Verschmutzung, Klima, Ernährung - Teil 03
ab Juni 2025


02.06.2025 Lange Schatten der Industriegeschichte

"Die Geschichte der Schweizer Industrie gilt allgemein als eine Erfolgsgeschichte: Wohlstand, Innovation, Bedeutung eines kleinen Landes auf dem Weltmarkt werden ihr zugutegehalten. Auf der Schattenseite erwähnt die Geschichtsschreibung überlicherweise die im 19. Jahrhundert akute "Soziale Frage", die dann aber im Lauf des 20. Jahrhunderts dank Ausbau des Sozialstaates gut gelöst worden sei. Nun erzählt die Historikerin Claudia Aufdermauer eine andere Geschichte der Industrialisierung: Die Geschichte der vergifteten und vergiftenden Schweiz, die Umweltbelastung als langanhaltender Schatten."

Zum Artikel (PDF) aus dem A-Bulletin der zweiten Maihälfte 2025, mit freundlicher Genehmigung des Verfassers Hannes Lindenmeyer


04.06.2025 Kantone könnten bald hochgiftige Insektizide im Wald zulassen

Der Bundesrat schob den Bienenschutz vor. Doch sogar die Imker sind dagegen. Umweltorganisationen und Experten schlagen Alarm.

Im Schweizer Wald dürfen grundsätzlich keine Gifte versprüht werden. Doch in begründeten Ausnahmefällen können Kantone Pestizide trotzdem erlauben. Nun will der Bundesrat die Regelung weiter lockern. Neu sollen auch Biozide in Ausnahmefällen zugelassen werden können. Darunter wären auch Mittel, die so giftig sind, dass ihr Einsatz derzeit in der Landwirtschaft nicht erlaubt ist.

Anlass für die Verordnungsrevision war gemäss Bundesrat die Asiatische Hornisse, welche insbesondere Bienenvölker angreift und ihre Nester im Wald baut. Ihre Ausbreitung soll gemäss Vorschlag in Ausnahmefällen auch durch Biozide gestoppt werden können. Die Bewilligung dafür würde durch die Kantone erteilt.

Doch die Schweizer Imker haben den Einsatz hochgiftiger Stoffe nie gefordert. Sie sind zwar zufrieden, dass sie mit der neuen Verordnung mehr Spielraum im Kampf gegen die Hornisse hätten. Doch auch sie stellen sich vehement gegen die Giftstoffe, die neu erlaubt sein sollen. «Wir sind auch dagegen, dass hochgiftige Stoffe im Wald versprüht werden dürfen», sagt Mathias Götti Limacher, Geschäftsführer des Imkerverbands Apisuisse, gegenüber Infosperber.

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04.06.2025 Verhängnisvoller Stacheldraht in der Unesco-Biosphäre

An vielen Orten in der Schweiz verschandeln Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg die Natur. Eine Rückbau-Aktion.

Wenn Samuel Christen nach Feierabend den Hirseggwald hochlief, um weiter oben an den Kalkfelsen knifflige Kletterrouten zu begehen, deren schönste die Locals «Shakira» tauften, regte er sich immer auf. Da standen im natürlich verwilderten Mischwald unweit vom luzernischen Flühli Dutzende von spitzen Eisenstangen, an denen mehrere Linien Stacheldraht verknotet und weiträumig ausgebreitet waren. 

Der «Militärschrott» aus dem Zweiten Weltkrieg rostet hier seit Jahrzehnten vor sich hin und gefährdet Gemsen, Hirsche oder Rehe auf der Suche nach Schutz und Nahrung. «Ich dachte immer, dass irgend jemand diese Drähte schon lange weggeräumt haben sollte, sei es die Armee oder die Jäger», sagt Christen. «Leider gibt es viele solche Hinterlassenschaften im Entlebuch.»

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10.06.2025 Auf dem Weg zu einer radikalen Ökologie

Übersetzung des Artikels aus Anarchism:

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass wir an einem Wendepunkt der Geschichte stehen.
Unsere kollektive Reaktion auf die globalen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, wird nicht nur über unser Schicksal in den nächsten Jahren, sondern in den kommenden Jahrzehnten – vielleicht sogar im nächsten Jahrhundert – entscheiden. Die Coronavirus-Pandemie war natürlich das dominierende Thema des Jahres 2020, doch die Klimakrise hat im Hintergrund weder Halt gemacht noch an Tempo verloren. Buschfeuer ziehen Jahr für Jahr um den Globus, und die Kipppunkte, ab denen keine Rückkehr mehr möglich ist, überschreiten wir einen nach dem anderen. Die Zeit läuft ab.

Doch dies ist nicht nur eine Zeit existenzieller Angst – es ist auch eine Zeit, die das Potenzial tiefgreifender, transformativer Veränderungen in sich trägt. Dies könnte ein Zeitalter des Überflusses und Wohlstands sein, wenn nur die Früchte unserer kollektiven Arbeit gerecht unter allen Menschen aufgeteilt würden; wenn Gemeinschaften die Freiheit und Autonomie hätten, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu bestimmen; wenn Arbeiter*innen weltweit die Macht hätten, ihre Energie auf wirklich produktive und erfüllende Arbeit zu richten – nicht auf die sinnlose und entwürdigende Arbeit, die ihnen von der „unsichtbaren Hand des Marktes“ oder dem groben Arm des Staates aufgezwungen wird. Diese Kluft zwischen dem, was ist, und dem, was sein könnte, ist das revolutionäre Potenzial unserer Zeit. Die Möglichkeit einer wirklich sozialistischen und harmonischen Gesellschaft liegt nun in Reichweite – wenn wir nur den Willen und den Mut hätten, sie zu ergreifen.

Dieser Artikel will den Rahmen für eine Debatte schaffen, die geführt werden muss, wenn wir die Klimakrise wirklich angehen wollen. Wir müssen als Anarcho-Kommunistinnen herausfinden, wie unsere Vorstellungen von einer libertären, sozialistischen Revolution mit den materiellen und wissenschaftlichen Bedingungen, die durch den Klimawandel und die Umweltkrise entstehen, vereinbar sind – ohne dabei unser Bekenntnis zu voller und positiver Freiheit für alle Menschen zu gefährden. Wir müssen diese Ideen zuerst als Linke definieren und verteidigen, um eine Vereinnahmung radikaler Klimamassnahmen durch den „grünen Kapitalismus“ oder „marktorientierte Lösungen“ zu verhindern. Als Anarchistinnen müssen wir jedoch auch Lösungen kritisieren, die vollständig auf aufgeblähte staatliche Bürokratien setzen – wie etwa den Green New Deal –, denn diese behandeln nur einen Teil des Problems.

Dies ist keine Diskussion, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte, und wir stellen diese Ideen nicht einfach zur Diskussion. Es handelt sich nicht um eine akademische Übung, sondern um eine ernsthafte Antwort auf eine ernste, greifbare und unmittelbare Bedrohung. Wir behaupten auch nicht, selbst alle Lösungen für diese Krise zu haben – wir wollen lediglich eine Diskussion anstossen, damit lokal relevante und wirksame Lösungen organisch entstehen können.

Der Dritte Weg: Der anarchistische Ansatz

Konfrontiert mit den beiden gängigen Ansätzen zur Bekämpfung des Klimawandels – grünem Kapitalismus und zentralisierter staatlicher Intervention – fühlen wir Anarchist*innen uns, als stünden wir zwischen Baum und Borke. Eines der Grundprinzipien anarchistischen Denkens ist, dass jeder Staat – auch jene, die sich „sozialistisch“ nennen – ein inhärent gewalttätiges Gebilde ist, das die Individuen, die er regieren soll, entfremdet. Die natürliche Funktion eines Staates besteht darin, Macht in der Gesellschaft zu zentralisieren und zu bürokratisieren – was die Autonomie von Gemeinschaften und Individuen einschränkt und die notwendige lokale Innovationskraft im Umgang mit Krisen hemmt.

Wir lehnen staatlich gelenkte Lösungen also nicht einfach aus Prinzip ab. Das Kernproblem besteht darin, dass der Staat völlig unfähig ist, die spezifischen Probleme jeder einzelnen Gemeinschaft in seinem Zuständigkeitsbereich zu lösen – und deshalb nicht in der Lage ist, auf die lokal unterschiedlichen Dynamiken der Klimakrise zu reagieren. Diese Schwäche ist auf die Zentralisierung und den Autoritarismus zurückzuführen, die dem Staat sowohl in kapitalistischen als auch in sozialistischen Wirtschaftssystemen innewohnen. Zentralisierung bedeutet in diesem Kontext die Konzentration von Entscheidungsgewalt in einer einzigen Institution, die diese Macht nach unten delegiert. Ihr vermeintlicher Vorteil liegt in der Möglichkeit, einheitliche Regeln und Massnahmen durchzusetzen.

Ein Beispiel wäre die Durchsetzung eines landesweiten Umstiegs auf erneuerbare Energien. In der Realität aber entzieht die Zentralisierung den Menschen und Gemeinschaften ihre politische Autonomie und entfernt sie von den Entscheidungsprozessen, die ihr Leben bestimmen. Statt dass die Menschen vor Ort selbst entscheiden, wie sie ihre Umwelt im Einklang mit ihren Bedürfnissen gestalten wollen, übernimmt das eine zentrale Behörde (z. B. das australische Ministerium für Planung, Industrie und Umwelt). Dies impliziert, dass die Gemeinschaft „nicht besser wisse“, und schafft unnötige Machthierarchien, die zu verschwenderischen und oft schädlichen Ergebnissen führen. Angesichts der Komplexität und Variabilität der Klimakrise müssen unsere Lösungen ebenso flexibel und reaktionsfähig sein – zentralisierte Bürokratien sind dafür weder geeignet noch wünschenswert.

Tatsächlich zeigen Studien, dass Gemeinschaften, die vollständig befähigt sind, demokratische Entscheidungen über Themen zu treffen, die sie direkt betreffen, oft weitaus bessere Umweltverwalter sind als zentrale Behörden. Elinor Ostrom zeigte in ihrem mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Buch Governing the Commons, dass lokale Gruppen – etwa türkische Fischer – nachhaltige, selbstverwaltete Modelle erfolgreich umsetzen können. Das heisst nicht, dass wissenschaftliche Expertise überflüssig sei. Im Gegenteil – um ihr Umfeld effektiv zu verwalten, brauchen Gemeinschaften Wissen. Doch laut Ostrom sind es die Menschen vor Ort, die dieses Wissen am besten anwenden können.

Ähnlich wie Arbeiter*innen am besten ihre eigenen Arbeitsbedingungen regeln können, sind Gemeinschaften am besten in der Lage, ihre Umwelt nachhaltig zu verwalten. Indigene Völker weltweit haben über Jahrtausende ihre Ökosysteme ohne externe „Experten“ oder Regierungen erfolgreich verwaltet – ein Fakt, der zwar oft anerkannt, aber selten wirklich respektiert wird. Wenn wir es ernst meinen mit Dekolonisierung und Antikapitalismus, dann sind dezentrale Verwaltung und anti-hierarchische Demokratie entscheidend für unsere revolutionäre Bewegung.

Ökologie als radikale Wissenschaft

Diese Kritik an Zentralisierung und Bürokratie ist ein zentraler Bestandteil anarchistischer Theorie. Ihre Anwendung auf Umweltzerstörung und Klimakrise basiert auf der Sozialen Ökologie, wie sie von Murray Bookchin begründet wurde.

Wir schlagen vor, dass Bookchins Rahmen eine starke Grundlage für ein modernes Verständnis revolutionären Ökosozialismus bildet. Sein Ansatz versteht Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt nicht als getrennte Bereiche, sondern als miteinander verwobene Elemente einer dynamischen, voneinander abhängigen Ökologie. Effektives Management erfordert ein ganzheitliches Verständnis aller drei Bereiche – so wie auch das Management eines natürlichen Ökosystems auf gegenseitigem Verständnis beruht. Daraus ergibt sich automatisch eine Staatskritik: Selbst sogenannte „demokratische“ oder „arbeitergeführte“ Staaten neigen dazu, die Interessen einer bürokratischen Elite zu sichern. Wirklich demokratische Organisationen entstehen von unten nach oben – sie erkennen die Autonomie von Individuen und Gemeinschaften an und ermöglichen Koordination nur dort, wo sie wirklich notwendig ist, ohne dauerhafte Institutionen der Top-down-Herrschaft zu schaffen.

Bookchin beschreibt, dass dieses Denken viele revolutionäre anarchistische Bewegungen weltweit prägt: „Die Kontrolle über die Organisation liegt immer bei den Basisgruppen, nicht bei den Koordinationsgremien; und alle Aktionen basieren auf Freiwilligkeit und Selbstdisziplin – nicht auf Zwang und Befehl.“ Dieses Modell setzt auf Spontaneität – verstanden als kreative, selbstbestimmte Entwicklung, die auf den Kontext reagiert. Spontaneität bedeutet nicht Chaos, sondern die freie Entfaltung von Projekten, Ideen und Individuen durch Selbstorganisation.

Solche spontanen Prozesse führen zu organischeren, effizienteren Entwicklungen und fördern die innere Befreiung des revolutionären Individuums. Statt einer „Masse“, die von oben gelenkt wird, entsteht eine lebendige, kreative Bewegung, die aus freien, gleichberechtigten Einzelnen besteht.

Da die Klimakrise eine ökologische Krise ist, müssen wir genau diese Prinzipien – Dezentralität, Spontaneität und Anti-Hierarchie – annehmen. Die Komplexität der Klimakrise zeigt sich lokal unterschiedlich: Für Pazifikinseln bedeutet sie Landverlust und Stürme, für Australien Feuer, Flut, Dürre und gesundheitliche Folgen durch Rauch. Eine einzige globale Lösung wird dem nicht gerecht – weder durch den Markt noch durch zentrale Planung.

Ökologie bedeutet Harmonie mit der Natur – nicht nur die Rettung einzelner Arten oder Wälder. Eine ökologische Antwort erkennt an, dass verschiedene Regionen unterschiedliche Energieformen brauchen – Wasser, Sonne, Wind – je nach natürlichen Bedingungen. Allein diese Vielfalt beweist: Ökologie ist eine anarchistische Wissenschaft.

Fazit

Die entscheidende Frage unserer Zeit ist nicht, wie wir auf die Klimakrise, die Coronakrise oder die aktuelle Wirtschaftskrise reagieren sollten. Die wahre Frage ist zweigeteilt:
Erstens, wie können wir das revolutionäre Potenzial dieses historischen Moments nutzen, um die Wurzel all dieser Krisen – den Kapitalismus mitsamt seinen unterdrückenden und zerstörerischen Folgen – anzugreifen?
Und zweitens, wie können wir an seiner Stelle ein System aufbauen, das die Freiheit jedes einzelnen Menschen, jeder Gemeinschaft und jeder Gesellschaft auf der Welt wirklich schützt und verwirklicht?

Zur ersten Frage – dem Abbau des Alten – müssen wir erkennen, dass die revolutionäre Dynamik unserer Zeit eine ungeheure Kraft in sich trägt. Die Kluft zwischen dem, was wir aktuell haben, und dem, was möglich wäre – an Ressourcenreichtum, technologischer Entwicklung und individueller Freiheit – ist so gross geworden, dass sie zu zerbrechen droht. Die Aussicht auf eine post-scarcity-Gesellschaft (eine Gesellschaft ohne Mangel) ist heute nicht mehr nur eine Utopie, sondern eine reale Möglichkeit. Jeder kann sehen, dass unsere moderne Technologie uns eigentlich befreien sollte – nicht unsere Ausbeutung perfektionieren. Jeder spürt, dass genug Nahrung für alle da ist – wenn wir nur die Freiheit und die Mittel hätten, sie gerecht zu verteilen. Wir müssen erkennen, dass der Wandel nicht länger eine Hoffnung, sondern eine Notwendigkeit ist. Wenn wir die Energie und die Hoffnung, die in diesem revolutionären Potenzial liegen, nicht nutzen, wird dieses System über uns zusammenbrechen.

Zur zweiten Frage – dem Aufbau des Neuen – müssen wir kontinuierlich versuchen, die Dynamiken unserer Gegenwart aus der Perspektive der Welt zu verstehen und zu erklären, die wir schaffen wollen. Als Anarchist*innen müssen unsere Antworten auf die akuten Probleme nicht nur praktisch und wirksam sein, sondern sich stets an dem grösseren Ziel eines grundlegenden gesellschaftlichen Wandels orientieren – einem Wandel, der auf dem Wunsch nach menschlicher Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und materiellem Wohlstand für alle gründet.


23.06.2025 Plastik hat im Gehirn nichts verloren – die Politik schaut weg

"Schuld sind Reifenabrieb, Dünger aus Klärschlamm, Zigarettenfilter und andere Plastikabfälle: Die Verursacher bleiben verschont.

Plastik im Körper: Deutliche Warnsignale

In Gehirnen von Verstorbenen fand man durchschnittlich sechs Gramm Kunststoff-Abfall. Das war in einem US-Bundesstaat. Bei Parlamentarierinnen, Parlamentarier und Gesundheitsbehörden anderer Länder sollten die Alarmglocken schrill läuten. Sie müssten sofort

Erste Studien am Menschen zeigen Zusammenhänge zwischen kleinsten Plastik-Teilchen und Frühgeburten, Entzündungs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zudem sind einige Chemikalien, die Kunststoffen zugesetzt werden und mit ihnen ins Blut gelangen, für den Menschen schädlich – darunter beispielsweise krebsfördernde PFAS und hormonaktive Bisphenol-A und Phthalate.

Tierversuche zeigen: Kleinste Plastik-Partikel können Spermien schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen, die Lungen- und Darmfunktion stören, das Immunsystem schwächen und Krebsrisiken erhöhen. Gelangen Polyethylen-Teilchen in die Halsschlagader, steigt wahrscheinlich die Gefahr von Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Das Bundesamt für Umwelt wiegelt ab: Die Auswirkungen auf die Gesundheit seien noch unklar.

Doch: Warten, bis der Schaden zweifelsfrei belegt ist, wäre fahrlässig. Plastik hat im Gehirn – und in anderen Organen – schlicht nichts zu suchen. Wenn der Beweis der Schäden einmal erbracht ist, wird es längst zu spät sein. Zerfallene Kunststoffe verschwinden nicht einfach wieder aus der Umwelt.

Das Bundesamt für Umwelt verweist auf Verhandlungen über ein internationales Abkommen gegen Plastikverschmutzung, die im August in Genf stattfinden sollen. Konkrete Vorschläge der Schweiz oder Deutschlands sind nicht bekannt."

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25.06.2025 Cornflakes für Kinder werden süsser und fetter anstatt gesünder

Frühstückscerealien sind Zuckerbomben. Wenn die Hersteller den Zuckergehalt senken, packen sie oft mehr Fett hinein.

Von «Eigenverantwortung» keine Spur: 34 Prozent mehr Fett pro Portion, 32 Prozent mehr Salz, 11 Prozent mehr Zucker, weniger Proteine und weniger Nahrungsfasern – das kommt heraus, wenn die Nahrungsmittelindustrie neue Frühstücksflocken für Kinder lanciert. Entgegen den Empfehlungen von Ärzten und Gesundheitsbehörden.

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25.06.2025 Klimasolidarität mindert Kriegskosten und fördert den Frieden

Der Bergsturz kürzlich auf das Walliser Dorf Blatten ist nur der Anfang. Deshalb wappnet sich die Schweiz mit viel Kompetenz gegen die zunehmenden Bedrohungen durch die Erderwärmung. Doch was geschieht mit den ärmeren Regionen der Welt, die stärker betroffen sind? Der Globale Süden braucht dringend Unterstützung zur Vorsorge und Reparatur der Schäden, denn die wachsenden Klimarisiken kennen keine nationalen Grenzen. Investitionen in nichtfossile Energien erhöhen gemäss einer neuen Studie aus Deutschland die geopolitische Sicherheit und senken letztlich die Rüstungsausgaben. Doch der Widerstand dagegen ist heftig. 

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26.06.2025 Insekten verschwinden rasant – auch in Schutzgebieten

Selbst in üppigen tropischen Wäldern nimmt die Zahl der Insekten ab – und damit auch die der Vögel und Reptilien.

Ihm bleibe nichts anderes, als den Verlust zu beklagen, sagt Daniel Janzen, das sei mittlerweile seine Hauptrolle neben seinem Beruf als Evolutionsbiologe. Der Wissenschaftler beobachtet die Insekten an seinem Wohnort in Costa Rica schon sein ganzes Leben lang. Heute mag er sie kaum mehr zählen. Auch andere Wissenschaftler würden am liebsten gar nicht mehr hinsehen.

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01.07.2025 „Selbst wenn wir aufhören zu trinken, sind wir gefährdet“: Teile Frankreichs haben Leitungswasser verboten. Ist das eine Warnung für den Rest Europas?

Übersetzung des Berichts im Guardian

Chemikalien haben die Wasserversorgung von 60.000 Menschen verschmutzt und bedrohen damit die menschliche Gesundheit, die Tierwelt und das gesamte Ökosystem. Aktivisten sagen jedoch, dies sei nur die Spitze des PFAS-Eisbergs.

An einem ruhigen Samstagabend lag Sandra Wiedemann gemütlich auf dem Sofa, als in den Fernsehnachrichten eine Meldung auftauchte: Das Wasser aus ihrem Wasserhahn könnte sie vergiften. Die 36-Jährige, die ihren sechs Monate alten Sohn Côme stillt, lebt in der ruhigen französischen Gemeinde Buschwiller in Saint-Louis, nahe der Schweizer Stadt Basel. Auf einem Hügel unweit der schweizerischen und deutschen Grenze gelegen, fühlt sie sich wie ein sicherer Ort, um ein Kind grosszuziehen – geräumige Häuser, umgeben von gepflegten Gärten, eingerahmt vom wilden Juragebirge.

