige Gehirne sind,
die nur Gewalt kennen
kann uns jemand lehren, wie man die Wunden heilt und kämpft.
Es ist an der Zeit, die „große Wunde“, wie Frantz Fanon 1959 schrieb, wieder aufzugreifen, die Wunde zu reiten und zu kämpfen.
Zu Beginn dieses Jahres hat Serote ein Gedicht für Palästina geschrieben, von dem ich einen Teil für den Internationalen Tag der Solidarität mit Palästina (29. November) wiedergebe; an diesem Tag organisieren wir bei Tricontinental eine Ausstellung mit den Kunstwerken des palästinensischen Künstlers Ibraheem Mohana und zwanzig Kindern, denen er in Gaza inmitten des israelischen Völkermords Kunstunterricht erteilt hat.
Wir hören mit unseren Augen die Geräusche der Sirene und der Explosion
Wenn sie unser Auge und unser Gehör sprengt
und das rote Feuer
lodert sein Kommen in der Luft mit der Kraft eines Sturms
Das rotglühende Feuer hält Menschenfleisch in seinem rotglühenden Tanz
Ihm ging ein dicker schwarzer Rauch voraus
Der brüllt und wütet
Auf
Oh
Menschheit
Und dann endet es...
Ach Palästina!
Sei.
Übersetzung des Artikels von Timothy Snyder auf Substack
Geschichte erdet uns.
Die Geschichte kann uns helfen, unseren Halt zu finden. Das liegt nicht daran, dass wir immer wissen können, was als Nächstes passieren wird. Es liegt vielmehr daran, dass die Geschichte uns einige konsistente Muster des menschlichen Lebens vertraut machen kann.
Solche Anstöße zum Weiterdenken sind keine Analogien. Wenn wir in Analogien denken, bleiben wir an den Unterschieden hängen, und das wird dann zu einer Ausrede, um nicht historisch zu denken. Natürlich wird das, was in den 2020er Jahren auf uns zukommt, nicht genau so sein wie die 1790er oder 1860er oder 1930er oder 1990er Jahre - die Referenzpunkte, die ich hier wähle.
Aber wenn wir uns diese Epochen (oder andere) ins Gedächtnis rufen, können wir anfangen, gewisse Ähnlichkeiten und Muster zu erkennen, und uns selbst wieder zum Nachdenken bringen.
In diesem Sinne biete ich diese vier Szenarien für Trumpomuskovia an, das muskotrumpierte Amerika, das bereits vor uns liegt.
Die 1790er Jahre. Die Rettung Russlands
Ein mögliches Trumpomuskovia rettet Russland: aktiv, passiv oder einfach durch Zusammenbruch. Dieses Szenario stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert, aus der Zeit der Teilungen Polens.
Das nur wenige Jahrzehnte zuvor gegründete Russische Reich der Zarin Katharina befand sich in Schwierigkeiten. Es hatte keine klare Nachfolgeregelung, und Katharina selbst war die deutsche Ehefrau eines ermordeten Zaren (ihres Mannes). Es rettete sich durch einen Krieg in der Ukraine und brachte deren fruchtbare Gebiete unter seine Kontrolle. Zum Glück für Katharina die Große litt ihr westlicher Nachbar, Polen, unter einer enormen Ungleichheit des Wohlstands und war von Kämpfen zwischen Magnatenclans - oder, wie wir heute sagen würden, Oligarchen - zerrissen. Einer ihrer früheren Liebhaber wurde zum König ernannt. Er tat nicht immer, was sie wollte, aber sein Polen konnte keinen wirksamen Widerstand leisten. In dieser Situation konnte Russland in Polen intervenieren, dessen Teilung herbeiführen und die Ukraine für sich beanspruchen (womit die relativ kurze historische Periode begann, in der die Ukraine von Russland aus regiert wurde).