Doch als sie die Nachrichten sah, fühlte sie sich in ihrer Sicherheit bedroht: Wiedemann und ihre Familie benutzen täglich Leitungswasser – zum Trinken, Zähneputzen, Duschen, Kochen und Gemüsewaschen. Nun erfuhr sie, dass Chemikalien, von denen sie noch nie gehört hatte, in ihrem Körper und auf ihrer Haut lauerten und ihrem Sohn möglicherweise schaden könnten. „Ich finde das beängstigend“, sagt sie. „Selbst wenn wir aufhören, es zu trinken, sind wir ihm ausgesetzt und können nichts dagegen tun.“

Am nächsten Morgen eilte sie zum Supermarkt und erwartete ein hektisches Hamsterkaufen im Covid-Stil, doch in den Gängen war es ruhig – die meisten Menschen hatten die Nachrichten nicht gesehen. Drei Tage später landete ein Brief der örtlichen Behörde in ihrem Briefkasten. Trinkwasser sei für Kinder unter zwei Jahren, schwangere oder stillende Frauen und Menschen mit geschwächtem Immunsystem verboten, hiess es darin. Derselbe Brief landete in den Briefkästen von etwa 60.000 anderen Menschen in elf Gemeinden. Der Ansturm auf die Supermärkte begann.

In Saint-Louis gilt derzeit das grösste Verbot für Leitungswassertrinken in der Geschichte Frankreichs. Die gefährdeten Bewohner müssen sich mindestens bis Jahresende auf Flaschenwasser verlassen. Bis dahin hoffen die Behörden auf die Installation von Wasserfilteranlagen. Tests des örtlichen Leitungswassers zeigten, dass der Gehalt an PFAS – „ewigen Chemikalien“, die mit Krebs, Immunschwäche und Fortpflanzungsproblemen in Verbindung gebracht werden – das Vierfache des empfohlenen Grenzwertes erreicht hatte. Die Regale waren leer, da Familien sich beeilten, Wasserflaschen zu horten, um ihre Lieben zu schützen.

Die Ursache war ein Löschschaum, der seit den 1960er Jahren am Flughafen eingesetzt wurde und erst 2017 abgesetzt wurde, heisst es in der gemeinsamen Erklärung der lokalen Behörden und der regionalen Gesundheitsbehörde. Giftige Rückstände des Schaums blieben zurück und gelangten über den Boden ins Trinkwasser und in die Körper der Menschen – wahrscheinlich über Jahrzehnte.

Doch die Situation in Saint-Louis könnte nur der Anfang von Trinkwasserverboten in ganz Europa sein. Ab Januar wird die EU neue Grenzwerte für den PFA-Gehalt durchsetzen. Da in Europa mehr als 2.300 Standorte die neuen Grenzwerte überschreiten, ist das Verbot in Frankreich laut Experten lediglich ein Vorbote weiterer drohender Folgen.

„Ich denke, wir stehen erst am Anfang“, sagt Séverine Maistre, die in Saint-Louis lebt und früher in klinischen Arzneimittelstudien tätig war. Sie glaubt, dass man PFAS findet, wenn man sie sucht. „Derzeit sprechen wir von Spitzenwerten hier und da … [Aber die Chemikalien] werden in Frankreich überall zu finden sein. Dasselbe wird in Deutschland, der Schweiz, Grossbritannien und überall sonst der Fall sein.“

Einen Monat nach dem Eintreffen der Briefe in Saint-Louis hat die Panik nicht nachgelassen. Im Supermarkt bezahlt ein Mann einen Einkaufswagen voller Wasserflaschen, und auf der Kasse erscheint ein Wert von 68 Euro (58 Pfund). Dutzende andere Menschen tragen Wasserflaschen mit ihren Einkäufen hinaus.

„Auch wenn wir nicht geschwächt sind, haben wir Angst“, sagt eine 70-jährige Frau, die anonym bleiben möchte. „Wir sind terrorisiert – es geht um Wasser, ohne das wir nicht leben können.“

Clement Luake, ein langjähriger Mitarbeiter des Supermarkts Leclerc in Saint-Louis, sagt, so etwas habe er in seinen 30 Jahren dort noch nie erlebt. „Es war gewaltig“, sagt er. Normalerweise lädt er jede Woche 63 Paletten Wasser in die Regale, jetzt sind es über 120. „Jede Woche kommen vier Lastwagen“, sagt Luake, während ihm ein Kollege hilft, grosse Flaschen in die Regale zu hieven.

Die lokalen Behörden schätzen, dass in der Region Haut-Rhin fast 3.000 Menschen zu den gefährdeten Gruppen gehören. Jede erhält eine einmalige Zahlung von 80 Euro zur Deckung der Kosten für Flaschenwasser. Doch für Menschen wie Wiedemann geht die Bedrohung weit über eine Entschädigung hinaus. „Es betrifft nicht nur sensible Menschen – PFAS suchen sich nicht aus, wen sie angreifen“, sagt sie. Wiedemann zog 2020 in die Region und hatte seitdem zwei Fehlgeburten. Bei ihr wurde Endometriose diagnostiziert, nachdem sie zunehmend schmerzhafte Perioden hatte.

„Die gesundheitlichen Probleme begannen, als ich hier ankam. Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang gibt, aber ich konnte ihn nie beweisen“, sagt sie. Andere haben ähnliche Bedenken. Viele trinken seit Jahrzehnten unwissentlich verunreinigtes Wasser.

PFAS – kurz für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen – bezeichnet Tausende von Chemikalien, die wegen ihrer antihaftbeschichteten, unzerstörbaren Eigenschaften geschätzt werden. Sie werden in vielen verschiedenen Produkten verwendet, von Bratpfannen über wasserdichte Jacken und Lebensmittelverpackungen bis hin zu Feuerlöschschäumen und Elektronik. Sie zersetzen sich nicht auf natürliche Weise und können jahrhundertelang in der Umwelt verbleiben. Heute sind sie im Blut fast aller Menschen auf der Erde nachweisbar.

Es finden keine offiziellen Bluttests der Anwohner statt, um die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen zu ermitteln. Bruno Wollenschneider, Vorsitzender der Adra (Association de Défense des Riverains de l'Aéroport de Bâle Mulhouse) – einer 200 Mitglieder umfassenden Anwohnervereinigung – organisierte eigene Tests und schickte zehn Blutproben von Adra-Mitgliedern an ein Labor.

Die Person mit dem höchsten Wert hatte 22 Mikrogramm pro Liter (mcg/l) Blut. Der Durchschnitt lag bei 14,9 mcg/l, womit die Bevölkerung von Saint-Louis laut Gesundheitsdaten langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen möglich aus dem Jahr 2019 zu den am stärksten kontaminierten 5 bis 10 % in Frankreich gehören würde. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sind bei Werten über 6,9 mcg/l Blut . „Der Staat ist da, um uns zu schützen“, sagt Wollenschneider. „Hätten die Behörden die Menschen gewarnt, hätten wir uns selbst schützen können, anstatt weiterhin Wasser zu trinken.“

Um das Problem zu beheben, plant die Kommune die Installation neuer Wasseraufbereitungsanlagen. Die Kosten hierfür betragen 20 Millionen Euro. Deren Betrieb kostet jährlich weitere 600.000 Euro. Ab 2026 werden die Wasserrechnungen voraussichtlich steigen, um die Kosten zu decken.

Pfas in der Wasserversorgung stellen nicht nur ein Risiko für die menschliche Gesundheit dar, sondern bedrohen auch ganze Ökosysteme. Denn Chemikalien reichern sich im Gewebe von Wasserorganismen auf ähnliche Weise an wie beim Menschen.

In North Carolina leiden Alligatoren an nicht verheilten und infizierten Wunden, im Nordpazifik schlüpfen immer weniger Meeresschildkröten, und in Wisconsin bekommen Baumschwalben keinen Nachwuchs. Selbst in abgelegenen Gebieten wie der Arktis leiden Klappmützenrobben und ihre Jungen an Schilddrüsenproblemen waren. Forscher fanden heraus, dass all diese Tiere hohen PFAS-Belastungen ausgesetzt.

Mehr als 600 Arten auf allen Kontinenten sind gefährdet. Dies geht aus einer Karte hervor, die das Auftreten schädlicher Chemikalien in Ökosystemen weltweit veranschaulicht. Die Auswirkungen wirken sich auf das gesamte Ökosystem aus: Empfindliche Arten könnten zurückgehen, während tolerante Arten besser dastehen, was die Funktionsweise von Ökosystemen verändern kann.

Im Zentrum der Krise steht der Flughafen Basel-Mühlhausen-Freiburg – zwei Kilometer vom Supermarkt entfernt –, ein internationales Drehkreuz für Passagiere aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Mehr als hundert Mal am Tag ist das Geräusch startender Flugzeuge zu hören.

Das neue Terminal erstreckt sich über den Boden, auf dem jahrzehntelang PFAS-haltige Löschschäume eingesetzt wurden, da diese wirksam gegen Kerosinbrände sind. Bis zu 15 Meter darunter befindet sich das Grundwasser, in das diese Chemikalien sickern. Wollenschneider hat sein ganzes Leben lang nur fünf Minuten vom Flughafen entfernt gewohnt. Als Leiter der 1988 gegründeten Adra, die sich gegen den Flughafenausbau einsetzt, kämpft er nun an einer persönlicheren Front: für sauberes Trinkwasser.

„In Frankreich hatten wir Vertrauen ins Wasser – doch dieses Vertrauen ist zerstört“, sagt Wollenschneider. „Die Behörden haben uns belogen, sie haben uns ausgetrickst“, sagt er und verweist darauf, dass die Behörden die Bevölkerung jahrelang nicht über die PFAS-Verunreinigung informierten, nachdem diese erstmals in Regierungsdaten identifiziert wurde. Er führt den Kampf um Informationen an und kämpft dafür, dass der Flughafen die 20 Millionen Euro teuren Sanierungskosten übernimmt.

„Der Flughafen trägt die Verantwortung. Wasser ist ein öffentliches Gut. Gesetzliche Massnahmen, die die Behörden zum Handeln zwingen und den Flughafen zur Kasse bitten, sind das Letzte, was wir tun können – wir haben keine andere Wahl“, sagt er. Er glaubt, dieser Fall könnte einen Präzedenzfall schaffen. „Es ist das erste Mal in Frankreich, dass ein Verkehrsflughafen nachweislich für die Umweltverschmutzung verantwortlich ist. Es dürfte weitere geben“, so Wollenschneider.

Derzeit gibt es in Europa keine gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für PFAS im Trinkwasser. Das ändert sich jedoch im Januar 2026 , wenn die EU einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter einführt. Die Beschränkungen in Saint-Louis wurden im Vorgriff auf diesen Grenzwert eingeführt. Die Unruhen in dieser Ecke Frankreichs sind ein Vorgeschmack auf das, was anderswo passieren könnte, und werfen zudem die Frage auf, wer die Kosten für eine möglicherweise sehr teure Sanierung tragen wird.

In ganz Europa sind laut der „ Forever Pollution Map“ , die vom französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) verwaltet wird, mehr als 23.000 Standorte mit PFAS kontaminiert – sei es in Wasser, Boden oder lebenden Organismen. 2.300 dieser Standorte liegen über dem zulässigen Wert der bevorstehenden EU-Verordnung und gelten als gefährlich.

Die kontaminierten Standorte erstrecken sich über ganz Europa. In Frankreich gibt es 34 Gemeinden, in denen der PFAS-Gehalt im Trinkwasser den neuen EU-Grenzwert überschreitet. Allein in der Region Lyon trinken 160.000 Menschen in 50 Städten Wasser, das die neuen EU-Grenzwerte überschreitet. Im italienischen Venetien waren bis zu ausgesetzt 350.000 Menschen PFAS aus einer Chemiefabrik, die von 1964 bis 2018 in Betrieb war. Im belgischen Antwerpen weist etwa die Hälfte der Menschen, die im Umkreis von fünf Kilometern einer Fabrik des multinationalen Konzerns 3M leben, erhöhte PFAS-Werte im Blut auf.

In Saint-Louis deuten Aufzeichnungen darauf hin, dass die staatliche Grundwasserbehörde laut CNRS-Daten bereits 2017 hohe PFAS-Werte im Wasser festgestellt hat. Mehrere Behörden hatten Zugriff auf diese Daten, doch offenbar wurde nicht darauf reagiert.

Thierry Litzler, Vizepräsident des Stadtgebiets Saint-Louis und zuständig für die Wasserversorgung des Bezirks, sagte, er habe im Oktober 2023 von hohen PFAS-Werten im Wasser erfahren . „Von dem Moment an, als wir die Information hatten, ging alles sehr schnell“, sagt er.

Auf die Frage, warum Informationen aus dem Jahr 2017 nicht an sein Büro weitergeleitet wurden, sagt er: Zu wissen, warum ein staatlicher Dienst vor mehr als acht Jahren etwas getan – oder nicht getan – hat, ist für mich nicht Gegenstand des Augenblicks … Ich habe nicht das Recht, heute darüber zu urteilen.“

Er glaubt, dass die Regierung nun schneller handeln wird, da ein Fahrplan vorliegt. „Wir waren die Ersten. Wir waren die Pioniere – damals musste unsere Behörde warten, wir hatten keine Handlungsanweisungen“, sagt Litzler.

Gegen den Flughafen laufen weder Straf- noch Zivilverfahren, da die damals verwendeten Schäume zertifiziert waren. Manuela Witzig, Leiterin für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit am Flughafen, erklärte, man arbeite „mit den zuständigen Behörden zusammen, die den Fall untersuchen“. Untersuchungen und Sanierungsarbeiten seien im Gange, um die kontaminierten Bereiche zu ermitteln. Sie fügte hinzu, der Flughafen beabsichtige, sich finanziell an der Lösung der Situation zu beteiligen, nannte aber keine Einzelheiten.

Was sich in Saint-Louis abspielt, ist erst der Anfang eines europaweiten Kampfes gegen die Wasserverschmutzung, sobald die EU-Vorschriften in Kraft sind. Immer mehr Stimmen fordern einen vollständigen Ausstieg aus PFAS . Gleichzeitig mobilisieren Menschen in ganz Frankreich, um die Behörden zu fordern, Informationen über PFAS zu veröffentlichen, ihre Gesundheit zu priorisieren und die Verschmutzer zur Rechenschaft zu ziehen. „Wir sind nicht isoliert“, sagt Wollenschneider.

Dieser Artikel wurde am 1. Juli 2025 geändert. In einer früheren Version wurde der griechische Buchstabe „mu“ als Teil der Abkürzung für Mikrogramm verwendet. Aufgrund eines technischen Problems kann dieses Zeichen jedoch auf einigen Geräten nicht dargestellt werden. Stattdessen wurde die Abkürzung „mcg“ verwendet.

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Weitere Berichte zum Thema Aussterben finden Sie hier . Folgen Sie den Biodiversitätsreportern Phoebe Weston und Patrick Greenfield in der Guardian-App für weitere Naturberichte.


02.07.2025 Klimawandel: Eine unwillkommene Zukunft

Übersetzung des Artikels von John Michael Greer:

Die Reaktion des Publikums auf meine letzten beiden Essays hat mich ziemlich überrascht. Vor anderthalb Monaten – ist es schon so lange her? – habe ich den ersten von zwei Teilen eines Essays zum Klimawandel veröffentlicht. Darin habe ich drei Punkte aufgelistet, die beide Seiten der heutigen Klimadebatten hoffnungslos falsch verstehen, und das „Krisenmanagementmodell“ untersucht: das System, mit dem unsere Führungsschicht Krisen ausnutzt, anstatt den Menschen sinnvoll bei der Bewältigung ihrer Folgen zu helfen. Ich hatte mit schreienden Ausbrüchen auf beiden Seiten gerechnet und war ziemlich überrascht, als ich von rechts ein paar höfliche, pro forma Einwände erhielt, von links aber so gut wie nichts.

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03.07.2025 „Wir dachten, wir hätten die Zahlen falsch verstanden“: Wie ein unberührter See die höchsten jemals gemessenen Werte an „ewigen Chemikalien“ aufwies

Übersetzung des Artikels im Guardian

Der Holloman Lake war ein Paradies für Wildtiere und schien ein idealer Campingplatz zu sein. Doch seltsamer Schaum am Ufer entpuppte sich als mehr als nur eine Kuriosität – und offenbarte die alarmierende Art und Weise, wie sich Chemikalien dauerhaft durch Ökosysteme bewegen.

Jahrelang nahm Christopher Witt Vogelbeobachter mit zum Holloman Lake in der Chihuahua-Wüste, nahe der Route 70 in New Mexico . Am Vormittag brannte die Sonne herunter, während sie sich im spärlichen Schatten des Vans zusammenkauerten. Ausser ein paar Salzzedern am Nordufer des Sees gab es keine Bäume. Doch die Unannehmlichkeiten spielten keine Rolle, als die Wanderfalken auftauchten und durch den Himmel schnitten. „Es war schwer, diesen Ort zu verlassen“, sagt Witt.

Der See – 1965 als Teil eines Abwassersammelbeckensystems für den Luftwaffenstützpunkt Holloman angelegt – ist eine ungewöhnliche Oase. Abgesehen von kleinen Teichen für das Vieh ist er das einzige Gewässer im Umkreis von Tausenden von Quadratkilometern in einer ansonsten kargen Landschaft. Witt sagt jedoch, der Schaum, der sich am Rand bildete, habe immer etwas Seltsames an sich gehabt. „Aber ich habe das Zeug erst gesehen, als ich es wusste.“

Hier wohnen nur wenige Menschen, aber diejenigen, die es tun, geniessen den See. Online wurde er als „ kostenloses, unkompliziertes Camping-Erlebnis“ angepriesen. An Wochenenden sah man bis zu 20 Leute am Südufer zelten und grillen.

Im Jahr 2009 wurden Pläne für den Bau eines Pavillons, eines Strandbereichs und von Naturpfaden ausgearbeitet, um mehr Menschen für die Gegend zu begeistern. Doch das änderte sich 2017, als die Behörden entdeckten, was sich im Wasser befand.

Seitdem zeichnet sich ein alarmierendes Bild über das Ausmass der chemischen Kontamination des Holloman Lake ab. Im vergangenen Monat zeigte eine von Witt mitverfasste Studie, dass der Standort die höchste jemals in der Fachliteratur dokumentierte PFAS-Konzentration in Wasser und Pflanzen aufweist. Jeder Teil des Ökosystems ist mit diesen „ewigen Chemikalien“ gesättigt, darunter Boden, Algen, Wirbellose, Fische und Reptilien.

PFA, die Abkürzung für „Per- und Polyfluoralkylsubstanzen“, sind Tausende künstlich hergestellte Chemikalien, die wegen ihrer Wasser-, Hitze- und Fettbeständigkeit geschätzt werden. Dieselben Eigenschaften, die sie in Industrie- und Verbraucherprodukten so nützlich machen, machen sie so schädlich, wenn sie in die Umwelt gelangen und dort Hunderte von Jahren überdauern können.

Witts Vogelbeobachtungsplatz entwickelte sich zu einem „natürlichen Feldlabor“, um zu verstehen, wie sich Chemikalien nachhaltig auf Ökosysteme auswirken. Er ging nicht mehr nur zum Vogelbeobachten dorthin, sondern widmete sich als Professor für Biologie an der University of New Mexico dem Studium der Gegend. „Ehrlich gesagt versuche ich, nicht zu viel Zeit dort zu verbringen“, sagt er. „Man kann einige dieser PFAS-Verbindungen durch Hautkontakt aufnehmen und über die Luft und den Staub einatmen.“

Als die PFA-Ergebnisse aus dem Labor zurückkamen, ging Witt davon aus, dass es sich um einen Fehler handelte. „Wir konnten keine vergleichbaren Substanzen für diesen Kontaminationsgrad finden“, sagt er. „Die Grössenordnungen, mit denen wir es zu tun hatten, waren absolut schockierend. Wir dachten, wir hätten bei der Umrechnung der Einheiten etwas falsch gemacht.“

Doch die Zahlen stimmten. Bei 23 getesteten Vogel- und Säugetierarten lagen die durchschnittlichen PFAS-Konzentrationen bei Zehntausenden von Teilen pro Milliarde, wie Untersuchungen aus dem Jahr 2024 ergaben . Zum Vergleich: 2019 wurden in Clovis, New Mexico, Tausende von Milchkühen getötet, weil ihre Milch mit weniger als sechs Teilen pro Milliarde kontaminiert war.

Die Hauptursache der Kontamination ist der Feuerlöschschaum, der seit etwa 1970 bei Trainingsübungen der US-Luftwaffe am Standort Holloman eingesetzt wurde. Das am stärksten kontaminierte Einzeltier der Studie aus dem Jahr 2024 war ein Exemplar einer Weissfussmaus aus dem Jahr 1994 , was zeigt, dass die Kontamination seit Jahrzehnten hoch war.

Ein totes Keilschwanzregenpfeiferküken wurde neben seinem Nest auf dem Boden in der Nähe des Sees gefunden. Es wurde zur Untersuchung ins Labor geschickt, und sein Gewebe wies laut der Studie aus dem Jahr 2025 die höchste jemals bei einem Vogel gemessene PFAS-Konzentration auf.

Die Enthüllungen über PFAS im Seewasser lösten Klagen des Umweltministeriums von New Mexico gegen das Militär aus. In den USA laufen derzeit über 9.000 Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Produktion oder Freisetzung von PFAS.

Für Witt und andere Forscher vor Ort stand die wissenschaftliche Untersuchung jedoch erst am Anfang. Er beschreibt den aktuellen Forschungsstand als ein „Sammelsurium verschiedener Studien“, die alle zu dem Schluss kommen, dass wir noch nicht genug darüber wissen, wie sich PFAS weltweit durch Nahrungsnetze bewegen und welche Auswirkungen sie auf die Tierwelt haben könnten.

Mittlerweile mehren sich die Beweise für die Auswirkungen von PFAS auf die Tierwelt.

In Michigan schwimmt ein Blaukiemenfisch nach PFAS-Exposition langsamer , was darauf schliessen lässt, dass er körperliche oder neurologische Schäden davonträgt. Dreizehenmöwen, die den Schadstoffen ausgesetzt sind, entwickeln Schilddrüsenfunktionsstörungen und hormonelle Ungleichgewichte. Meeresschildkröten in kontaminierten Gebieten Australiens bringen Jungtiere mit deformierten Schuppen und gesundheitlichen Problemen zur Welt. Mississippi-Alligatoren in North Carolina sind anfälliger für Infektionen zeigen , während Delfine in South Carolina Anzeichen chronischer Entzündungen .

Mehr als 600 Arten auf allen Kontinenten sind gefährdet, wie eine Karte der Environmental Working Group (EWG) zeigt, die veranschaulicht, wie schädliche Chemikalien in die Ökosysteme gelangen. Als sie mit der Kartierung der Forschung begannen, „dachten wir: ‚Das wird ein schnelles Monatsprojekt‘ – dann merkte man schnell, dass es Hunderte und Aberhunderte von Studien gibt“, sagt David Andrews, kommissarischer wissenschaftlicher Leiter der EWG. „Es stellte sich als erheblicher Arbeitsaufwand heraus.“

Es ist wahrscheinlich, dass diese Chemikalien neben dem Klimawandel und dem Verlust von Lebensräumen einen zusätzlichen Stressfaktor darstellen, der die Arten bedroht. „Diesen Chemikalien kann man nicht wirklich entkommen – man kann ihnen nicht einfach aus dem Weg gehen“, sagt Andrews.

Gesundheitsschäden beim Menschen, wie Krebs, Hormonstörungen und Störungen des Immunsystems, werden zunehmend gut dokumentiert. Studien zeigen Parallelen zu Wildtieren. „Wir beobachten ein sich überschneidendes Muster gesundheitlicher Schäden sowohl beim Menschen als auch bei den untersuchten Wildtierarten“, sagt Andrews. Da Probennahmen weltweit günstiger und leichter zugänglich werden und mehr Tests durchgeführt werden, werde sich die Karte der PFAS in Wildtieren weiter ausdehnen, sagt er.

Die Anreicherung von PFAS in Wildtieren wirft auch Fragen für diejenigen auf, die jagen oder Wildfleisch essen. Am Holloman Lake wäre selbst ein einziges Gramm Entenfleisch aufgrund der durchschnittlichen PFAS-Konzentrationen zu giftig für den sicheren Verzehr. Dennoch ist dies nach wie vor ein beliebtes Jagdgebiet.

Forscher testen 400 Enten im ganzen Bundesstaat, um herauszufinden, ob Schadstoffe von Hotspots wie Holloman auf andere Feuchtgebiete überspringen. Die vorläufigen Ergebnisse seien „besorgniserregend“, so Witt, und zeigten eine weitverbreitete Kontamination. Das könnte daran liegen, dass Enten aus Gebieten wie Holloman die Schadstoffe verbreiten, an anderen kontaminierten Standorten in den USA oder an einer Kombination aus beidem. „Wenn man Wildentenfleisch isst, wahrscheinlich überall in Nordamerika, ist man ein Risiko“, sagt er.

Anstatt Vögel zu beobachten, mischt sich Witt nun in Tarnkleidung unter Jäger und fängt Enten, andere Vögel und Säugetiere, um sie auf PFAS zu testen. „Ich habe da wirklich zwiespältige Gefühle; es ist ein wunderschöner Ort mit so viel Artenvielfalt und doch so problematisch“, sagt Witt. „Ich muss dringend herausfinden, was mit den Vögeln dort passiert.“

Weitere Berichterstattung zum Thema Aussterben finden Sie hier . Folgen Sie den Biodiversitätsreportern Phoebe Weston und Patrick Greenfield in der Guardian-App, um weitere Naturberichte zu erhalten.


04.07.2025 Karte der ewigen Umweltverschmutzung in Europa

Ein Klick hier oder auf die untenstehende Karte öffnet die interaktive Karte von pdh.cnrs.fr. Die Daten sind per heute 4.7.2025 auf dem Stand vom 6.5.2025.

PFAS-Karte EU


04.07.2025 Karte der ewigen Umweltverschmutzung in den USA

Ein Klick hier oder auf die untenstehende Karte öffnet die Karte von ewg.org.

PFAS-Karte USA


07.07.2025 ISA-Verhandlungen in Jamaika: Die Welt riskiert die Zerstörung der Tiefsee

Heute starten in Jamaika neue Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA). Die Behörde soll in den kommenden Tagen über Regeln zum Tiefseebergbau entscheiden. Ein fatales Signal, denn die Zukunft der Tiefsee steht auf dem Spiel. Auch geht es um einen Anordnung der US-Regierung, der die Ausbeutung der Tiefsee ermöglichen soll. Greenpeace fordert die österreichische Bundesregierung auf, bei den Verhandlungen ein starkes Zeichen für den Meeresschutz zu setzen – und sich klar gegen jegliche Pläne für Tiefseebergbau auszusprechen.

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13.07.2025 AKW-Unfall in der Schweiz würde vor allem Deutschand treffen

Ein schwerer Reaktorunfall in Beznau oder Leibstadt hätte gravierende Folgen für Deutschland – und sogar darüber hinaus.

Ereignete sich in den Schweizer Atomkraftwerken Beznau, Gösgen oder Leibstadt ein grösserer Unfall, wäre Deutschland stark betroffen. Grosse Gebiete müssten schnell evakuiert werden, es könnte zu zehntausenden Todesfällen kommen. Teile von Deutschland würden möglicherweise unbewohnbar.

Das legt eine Studie des Trinationalen Atomschutzverbands (Tras) detailliert dar. Am 26. Juni wurde sie im Landtag Stuttgart vorgestellt. Die Organisation von Atomkraftgegnern aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz vergleicht darin Szenarien der Schweizer Nuklearsicherheitsbehörde Ensi mit fünf weiteren Studien.

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14.07.2025 Mexiko hat Anbau von Gentech-Mais in der Verfassung verboten

Importe für Futter und Industrie bleiben erlaubt – grosse Medien haben kaum darüber informiert.

Mexiko ist wohl das erste Land, das den Anbau von genverändertem Mais sogar in der Verfassung des Landes verboten hat. Bereits am 7. März 2025 haben die beiden Parlamentskammern zwei entsprechende Verfassungsartikel verabschiedet.* In der Schweiz hat lediglich die landwirtschaftliche Fachzeitung «Schweizer Bauer» darüber informiert.

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16.07.2025 „Der Ort ist ausgebleicht, eine tote Zone“: Wie die beliebtesten Landschaften Grossbritanniens zu Wüsten der Artenvielfalt wurden

Kommentar: Wir können immer von Fehlern lernen...

Übersetzung des Artikels des Guardian:

Nationalparks, berühmt für ihr reiches Naturerbe, sollten im Mittelpunkt der Bemühungen zum Schutz von Lebensräumen und Wildtieren stehen. Stattdessen, so Experten, schrumpfen sie – und zwar schnell.

Dartmoor ist ein Ort der Wildnis. Flüsse schlängeln sich durch offenes Moorland, vorbei an hoch aufragenden Felsvorsprüngen. Radioaktiv gefärbte Flechten klammern sich an 300 Millionen Jahre alte Felsbrocken. Grabhügel und Menhire aus der Bronzezeit erinnern daran, dass Menschen seit Jahrtausenden hierher gezogen sind. Es gilt als eine der schönsten und wertvollsten Landschaften Grossbritanniens.

Ein Grossteil dieser Moorlandschaft steht unter offiziellem Naturschutz, da sie als Heimat der wertvollsten Wildtiere des Landes gilt. Die Hochmoore, Heidelandschaften und hochgelegenen Eichenwälder sind wahre Schatzkammern der Natur.

Doch die Tierwelt, die einst von diesen Lebensräumen abhängig war, verschwindet. Dartmoor ist für seine vielfältige Vogelwelt bekannt, doch die Brutpopulationen von Goldregenpfeifern, Moorschneehühnern und Ringdrosseln sind verschwunden oder stehen kurz vor der lokalen Ausrottung.

Gegründet Vor 75 Jahren, gibt es in Grossbritannien 15 Nationalparks, die jedem Bürger die Möglichkeit bieten, in die Natur und wunderschöne Landschaften einzutauchen. Doch ihre Schönheit kann trügen – Experten sagen, dass viele der Landschaften, die offiziell für ihr reiches Naturerbe anerkannt sind, in Wirklichkeit Wüsten der Artenvielfalt sind.

„Wir haben uns so sehr an diese Landschaften gewöhnt“, sagt Autor und Aktivist Guy Shrubsole, der sich für das Recht auf freies Wandern in Dartmoor einsetzt. „Gute Geologie verbirgt viele Probleme. Wir bewundern Felsen und nicht das, was ein lebendiges Ökosystem sein sollte.“

In manchen Fällen sind Arten und Lebensräume in Nationalparks in einem schlechteren Zustand als ausserhalb. Im Mai veröffentlichte Natural England seine neueste Bewertung der drei grössten Schutzgebiete Dartmoors, die fast ein Viertel des Nationalparks abdecken. Die Ergebnisse zeigen, dass sich nur 0,1 % von ihnen in einem günstigen Zustand befinden. Die Landfläche in ungünstigem und sich verschlechterndem Zustand hat sich seit der letzten Bewertung im Jahr 2013 verdoppelt.

„Dartmoor stirbt“, sagt Tony Whitehead, ein Naturschützer aus Dartmoor, der die Daten von Natural England ausgewertet hat.

Nationalparks sollten im Mittelpunkt des Regierungsversprechens stehen, bis 2030 30 Prozent der Landesfläche zu schützen. Schätzungen zufolge sind jedoch weniger als drei Prozent der Fläche Englands tatsächlich geschützt. „Was das Beste sein sollte, ist das Schlimmste“, sagt Whitehead. „Sie versagen völlig.“

„Wir könnten das Heidekraut ganz verlieren“

Hen Tor ist eine einstündige Wanderung vom Parkplatz Trowlesworthy entfernt. Diese Landschaft – die zum besonderen Interessegebiet South Dartmoor gehört – war zu dieser Jahreszeit früher für ihre violetten Heideteppiche bekannt.

Doch heute ist es mühsam, überhaupt noch Heidekraut zu finden. Auf den Knien entdecken wir eine Handvoll Heideblüten, versteckt zwischen den Gräsern. Winzige Heidelbeersträucher – die einst dichte Büsche bildeten – klammern sich an Steine. Die Blumenvielfalt ist einer gleichmässigen Grasfläche gewichen, die Schafe bodennah abgrasen.

Im Winter, wenn das Gras spärlich ist, weichen Schafe auf Heidekraut und Heidelbeeren aus. Laut Natural England führt dies zu einem „starken Rückgang der Heidefläche“. Überwachungsdaten deuten darauf hin, dass die Heidefläche in einigen Gebieten Dartmoors in den letzten Jahren um 25 % auf 1 % zurückgegangen ist. „Wir könnten die Heide ganz verlieren“, sagt Whitehead. „Sie ist fast vollständig verschwunden. Was hier passiert, wiederholt sich auch auf anderen Allmendenflächen rund um das Moor.“

Oben auf dem Hügel liegt eine Schicht aus tiefem Torf wie Zuckerguss auf einem klebrigen Brötchen über dem Moor. Doch aufgrund des historischen Abbaus und wiederholter Brände ist sie in einem schlechten Zustand. Der Torfabbau hat die Ausbreitung riesiger Flächen von Pfeifengras begünstigt. Monokulturen dieser Art bedecken heute viele Hochlandgebiete und schaffen ökologische Todeszonen. Tiefe Narben – Torfwunden – haben sich wie Wunden geöffnet. Nur 1 % des tiefen Torfs von Dartmoor gilt als gesund.

Die Folgen sind auch für die Umwelt spürbar. Diese Lebensräume sollten eigentlich ein Rückzugsgebiet für landesweit aussterbende Vogelarten wie Ringdrossel, Grosser Brachvogel, Baumpieper und Braunkehlchen sein, doch diese Arten sieht man immer seltener.

„Wenn man jemals eine Wüste auf einer Allmende beschreiben müsste, dann diese“, sagt Whitehead. „Sie ist einfach hoffnungslos – der Ort ist ausgebleicht, eine tote Zone, und ich weiss, wie üppig er sein könnte. Das ist ein typisches Beispiel für einen schlechten Standort, aber keine Ausnahme.“

Würde man die Landschaft heute erneut bewerten, würde sie laut Whitehead nicht als SSSI ausgewiesen. Keines der Merkmale, die sie so besonders machten, ist mehr vorhanden. „Das ist [jetzt] das übliche, raue Weideland in den Hochländern Grossbritanniens“, sagt Whitehead.

Ein versagendes System

Der Kern des Problems liegt in der Landbesitzfrage. Die meisten Flächen in Nationalparks befinden sich in Privatbesitz und werden, insbesondere im Hochland, als Weideland für Nutztiere genutzt. In Dartmoor sind nur 7,5 Prozent der Flächen in öffentlichem Besitz, und der Naturschutz wird als zweitrangig gegenüber wirtschaftlichen Interessen angesehen.

In den britischen Hochland-Nationalparks führen Überweidung und das Abbrennen von Moorflächen zu einem ökologisch schlechten Zustand dieser Gebiete, und das wärmer werdende Klima verschärft den Druck zusätzlich. Naturschutzverbände und Parkverwaltungen verfügen oft nur über begrenzte Mittel zur Überwachung und Wiederherstellung der Ökosysteme.

Im Jahr 2024 ergab die erste umfassende Bewertung der Unterstützung der Nationalparks für die Erholung der Natur, dass lediglich 6 % der Parkflächen in England und Wales effektiv im Sinne der Natur verwaltet werden.

Mike Madgwick vom National Trust sagt, die jüngsten Einschätzungen von Natural England stünden im Einklang mit der eigenen Überwachung des Trusts, die er als „zutiefst besorgniserregend“ bezeichnete.

„Diese Landschaften sind aufgrund ihrer Tierwelt, ihres Kulturerbes und ihrer Schönheit von nationaler Bedeutung. Der National Trust hat sich verpflichtet, diesen Rückgang umzukehren“, sagt Madgwick.

Er räumte ein, dass das derzeitige System versagt: „Der Trust hat zwar im Rahmen der verfügbaren Rahmenbedingungen gearbeitet, darunter auch staatlich finanzierte Programme, doch wir müssen zugeben, dass diese nicht die gewünschten ökologischen Ergebnisse gebracht haben.“

Die von der Kampagne für Nationalparks durchgeführte Bewertung aus dem Jahr 2024 ergab, dass chronischer Mangel an Finanzmitteln die Parkbehörden daran hinderte, die Situation zu verbessern. Die direkten staatlichen Zuschüsse für die Parks wurden seit 2010 real um 40 Prozent gekürzt. Laut der International Union for Conservation of Nature erfüllt keiner der britischen Nationalparks die internationale Definition eines Schutzgebiets.

Der Druck, die Situation zu verbessern, wächst. Die Initiative „Wild Justice“ hat Klage gegen den Dartmoor Commoners' Council (DCC) eingereicht, da dieser seinen gesetzlichen Umweltverpflichtungen nicht nachkommt. Die Anhörung fand am 15. Juli vor dem Obersten Gericht statt.

Das Land im Fall Dartmoor ist im Privatbesitz des National Trust und wird von Bauern – sogenannten Commoners – genutzt, die das Recht haben, Vieh auf dem Land weiden zu lassen.

Es gibt etwa 850 Bürger oder Eigentümer von Grundstücken auf dem Gemeindegebiet, die das Recht haben, Schafe, Rinder und Ponys zu halten.

David Wolfe KC von Wild Justice erklärte in schriftlichen Stellungnahmen, dass DCC es versäumt habe, „eine Überbelegung der Allmende zu verhindern“ und in den letzten zehn Jahren keine Beschränkungsbescheide erlassen habe. Er forderte das Gericht auf, DCC anzuweisen, seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen, die Anzahl der grasfähigen Tiere zu ermitteln und Beschränkungsbescheide zu erlassen.

Das DCC sagt, es habe Einschätzungen zur Überweidung vorgenommen und sein Rechtsvertreter sagte, die natürliche Schönheit sei „ein zentraler Gesichtspunkt“.

Der Fall endet am 16. Juli und ein schriftliches Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt erwartet.

Das DCC bestreitet, diese Pflichten „weder wie behauptet noch überhaupt“ verletzt zu haben und hat das Verfahren entsprechend verteidigt.

Lebenszeichen – auf dem Parkplatz

In den Felsen des Hen Tor selbst überleben kleine Oasen des Lebens. Geschützt vor Beweidung gedeihen ein Heidelbeerstrauch und eine Eberesche. Rund um den Parkplatz im Tal locken zahlreiche Adlerfarne und Sträucher Gartengrasmücken, Mönchsgrasmücken und Drosseln an.

Ironischerweise sind es diese Randlandschaften – geschützt vor dem Druck der Beweidung –, die die grösste Artenvielfalt aufweisen und zeigen, was dieses Land noch sein könnte. „Dartmoor hat noch einige erstaunliche Orte, aber sie sind klein“, sagt Whitehead.

Trotz jahrzehntelanger Überweidung finden sich noch kleine Heidetriebe – wenn auch in fragilem Zustand. Eine Wiederherstellung wäre also möglich, wenn sie rechtzeitig erfolgt. „Dieses Land braucht eine Ruhepause, hier sollten im Winter keine Schafe sein“, sagt Whitehead. Er ist der Meinung, dass das Land wieder zu blühen beginnen würde, wenn die Schafbesatzdichte geringer wäre.

Andernfalls, so glauben Ökologen, wird die Tierwelt, die einst hier lebte, zu einem Relikt der Vergangenheit – dem Ort, an dem einst die wilden Tiere lebten.

Die sich hier abspielende Krise ist kein Einzelfall, sondern wiederholt sich in allen britischen Nationalparks. Um zu verstehen, was passiert, muss man genauer hinschauen – nicht nur auf die schöne Landschaft, sondern auch auf all das, was fehlt.


16.07.2025 Gesundheitsrisiko: Plastik in Hoden, Plazentas und Gehirnen

Im Nordatlantik schwimmen 27 Mio Tonnen winzige Plastikteile. Mit der Nahrungskette isst sie der Mensch. Noch mehr atmet er ein.

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19.07.2025 US-Bienenhalter verlieren 60 Prozent ihrer Bienenvölker

Die neuste Sorge: Resistenzen. Das gebräuchlichste Mittel gegen die Varroamilbe wirkt nicht mehr.

In den USA kam es im vergangenen Jahr zum grössten je dort verzeichneten Bienensterben: Im Schnitt verloren Imkerinnen und Imker 60 Prozent ihrer Honigbienenvölker, was einem wirtschaftlichen Schaden von rund 600 Millionen Dollar entspricht. Ursache sind vor allem Krankheiten, die von der parasitären Varroamilbe übertragen werden. Diese hat Resistenzen gegen das breit verwendete Mittel Amitraz entwickelt. Für die Imkerinnen und Imker ist das eine bedrohliche Situation.

Ohne ihre Bienen ginge wenig bis nichts im US-Anbau von Mandeln, Gurken, Zwiebeln und vielem mehr. Bestäuben ist in den USA eine Industrie. Grossimker wie Bret Adee karren ihre Bienen mit grossen Trucks durchs ganze Land, um die Bestäubung der wichtigen Kulturen zu gewährleisten. Parasiten und Krankheiten breiten sich in der Massenhaltung jedoch schnell aus.

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22.07.2025 PFAS: Dänemark verbietet 23 Pestizide

Zehn weitere Chemikalien, die zur Bildung von Trifluoracetat (TFA) beitragen, werden noch geprüft. Die Schweiz wartet ab.

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22.07.2025 Unberührtes Eisgebirge – es soll im Wasser versinken

Ein Stausee oberhalb Zermatts: Der Plan ist so umstritten wie unausgegoren. Befürworter und Kritiker trafen sich auf 2800 Metern.

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22.07.2025 UN-Chef Guterres erklärt das Ende der Ära der fossilen Brennstoffe und drängt die Nationen auf neue Klimapläne vor dem COP30-Gipfel

Übersetzung des Berichts der UN

UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, die Welt habe bei der Umstellung auf erneuerbare Energien „den Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gibt“, und forderte die Regierungen dringend auf, vor dem COP30-Klimagipfel im November in Brasilien umfassende neue Klimapläne vorzulegen. Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe nähere sich seinem Ende.

In einer Sonderansprache im UN-Hauptquartier in New York verwies Guterres auf die steigenden Investitionen in saubere Energien und die sinkenden Kosten für Solar- und Windenergie, die mittlerweile mit fossilen Brennstoffen konkurrieren.

Die Energiewende ist nicht mehr aufzuhalten, aber sie verläuft noch nicht schnell genug und nicht gerecht genug“, sagte er.

Die Rede „Ein Moment der Gelegenheit: Das Zeitalter sauberer Energie aufladen“ – eine Fortsetzung des letztjährigen „Moment der Wahrheit“ – wurde zusammen mit einem neuen technischen Bericht der UN gehalten, der sich auf die Beteiligung globaler Energie- und Finanzgremien stützte.

„Folgen Sie einfach dem Geld“, sagte Guterres und wies darauf hin, dass im vergangenen Jahr zwei Billionen Dollar in saubere Energie geflossen seien, also 800 Milliarden Dollar mehr als in fossile Brennstoffe und ein Anstieg von fast 70 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts.

Eine Verschiebung der Möglichkeiten

Er verwies auf neue Daten der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), aus denen hervorgeht, dass Solarenergie, die einst viermal teurer war, heute 41 Prozent billiger ist als fossile Brennstoffe .

Ebenso ist Offshore-Windenergie 53 Prozent günstiger, wobei mehr als 90 Prozent der neuen erneuerbaren Energien weltweit die billigste neue fossile Alternative schlagen .

Dies ist nicht nur eine Machtverschiebung. Es ist eine Verschiebung der Möglichkeiten“, sagte er.