Heute befindet sich die vor einigen Jahrzehnten gegründete Russische Föderation ebenfalls in Schwierigkeiten. Sie hat keine klare Nachfolgeregelung, da ihr Herrscher die Demokratie abgeschafft und eine persönliche Diktatur errichtet hat. Er träumt von der Einheit Russlands mit der Ukraine, die sich in erheblichem Maße auf die Heldentaten der Kaiserin Katharina aus dem achtzehnten Jahrhundert stützt. Wie Katharina setzt auch Putin auf Spaltungen innerhalb der westlichen Mächte (und zwischen ihnen). Sein Feldzug für die Ukraine war äußerst blutig und hat die russische Wirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs gebracht.
Aber wie Catherine hat auch Putin Favoriten, die der Macht nahe stehen: Musk und Trump. Sie werden nicht immer genau das tun, was er will, aber wahrscheinlich werden sie es im Allgemeinen tun, und sie werden mit Sicherheit eine zersplitterte Oligarchie hervorbringen. Putin rechnet damit, dass das Musk-Trump-Regime ihn retten wird, indem es die amerikanische Macht von seinen Verbündeten ab- und Russland zuwendet. Einige von Trumps vorgeschlagenen Ernennungen und ein Großteil von Musks Rhetorik deuten darauf hin, dass die Rettung Russlands Priorität haben wird.
Die 1860er Jahre. Sezession
Als Polen Ende des 18. Jahrhunderts geteilt wurde, war das ein Schock. Konnte ein großes Land einfach von der Landkarte verschwinden? Ein zweites Szenario bietet sich in den 1860er Jahren an, als die Vereinigten Staaten dies beinahe getan hätten.
Einige polnische Rebellen wie Tadeusz Kościuszko und Kazimierz Pułaski überquerten den Atlantik, um der jungen amerikanischen Republik zu helfen, von der sie sich erhofften, dass sie die gleichen Fehler wie sie selbst machen würde. Kościuszko sah in der Sklaverei einen Fluch, der die Vereinigten Staaten schwächen konnte, so wie die Leibeigenschaft Polen geschwächt hatte. Im Gegensatz zu Polen hatte die junge amerikanische Republik keine großen Nachbarn, zumindest nicht nach dem Kauf von Louisiana 1803 und dem Rückzug der Briten nach dem Krieg von 1812. Aber das Problem der Sklaverei reichte fast aus, um die amerikanische Republik zu zerbrechen. Nach dem Bürgerkrieg konnten die Weißen in den Südstaaten eine unverhältnismäßig große politische Macht ausüben, indem sie Afroamerikaner am Wahlrecht hinderten und zunächst die Demokratische und dann die Republikanische Partei dominierten.
Die Vereinigten Staaten im Jahr 2025 werden in gewissem Sinne der Sieg des alten Südens sein. Aber ist er auch nachhaltig? Wenn Menschen sich für Rebellen halten, gehen sie manchmal zu weit, wenn sie tatsächlich die Macht haben. Die von Trumpomuskovia vorgeschlagene Sozial- und Kulturpolitik ist in weiten Teilen des Landes Mainstream, aber nicht für den Großteil der Bevölkerung. Und die Umsetzung einiger dieser Maßnahmen, insbesondere der Massenabschiebung, kann Bruchlinien innerhalb der Bundesregierung, zwischen der Bundesregierung und den Bundesstaaten und zwischen den Bundesstaaten offenlegen. Der Versuch, im Jahr 2025 Millionen von Menschen abzuschieben, könnte zu Konflikten innerhalb der Streitkräfte und zu Kämpfen um die Kontrolle über die Streitkräfte führen. Längerfristig könnte eine repressive Sozial- und Kulturpolitik zu Bevölkerungsverschiebungen führen, die die Unterschiede zwischen den Bundesstaaten noch größer machen, als sie ohnehin schon sind. Trump hat seinem Volk bereits gesagt, dass die Unterschiede zwischen ihm und dem „inneren Feind“ größer sind als die zwischen Amerika und China oder Amerika und Russland.
Wird Trumpomuskowien stabil sein? Es ist kein großer Sprung, wenn Menschen beschließen, nach Kalifornien zu ziehen, weil der Staat es allein schaffen könnte und bereits eine Abspaltungsbewegung hat. In der Tat finden diese Bewegungen bereits statt.
Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Schritt, über Konstellationen von Staaten nachzudenken, die wohlhabender und funktionaler wären als die derzeitigen Vereinigten Staaten. Eine Union an der Westküste wäre sicherlich reicher und hätte ihre eigenen Grenzen zu Kanada und Mexiko.
Es ist traurig, darüber nachzudenken. Aber die nächste Runde des Grübelns könnte leicht folgen: Eine Union der Westküste plus Kanada plus Neuengland, New York und Minnesota hätte eine Wirtschaft, die etwa 2/3 so groß wäre wie das, was von den Vereinigten Staaten übrig geblieben ist, mit einem weit höheren Pro-Kopf-BIP, einem besseren Lebensstandard und einer längeren Lebenserwartung - wenn man nur von den heutigen Zahlen ausgeht.
Ein solches hypothetisches Land müsste sich nicht um den Freihandel mit Kanada kümmern, da es Kanada wäre; und es müsste sich nicht um den Freihandel mit Mexiko kümmern, da es eine Grenze mit Mexiko hätte. Anders als die verbleibenden Vereinigten Staaten, auch bekannt als Trumpomuskovia, würde es keinen Handelskrieg mit der Europäischen Union führen.
Die 1930er Jahre: Wahlfaschismus
Dies ist das bekannteste der Gedankenexperimente und bedarf daher wahrscheinlich der geringsten Ausarbeitung. Die Ähnlichkeiten sind alle bekannt.
Ein Politiker, der einen Putschversuch unternommen hat, kommt später trotzdem an die Macht, und zwar aufgrund von Wahlen, mit einer Minderheit der Gesamtstimmen. Er wird von Konservativen unterstützt, die die Linke leiden sehen wollen, und von Unternehmern, die sich vorstellen, dass er nur die Gewerkschaften unterdrücken wird. Dieser Politiker spricht wütend von den Medien als „Feind des Volkes“ und verurteilt seine politischen Gegner als „inneren Feind“. Er hofft auf irgendeine Art von Notfall, um den permanenten Ausnahmezustand auszurufen - bei Hitler war dies der Reichstagsbrand von 1933, bei Trump könnte es sich um etwas völlig Phantastisches handeln. In dieser Phase des Faschismus konnte ein Ereignis in der realen Welt zum Bestandteil einer Verschwörung gemacht werden; in der gegenwärtigen Phase ist das Ereignis in der realen Welt vielleicht nicht einmal notwendig.
Trump spricht, aus seiner faschistischen Perspektive vernünftig genug, von „Hitlers Generälen“. Was Trump im Sinn hat, ist Hitlers persönliche Kontrolle über die Streitkräfte, die 1934 begann, als Soldaten und Offiziere begannen, einen persönlichen Eid auf den Führer zu schwören, anstatt einen Eid auf die deutsche Verfassung abzulegen. Dieses Ereignis machte Hitler zum Führer und nicht mehr nur zum Kanzler oder Ministerpräsidenten. Hitlers Männer eröffneten ihr erstes Konzentrationslager gleich nach seiner Machtübernahme; wenn Trumps Männer in der Lage sind, Millionen von Nicht-Staatsbürgern zusammenzutreiben, werden auch sie in Lagern landen - eine Institution, die, wie wir wissen, zu anderen Zwecken als den ursprünglichen genutzt werden kann. Die erste große Gewalttat von Hitlers SS war neben der Errichtung und dem Betrieb dieser Lager eine Massendeportation von Nicht-Staatsbürgern.
Aus diesem Szenario ergeben sich die politischen Lehren, die ich in anderen Beiträgen und in On Tyranny versucht habe, bekannt zu machen.
Die 1990er Jahre: Russland neu erleben
Das vierte und letzte Szenario ist eines, an das sich einige von uns erinnern werden. Die 1990er Jahre in Russland können nicht nur als Bezugspunkt, sondern auch als Ursprungsgeschichte von Trumpomuskovia betrachtet werden. In meinem Buch Der Weg zur Unfreiheit habe ich zu argumentieren versucht, dass Russland mit seiner Oligarchie, seinen Medienmonopolen und seinem Faschismus eine mögliche Zukunft für die Vereinigten Staaten aufzeigt. Nie war es sinnvoller, mit einer Analyse zu beginnen als jetzt.