Erneuerbare Energien hätten bei der weltweit installierten Stromkapazität fast die gleiche Leistung wie fossile Brennstoffe, und „fast die gesamte im letzten Jahr neu geschaffene Stromkapazität“ sei aus erneuerbaren Energien gekommen, sagte er und merkte an, dass auf allen Kontinenten mehr saubere Energie als fossile Brennstoffe erzeugt worden sei.

Saubere Energie ist nicht aufzuhalten

Herr Guterres betonte, dass eine Zukunft mit sauberer Energie „kein Versprechen mehr, sondern eine Tatsache“ sei. Keine Regierung, keine Industrie und kein Sonderinteresse könne sie aufhalten.

Natürlich wird die Lobby der fossilen Brennstoffe es versuchen, und wir wissen, wie weit sie gehen wird. Aber ich war mir noch nie so sicher, dass sie scheitern wird, weil wir den Punkt überschritten haben, an dem es kein Zurück mehr gibt.

Er forderte die Länder auf, ihre Ambitionen in die nächste Runde der nationalen Klimapläne (NDCs) zu integrieren, die in den nächsten Monaten fällig werden. Guterres forderte die G20-Staaten, die für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind, auf, neue Pläne im Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze vorzulegen und diese im September bei einer hochrangigen Veranstaltung vorzustellen.

Die Ziele, fügte er hinzu, müssten „die Energieeffizienz verdoppeln und die Kapazität für erneuerbare Energien bis 2030 verdreifachen“ und gleichzeitig „die Abkehr von fossilen Brennstoffen“ beschleunigen.

Echte Energiesouveränität

Der Generalsekretär betonte auch die geopolitischen Risiken der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

„Die grösste Bedrohung für die Energiesicherheit stellen heute fossile Brennstoffe dar“, sagte er und verwies auf die Preisschocks nach der Invasion Russlands in der Ukraine.

Es gibt keine Preisspitzen für Sonnenlicht und keine Embargos für Windenergie. Erneuerbare Energien bedeuten echte Energiesicherheit, echte Energiesouveränität und echte Unabhängigkeit von der Volatilität fossiler Brennstoffe.

Sechs Chancenbereiche

Herr Guterres skizzierte sechs „Chancenbereiche“, um den Übergang zu beschleunigen: ehrgeizige NDCs, moderne Stromnetze und Speicher, die nachhaltige Deckung der steigenden Nachfrage, ein gerechter Übergang für Arbeitnehmer und Gemeinden, Handelsreformen zur Ausweitung der Lieferketten für saubere Technologien und die Mobilisierung von Finanzmitteln für Schwellenmärkte.

Der Engpass sei jedoch die Finanzierung. Afrika, das 60 Prozent der weltweit besten Solarressourcen beheimatet, habe im vergangenen Jahr nur zwei Prozent der weltweiten Investitionen in saubere Energie erhalten , sagte er.

Nur jeder fünfte Dollar für saubere Energie floss im letzten Jahrzehnt in Schwellen- und Entwicklungsländer ausserhalb Chinas. Um das 1,5-Grad-Limit einzuhalten und einen universellen Zugang zu gewährleisten, müssen die Zuflüsse bis 2030 mehr als verfünffacht werden.

Herr Guterres drängte auf eine Reform des globalen Finanzwesens, stärkere multilaterale Entwicklungsbanken und einen Schuldenerlass, darunter auch Schulden-gegen-Klima-Swaps.

Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe ist am Ende. Wir stehen am Beginn eines neuen Energiezeitalters“, sagte er abschliessend.

Diese Welt ist in Reichweite, aber sie wird nicht von alleine entstehen. Nicht schnell genug. Nicht fair genug. Es liegt an uns. Dies ist unsere Chance.

Kernpunkte der Ansprache


23.07.2025 Historische IGH-Stellungnahme: Alle sind zum Klimaschutz verpflichtet

Es ist eine Richtungsentscheidung, ein juristischer Paukenschlag, es ist historisch: Heute am 23. Juli  2025 stellte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag fest, dass alle Staaten dieser Erde verpflichtet sind, das 1,5 Grad Klimaziel einzuhalten.

Den Haag sieht Staaten völkerrechtlich verpflichtet, alles ihnen mögliche zu tun, um ihren CO2-Ausstoss zu senken und die Klimakrise zu stoppen. Das weltweit höchste Gericht unterstreicht damit die völkerrechtliche Verantwortung der Staaten zum Klimaschutz entsprechend der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Regierungen und Konzerne müssen Verantwortung übernehmen für die Klimakrise, die sie verursacht haben. Sie müssen die Klimakrise mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln abwenden. Damit hat das welthöchste Gericht heute eine neue Zeitrechnung im Klimaschutz ausgerufen.

Das2023 in der UN-Hauptversammlung beauftragte und jetzt vorgestellte Gutachten macht damit in einer Deutlichkeit klar, dass Nationale Klimaziele einzuhalten sind, Staaten eine Sorgfaltspflicht haben, das Klima angemessen zu schützen und dass diese Sorgfaltspflicht einklagbar ist, von der kaum einer vor heute zu träumen wagte. 

Doch was heisst diese IGH-Stellungnahme jetzt für uns? Kann damit ein Trump zum Klimaschutz gezwungen werden? Und was bedeutet das für neue Gasbohrungen vor Borkum oder das Verbrennen-Verbot? Ein Interview mit Sarah Zitterbarth, Expertin für Internationale Klimapolitik bei Greenpeace.

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02.08.2025 „Selbstvernichtung ist am wahrscheinlichsten“: Geschichte und Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenbruchs

Übersetzung des Artikels vom Guardian

Eine epische Analyse von 5.000 Jahren Zivilisation argumentiert, dass ein globaler Zusammenbruch bevorsteht, wenn die Ungleichheit nicht überwunden wird

„Wir können den Weltuntergang nicht genau datieren, aber wenn wir uns die 5.000 Jahre [der Zivilisation] ansehen, können wir die Entwicklungen verstehen, mit denen wir heute konfrontiert sind – und die Selbstvernichtung ist am wahrscheinlichsten“, sagt Dr. Luke Kemp vom Centre for the Study of Existential Risk der Universität Cambridge.

„Ich bin pessimistisch, was die Zukunft angeht“, sagt er. „Aber ich bin optimistisch, was die Menschen angeht.“ Kemps neues Buch behandelt den Aufstieg und Niedergang von mehr als 400 Gesellschaften über 5.000 Jahre hinweg und hat sieben Jahre gedauert, bis er es geschrieben hat. Die Lehren, die er daraus zieht, sind oft verblüffend: Die Menschen sind grundsätzlich egalitär, werden aber von vermögenden, statusbesessenen Eliten in den Niedergang getrieben, während frühere Zusammenbrüche oft das Leben der einfachen Bürger verbessert haben.

Die heutige globale Zivilisation sei jedoch tief vernetzt und ungleich und könne zum schlimmsten gesellschaftlichen Zusammenbruch aller Zeiten führen, sagt er. Die Bedrohung gehe von Führern aus, die „wandelnde Versionen der dunklen Triade“ – Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus – seien, in einer Welt, die von der Klimakrise, Atomwaffen, künstlicher Intelligenz und Killerrobotern bedroht sei.

Die Arbeit ist wissenschaftlich, doch der Australier kann auch direkt sein, etwa wenn er darlegt, wie ein globaler Kollaps vermieden werden könnte. „Sei kein Idiot“ ist einer der Lösungsvorschläge, neben der Entwicklung hin zu wirklich demokratischen Gesellschaften und einem Ende der Ungleichheit.

Sein erster Schritt bestand darin, das Wort Zivilisation aufzugeben, ein Begriff, den er für Propaganda der Herrscher hält. „Wenn man sich den Nahen Osten, China, Mesoamerika oder die Anden ansieht, wo die ersten Königreiche und Imperien entstanden, sieht man kein zivilisiertes Verhalten, sondern Krieg, Patriarchat und Menschenopfer“, sagt er. Dies sei eine Art evolutionärer Rückschritt gegenüber den egalitären und mobilen Jäger- und Sammlergesellschaften, die Werkzeuge und Kultur weit verbreitet teilten und Hunderttausende von Jahren überlebten. „Stattdessen begannen wir, den Hierarchien der Schimpansen und den Harems der Gorillas zu ähneln.“

Kemp verwendet den Begriff Goliaths stattdessen für Königreiche und Imperien und meint damit eine Gesellschaft, die auf Herrschaft aufbaut, wie das Römische Reich: Staat über Bürger, Reich über Arm, Herr über Sklave und Mann über Frau. Er sagt, dass Goliaths, wie der biblische Krieger, der von Davids Schleuder getötet wurde, in der Bronzezeit entstanden, von Gewalt durchdrungen und oft überraschend zerbrechlich waren.

Goliath-Staaten entstehen nicht einfach als dominante Cliquen, die überschüssige Nahrungsmittel und Ressourcen plündern, argumentiert er, sondern benötigen drei spezifische Arten von „Goliath-Treibstoff“. Der erste ist eine bestimmte Art von überschüssigem Nahrungsmittel: Getreide. Dieses könne „gesehen, gestohlen und gelagert werden“, sagt Kemp, im Gegensatz zu verderblichen Lebensmitteln.

In Cahokia beispielsweise, einer Gesellschaft in Nordamerika, die ihren Höhepunkt etwa im 11. Jahrhundert erreichte, habe das Aufkommen des Mais- und Bohnenanbaus zu einer Gesellschaft geführt, die von einer Elite aus Priestern und Menschenopfern dominiert wurde, sagt er.

Der zweite Goliath-Brennstoff sind Waffen, die von einer Gruppe monopolisiert wurden. Bronzeschwerter und -äxte waren Stein- und Holzäxten weit überlegen, und die ersten Goliaths in Mesopotamien folgten ihrer Entwicklung, sagt er. Kemp nennt den letzten Goliath-Brennstoff „eingesperrtes Land“ und meint damit Orte, wo Ozeane, Flüsse, Wüsten und Berge Menschen daran hinderten, vor aufkommenden Tyrannen einfach wegzuwandern. Die frühen Ägypter, gefangen zwischen dem Roten Meer und dem Nil, fielen beispielsweise den Pharaonen zum Opfer.

„Geschichte lässt sich am besten als Geschichte des organisierten Verbrechens erzählen“, sagt Kemp. „Es geht um eine Gruppe, die durch den Einsatz von Gewalt ein Monopol auf Ressourcen in einem bestimmten Gebiet und einer bestimmten Bevölkerung erlangt.“

Alle Goliaths trügen jedoch den Keim ihres eigenen Untergangs in sich, sagt er: „Sie sind verflucht, und zwar wegen der Ungleichheit.“ Ungleichheit entstehe nicht, weil alle Menschen gierig seien. Das seien sie nicht, sagt er. Die Khoisan-Völker im südlichen Afrika beispielsweise teilten und bewahrten jahrtausendelang gemeinsames Land, trotz der Versuchung, immer mehr zu erbeuten.

Stattdessen seien es die wenigen Menschen an der Spitze der dunklen Triade, die in einen Wettlauf um Ressourcen, Waffen und Status verfallen, sagt er. „Wenn die Eliten dann immer mehr Reichtum aus Volk und Land herauspressen, machen sie die Gesellschaften fragiler. Das führt zu Machtkämpfen, Korruption, Verelendung der Massen, gesundheitlichen Problemen, Überexpansion, Umweltzerstörung und Fehlentscheidungen einer kleinen Oligarchie. Die ausgehöhlte Schale einer Gesellschaft wird schliesslich durch Schocks wie Krankheiten, Kriege oder den Klimawandel zertrümmert.“

Die Geschichte zeige, dass dem Zusammenbruch stets eine zunehmende Vermögensungleichheit vorausgehe, sagt Kemp – von den klassischen Tiefland-Maya über die Han-Dynastie in China bis hin zum Weströmischen Reich. Er weist auch darauf hin, dass sich für die Bürger früher räuberischer Regime der Zusammenbruch oft positiv auswirkte, weil sie von Herrschaft und Steuern befreit wurden und sich wieder der Landwirtschaft widmen konnten. „Nach dem Untergang Roms wurden die Menschen tatsächlich grösser und gesünder“, sagt er.

Zusammenbrüche in der Vergangenheit waren regional und oft vorteilhaft für die meisten Menschen. Ein Zusammenbruch heute wäre global und für alle verheerend. „Heute haben wir keine regionalen Imperien mehr, sondern einen einzigen, vernetzten globalen Goliath. Alle unsere Gesellschaften agieren innerhalb eines einzigen globalen Wirtschaftssystems – des Kapitalismus“, sagt Kemp.

Er nennt drei Gründe, warum der Zusammenbruch des globalen Goliaths weitaus schlimmer wäre als frühere Ereignisse. Erstens: Zusammenbrüche gehen mit Gewaltausbrüchen einher, da die Eliten versuchen, ihre Dominanz wiederherzustellen. „Früher wurden diese Schlachten mit Schwertern oder Musketen geführt. Heute haben wir Atomwaffen“, sagt er.

Zweitens waren die Menschen in der Vergangenheit nicht so stark auf die Dienste von Imperien oder Staaten angewiesen und konnten im Gegensatz zu heute problemlos wieder zur Landwirtschaft oder zum Jagen und Sammeln zurückkehren. „Heute sind die meisten von uns spezialisiert und von der globalen Infrastruktur abhängig. Wenn diese wegfällt, werden auch wir untergehen“, sagt er.

„Nicht zuletzt sind die Bedrohungen, denen wir heute ausgesetzt sind, leider weitaus schlimmer als in der Vergangenheit“, sagt er. Klimaveränderungen in der Vergangenheit, die beispielsweise zu Zusammenbrüchen führten, gingen in der Regel mit einer Temperaturänderung von einem Grad Celsius auf regionaler Ebene einher. Heute sind wir weltweit mit drei Grad Celsius konfrontiert. Hinzu kommen rund 10.000 Atomwaffen, Technologien wie künstliche Intelligenz und Killerroboter sowie künstlich herbeigeführte Pandemien – allesamt Quellen katastrophaler globaler Risiken.

Kemp sagt, sein Argument, dass Goliaths Herrscher brauchen, die die Triade der dunklen Eigenschaften stark ausgeprägt haben, sei heute bestätigt. „Die drei mächtigsten Männer der Welt sind eine wandelnde Version der dunklen Triade: Trump ist ein Narzisst wie aus dem Lehrbuch, Putin ein kalter Psychopath und Xi Jinping kam als meisterhafter machiavellistischer Manipulator an die Macht [Chinas].

„Auch unsere Unternehmen und zunehmend auch unsere Algorithmen ähneln solchen Menschen“, sagt er. „Im Grunde verstärken sie das Schlimmste in uns.“

Kemp sieht diese „Agenten des Untergangs“ als Ursache für den aktuellen gesellschaftlichen Zusammenbruch. „Es sind die grossen, psychopathischen Konzerne und Gruppen, die globale Katastrophenrisiken verursachen“, sagt er. „Atomwaffen, Klimawandel und künstliche Intelligenz werden nur von einer sehr kleinen Zahl geheimnisvoller, sehr reicher und mächtiger Gruppen wie dem militärisch-industriellen Komplex, den grossen Technologiekonzernen und der fossilen Brennstoffindustrie produziert.“

Der entscheidende Punkt ist, dass es nicht darum geht, dass die gesamte Menschheit diese Bedrohungen hervorbringt. Es geht nicht um die menschliche Natur. Es geht um kleine Gruppen, die das Schlimmste in uns zum Vorschein bringen, um Profit und Macht konkurrieren und alle [Risiken] vertuschen.

Der globale Goliath sei das Endspiel der Menschheit, sagt Kemp, wie die letzten Züge einer Schachpartie, die das Ergebnis bestimmen. Er sieht zwei Ausgänge: Selbstzerstörung oder eine grundlegende Transformation der Gesellschaft.

Er hält das erste Ergebnis für das wahrscheinlichste, meint aber auch, dass man dem globalen Kollaps entgehen könnte. „Zuallererst müssen wir echte demokratische Gesellschaften schaffen, um alle Machtformen einzuebnen, die zu riesigen Machtmassen führen“, sagt er. Das bedeutet, Gesellschaften durch Bürgerversammlungen und Jurys zu regieren, unterstützt durch digitale Technologien, um direkte Demokratie in grossem Massstab zu ermöglichen. Die Geschichte zeige, dass demokratischere Gesellschaften tendenziell widerstandsfähiger seien, sagt er.

„Hätte eine Bürgerjury über die [Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie] geurteilt, als diese herausfanden, wie viel Schaden und Tod ihre Produkte verursachen würden, glauben Sie, sie hätten gesagt: ‚Ja, machen Sie weiter, verheimlichen Sie die Informationen und führen Sie Desinformationskampagnen durch‘? Natürlich nicht“, sagt Kemp.

Um dem Kollaps zu entgehen, müsse man auch Vermögen besteuern, sagt er, sonst fänden die Reichen Wege, das demokratische System zu manipulieren. „Ich würde ein Vermögen von zehn Millionen Dollar begrenzen. Das ist weit mehr, als irgendjemand braucht. Ein berühmter Ölmagnat sagte einmal, Geld sei für die Reichen nur ein Mittel, um Punkte zu sammeln. Warum sollten wir diesen Leuten erlauben, Punkte zu sammeln, wenn sie damit riskieren, den gesamten Planeten zu zerstören?“

Bürgerjurys und Vermögensobergrenzen wirken zwar übertrieben optimistisch, doch Kemp meint, wir seien schon lange von Herrschern einer Gehirnwäsche unterzogen worden, die ihre Dominanz rechtfertigen – von den selbsternannten Gott-Pharaonen Ägyptens und Priestern, die behaupteten, das Wetter zu kontrollieren, bis hin zu Autokraten, die behaupteten, die Menschen vor ausländischen Bedrohungen zu schützen, und Tech-Titanen, die uns ihre Techno-Utopien verkaufen. „Es war schon immer einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende der Goliaths. Das liegt daran, dass uns diese Geschichten über einen Zeitraum von 5.000 Jahren eingehämmert wurden“, sagt er.

„Heute fällt es den Menschen leichter, sich vorzustellen, dass wir Intelligenz auf Silizium aufbauen können, als dass wir Demokratie im grossen Massstab schaffen oder einem Wettrüsten entgehen können. Das ist völliger Schwachsinn. Natürlich können wir Demokratie im grossen Massstab schaffen. Wir sind von Natur aus eine soziale, altruistische, demokratische Spezies und wir alle haben eine Anti-Dominanz-Intuition. Dafür sind wir geschaffen.“

Kemp weist den Vorwurf zurück, er präsentiere lediglich eine politisch linke Sicht der Geschichte. „Demokratie hat nichts von Natur aus Linkes“, sagt er. „Die Linke hat auch kein Monopol auf die Bekämpfung von Korruption, die Rechenschaftspflicht der Mächtigen und die Sicherstellung, dass Unternehmen für die von ihnen verursachten sozialen und ökologischen Schäden aufkommen. Das macht unsere Wirtschaft nur ehrlicher.“

Er hat auch eine Botschaft für den Einzelnen: „Zusammenbruch wird nicht nur durch Strukturen verursacht, sondern auch durch Menschen. Wenn du die Welt retten willst, dann ist der erste Schritt, sie nicht mehr zu zerstören. Mit anderen Worten: Sei kein Idiot. Arbeite nicht für die grossen Technologiekonzerne, Rüstungskonzerne oder die fossile Brennstoffindustrie. Akzeptiere keine Beziehungen, die auf Dominanz basieren, und teile die Macht, wann immer du kannst.“

Obwohl der Zusammenbruch möglicherweise abgewendet werden könnte, bleibt Kemp pessimistisch, was unsere Aussichten angeht. „Ich halte das für unwahrscheinlich“, sagt er. „Wir haben es mit einem 5.000 Jahre dauernden Prozess zu tun, der sich nur schwer umkehren lässt, da die Ungleichheit zunimmt und die Eliten unsere Politik vereinnahmt.“

Aber selbst wenn man keine Hoffnung hat, spielt das keine Rolle. Es geht um Widerstand. Es geht darum, das Richtige zu tun, für Demokratie zu kämpfen und dafür, dass Menschen nicht ausgebeutet werden. Und selbst wenn wir scheitern, haben wir zumindest nicht zum Problem beigetragen.

Goliath's Curse von Luke Kemp wurde am 31. Juli in Grossbritannien von Viking Penguin veröffentlicht


05.08.2025 „Der Wald war verschwunden“: Der Sturm, der einen Berg versetzte

Übersetzung des Artikels im Guardian

Auf einem kleinen Felsvorsprung in den Schweizer Bergen genossen 200 Menschen ein Sommerfussballturnier. Als die Nacht hereinbrach, ahnten sie nicht, was auf sie zukommen würde.

Nach einer Naturkatastrophe werden bestimmte Kennzahlen verwendet, um das Ereignis zu kategorisieren: die zerstörten Gebäude, die Reparaturkosten auf die nächste Million gerundet, eine einzige Zahl für den Verlust an Menschenleben. Doch diese Zahlen verschleiern die Wahrheit solcher Ereignisse. Sie lassen das Ergebnis feststehend und irgendwie verhältnismässig erscheinen. Aber Katastrophen sind chaotisch. Ihre extreme Gewalt verstärkt die Folgen jeder Entscheidung: bleiben oder gehen, weglaufen oder sich verstecken. Es hätte auch anders kommen können. Und wie würden wir dann darüber sprechen?

In Locarno in der Schweiz, am Nordufer des Lago Maggiore, liegt die Mündung des Flusses Maggia. Folgt man ihm in nordwestlicher Richtung, schlängelt er sich vorbei an sandigen, von Bäumen beschatteten Stränden, durch felsige Schluchten und in ein breites Gletschertal, wo fast das ganze Jahr über lange Wasserfälle die bewaldeten Berghänge hinabstürzen. Etwas mehr als 20 Kilometer flussaufwärts, am Fusse des Pizzo di Brünesc, teilt sich der Fluss in zwei Arme. Dies ist das obere Maggiatal. Im Westen verläuft das Val Bavona mit seinen historischen Dörfern mit Steindachhäusern. Im Osten, ebenso steil und grün, liegt das Val Lavizzara. Und im oberen Teil des Val Lavizzara, auf einer Höhe von 1.000 Metern, liegt Campo Draione.