In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, kämpften Männer, die als Oligarchen bekannt wurden, um die Kontrolle über die Teile der Wirtschaft, die schnelle Gewinne abwerfen könnten - die Mineralien, die Metalle, die Pipelines, die Kohlenwasserstoffe. All dies geschah vor dem Hintergrund einer - vor allem im Westen - entweder äußerst naiven oder äußerst zynischen Ideologie der freien Marktwirtschaft: Was immer in Russland geschieht, muss das Beste sein, denn ohne den Staat werden die magischen Kräfte des Kapitalismus für Wachstum, Freiheit und Demokratien sorgen. Stattdessen führte der Zusammenbruch des Staates zu ungleichem Reichtum, einem Kampf um die endgültige Kontrolle an der Spitze, der Perfektionierung alternativer Realitäten und medialer Desinformation und nun zu Faschismus und einem grausamen Krieg gegen die Ukraine.
In diesem Kampf wurde ein tattriger gewählter Präsident, Boris Jelzin, von einer Gruppe von Oligarchen umzingelt. Dem von ihnen gewählten Nachfolger, Wladimir Putin, gelang es schließlich, sie alle zu bändigen und zum Oligarchenkönig, zum Chef der Bosse, zu werden. Dabei räumte er nicht mit dem System auf, sondern sorgte lediglich dafür, dass der ganze Schmutz ihm gehörte. Diese Situation ähnelt sehr stark dem heutigen Amerika, mit einem älteren Präsidenten, Donald Trump, umgeben von einer Gruppe von Oligarchen. Die Oligarchen haben seinen Nachfolger gewählt: JD Vance.
Im Moment ist es sehr schwer zu sagen, wer eigentlich das Sagen hat, wenn überhaupt jemand. Alle Schlagzeilen drehen sich um schockierende Persönlichkeiten, die sich in keiner Weise mit den größeren Interessen des Landes identifizieren. Elon Musk und seine zahme DOGE scheinen darauf aus zu sein, die Teile der amerikanischen Regierung, die profitabel sind, zu demontieren und für sich zu vereinnahmen. All dies erinnert an den späten Jelzin und damit an den Übergang von Putin. Ein Unterschied: Ketamin und Fentanyl für das Weiße Haus, nicht Wodka wie damals im Kreml.
Der Clou: Es gibt tatsächlich personelle Überschneidungen in den beiden Szenarien, und so haben wir es jetzt vielleicht mit einer Geschichte zu tun und nicht mit der Vergangenheit als Inspiration für die Gegenwart. Als Putin im Jahr 2000 zum Präsidenten Russlands gewählt wurde, hätte sich niemand vorstellen können, dass er nicht nur die Oligarchen überleben, sondern auch ihr Chef werden und ein Vierteljahrhundert später immer noch regieren würde. Ist also der Putin in diesem Szenario... Putin?
Es ist verlockend, sich vorzustellen, dass Putin, der jetzt als einer der Oligarchen im Umfeld von Trump betrachtet werden muss, auch unerwartet an die Spitze gelangen könnte, wenn Amerika das Russland der 1990er Jahre wiederbelebt. Er nimmt auf jeden Fall einen großen Teil von Trumps Denkraum ein. Er arbeitet daran, Trump zu schikanieren und ihm das Gefühl zu geben, untergeordnet zu sein (indem er zum Beispiel Nacktbilder seiner Frau im Fernsehen zeigt). Nikolai Patruschew, eine zentrale Figur im russischen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat unter Putin, erinnert Trump daran, dass er Schulden zu begleichen hat. Putin hat eindeutig gleichgesinnte Verbündete um Trump, vor allem Musk. Einige der Personen an der Spitze von Trumps bevorzugtem nationalen Sicherheitsteam (Gabbard, Hegseth) mischen Putinismus und Anti-Qualifikationen.