Campo Draione ist vielleicht der schönste Fussballplatz der Welt – oder zumindest der Schweiz. Er liegt auf einem schmalen Landstreifen oberhalb eines Gebirgsbachs, durch einen Wald von der Strasse abgeschirmt und auf allen Seiten von mit Kiefern bewachsenen Gipfeln umgeben. Es wurde in den 1950er Jahren auf Schutt aus nahe gelegenen Wasserkraftprojekten angelegt und seit 1970 findet hier jedes Jahr an einem Wochenende eines der beliebtesten Ereignisse im Maggiatal statt: ein zweitägiges Acht-gegen-Acht-Fussballturnier mit 18 Mannschaften aus dem gesamten Kanton Tessin.

In den meisten Jahren findet das Turnier am ersten Juliwochenende statt, aber 2024 wurde es vorverlegt, um eine Überschneidung mit einem Feuerwerk in Locarno zu vermeiden. So versammelten sich am 29. Juni, einem warmen Samstagmorgen, Hunderte von Menschen auf und um den Campo Draione. Es herrschte eine familiäre Atmosphäre; diejenigen, die nicht am Turnier teilnahmen, assen Eis, kauften Getränke in einem Festzelt oder schwammen im Bach bei Piano di Peccia, einem Dorf, das 10 Gehminuten entfernt liegt, jenseits einer schmalen Autobrücke über einer tiefen, grünen Schlucht.

Der Höhepunkt sollte an diesem Abend stattfinden: eine Party unter dem Sternenhimmel mit einer Aussenbühne und einer Lichtanlage, drei Bands und einem DJ, die bis in die frühen Morgenstunden dauerte, bis die Feiernden sich in die Zelte zurückzogen, die am Rande des Spielfeldes oder auf den Feldern in der Nähe aufgestellt waren.

Doch an diesem Morgen schaute der Hauptorganisator der Veranstaltung, Daniele Rotanzi, immer wieder auf sein Handy. Die App von MeteoSwiss, dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, sagte eine Sturmwarnung der Stufe 3 – eine «erhebliche Gefahr» – für den Kanton voraus. „Es würde mit Sicherheit regnen”, erinnert sich Rotanzi, ein athletischer Mann, der jünger aussieht als seine 40 Jahre. Er beriet sich mit dem zehnköpfigen Organisationskomitee des Turniers – allesamt Freiwillige – und sie beschlossen, eine provisorische Bühne im Festzelt zu bauen: eine 50 cm hohe Holzplattform. Weniger glamourös, aber angesichts der Situation sinnvoll, fanden sie.

Das Büro von SwissMeteo für die südlichen Alpen liegt an einem steilen Hang nördlich des Zentrums von Locarno. Von den Fenstern des Vorhersageraums aus erstreckt sich unterhalb die Kurve des Maggia-Deltas: ein riesiger Landstreifen, der sich etwa 2,5 km in den See hinein erstreckt. Nur wenige Flüsse in Europa reagieren so empfindlich auf Niederschläge wie die Maggia oder schwellen so schnell an. Monate zuvor, im September 2023, war der Wasserstand innerhalb weniger Stunden um das 17-Fache angestiegen; es war eine Art Sintflut, die die Landschaft ohne Probleme verkraftete.

Aber am Mittag dieses letzten Samstags im Juni waren die Meteorologen besorgt. Eine Woche zuvor hatte ein Gewitter in ihrem Gebiet einen Murgang ausgelöst, der den Weiler Sorte in Graubünden verwüstete. Zwei Menschen kamen ums Leben, einer wurde noch vermisst. Sorte war unbewohnbar. Nun sahen sie, wie sich ein Tiefdruckgebiet von Frankreich nach Süddeutschland bewegte, während gleichzeitig heisse Luft aus Italien nach Norden drängte. Im Frühjahr 2024 lag die Oberflächentemperatur des Mittelmeers sechs Grad über dem 30-jährigen Durchschnitt, und in den letzten Tagen hatte sie neue Rekorde für den Monat Juni aufgestellt. Wenn diese Strömungen heisser, feuchter Luft auf die massive konkave Barriere der Alpen trafen, würden sie entweder abgelenkt werden oder zusammenströmen und aufsteigen, wodurch die Voraussetzungen für einen weiteren schweren Sturm geschaffen würden.

Um 13.30 Uhr hielten die Meteorologen eine Videokonferenz mit der Polizei, der Feuerwehr, dem Zivilschutz, dem Verkehrsnetz und den kantonalen Experten für Hydrologie und Geologie ab. Zum ersten Mal im Kanton Tessin stuften sie die Gewittergefahr auf die höchste Stufe ein: eine «schwere» Gefahr, Stufe 4, mit Risiken wie Sturzfluten, umstürzende Bäume, Erdrutsche, riesige Hagelkörner und Blitze. Radarkarten zeigten starke Regenfälle in den Alpentälern des oberen Tessins und heftige Gewitter im zentralen und südlichen Teil des Kantons: Locarno, Bellinzona, Lugano.

Warnungen wurden über das lokale Fernsehen, Radio, soziale Medien und die weit verbreitete MeteoSwiss-App verbreitet. Polizei und Feuerwehr informierten die lokalen Kommandoposten. Die Flussbehörden, Forstbezirke und Gemeinden mit Erdrutschgefahr wurden alarmiert. Die Informationen waren jedoch frustrierend ungenau: Niemand wusste, wo der Regen niedergehen würde. Das interne Wettermodell von MeteoSwiss sagte extreme Regenfälle über dem oberen Maggiatal voraus. Doch weder in der Unterrichtung noch in den öffentlichen Warnungen wurde auf die Gefahr von Sturzfluten im Tal hingewiesen: Stattdessen waren sie allgemein für das gesamte Tessin formuliert.

Gewitter gehören zu den unvorhersehbarsten Phänomenen in der Meteorologie, und hier handelte es sich um Gewitterregen. Wenn ihr Modell das Epizentrum eines Gewitters auch nur einmal in zehn Fällen auf 30 km genau vorhersagt, ist das MeteoSwiss-Team beeindruckt. Das heisst, wenn es überhaupt auftritt. Die meisten Warnungen von MeteoSchweiz basieren auf einer Wahrscheinlichkeit von 70 %, aber bei Gewittern halbiert sich diese Wahrscheinlichkeit fast auf 40 %. Noch am Samstagnachmittag war es wahrscheinlich, dass es nirgendwo im Kanton zu einem Sturm kommen würde.

Daniele Rotanzi stammt aus Piano di Peccia, einem Dorf in der Nähe von Campo Draione. Etwa die Hälfte der Menschen auf dem Spielfeld stammte ebenfalls aus dem Maggiatal, darunter auch Rotanzis bester Freund, Loris Foresti. Foresti wurde weiter unten im Val Lavizzara, in Prato-Sornico, geboren, und die beiden Männer kannten sich seit ihrem vierten Lebensjahr. Die Sommer verbrachten sie mit Schwimmen in Piano di Peccia oder in der Grotto Pozzasc, einer Taverne, die Forestis Eltern neben einem schattigen, türkisfarbenen Felsenpool betrieben. Die Winter drehten sich um die Eislaufbahn in Prato-Sornico. Seit ihrer Jugend nahmen die beiden jedes Jahr am jährlichen Eishockeyturnier teil.

Foresti ist Meteorologe und entwickelt Software für MeteoSwiss, die unter anderem Gewitter überwacht. Als Rotanzi sah, dass die Warnung ausgegeben worden war, wandte er sich an seinen Freund, um Rat zu holen. «Es war Stufe 4», sagt Foresti, «aber man weiss nicht, wo es zuschlagen wird. Ich dachte mir: OK, könnten wir das Konzert draussen machen, wenn es aufgehört hat?»

Der teilweise bewölkte Himmel hatte eine seltsame gelbliche Färbung, Saharastaub in der oberen Atmosphäre. Am Boden fühlte sich die Luft stickig und feucht an. Im Laufe des Nachmittags gab es kurze Schauer, aber nicht genug, um das Spiel zu unterbrechen. Und um 18 Uhr, als das letzte Spiel zu Ende war, eilten alle zum langen Festzelt. Das eigentliche Fussballspiel stand kurz bevor. Die Schweizer Nationalmannschaft spielte in der ersten K.o.-Runde der Europameisterschaft gegen den amtierenden Meister Italien. Das Spiel wurde auf eine weisse Leinwand projiziert, und an den Tischböcken wurden Grillrippchen serviert. Zwischen 300 und 400 Menschen drängten sich im Zelt, und ihre Jubelrufe übertönten das immer lauter werdende Geräusch des Regens auf dem Plastikdach. Als um 20 Uhr der Schlusspfiff ertönte, hatte die Schweiz mit 2:0 gewonnen – eine historische Überraschung –, und es regnete stark, aber nicht genug, um die Feierlichkeiten zu trüben. Es gab einen Ansturm auf die Bar. Um 21 Uhr begann die erste Band des Abends, eine Parodie-„Farm-Metal”-Band, mit ihrem Auftritt. Draussen hatte ein Gewitter eingesetzt.

Über Gewitter ist vieles unbekannt. Das grösste Rätsel ist jedoch die Vorhersage, wann und wie sie auftreten werden, ein Problem, das mit einem der grossen Geheimnisse der Physik zusammenhängt: turbulente Bewegung.

Zünden Sie eine Kerze an und blasen Sie sie aus. Der Rauch steigt zunächst gleichmässig auf und beginnt dann, nach oben zu wirbeln. Dieses Wirbeln ist Turbulenz, und nach unserem derzeitigen Verständnis des Universums gibt es keine Möglichkeit, vorherzusagen, welche Form sie annehmen wird. Im Gegensatz zu anderen Phänomenen an den Grenzen des menschlichen Wissens, wie beispielsweise Schwarzen Löchern, begegnet man turbulenten Bewegungen jeden Tag: in der Bewegung von Flammen in einem Feuer, dem Weg eines Duftes durch einen Raum, dem Rhythmus der Wellen am Ufer. Wenn eine gleichmässige oder „laminare” Strömung in Turbulenzen zerfällt, erzeugen grosse Wirbel immer kleinere Wirbel, die sich gegenseitig beeinflussen und mit jeder Sekunde exponentiell komplexer werden.

Turbulente Dynamiken beeinflussen das gesamte Wetter – sie sind der Grund, warum Meteorologen keine Vorhersagen für mehr als 14 Tage im Voraus treffen können –, aber insbesondere Gewitter entstehen und werden von turbulenten Strömungen bestimmt. Mit der globalen Erwärmung könnten die heftigsten Wetterphänomene noch heftiger werden, und sie bleiben trotz allem unvorhersehbar.

Als es auf dem Campo Draione Mitternacht wurde, regnete es seit fast drei Stunden in Strömen. Im Festzelt spielte eine Folkband auf einer improvisierten Bühne. Foresti stand mit dem Rücken zu ihnen und blickte auf den Regen, auf die Berge, die von ständigen Blitzen erhellt wurden, die mehrmals pro Sekunde aufblitzten.

„Ich liebe Gewitter“, sagte Foresti. „Sie begeistern mich. Ich habe Fotos gemacht.“ Als Meteorologe wusste er, dass es sich nicht nur um ein einzelnes Gewitter handelte, sondern um eine Reihe von Gewittern, die durch eine stationäre Front über ihm entstanden waren, die warme, feuchte Luft „wie eine Gewittermaschine“ anzog.

Plötzlich fühlte er sich unwohl. Die Front hätte sich weiterbewegen müssen. Es hätte vorbei sein müssen. „Es muss jetzt aufhören“, erinnert sich Foresti gedacht zu haben. Aber der Regen prasselte weiter nieder. Er begann, an das Tal zu denken, an die Menschen, die die Taverne seiner Eltern unten am Fluss betrieben. Er und die Hunderte von Menschen um ihn herum waren in grosser Gefahr. Während die Band hinter ihm spielte, begann Foresti vor Angst zu zittern.

Wenn Stürme in Serie auftreten, gibt es normalerweise zwischen ihnen eine Pause. Aber in dieser Nacht folgten sie dicht aufeinander, unerbittlich in ihrer Intensität, konzentriert auf einen etwa 20 mal 9 Kilometer grossen Landstreifen, der sich entlang des gewundenen Bergrückens in 2.500 Metern Höhe erstreckte und die beiden Täler des oberen Maggia voneinander trennte. Ausserhalb dieses Gebiets liess der Niederschlag stark nach; in Locarno fiel fast kein Regen. Doch um Mitternacht fielen mehr als 50 mm Regen pro Stunde – 50 Liter pro Quadratmeter – auf den Bergrücken. Und er fiel auf Schnee.

Das Klima im Tessin ist heiss, fast mediterran, und normalerweise wäre der Schnee bis Ende Mai geschmolzen. Doch 2024 hatte es Ende April so stark geschneit, dass noch ein Monat nach Beginn des heissen Sommers auf den Gipfeln Schnee lag. Die Schneeschmelze sättigte den Bergrücken, und der Regen floss über den nassen Boden. Als er die Baumgrenze erreichte, befand er sich noch 1.000 Meter über den Dörfern in den Tälern, aber die mit Sand vermischte Flutwelle hatte bereits die Kraft, Felsen zu bewegen und Bäume zu knicken.

„Ein so turbulentes Phänomen wie ein Murgang, bei dem Wasser mit Sedimenten, Geröll und Bäumen kombiniert wird, lässt sich unmöglich simulieren“, sagt Andrea Salvetti, der Hydrologe des Kantons. Das Wasser bewegt sich, aber auch alles, was es berührt: Ein grosser Felsbrocken kann seinen Lauf ändern, ein Geröllhaufen kann einen Damm bilden. „Man kann nicht wissen, wohin das Wasser fliessen wird.“

Um Viertel nach Mitternacht stürzte eine Frau in das Festzelt. Sie war gerade mit dem Auto angekommen, um ihre Tochter nach Hause zu bringen, und sie war völlig verängstigt. „Sie sagte, es sei verrückt“, erzählt Foresti. „Dass Steine auf die Brücke springen würden, dass sich unter der Brücke Steine befänden und diese sich bewegten.“

„Nicht alle wollten das glauben“, erinnert sich Foresti. „Einige Jugendliche sagten, sie rede Unsinn, und sie wurde wütend.“ Aber Foresti erkannte ihre Beschreibung eines Schuttstroms, bei dem „Steine auf dem Schlamm und dem Wasser schwimmen“. Er sah auch die Notwendigkeit, Panik zu verhindern. „Ich versuchte, ruhig zu bleiben, aber ich war nicht ruhig.“

Die dritte Band des Abends bereitete sich auf ihren Auftritt vor, und Rotanzi meldete sich beim DJ, der unterwegs war, um die Party zu beenden. „Wann kommst du an?“, schrieb Rotanzi um 00:20 Uhr. Der DJ antwortete eine Minute später: „Ciao, ich bin in 10 Minuten da! Die Strassen sind furchtbar. Ich habe eine Weile gebraucht.“ Rotanzi antwortete mit zwei Daumen hoch. Dann gingen alle Lichter aus.

Smartphone-Taschenlampen wurden eingeschaltet; Regen prasselte auf das Dach. Etwa 200 Menschen standen in der Dunkelheit. Jemand sagte, dass es in einem nahe gelegenen Dorf einen Generator gäbe, und eine Gruppe machte sich auf den Weg, um ihn zu holen. Dann vibrierte Rotanzis Telefon. Es war der DJ. „Der Fluss ist über die Ufer getreten“, schrieb er. „Ich komme nicht vorbei.“ Er schickte ein Foto, auf dem das Wasser, beleuchtet von seinen Scheinwerfern, über eine Strasse strömte. Rotanzi kannte die Stelle; dort gab es keinen Fluss. „Kehren Sie um“, schrieb er und rief die Polizei.

Die Polizei sagte, Streifenwagen seien unterwegs, und Rotanzi rief den Feuerwehrchef an. „Er sagte mir: ‚Halten Sie alle im Zelt.‘“ Nicht weit entfernt hatte es Überschwemmungen und Erdrutsche gegeben. Die Gruppe, die nach einem Generator gesucht hatte, war bereits aufgebrochen, kam aber 50 Meter vor der Brücke zum Stehen. Das Wasser floss über die Brücke hinweg. Sie kehrten um.

Im Festzelt sprang Rotanzi auf einen Tisch, um sich an die Menge zu wenden. Es gab keine Möglichkeit zu fliehen: Die Strasse war blockiert. Alle mussten im Zelt bleiben. „Man spürte, dass die Leute wussten, dass etwas Wichtiges passierte“, erinnert sich Rotanzi. „Alle hörten schweigend zu.“

Entlang des Bergrückens zwischen den Tälern dauerte der Starkregen bereits seit vier Stunden an. In dieser Nacht gingen aus den Gewitterwolken 30 Milliarden Liter Wasser nieder. Das reine Wasser hatte ein Gewicht von 30 Millionen Tonnen; zusammen mit den Trümmern war seine Masse unermesslich. Es riss Bäume um, spülte Erde unter Steinen weg und brachte Felsen ins Rutschen. Die Berge bewegten sich.

Auf einer Höhe von fast 1.300 Metern über dem Meeresspiegel kamen sie zum Stillstand. Ein kolossaler Felsblock, umgeben von Geröll, versperrte das Ende eines steilen Kanals. Selbst nach starken Regenfällen hatte das Wasser im Kanal eine maximale Tiefe von drei Metern. Durch den Felsen gestaut, stieg das Wasser über 30 Meter hoch.

Fontana ist ein historisches Dorf mit moosbewachsenen Steinhäusern, erbaut auf grünen Terrassen im Val Bavona – auf der gegenüberliegenden Seite des Bergrückens von Campo Draione. Als der Stauplatz brach, wurde Fontana von einer Flutwelle aus Wasser, Geröll und 300.000 Kubikmetern Gestein getroffen. Die Flutwelle riss Mauern ein und zerfetzte Autos, als wären sie aus Seidenpapier. In seiner Mitte, von Blitzen beleuchtet und höher als die umliegenden Häuser, bewegte sich der kolossale 2.000 Tonnen schwere Felsblock, der den Kanal aufgestaut hatte, aufrecht auf einem Bett aus beweglichem Gestein und glitt 450 Meter von einem Ende des Dorfes zum anderen. Die Siedlung wurde in zwei Teile geteilt und unter einem 500 Meter langen, 500 Meter breiten und bis zu 13 Meter tiefen Trümmerfeld begraben.

Fünf Menschen verloren ihr Leben. Drei deutsche Urlauber hatten ihr Haus am oberen Ende des Dorfes verlassen, als der Stau platzte. Sie kamen im Freien ums Leben; das Haus überstand den Sturm. Am unteren Ende des Dorfes scheint ein einheimisches Paar in seinem Haus Schutz gesucht zu haben. Das Gebäude wurde vollständig zerstört.

Auf dem Campo Draione hatte sich die Lage beruhigt. Das Zelt war ungeheizt, und die Menschen drängten sich unter Planen, Foliendecken und Plastiktischdecken zusammen, um sich warm zu halten. Eine einzige batteriebetriebene Lampe hing von der Decke. In der Dunkelheit sah Rotanzi einen Mann auf sich zukommen. Es war der Bühnentechniker. Er wirkte aufgeregt. Es gab etwas, das Rotanzi sehen musste.

Rotanzi trat hinaus in den Regen. Kaum fünf Meter vom Ende des Festzeltes entfernt, wo zuvor der Wald gestanden hatte, war nun eine Leere. Die Ecke der Aussenbühne ragte in den leeren Raum hinein. Die Räder eines geparkten Lieferwagens hingen in der Luft. Er hörte das Rauschen des Flusses, 30 Meter unter ihm. Zu seinen Füssen sah Rotanzi die Trümmer, auf denen der Platz gebaut war und die durch den Erdrutsch freigelegt worden waren. Im Blitzlicht sah es aus wie nichts weiter als Kies.

Rotanzi war fassungslos. Die Brücke zum Dorf war blockiert. Bergauf, durch dichten, felsigen Wald, stand nur 50 Meter entfernt ein Haus. Aber 200 Menschen würden niemals in das Haus passen, selbst wenn sie es erreichen würden. Gab es irgendwo einen sicheren Ort? Der Hang oberhalb des Spielfelds war steil und hoch. Wer wusste schon, was herunterfallen könnte? Im Zelt hinter ihm, zitternd in ihren nassen Sommerkleidern, ahnten die Partygäste nichts von dem Erdrutsch. Und Rotanzi wurde klar, dass er eine Entscheidung treffen musste: Er konnte ihnen sagen, was passiert war, und damit eine Panik riskieren, oder schweigen und damit riskieren, dass das gesamte Zelt mit Hunderten von Menschenleben in die Flut gerissen wurde.

In seinem Alltag ist Rotanzi Versicherungsmathematiker bei einer Versicherungsgesellschaft und daran gewöhnt, Risiken unter viel ruhigeren Bedingungen zu berechnen. Nichts hatte ihn auf die Entscheidungen vorbereitet, die er in dieser Nacht treffen musste. Er kehrte zum Festzelt zurück, fand zwei Freunde aus dem Organisationskomitee und brachte sie mit nach draussen, um sich die Lage anzusehen. „In dieser Nacht war nichts sicher“, sagte Rotanzi. „Aber mein Hauptgedanke war: Wir dürfen keine Panik ausbrechen lassen.“ Die Hälfte der Partygäste kam nicht aus der Gegend; die Leute hatten getrunken. Wenn sie den Schutz des Zeltes verliessen, würde schnell Unterkühlung einsetzen. Rotanzi erklärte seine Überlegungen, und die Freunde stimmten zu. Sie würden einen Sicherheitsbeamten an der Aussenecke des Zeltes postieren. Wenn er weitere Bewegungen sah, würden sie evakuieren. Aber bis dahin sollte der Erdrutsch, abgesehen von dieser kleinen Gruppe, geheim gehalten werden.

Im Zeltinneren spürte Foresti, dass etwas Seltsames vor sich ging. Er konnte den Fluss hören, „und das ist kein Ort, an dem man normalerweise den Fluss hört, wegen des Waldes“. Er hatte gesehen, wie Rotanzi und die beiden Freunde gemeinsam das Zelt verlassen hatten. Er wartete eine Weile und folgte ihnen dann.

„Am Ende des Zeltes war der Wald verschwunden“, sagte Foresti. Er spähte mit der Taschenlampe seines Smartphones in die Dunkelheit, aber ihr Licht konnte den Regen nicht durchdringen. Er versuchte, ein Foto zu machen, aber es kam nichts dabei heraus. „Dann sah ich mit einem Blitz für eine Sekunde den Fluss. Bei einer Überschwemmung ist das Wasser turbulent – wie in einer Waschmaschine –, aber dieses war viel höher und laminar. Und mein Verstand konnte das nur schwer akzeptieren. Es ergab keinen Sinn. Es war eine Art Fluss, den ich noch nie zuvor gesehen hatte.“

Foresti ging zu Rotanzi, der ihn bat, still zu sein. Foresti verstand, aber sollten sie die Leute nicht von diesem Ende des Festzeltes wegbringen? Der Starkregen hielt schon fast sechs Stunden an. Das ganze Zelt könnte einstürzen. Rotanzi ging auf die Leute zu, die sich am anderen Ende des Festzeltes ausruhten, ohne zu wissen, dass sie sich neben einem Abgrund befanden, und fragte sie, ob sie sich von der Seite entfernen könnten. „Aber ohne ihnen zu sagen, warum, war ich nicht sehr überzeugend“, sagte er. „Einige Leute blieben einfach dort.“

Giorgia Mattei befand sich im Festzelt. Auf der anderen Seite der unpassierbaren Brücke, in Piano di Peccia, befanden sich ihre Mutter, ihre jüngere Schwester und die Kinder ihrer jüngeren Schwester in dem Haus, in dem alle drei Generationen zusammenlebten. Sie sah sich ein Bild in der WhatsApp-Gruppe der Familie an, das die Eingangstür des Hauses unter Wasser zeigte. Ihre jüngere Schwester schrieb, dass sie Angst habe. Sie schrieb, dass Felsen und Bäume vom Berg herunterkamen. Sie und Giorgias Mutter hielten sich in den oberen Stockwerken auf; die Kinder schliefen noch. Ihre Mutter schrieb, dass der Hühnerstall weggespült worden sei.

Um 2:30 Uhr schrieb Giorgia in der WhatsApp-Gruppe der Familie, dass sie alle in Campo Draione am Leben seien und es ihnen gut gehe. Ihre jüngere Schwester antwortete, dass Autos gegen die Seite des Hauses drückten. Ihre Mutter schrieb, dass sie alle zusammenblieben. Giorgia sagte ihrer Mutter, sie solle sich in Sicherheit bringen und bei ihrer Schwester bleiben.

Auf der anderen Seite der Alpen, im Jura, wachte Giorgias Vater auf und las die Nachrichten auf seinem Handy. Er schrieb in den Gruppenchat, dass er versuchte anzurufen, aber keine Verbindung bekam. Aber niemand las seine Nachricht. Niemand konnte sie lesen. Die Handys der Familie waren alle tot.

Die Visletto-Brücke über die Maggia war in zwei Teile zerbrochen. Die 80 Meter lange Steinbrücke war die einzige Verkehrsverbindung zu den oberen Tälern und trug wichtige Rohre und Kabel. Als sie brach, waren die oberen Maggia-Täler abgeschnitten: ohne Telefonsignal, Internet, fliessendes Wasser oder Strom.

Der Regen hatte aufgehört. Es blieb nichts anderes übrig, als auf den Sonnenaufgang zu warten.

Im blaugrauen ersten Licht strömten rot-weisse Bergrettungshubschrauber die Täler hinauf. Um 5 Uhr morgens, zwei Stunden nach dem Einsturz der Brücke, hatte der Kantonspolizeichef, Kommandant Matteo Cocchi, den Notstand ausgerufen. Unter der Leitung von Hauptmann Antonio Ciocco hatte die Polizei den Katastrophenschutzbunker von Locarno bezogen und eine Schule in Aurigeno requiriert, um deren Fussballplatz als Hubschrauberlandeplatz zu nutzen. Ciocco forderte Unterstützung von allen lokalen Behörden – Feuerwehr, Forstwirtschaft, Bergrettung – und der Armee.

Als die Hubschrauber die ersten Luftaufnahmen aus dem Katastrophengebiet zurückschickten, wurde das Ausmass der Lage deutlich. Es gab mehr als 50 Murgänge. Alte Wasserläufe waren aufgerissen worden. Strassen waren zerstört. Fontana war fast nicht wiederzuerkennen – seine grünen Terrassen waren durch einen grauen See aus Felsen ersetzt worden. „Die unmittelbare Frage war: ‚Was befindet sich unter den Steinen?‘“, sagt Ciocco. „Gibt es Verletzte? Wenn man sie sehen kann, weiss man, dass sie gerettet werden müssen. Aber was man nicht sehen kann, kann man sich nur vorstellen.“

Campo Draione erschien auf einem Bildschirm im Kommandozentrum. Dort, wo früher die Brücke zum Dorf gewesen war, verlief ein 100 Meter breiter und viermal so langer Steinschlag vom Wald bis zum Fluss – eine Viertelmillion Tonnen Gestein. Der Erdrutsch am Fluss war 20 Meter breit. Das Festzelt stand noch.

Oben auf dem Spielfeld tauchten die Partygäste in einer chaotischen Welt auf. Gruppen von Menschen standen an der Leere und starrten ungläubig auf den Rasen, der über dem leeren Raum hing. Durch das Loch im Wald sahen sie Piano di Peccia, halb unter Trümmern begraben. Ein Fluss, dreimal so breit wie gewöhnlich, floss durch das zerstörte Dorf.

Als die Telefone nicht mehr funktionierten, holte jemand ein Notfunkgerät, das er in seinem Auto aufbewahrte. Mit dessen Satellitenfunktion riefen sie die Bergrettung an, die ihnen sagte, sie sollten bleiben, wo sie waren. Sie sassen in ihren Autos, um sich aufzuwärmen, und versuchten, über das Radio Neuigkeiten zu erfahren. FM funktionierte nicht, aber DAB funktionierte. „Um 6 Uhr morgens hörten wir jemanden sagen, dass sich 200 Menschen in Campo Draione befanden und alle in Sicherheit waren“, erinnert sich Rotanzi. „Das war für viele Menschen eine grosse Erleichterung.“

Kurz darauf landete ein Hubschrauber. Die Bergrettung begutachtete die Lage und flog dann weiter: In Mogno sassen 40 Kinder in einem Sommercamp fest, und sie hatten Vorrang. Das Catering-Team bereitete das Frühstück zu. „Es war nicht sicher, ob wir an diesem Tag evakuiert werden konnten“, sagt Rotanzi. „Also informierten wir die Leute ab 6 Uhr morgens alle zwei Stunden über den aktuellen Stand.“ Sie hatten Catering-Vorräte, Fahrzeuge als Unterkünfte und Campingausrüstung, aber keine Möglichkeit, mit Familie und Freunden zu kommunizieren. Die Partygäste wussten es nicht, aber ihre verzweifelten Eltern hatten die Telefonleitung der Polizei überlastet: 500 Anrufe wurden entgegengenommen, aber 6.000 kamen nicht durch. Es dauerte bis 10 Uhr morgens, bis die Polizei eine spezielle Nummer eingerichtet hatte.

Giorgia Mattei fror. Sie versuchte, sich im VW-Camper einer Freundin aufzuwärmen, wickelte ihre Füsse in Alufolie und tauschte ihre durchnässten Pumps gegen ein trockenes Paar Armeestiefel, die vier Nummern zu gross waren. Ihre Mutter, ihre Schwester und die Kinder ihrer Schwester waren nur wenige hundert Meter entfernt. Sie wusste nicht, ob sie noch lebten.

Gegen 8 Uhr morgens hörte sie, dass jemand versuchte, eine Brücke zum Dorf zu bauen: ein Bauer, der mit einem Laserpointer einen Hubschrauber herbeigerufen hatte und über die Gerölllawine geklettert war, um seine Kühe in Sicherheit zu bringen. Giorgia machte sich auf die Suche nach ihm und half ihm, einen Baum über den Wildbach zu fällen. Mit den geliehenen Stiefeln, in denen ihre Füsse rutschten, begann sie, über den Baumstamm zu laufen. „Meine Beine zitterten“, sagt Giorgia. „Ich hatte Angst, zu fallen.“

Eine Schuttlawine aus dem Wald hatte das Haus der Familie getroffen. Giorgia sah den Hühnerstall, 50 Meter von seinem üblichen Standort entfernt. Die Hühner waren am Leben. Trümmer versperrten die Eingangstür des Hauses, und das Erdgeschoss war mit Schlamm gefüllt. Aber ihre Mutter, ihre jüngere Schwester und die Kinder waren in Sicherheit.

Sie hatten keine Möglichkeit, ihren Vater zu kontaktieren. Er war fünf Stunden lang durch die Nacht gefahren, in der Überzeugung, dass seine Frau, seine Kinder und seine Enkelkinder alle ums Leben gekommen waren. Er hatte erfolglos versucht, einen Platz in einem Hubschrauber zu bekommen. Er stritt sich mit Polizisten, die ihn aufhalten wollten. Er trampte und kletterte über Schuttströme, drang tiefer in das Katastrophengebiet vor, während andere flohen. Um 17.30 Uhr erreichte er sein zerstörtes Haus und fand seine Familie wohlbehalten vor.

Auf dem Campo Draione war die Armee eingetroffen. Die Evakuierten bestiegen einen Super-Puma-Hubschrauber, jeweils 15 Personen auf einmal, und liessen Zelte, Instrumente und Autos zurück. „Dieses Bild wird mich nie mehr loslassen“, sagt Rotanzi. „Der Fussballplatz ist ein Ort der Freude, und der Kontrast zu diesem riesigen Militärhubschrauber war so gross ... Es war ein Moment, der gleichzeitig grossartig und schrecklich war.“

Rotanzi sass im vorletzten Hubschrauber, der acht Minuten bis zur Schule in Aurigeno flog. Aus dem Fenster blickte er auf die verwüstete Landschaft hinunter und war fassungslos angesichts des Ausmasses der Zerstörung. „Die ganze Nacht hatte ich mir gesagt: ‚Scheisse – diese Leute sind hier, weil wir das organisiert haben‘“, sagt er. Er verspürte eine Welle der Erleichterung. Dann summte sein Telefon. Hunderte von Nachrichten. Verpasste Anrufe. „Da wurde mir klar, was passiert war“, sagt Rotanzi. „Wir kehrten zurück ins echte Leben.“ Der Hubschrauber landete. Und er begann zu weinen.

Niemand weiss, wie viele Menschen sich in dieser Nacht im oberen Maggiatal aufgehalten haben. Die registrierte Einwohnerzahl von 1.000 verdoppelt sich im Sommer, und am Ende des Sonntags wurden mehr als 500 Menschen vermisst. Es dauerte drei ganze Tage, um die Liste durchzugehen. „Es waren Hunderte“, sagt Hauptmann Ciocco. „Dann 50, dann 10. Bis am Ende nur noch eine Person vermisst wurde.“

Der Vermisste war auf dem Campo Draione gewesen. Der 22-jährige Einheimische hatte die Party möglicherweise vor Mitternacht verlassen, um sich in seinem Auto auszuruhen, das in der Nähe der Brücke geparkt war. Sieben Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben: fünf in Fontana und zwei in Prato-Sornico. Obwohl mehr als 2.200 Menschen an der Suche nach dem Vermissten beteiligt waren, wurden weder er noch sein Auto gefunden.

Foresti fragt sich: „Habe ich zu wenig reagiert? Einige Wochen später gab es eine weitere Warnung der Stufe 4. Es gab etwas Hagel, und das war alles.» Angesichts derselben Informationen würde er wohl nicht anders handeln.

In der Öffentlichkeit und privat wurde Rotanzi wegen seiner Entscheidung, die Veranstaltung nicht abzusagen, kritisiert. «Die Warnung galt für diese Nacht», sagt Rotanzi. «Hätten wir um 18 Uhr abgesagt, wären die Teams in ihre Zelte gegangen, die später überflutet und von Steinen getroffen wurden. Es hätte noch schlimmer kommen können.»

Hätte die Polizei eingreifen müssen? „Ohne genauere Informationen von MeteoSwiss können wir keine Evakuierung anordnen“, sagte Kommandant Cocchi. Aber MeteoSwiss kann diese Genauigkeit nicht liefern – ohne einen wissenschaftlichen Durchbruch in Bezug auf turbulente Strömungen wird dies möglicherweise nie möglich sein. Trotz all ihrer Ressourcen und ihrer sorgfältigen Überwachung mussten die Schweizer Behörden zu einer beängstigenden Schlussfolgerung kommen: Die gesamte Situation könnte sich wiederholen.

Die Berge folgen einer visuellen Logik: Die Art und Weise, wie Bäume zum Licht hin wachsen, die Wege des Wassers, die im Laufe geologischer Zeiträume erodiert wurden. Vieles davon wurde auf den Kopf gestellt. Monatelang arbeiteten Maschinen daran, Wege durch eine Mondlandschaft aus herabgestürzten Felsen freizuräumen, um die Folgen einiger Stunden Regen rückgängig zu machen. Aber es wird Jahrzehnte dauern, bis das Leben mit Flechten, dann Moos und schliesslich Erde auf den Felsen zurückkehrt. Menschen, die ihr ganzes Leben hier verbracht haben – deren Grosseltern hier lebten, die es als Kinder kannten – lernen die neue Grammatik einer zerstörten Landschaft.

„Ich ging hinter der Taverne meiner Eltern angeln“, erzählt Foresti. „Ich kannte jeden Wasserpool. Es war alles Wald, und der Fluss hatte einen ganz anderen Verlauf. Jetzt ist er mit Steinen gefüllt. Wo früher ein Weg war, gibt es jetzt keinen mehr. Wo früher Wald war und Kühe grasten, sehe ich jetzt einen Berg. Der Wald ist verschwunden.“

Die Sturzflut im Juni 2024 war eine der heftigsten in der Region seit 200 Jahren. Nur wenige rechnen damit, dass es lange dauern wird, bis die nächste kommt. „Solche Regenereignisse scheinen immer häufiger zu werden“, sagt Luca Nisi, stellvertretender Leiter des SwissMeteo-Teams in Locarno.

Und es gibt noch weitere Gefahren. Fast ein Jahr nach dem Sturm im Maggiatal wurde das Schweizer Dorf Blatten zerstört, begraben unter Felsbrocken, die auf einen Gletscher fielen, der daraufhin zusammenbrach. Das Schmelzen des Permafrostbodens scheint das Ereignis ausgelöst zu haben, und in den letzten 10 Jahren lagen die Durchschnittstemperaturen in der Schweiz 2,9 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt. Solche Gefahren sind nicht auf die Alpen beschränkt: Letzte Woche wurden in den italienischen Dolomiten Hunderte von Menschen evakuiert, um Felsstürzen zu entkommen, die durch schmelzenden Permafrost verursacht wurden.

Während die Schweiz über die Zukunft ihrer Berggemeinden debattiert, hat ein Rückzug aus der Landschaft einen einfachen Reiz. Aber die Klimakrise ist ein komplexes Problem. Bei Campo Draione entstand eine Schlammlawine aus dem Wald, wo es keinen natürlichen Abflusskanal gab. An ihrem Ursprung stand eine Gruppe abgestorbener Bäume, die von einem parasitären Borkenkäfer getötet worden waren, der in den heisseren, trockeneren Sommern der letzten Jahre gedeiht. Ihre Wurzeln konnten den Boden nicht halten.

Wer wird die Folgen des Klimawandels überwachen? Die Bewohner der Berge können zwar überrascht werden, aber sie haben ein unerschütterliches Verständnis für ihr Territorium und die kleinen, aber folgenreichen Veränderungen, die dort stattfinden. Anstatt die Landschaft aufzugeben, ist es vielleicht an der Zeit, sich mehr denn je mit ihr auseinanderzusetzen.

Das Fussballturnier fand 2025 statt. Die Bar Grotto Pozzasc, die Foresti's Eltern gehört, ist geöffnet. Die Gemeinden erholen sich, aber sie sind verwundet.

„Ich fühle mich nicht sicher, wenn es Gewitter gibt“, sagt Giorgia. „Donner macht mir Angst.“ Diese Angst mag neu sein, aber sie ist nicht unnatürlich. So haben bis vor kurzem alle Menschen das Wetter erlebt. Nicht als Unannehmlichkeit in einer App – vorhergesagt, eingegrenzt –, sondern als Naturgewalt. Für einen kurzen Moment in der Geschichte hatten wir das Gefühl, das Wetter könnte gezähmt werden. Dabei haben wir es die ganze Zeit nur noch wilder gemacht.

Dies ist eine überarbeitete Version eines Artikels, der zuerst in Das Magazin veröffentlicht wurde.


05.08.2025 Am meisten Mikroplastik atmen wir im Auto und zu Hause ein

Für Forscher «besorgniserregend»: Unsichtbare Mikrofasern von Kunststoffen gelangen mit zugesetzten Chemikalien in die Lunge.

«Die tatsächliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bisher massiv unterschätzt», heisst es in der Studie des geowissenschaftlichen Umweltinstituts der Universität Toulouse, die das Fachmagazin «Plos One» am 30. Juli 2025 veröffentlichte. Gesundheitliche Folgen können sich nach Jahren bemerkbar machen: Die Forscher nennen Entzündungen, Zellschäden oder andere Gesundheitsprobleme.

Kunststoffe bestehen aus Polymeren, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Meistens werden ihnen Zusatzstoffe (Additive) zugesetzt.

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05.08.2025 Die Freedom Fleet wird diesen Monat auslaufen, um die Belagerung des Gazastreifens zu durchbrechen!

Dutzende Schiffe aus 44 Nationen werden diesen August in See stechen, mit dem Plan, die Belagerung des Gazastreifens zu beenden und der geplanten „totalen Besetzung“ Palästinas Widerstand zu leisten.

Guten Tag, ZuschauerIn,

Und ich habe ein spannendes Update für Sie, das erst in einigen Wochen in den Mainstream-Nachrichten auftaucht: Die lang erwartete, belagerungsbrechende „Armada“ sticht in wenigen Wochen in See Richtung Palästina. Es wird nicht mehr nur ein Schiff und eine Besatzung mutiger Aktivisten sein, sondern viele Schiffe mit Tausenden von Aktivisten.

Natürlich kann Israel ein Schiff abfangen. Vielleicht sogar ein paar. Aber Dutzende? Womöglich Hunderte? Dann bricht diese illegale Blockade zusammen. Und genau das passiert.

Ende dieses Monats werden die Globale Sumud-Flottille und die Koalition der Freiheitsflottille die grösste zivile maritime Herausforderung der Gaza-Belagerung in der Geschichte starten. Der Grund dafür ist, dass Netanjahus Kriegsmaschinerie zum ersten Mal tatsächlich ausmanövriert werden könnte. Und das ist grossartig.

Lassen Sie mich Sie informieren, damit Sie die Neuigkeiten verbreiten können.

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07.08.2025 Ölförderung in Italien: Die trüben Wasser der Basilikata

Zusammenfassung: In der süditalienischen Region Basilikata, Heimat des grössten Landölfelds Westeuropas, profitiert die Bevölkerung nur begrenzt von der Erdölförderung durch Konzerne wie Eni und Shell. Trotz Investitionen in Infrastruktur leiden Umwelt und Landwirtschaft unter gravierenden Folgen. Messungen der Umweltorganisation Cova Contro zeigen teils stark erhöhte Schadstoffwerte im Wasser, während Behörden selten eingreifen.

Der 2017 bekannt gewordene Umweltskandal „Petrolgate“, bei dem 400 Tonnen Rohöl austraten, führte zu Ermittlungen, jedoch bisher ohne abschliessendes Urteil. Landwirtschaft und Viehzucht kämpfen zusätzlich mit Wasserknappheit, maroder Infrastruktur und Dürreperioden, während Ölunternehmen grosse Mengen Grundwasser für ihre Prozesse entnehmen. Viele Bewohner misstrauen der Trinkwasserqualität, und Vieh erkrankt nach dem Konsum von belastetem Wasser.

Trotz der wirtschaftlichen Versprechen bleibt die Region arm, Umweltschäden werden vertuscht oder verharmlost, und lokale Aktivisten kämpfen weiter für Aufklärung und strengere Kontrollen.

Zum Artikel in der WOZ


07.08.2025 Brief aus Porto Alegre – Le Monde diplomatique, August 2025

Zusammenfassung: Der Autor berichtet von seinem Besuch in Porto Alegre, Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaats Rio Grande do Sul, das im Mai 2024 von einer schweren Jahrhundertflut heimgesucht wurde. Über 180 Menschen starben, viele wurden obdachlos, und grosse Teile der Stadt, darunter wichtige Infrastrukturen wie Fussgängerbrücken und Schutzdämme, wurden zerstört. Die regionale Politik mit neoliberalen und klimakritischen Mehrheiten hatte frühzeitige Warnungen ignoriert und Schutzmassnahmen vernachlässigt.

Trotz der Katastrophe und der Versäumnisse der Behörden zeigte sich eine breite Welle der Solidarität. Das kulturelle Zentrum Gasómetro wurde nach Renovation wiedereröffnet, allerdings steht es vor der Privatisierung. Die Stadt war einst Schauplatz des Weltsozialforums, das Anfang der 2000er Jahre als globaler Gegenpol zu neoliberalen Mächten galt und den Geist einer „anderen Welt“ verkörperte. Diese linke Aufbruchsstimmung ist heute deutlich abgeschwächt, die einstigen sozialen Bewegungen und Parteien sind geschwächt, und rechte Strömungen gewinnen an Einfluss.