Oder ist der Putin in diesem Szenario Vance? Putin ist jetzt 72 Jahre alt, und Trump ist jetzt 78. Wird einer von beiden in vier Jahren noch da sein? Putins Massenmörder-Klient Assad ist in Syrien auf der Flucht und der Rubel ist weit unter einem Pfennig. Irgendwann, so kann man sich zumindest vorstellen, verblasst Putins Charisma. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Trump oder Putin oder beide von der Insel der Oligarchen vertrieben werden. Putin hat nach den 1990er Jahren als Außenseiter gewonnen; wer ist jetzt das dunkle Pferd? Vance kommt einer Putin-ähnlichen Figur in diesem Szenario am nächsten: merkwürdiger Hintergrund, weniger Geld als die Leute um ihn herum, reiche Gönner, klare Ideologie, schlauer als er scheint. Aber könnte einer seiner Oligarchen-Gönner tatsächlich an die Spitze kommen?
Oder könnte Trump selbst, obwohl er wie Jelzin aussieht, uns überraschen und am Ende der Putin des Szenarios sein, der sich erst den Oligarchen annähert, dann die Regierung benutzt, um sie auszusperren, und schließlich selbst reich wird, wie er es immer wollte?
Aber wenn unser Szenario „Wiederbelebung Russlands“ das hilfreiche Szenario ist, dann ist der entscheidende Punkt der Ähnlichkeit die Demontage der Regierung und der oligarchische Anspruch auf das, was übrig ist. Wer am Ende an der Spitze steht, ist in gewisser Weise zweitrangig.
Kombinationen
Die Geschichte ist hilfreich, denn alles, was geschehen ist, hätte auch geschehen können. Und die Dinge, die hätten passieren können, sind in der Regel zu diesem Zeitpunkt unerwartet und regen unsere Fantasie an, was passieren könnte.
In der nahen Zukunft, in den kommenden Monaten und Jahren, können sich diese vier Szenarien überschneiden und kombinieren. Ein Trumpomuskowien, das versucht, Russland zu retten, kann auch eines sein, das Russland neu erlebt. Ein Trumpomuskowien, das faschistisch aussieht, ist auch eines, das die Gefahr einer Sezession birgt.
Die Geschichte warnt. Es wäre schön, wenn diese Szenarien den Menschen in verantwortlichen Positionen helfen würden, gute Entscheidungen zu treffen.
Die Geschichte überrascht. Auffallend ist, dass die Ukraine in den meisten Szenarien vorkommt: im alten russischen Reich, im jetzigen, und übrigens auch bei Hitler, dessen wichtigstes Kriegsziel die Kontrolle der Ukraine war. Die Ukraine ist eine nützliche Abkürzung, wenn wir versuchen, die Trumpomuskoviten zu bewerten: Was sagen sie über die Ukraine? Als Faustregel gilt, dass diejenigen, die den Sturz der Ukraine wollen, auch den Sturz der amerikanischen Republik wollen. Ich gehe davon aus, dass die ersten Aktionen in Bezug auf die Ukraine ein Vorbote dessen sein werden, was auf Amerika zukommt, wenn die Ukraine verkauft wird, erwarten Sie, dass Amerika in Einzelteilen verkauft wird.
Geschichte belebt. Sie lässt uns über den Tellerrand der täglichen Schandtaten und unserer emotionalen Reaktionen blicken. Wenn wir über den Tellerrand hinausschauen, erhaschen wir manchmal einen Blick auf das, was sich darin befindet. In allen vier vergangenen Momenten sehen wir das Problem der Ungleichheit irgendwo in der Nähe des Ursprungs des politischen Zusammenbruchs. Jede zukünftige Rettungsaktion für die amerikanische Republik wird dort beginnen müssen.
Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen
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"Die Verpflichtung zum Widerstand beginnt dort, wo man erstens das Verbrechen und den Katastrophenweg erkennt, und zweitens die Möglichkeit hat, etwas dagegen zu tun" (Kurt Sendtner)
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Reden und diskutieren wir mit Andersdenkenden - Setzen wir uns für unsere Anliegen ein - Demonstrieren wir - Seien wir Ungehorsam - Handeln wir friedlich.