Das Ufer des Guaíba-Sees zeigt die Folgen von Privatisierungen und Gentrifizierung, etwa mit dem neuen Pontal Shopping-Komplex. Trotz Kritik und Korruptionsvorwürfen wurde Bürgermeister Sebastião Melo im Herbst 2024 wiedergewählt. Lokale Politiker wie Matheus Gomes von der linksgerichteten PSOL kämpfen weiterhin für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, kritisieren aber das Versagen von Behörden und privaten Firmen wie dem Flughafenbetreiber Fraport, der nach der Flut wochenlang ausser Betrieb war.

Im ärmeren Stadtteil Sarandí, stark von der Flut betroffen, engagieren sich lokale Gruppen wie das Menschenrechtskollektiv „Coletivo Abrigo“ gegen die Folgen der Katastrophe. Viele Familien haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren und leben weiterhin in unsicheren Verhältnissen. Die Zunahme extremer Wetterereignisse wird mit der Klimakrise und der Abholzung im Amazonasgebiet in Verbindung gebracht.

Während das Agrargeschäft im Parlament grossen Einfluss hat und Umweltmassnahmen blockiert, zeigen Aktivisten und Helfer vor Ort, dass der Geist des sozialen Engagements und der Solidarität in Porto Alegre lebendig bleibt – ein Vermächtnis des früheren Weltsozialforums.

Zum Artikel auf Le Monde diplomatique


10.08.2025 Perspektiven | Über Bäume

Automatische Übersetzung des Artikels von The Humanities Library

17 der eindrucksvollsten Bäume in der Literatur

Die Geisteswissenschaftliche Bibliothek feiert ihr einjähriges Jubiläum, und ich dachte mir, ich würde diesen Anlass mit der Veröffentlichung meiner allerersten Artikelidee feiern.

Ich schob einen Kinderwagen unter einigen wunderschönen Eichen entlang und versuchte mich davon abzulenken, dass ER-NOCH-IMMER-NICHT-SCHLAFEN-WURDE, als mir die Idee kam, dass es schön wäre, eine Sammlung der schönsten Texte über Bäume zu besitzen, zusammen mit einigen der schönsten Gemälde von ihnen.

Ich würde es den Leuten schenken, dachte ich. Ich würde mehrere Exemplare kaufen und damit meine Geschenkideen für die nächsten zwölf Monate klären, dachte ich.

Wie auch immer, dies ist nicht das dicke, wunderschön gebundene Bildband, das ich mir vorgestellt hatte, aber es ist meine eigene kleine Annäherung daran. Ich hoffe, es gefällt Ihnen.

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Studie von Bäumen, Paul Cézanne, um 1904

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„Wenn wir niedergeschlagen sind und unser Leben nicht mehr ertragen können, dann hat ein Baum uns etwas zu sagen: Sei still! Sei still! Schau mich an! Das Leben ist nicht leicht, das Leben ist nicht schwer. Das sind kindische Gedanken ... Zuhause ist weder hier noch dort. Zuhause ist in dir, oder Zuhause ist nirgendwo.

Eine Sehnsucht nach Wanderschaft zerreißt mein Herz, wenn ich abends die Bäume im Wind rascheln höre. Wenn man ihnen lange Zeit schweigend lauscht, offenbart diese Sehnsucht ihren Kern, ihre Bedeutung. Es geht nicht so sehr darum, dem eigenen Leiden zu entfliehen, auch wenn es so scheinen mag. Es ist eine Sehnsucht nach Heimat, nach einer Erinnerung an die Mutter, nach neuen Metaphern für das Leben. Sie führt nach Hause. Jeder Weg führt nach Hause, jeder Schritt ist Geburt, jeder Schritt ist Tod, jedes Grab ist Mutter.

So raschelt der Baum am Abend, wenn wir unruhig vor unseren eigenen kindischen Gedanken stehen: Bäume haben lange Gedanken, lang atmend und ruhend, so wie sie ein längeres Leben haben als wir. Sie sind weiser als wir, solange wir ihnen nicht zuhören. Aber wenn wir gelernt haben, den Bäumen zuzuhören, dann erreichen die Kürze und Schnelligkeit und kindliche Hast unserer Gedanken eine unvergleichliche Freude. Wer gelernt hat, den Bäumen zuzuhören, will kein Baum mehr sein. Er will nichts anderes sein als das, was er ist. Das ist Heimat. Das ist Glück.“

— Hermann Hesse, Wandern: Notizen und Skizzen, 1920

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„Alle komplizierten Details / des Anziehens und / des Ausziehens sind erledigt! / Ein flüssiger Mond / bewegt sich sanft zwischen / den langen Zweigen. / Nachdem sie ihre Knospen / auf einen sicheren Winter vorbereitet haben, / stehen die weisen Bäume / schlafend in der Kälte.“

— William Carlos Williams, Winter Trees (1883 - 1963)

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Vier Bäume, Egon Schiele, 1917

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„Wenn ich unter Bäumen stehe, / besonders unter Weiden und der Robinie, / ebenso unter Buchen, Eichen und Kiefern, / strahlen sie eine solche Freude aus. / Ich würde fast sagen, dass sie mich retten, und zwar jeden Tag. / Ich bin so weit entfernt von der Hoffnung auf mich selbst, / in der ich Güte und Urteilsvermögen habe / und mich nie durch die Welt beeile, / sondern langsam gehe und mich oft verneige. Um mich herum rascheln die Bäume in ihren Blättern und rufen: „Bleib noch ein wenig.“ Das Licht fließt aus ihren Zweigen. Und sie rufen erneut: „Es ist ganz einfach“, sagen sie, „und auch du bist in die Welt gekommen, um dies zu tun, um es ruhig anzugehen, um von Licht erfüllt zu sein und zu strahlen.“

— Mary Oliver (1935-2019), Wenn ich unter den Bäumen bin

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„Dann ging er zu dem Kastanienbaum, dachte über den Zirkus nach und versuchte, während er urinierte, weiter über den Zirkus nachzudenken, aber er konnte die Erinnerung nicht mehr finden. Er zog seinen Kopf wie ein Küken zwischen die Schultern und blieb regungslos mit der Stirn an den Stamm des Kastanienbaums gelehnt stehen. Die Familie fand ihn erst am nächsten Tag um elf Uhr morgens, als Santa Sofia de la Piedad den Müll hinter dem Haus wegwerfen wollte und ihre Aufmerksamkeit von den herabfliegenden Geiern angezogen wurde.“

― Gabriel García Márquez, Hundert Jahre Einsamkeit, 1967

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„So war auch ich einst ein Birkenkletterer.
Und so träume ich davon, wieder einer zu sein.
Das ist, wenn ich der Überlegungen müde bin
Und das Leben zu sehr einem weglosen Wald gleicht
Wo dein Gesicht brennt und kitzelt von den Spinnweben
Die sich darüber gebrochen haben, und ein Auge weint
Weil ein Zweig es aufgeschlagen hat.
Ich möchte für eine Weile von der Erde weggehen
Und dann zurückkommen und von vorne beginnen.
Möge kein Schicksal mich absichtlich missverstehen
Und mir halb gewähren, was ich mir wünsche, und mich wegreißen
Um nicht zurückzukehren. Die Erde ist der richtige Ort für die Liebe:
Ich weiß nicht, wo es besser sein könnte.
Ich möchte auf eine Birke klettern
Und an schwarzen Ästen einen schneeweißen Stamm hinaufklettern
In Richtung Himmel, bis der Baum es nicht mehr aushält,
Sondern seine Spitze senkt und mich wieder absetzt.
Das wäre gut, sowohl beim Hinauf- als auch beim Herunterklettern.
Man könnte Schlimmeres tun, als ein Birkenkletterer zu sein.“

— Robert Frost (1874-1963), Auszug aus Birches

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„Die Erle ist mein Liebling, / ganz ohne Dornen in der Lücke, / etwas menschliche Güte / fließt in ihrem Saft.“

— Seamus Heaney (1939-2013), Sweeney Astray

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„Dieser Wunsch, in ein schwer fassbares Element einzutreten, der Cosimo in die Bäume getrieben hatte, wirkte nun immer noch unbefriedigt in ihm und ließ ihn sich nach einer innigeren Verbindung sehnen, nach einer Beziehung, die ihn mit jedem Blatt, jedem Zweig, jeder Feder und jedem Flattern verbinden würde.“

― Italo Calvino, Der Baron auf den Bäumen, 1957

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„Wir stehen außerhalb der Wissenschaft. Stattdessen stehen wir beispielsweise vor einem blühenden Baum – und der Baum steht vor uns. Der Baum steht uns gegenüber. Der Baum und wir begegnen einander, während der Baum dort steht und wir ihm gegenüberstehen. Da wir in dieser Beziehung zueinander und vor dem anderen stehen, sind der Baum und wir. Diese Begegnung von Angesicht zu Angesicht ist also keine dieser „Ideen“, die in unseren Köpfen herumschwirren.“

– Martin Heidegger, Was heißt denken? 1952

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„Ich war zornig auf den Freund
sagt' es ihm: mein Zorn verblich.
Ich war zornig auf den Feind
schwieg: mein Zorn vermehrte sich.

Nächtens, Morgens, furchtverseucht,
hielt ich ihn mit Tränen feucht,
sonnte ihn im Lächeln mein
und mischt' List und Trug darein.

Und er wuchs bei Tag und Nacht,
hat den Apfel mir erbracht,
bis mein Feind, verlockt vom Glanz
(wissend, erheöhrt mir ganz)

sich in meinen Garten stahl,
als verhüllt der Sterne Strahl:
Morgens seh ich, mit Vergnügen,
meinen Feind am Giftbaum liegen.

— William Blake (1757-1827), Der Giftbaum

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Baum II, Piet Mondrian, 1912

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„‚Hilf mir, Vater! Wenn deine Ströme göttliche Kräfte haben, verwandle mich, zerstöre diese Schönheit, die zu sehr gefällt!‘ Kaum hatte sie ihr Gebet beendet, da überkam eine schwere Taubheit ihre Glieder, dünne Rinde schloss sich über ihrer Brust, ihr Haar verwandelte sich in Blätter, ihre Arme in Äste, ihre Füße, die noch vor einem Augenblick so schnell waren, steckten fest in langsam wachsenden Wurzeln, ihr Gesicht verschwand im Blätterdach. Nur ihre strahlende Schönheit blieb zurück.

[…]

Selbst so liebte Phoebus sie, und als er seine Hand auf den Stamm legte, spürte er, wie ihr Herz unter der neuen Rinde noch immer pochte. Er umfasste die Äste, als wären sie Teile menschlicher Arme, und küsste das Holz. Aber selbst das Holz schreckte vor seinen Küssen zurück, und der Gott sprach: „Da du nicht meine Braut sein kannst, musst du mein Baum sein! Lorbeer, mit dir werde ich mein Haar schmücken, mit dir meine Leier, mit dir meinen Köcher. Du wirst mit den römischen Feldherren gehen, wenn freudige Stimmen ihren Triumph bejubeln und das Kapitol Zeuge ihrer langen Prozessionen wird. Du wirst vor den Türpfosten des Augustus stehen, ein treuer Wächter, und über die Eichenkrone zwischen ihnen wachen. Und so wie mein Kopf mit seinem ungeschnittenen Haar immer jung ist, so wirst auch du die Schönheit unsterblicher Blätter tragen.“ Paean hatte gesprochen: Der Lorbeer neigte seine neu gewachsenen Zweige und schien seine Blattkrone wie ein zustimmender Kopf zu schütteln.

— Ovid, Metamorphosen, 8 n. Chr.

***

„Hast du vergessen, von welcher Qual ich dich befreit habe?

[…]

Sie [Sycorax] sperrte dich ein,
mit Hilfe ihres mächtigen Dieners,
und in ihrer unerbittlichen Wut
in eine gespaltene Kiefer, in deren Spalte
du schmerzvoll gefangen blieb,
ein Dutzend Jahre lang, . . . ,
wo du deine Stöhnen ausstießest
so schnell wie Mühlräder schlagen.

[…]

Wenn du weiter murrst, werde ich eine Eiche zerreißen
Und dich in ihren knorrigen Eingeweiden festnageln, bis
Du zwölf Winter lang geheult hast.“

— William Shakespeare, Der Sturm, 1610-1611

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Bäume bei Nacht, Art Young, um 1920

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„Ich weiß, dass dort eine Esche steht, Yggdrasill ist ihr Name, ein hoher Baum, bedeckt mit glänzendem Lehm. Von dort kommt der Tau, der in die Täler fällt. Sie steht für immer grün über Urðrs Brunnen.“

— Völuspá, in Die poetische Edda, um 1270

***

„Baum, Baum / trocken und grün.

Das Mädchen mit dem hübschen Gesicht
pflückt Oliven.
Der Wind, der Playboy der Türme,
umarmt sie um die Taille.
Vier Reiter zogen vorbei
auf andalusischen Ponys,
in blauen und grünen Jacken
und großen, dunklen Umhängen.
„Komm nach Cordoba, muchacha.“
Das Mädchen hört nicht auf sie.
Drei junge Matadoren zogen vorbei,
schlank in der Taille,
mit Jacken in der Farbe von Orangen
und Schwertern aus altem Silber.
„Komm nach Sevilla, muchacha.“
Das Mädchen hört nicht auf sie.
Als der Nachmittag
sich in dunkelbraun verwandelte, mit verstreutem Licht,
zog ein junger Mann vorbei, bekleidet
mit Rosen und Myrte des Mondes.
„Komm nach Granada, muchacha.“
Und das Mädchen hört nicht auf ihn.
Das Mädchen mit dem hübschen Gesicht
pflückt weiter Oliven
mit dem grauen Arm des Windes
um ihre Taille.
Baum, Baum
trocken und grün.“

— Federico García Lorca (1898–1936), „Arbolé, Arbolé“

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Olivenbäume, Vincent van Gogh, 1889

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„Bäume, Felsen, Sand, sogar Schmutz und Insekten können sprechen. Das bedeutet nicht, wie manche Menschen glauben, dass sie Geister (phi) oder Götter (thewada) sind. Vielmehr werden wir, wenn wir in der Natur in der Nähe von Bäumen und Felsen leben, Gefühle und Gedanken entdecken, die wirklich außergewöhnlich sind. Zunächst verspüren wir ein Gefühl von Frieden und Ruhe (sangopyen), das schließlich über dieses Gefühl hinaus zu einer Transzendenz des Selbst führen kann. Das tiefe Gefühl der Ruhe, das uns die Natur durch die Trennung (wiwek) von den Sorgen und Ängsten, die uns im Alltag plagen, vermittelt, dient dem Schutz von Herz und Verstand. Tatsächlich führen die Lektionen, die uns die Natur erteilt, zu einer neuen Geburt jenseits des Leidens (qwam thuk), das aus der Anhaftung an das Selbst resultiert. Bäume und Felsen können also zu uns sprechen. Sie helfen uns zu verstehen, was es bedeutet, uns von der Hitze unserer Verwirrung, Verzweiflung, Angst und unseres Leidens abzukühlen.“

— Ajahn Buddhadāsa (1906-1993), Siang Takong Jak Thammachat, übersetzt von Donald Swearer

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„Zarrin-Tadzh saß auf einer der Wurzeln der Platane ... und bemerkte, dass hoch oben am Stamm Steine wuchsen. Während der Frühjahrsfluten muss der Fluss Bergsteine mitten ins Herz der Platane geschleudert haben, aber der Baum hatte diese riesigen Steine in seinen Körper aufgenommen, sie geduldig mit Rinde umgeben, sie zu etwas gemacht, mit dem er leben konnte, sie in sich selbst aufgenommen und weitergewachsen, wobei er demütig das, was ihn hätte zerstören sollen, mit seinem Wachstum emporhob.“

— Andrej Platonow, 1934, zitiert von Robert Chandler im Asymptote Journal

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Die Sitka-Fichte auf Campbell Island, der abgelegenste Baum der Welt

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„Kummer, verschwinde!
Das Leben und seine Übel,
Die Schulden und ihre Rechnungen,
Fordern wir zum Fliehen auf.
Komm mit dem Morgen,
Der blaue Teufel,
Verlass uns heute Nacht,
Beim alten Baum.“

— William Makepeace Thackeray (1811–1863), Auszug aus „The Mahogany Tree“

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„Ruhm. Nicht, dass ich ein Gott oder ein Held sein möchte. Nur um mich in einen Baum zu verwandeln, ewig zu wachsen und niemandem wehzutun.“

— Czesław Miłosz (1911–2004), Ruhm

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Winterwald, Anselm Kiefer, 2009


12.08.2025 Neues Dokument zeigt: Kunststoffindustrie wusste bereits 1974, dass Recycling die falsche Lösung war

Übersetzung des Artikels von Desmog (Hinweis: Dokumente und Bilder sind im Originaltext einsehbar)

Exklusive Erkenntnisse von DeSmog zeigen, dass sich die Industrie auf hohem Niveau darüber im Klaren ist, dass das Recycling von Kunststoff „nicht machbar“ ist, da Unternehmen mit Klagen wegen angeblicher öffentlicher Täuschungskampagnen konfrontiert sind.

Diese Arbeit wurde durch ein Stipendium des Fonds für investigativen Journalismus unterstützt

Während diese Woche in der Schweiz die Verhandlungen über internationale Verträge zur Lösung der wieder Plastikverschmutzungskrise aufgenommen werden, enthüllt ein neues Dokument, dass einer der weltweit größten Kunststoffproduzenten, DuPont, bereits 1974 einräumte, dass das Recycling seiner Kunststoffprodukte nicht möglich sei.

Diese neue Entdeckung erfolgt zudem vor dem Hintergrund zweier anhängiger Gerichtsverfahren, in denen behauptet wird, dass US-amerikanische Kunststoffhersteller die Öffentlichkeit seit den 1980er Jahren über die Machbarkeit des Recyclings getäuscht hätten.

Seit Jahrzehnten befürwortet die Kunststoffindustrie öffentlich Recycling als Strategie zur Bewältigung von Kunststoffabfällen. Doch das Dokument, ein Brief von Charles Brelsford McCoy, Präsident und Vorstandsvorsitzender von DuPont, aus dem Mai 1974, stellt den bislang ersten Beweis dafür dar, dass ein hochrangiger Brancheninsider zugibt, dass viele gängige Kunststoffprodukte aufgrund ihrer komplexen chemischen Struktur nicht recycelt werden können.

Der Brief enthält DuPonts Antwort auf eine Einladung, sich an einem Pilotprojekt zum Recycling anlässlich der Zweihundertjahrfeier der USA im Jahr 1976 zu beteiligen. DuPont lehnte ab. Der Grund: Das Recycling der Kunststoffprodukte von DuPont sei schlicht „ nicht machbar “.

Die von DeSmog gefundene Korrespondenz beweist, dass das Wissen der Kunststoffindustrie über die Grenzen des Recyclings bereits Anfang der 1970er Jahre auf höchster Ebene vorhanden war, nicht nur im Labor, sondern auch in der Führungsetage.

Die Entdeckung wirft auch ein neues Licht auf die jahrzehntelange Förderung des Recyclings durch die Kunststoffindustrie als praktikable Lösung für die globale Plastikmüllkrise.

Bevorstehender Vertrag zur Plastikverschmutzung

Am 1. Dezember 2024 hielt der Zwischenstaatliche Verhandlungsausschuss für Plastikverschmutzung im südkoreanischen Busan die letzte Verhandlungsrunde für ein globales Abkommen gegen Plastikverschmutzung ab. Doch eine Koalition fossiler Brennstoff produzierender Länder unter Führung Saudi-Arabiens, des Irans und Russlands blockierte den Fortschritt und plädierte für Lösungen auf Basis von Recycling und Abfallmanagement.

Nun findet vom 5. bis 14. August eine weitere Verhandlungssitzung im schweizerischen Genf statt.

Obwohl diese fossile Brennstoff produzierenden Länder Recycling als Lösung anbieten, ist das Verfahren für viele Kunststoffarten weder technisch noch wirtschaftlich rentabel. Untersuchungen zeigen, dass bisher nur ein kleiner Teil – weniger als 10 Prozent – des gesamten jemals produzierten Kunststoffs tatsächlich recycelt wurde und lediglich 1 Prozent zweimal.

Manche bezeichnen die Genfer Tagung nächste Woche als ein Treffen der „letzten Chance“ , da die Plastikverschmutzung als große Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Planet gilt. Plastik wird überwiegend aus fossilen Brennstoffen hergestellt, schadet dem Klima, der Artenvielfalt und den Ökosystemen der Ozeane und ist zudem gesundheitsschädlich. Mikropartikel und Chemikalien aus Plastik wurden überall auf der Welt gefunden – vom Marianengraben bis zum Mount Everest – sowie im menschlichen Körper – vom Gehirn bis zur Muttermilch.

„Diese Branchen sind eng miteinander verknüpft“, sagte Patrick Boyle, leitender Anwalt am Center for International Environmental Law (CIEL), gegenüber DeSmog. „Kunststoffe sind Öl und Gas. Die Grundbausteine von Kunststoffen werden aus Öl, Gas und Kohle gewonnen. Sie sind Petrochemikalien … und fossile Brennstoffe bilden ihren Kern.“

US-amerikanische und europäische Petrochemieunternehmen, vertreten durch den International Council of Chemical Associations rechtlich bindende Beschränkungen der Plastikproduktion aus dem endgültigen Vertragstext zu streichen. Sie plädierten außerdem für als Recycling (ICCA), schlossen sich der Forderung an , Lösung der Krise und setzten sich gegen gesetzlich durchsetzbare Beschränkungen ein.

DuPont, BP, Chevron, Dow, ExxonMobil, Phillips, Shell und TotalEnergies, die zusammen jährlich Milliarden von Dollar mit dem Verkauf und der Verarbeitung von Nebenprodukten fossiler Brennstoffe zur Herstellung neuer Kunststoffe verdienen, sind Mitglieder mehrerer Lobbygruppen, die sich gegen Beschränkungen der Kunststoffproduktion einsetzen. Zu diesen Lobbygruppen gehören der American Chemistry Council und der European Chemistry Industry Council , die wiederum die ICCA bilden. gemeinsam mit 65 anderen Chemieverbänden aus aller Welt

„Es gibt einen besseren Weg, der Umweltverschmutzung ein Ende zu setzen“, sagte ICCA-Sekretär Chris Jahn nach dem Scheitern der Gespräche im vergangenen Dezember. Jahn, der auch Präsident und CEO des American Chemistry Council ist , gab im Namen der von der Industrie unterstützten Global Partners for Plastics Circularity eine Erklärung ab , in der er auf die Verhängung von Beschränkungen für die Kunststoffversorgung verzichtete und sich für ehrgeizigere nationale Recyclingpläne anstelle gesetzlich bindender Produktionsbeschränkungen aussprach.

Trotz des brancheninternen Bewusstseins für die technischen und wirtschaftlichen Hindernisse, die dem Recycling im großen Maßstab im Wege stehen, haben die großen Ölkonzerne und die Kunststoffindustrie das Recycling seit fast vier Jahrzehnten irreführend als Lösung für die Plastikverschmutzung angepriesen , um gesetzliche Produktionsbeschränkungen oder völlige Verbote zu umgehen. Dies geht aus jüngsten Berichten von CIEL , NPR / PBS Frontline und dem Center for Climate Integrity (CCI) hervor.

Davis Allen, Hauptautor des im Februar 2024 veröffentlichten CCI-Berichts „ The Fraud of Plastic Recycling“ , erklärte gegenüber DeSmog, der neu entdeckte Brief von DuPont sei „ein weiterer Beweis dafür, dass die Kunststoffindustrie die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten aktiv über die Recyclingfähigkeit von Kunststoffen täuscht“, obwohl sie um die inhärenten Grenzen des Recyclings weiß.

„Das Dokument ist bemerkenswert“, sagte Allen, „weil es die einzigartige Herausforderung des Kunststoffrecyclings klar und deutlich bewertet und weil sich in den letzten 50 Jahren tatsächlich wenig geändert hat.“

Boyle von CIEL stimmt dem zu. „Es ist bestärkend“, aber auch „verrückt machend“, jemanden „in so hoher Position im Unternehmen etwas sagen zu sehen, was wir schon seit Jahren sagen – dass Plastikrecycling nicht funktioniert“, sagte er gegenüber DeSmog.

„ Nicht machbar “: Ein Blick in den Brief

Im April 1974 erhielt Charles Brelsford McCoy, der damalige Vorsitzende des einflussreichen Finanzausschusses von DuPont, einen Brief von der Great America Foundation mit dem Vorschlag, DuPont solle sich an einer Recycling-Aktion beteiligen, die im Rahmen der bevorstehenden Feierlichkeiten der Stiftung unter dem Motto „Lasst uns Amerika schön machen für unsere große Zweihundertjahrfeier Amerikas“ stattfinden sollte, wie DeSmog herausfand.

„Unser Programm ist nicht darauf ausgelegt, die Straßenränder öffentlicher Bereiche zu reinigen“, schrieb der Vizepräsident der Great America Foundation. „Es soll vielmehr verhindern, dass Getränke- und andere Lebensmittelbehälter überhaupt erst dorthin gelangen.“

Obwohl die Eisen-, Stahl- und Aluminiumindustrie teilnahm, lehnte McCoy die Einladung ab.

„Du Pont liefert Beschichtungen, Auskleidungen und Rohstoffe an Behälterhersteller“, erklärte er. „Bis ein Behälter auf den Markt kommt, sind die von uns gelieferten Komponenten bereits mit anderen vermischt, sodass wir sie nicht mehr recyceln können. Daher halten wir eine Teilnahme von Du Pont an Ihrem Programm für nicht machbar.“

Die Korrespondenz, die in den DuPont-Archiven in der Hagley Library in Wilmington, Delaware, aufbewahrt wird, einst der Standort des 19. th Jahrhundert, ergänzt die bisherigen Erkenntnisse, die das frühe Wissen der Kunststoffindustrie darüber offenbaren, dass die Mischung synthetischer Polymere und Zusatzstoffe bei der Kunststoffproduktion ein Recycling praktisch unmöglich machte.

werden aus fossilen Brennstoffen hergestellt 98 Prozent des weltweiten Kunststoffs. Jede Kunststoffart hat eine eigene chemische Zusammensetzung, die ein gemeinsames Recycling verschiedener Kunststoffarten verhindert. Nur für wenige recycelte Kunststoffe wie Polyethylenterephthalat (PET)-Flaschen gibt es potenzielle Märkte. Die Kosten für das Sortieren und Trennen von Kunststoffen, die Zugabe chemischer Zusätze und Farbstoffe sowie Verunreinigungen während des Recyclingprozesses schränken die Recyclingfähigkeit zusätzlich ein. Kunststoff zersetzt sich beim Recycling außerdem und setzt giftige Substanzen frei, die ihn für viele Wiederverwendungszwecke, beispielsweise für Lebensmittelverpackungen, ungeeignet machen.

„Im besten Fall sind es ein oder zwei Recyclingzyklen, bevor der ursprüngliche Kunststoff nicht mehr zu einem brauchbaren Produkt recycelt werden kann“, sagte Boyle. „Das ist kein Recycling auf lange Sicht, das ist keine Kreislaufwirtschaft. Das ist eine Sackgasse auf dem Weg zum Abfall.“

Auf die Bitte um einen Kommentar zu McCoys Brief bestätigte DuPont-Sprecher Dan Turner, dass McCoy leitender Angestellter bei EI DuPont de Nemours & Company war. Er sagte: „Es gibt einen klaren Unterschied zwischen DuPont de Nemours und dem ehemaligen Unternehmen EI du Pont de Nemours. Daher können wir uns nicht dazu äußern, was Herr McCoy in seiner Funktion bei EI DuPont de Nemours vor über 50 Jahren gesagt haben soll.“

Turner machte keine Angaben zu den Unterschieden zwischen dem alten und dem modernen DuPont-Unternehmen. Nach der Fusion mit Dow im Jahr 2015 gab DuPont jedoch die Kontrolle über die gemeinsame Kunststoffsparte der beiden Unternehmen an Dow ab, als sich die beiden Unternehmen 2019 aufspalteten. Im Jahr 2022 verkaufte DuPont dann sein Geschäft mit technischen Kunststoffen. Dem Unternehmen gehören weiterhin Kunststoffhersteller wie Donatelle Plastics Inc., ein Hersteller medizinischer Geräte, den DuPont 2024 übernahm.

Historisch gesehen war DuPont einer der weltweit größten Kunststoffproduzenten und ein Marktanalysebericht aus dem Jahr 2023 bezeichnete das Unternehmen als eines der „ führenden Unternehmen auf dem Kunststoffmarkt“. auf Grundlage von zwischen 2018 und 2023 erhobenen Daten

Plastik hat Entsorgungsprobleme

Auf der ersten nationalen Konferenz zum Thema Verpackungsabfälle in den USA im Jahr 1969 bezeichnete ein Vertreter der Dow Chemical Company es als „ironisch“, dass die Molekularstruktur, die Kunststoffe leicht, haltbar und beliebt mache, auch die „ Entsorgungsprobleme “ mit sich bringe. Andere Teilnehmer der Konferenz, an der auch Vertreter von DuPont, Mobil, Chevron und Amoco (heute BP) teilnahmen, erklärten, dass „der Erfolg der Verpackungshersteller bei der Kombination unterschiedlicher Materialien dazu geführt hat, dass Verpackungsmaterialien praktisch nicht mehr verwertbar sind.“ nach Gebrauch

Aufgrund dieser Herausforderungen, die mit dem Recyclingprozess verbunden sind, ist die Herstellung von neuem Kunststoff aus frisch gefördertem Rohöl, Erdgas oder Kohle viel günstiger als der Kauf von recyceltem Kunststoff.

„Im besten Fall, von dem Sie sprechen, gibt es ein oder zwei Recyclingzyklen, bevor der ursprüngliche Kunststoff nicht mehr zu einem brauchbaren Produkt recycelt werden kann … das ist keine Kreislaufwirtschaft. Das ist eine Sackgasse auf dem Weg zum Abfall.“

Patrick Boyle, leitender Anwalt, Zentrum für internationales Umweltrecht

Als DuPont und andere Kunststoffhersteller in den 1980er Jahren schließlich dazu übergingen, das Recycling von Kunststoffen zu fördern, „war dies nicht auf einen technischen Durchbruch zurückzuführen, der das Problem gelöst hätte“, erklärt Allen. „Es wurde einfach immer deutlicher, dass bestimmte Kunststoffprodukte wahrscheinlich verboten würden, wenn es der Kunststoffindustrie nicht gelänge, Recycling als praktikable Lösung zu präsentieren.“

Ein Verbot von Kunststoffen würde die Gewinnmargen der fossilen Brennstoffunternehmen und der Kunststoffproduzenten erheblich einschränken.

Als Reaktion auf die wachsende öffentliche Kritik an Plastikmüll und die damit verbundenen Strafgesetze begann die US-Kunststoffindustrie, Recycling aggressiv als Lösung zu propagieren, obwohl sich dies in großem Maßstab nicht bewährt hatte. Laut dem CCI-Bericht gaben die größten Hersteller, darunter DuPont, ExxonMobil und Dow, Millionen von Dollar für PR-Maßnahmen aus, um den „Mythos Plastikrecycling“ zu verbreiten, obwohl sie um dessen praktische Grenzen wussten.

Im Jahr 1988 erklärte Wayne Pearson, langjähriger Marketingdirektor von DuPont und Geschäftsführer der Plastics Recycling Foundation (einer Industriegruppe, zu deren Mitgliedern DuPont und ExxonChemical gehörten), der New York Times: „Zweifellos ist die Gesetzgebung der wichtigste Grund, warum wir uns mit Recycling beschäftigen.“

Im selben Jahr führte die Branche im Rahmen einer Kampagne, die Verbraucher von der Wirksamkeit des Kunststoffrecyclings überzeugen sollte, ein Kennzeichnungssystem ein, bei dem Kunststoffe nach Harzart gruppiert und mit einer Nummer versehen wurden, die von einem Dreieck aus sich verfolgenden Pfeilen umgeben war. Laut dem Bericht „The Fraud of Plastic Recycling“ tat sie dies trotz interner Warnungen, dass diese Bemühungen „nur von begrenzter Praktikabilität“ seien.

„Das Recycling kann nicht ewig weitergehen und löst das Problem der festen Abfälle nicht“, räumte Roy Gottesman, der Gründer der Kunststoffindustriegruppe Vinyl Institute, 1989 ein.

Neue Klagen gegen große Kunststoffhersteller

Beweise für die Täuschungen der Kunststoffindustrie in Sachen Recycling haben kürzlich zu zwei Klagen gegen Kunststoffhersteller geführt. Im September 2024 reichte der Bundesstaat Kalifornien Klage gegen ExxonMobil ein, da das Unternehmen angeblich eine „jahrzehntelange Betrugs- und Täuschungskampagne hinsichtlich der Recyclingfähigkeit von Kunststoffen“ geführt habe. Im Dezember 2024 wurde in Missouri eine Sammelklage gegen DuPont, ExxonMobil, Chevron, Dow Chemical und den American Chemistry Council eingereicht. Ziel ist es, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, die diesen Unternehmen verbietet, ihre Produkte als recycelbar zu bewerben, heißt es in Gerichtsunterlagen.

„Die fossilen Brennstoff- und Petrochemieunternehmen wollen uns glauben machen, Recycling sei die Lösung“, sagte der kalifornische Generalstaatsanwalt Rob Bonta, der die Klage in Kalifornien eingereicht hatte. Auf einem Symposium der New York University zum Thema Kunststoffe und menschliche Gesundheit im September letzten Jahres sprach Bonta vom „Mythos“ Recycling. „Es ist eine Farce, eine Lüge, ein Betrug“, sagte er.

„Auch wenn man Ihnen etwas anderes weismachen will, gibt es kein Plastikrecycling im großen Maßstab. Nur fünf Prozent des Plastikmülls in den USA werden tatsächlich recycelt. 95 Prozent landen in unserer Umwelt, in unseren geliebten Meeren und Flüssen, werden auf Mülldeponien entsorgt oder verbrannt. Es wird nicht recycelt“, fügte Bonta hinzu.

Der Fall Rodriguez et al. gegen Exxon Mobil Corporation et al. in Missouri ist noch anhängig .

Am 6. Januar reichte ExxonMobil eine Verleumdungsklage gegen Bonta und mehrere Umweltgruppen, darunter den Sierra Club , wegen Aussagen zu den Recyclingkapazitäten von ExxonMobil ein.

ExxonMobil ist der weltweit größte Hersteller von Kunststoffpolymeren, die zur Herstellung von Einwegkunststoffen verwendet werden.

ExxonMobil war bei den Verhandlungen zum internationalen Plastikabkommen mit 14 Delegierten auch einer der am stärksten vertretenen fossilen Brennstoffkonzerne. Dies geht aus Analysen von CIEL und Greenpeace, unterstützt von DuPont und Dow, 22 Delegierte zu den Verhandlungen entsandte. Insgesamt nahmen 220 Lobbyisten der fossilen Brennstoff- und Chemieindustrie an der letzten Verhandlungsrunde in hervor. Dieselbe Analyse zeigt, dass der American Chemistry Council Busan teil, die zu keiner Einigung führte.

„Die Gefahr liegt in der Verzögerung“, sagte Rachel Radvany, Umweltaktivistin des CIEL, die den Verhandlungen in Genf beiwohnen wird, gegenüber DeSmog. „Wir beobachten, dass bei jeder Verhandlungsrunde immer mehr Plastiklobbyisten auftauchen. Ihr oberstes Ziel ist es, echte Lösungen zu verhindern, weil dies ihre Gewinnmargen beeinträchtigt.“

Laut Radvany schadet jede Verzögerung der Verhandlungen den Menschen. „Alle Phasen des Kunststofflebenszyklus bergen ernsthafte Schäden für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Klima und die Artenvielfalt“, sagte sie. „Die Lobby verzögert die Dinge bei jeder Gelegenheit, und jede Verzögerung bedeutet, dass mehr Menschen durch Kunststoffe betroffen und geschädigt werden.“

Insgesamt handelt es sich bei den sieben weltweit größten Kunststoffherstellern um Unternehmen, die auf fossile Brennstoffe setzen. Sie sehen in der Kunststoffproduktion zunehmend eine äußerst profitable Einnahmequelle, und das zu einer Zeit, in der sich der Energie- und Transportsektor von fossilen Brennstoffen abwendet.

Die jüngsten Ausgaben der Öl- und Industrieindustrie für Anlagen zur Herstellung neuer Kunststoffe werden auf rund 400 Milliarden US-Dollar geschätzt .

Doch die Produktion von Plastik trägt auch erheblich zum Klimawandel bei. Laut dem Weltwirtschaftsforum werden allein bei der Herstellung von vier Plastikflaschen so viele Treibhausgase freigesetzt wie bei einer Autofahrt von einer Meile.

Ein Sprecher von DuPont sagte gegenüber DeSmog, dass das Unternehmen „keine Kommentare zu anhängigen Rechtsstreitigkeiten“ abgebe.

ICCA, ExxonMobil, Chevron, Dow und der American Chemistry Council reagierten nicht auf Anfragen von DeSmog um einen Kommentar.

„Um die Plastikkrise zu lösen, müssen wir einen Schritt zurücktreten und uns auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt konzentrieren und dies als Leitfaden für unsere Lösungen nutzen“, sagte Radvany. „Wenn man sich also auf Recycling konzentriert, ohne sowohl die toxischen Auswirkungen im Vorfeld als auch die Klimaauswirkungen zu berücksichtigen, wird man nie zu einer echten Lösung kommen.“


14.08.2025 Schweiz im Klimaranking immer schlechter

Die Schweiz rutscht im internationalen Klimaranking immer weiter nach unten. Sie hat 2025 zwölf Plätze eingebüsst und ist auf Rang 33 abgerutscht. Expert:innen fordern endlich die für eine Klimawende notwendigen Investitionen. Das könnte mit der Klimafonds-Initiative, die 2026 an die Urne kommt, umgesetzt werden.

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14.08.2025 Klimafondsinitiative der SP: Abstimmung 2026

Während die Klimakrise immer spürbarer wird, setzt SVP-Bundesrat Albert Rösti auf fossile Energien und Atomkraft. Das führt dazu, dass die Schweiz im internationalen Klimaranking mittlerweile auf Rang 33 abgestürzt ist – hinter Ländern wie Slowenien, Pakistan oder Rumänien. Während die Schweiz früher zu den klimapolitisch ambitionierten Ländern gehörte, dominiert nun Rückschritt und Mutlosigkeit. In unserem «direkt»-Magazin lesen Sie, wie es dazu gekommen ist und wie unsere Klimafonds-Initiative (Abstimmungstermin im nächsten Jahr!) das ändern kann.

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16.08.2025 «Blackout stoppen»-Initiative: Gefährlicher Atom-Kurs von Rösti

Der Bundesrat hat einen Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative verabschiedet. Dies, obschon die Schweizer Stimmbevölkerung 2017 an der Urne den Atomausstieg festgeschrieben hat. Warum dieser Entscheid von SVP-Energieminister Albert Rösti gefährlich ist.

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17.08.2025 Weitere Hochmoore gingen in der Schweiz verloren

Diesen Sommer wurden zwei bedeutende Studien zum Zustand der Natur in der Schweiz veröffentlich. Grosse Medien informierten nicht.

Red. Der Autor ist Biologe mit Fachschwerpunkt Ökologie. Ein Gastbeitrag.

In 1.-August-Reden wird von der Schönheit unseres Landes mit ihrer vielfältigen Natur geschwärmt.  Auf Werbeprospekten werden Schweizer Naturschätze ins beste Licht gerückt. Doch wie geht es unserer Natur wirklich? 

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17.08.2025 Die Plastik-Anstalt

Geht es bei der Müllverwertung um Umwelt oder dominieren politische und wirtschaftliche Interessen?

Stefanie Sargnagel, Horst Evers, Bodo Wartke, Max Uthoff und Claus von Wagner sortieren die Fakten.

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17.08.2025 Klimalage: Die Erde ist erneut so heiß wie nie zuvor, da der CO2-Gehalt weiter steigt und die Gletscher schwinden

Übersetzung des Artikels von Juan Cole:

Ann Arbor (Informierter Kommentar) – Die American Meteorological Society hat ihren jährlichen Klimabericht veröffentlicht. Dieser fasst die Veränderungen im Jahr 2024 zusammen, nachdem nun alle Daten vorliegen. Er zeichnet ein alarmierendes Bild, insbesondere zu einem Zeitpunkt, an dem die großen Ölkonzerne über ihre republikanischen Marionetten die US-Regierung übernommen haben und all unsere Bemühungen zur Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen und zur Umstellung auf grüne Energien untergraben. Kohlendioxid ist ein gefährliches Treibhausgas, das die Wärme der Sonne daran hindert, ins All zurückzustrahlen, und wirkt, als würde jemand Atombomben in der Atmosphäre zünden. Die Leute denken nicht daran, Benzin in ihren Autos zu verbrennen oder Kohle und fossiles Gas zum Heizen oder zur Stromerzeugung zu verwenden, würden aber ausflippen, wenn täglich jemand Atombomben am Himmel über ihren Häusern zünden würde. Aber es läuft auf dasselbe hinaus.

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23.08.2025 Das globale Abfallproblem müsste die Köpfe zum Rotieren bringen

Schäden mit besorgniserregendem Potenzial treten meist allmählich auf und führen selten zu Schlagzeilen. Es müsste aber öfter sein.

Marcos Buser ist Geologe, Abfallspezialist und Mitglied der Stiftung 5RSt-Ursanne für Kreislaufwirtschaft. Ein Gastbeitrag.

Ein Ranking der Abfall-«Sünder» lenkt vom tatsächlichen Problem ab

Um neue Atomkraftwerke wieder akzeptabel zu machen, verglich Walter Rüegg in der NZZ die radioaktiven Abfälle mit anderen Abfällen und titelte «Vorteil Radioaktivität». Er wies beispielsweise darauf hin, wie gefährlich und toxisch der Kupferabbau aus Bergwerken sei. Tatsächlich gibt es viele andere Abfallarten als Radioaktivität, welche für die Umwelt und die Menschheit langfristig gefährlich sind.

In seinem Vergleich hätte Rüegg das Schwermetall Blei mit einbeziehen können, das in modernen Kernreaktoren der vierten Generation als Kühlmittel eingesetzt wird oder werden soll. Dann sähe die Bilanz anders aus. 

Doch der Ansatz des promovierten Kernphysikers Walter Rüegg in der NZZ wird den wirklichen Problemen unserer Zivilisationsabfälle nicht gerecht. 

Angesichts der katastrophalen Situation in Sachen Abfallflut braucht es weder ein Ranking der «sündhaften» Schadstoffe noch einen Wettbewerb in technologischer Überlegenheit. Denn was giftiger oder schlechter sei, ist angesichts der Abfall-Sintflut zweitrangig. 

Viel wichtiger ist es heute, die grossen Zusammenhänge der Abfallproblematik besser zu erkennen und zu verstehen. Nur mit diesen Erkenntnissen können wir der Vergiftung unserer Welt durch Zivilisationsabfälle Einhalt gebieten und nach langfristigen Lösungen Ausschau halten.

Es geht um folgende drei Problemkreise: [...]

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20.08.2025 Lithium, ja bitte – Recycling nein danke?

Altbatterien sind eine wichtige Rohstoffquelle. Recycelt werden europäische Abfälle aber in Asien – in Form von «Schwarzer Masse».

Lithium ist einer der momentan gefragtesten Rohstoffe. Für die Energiewende ist das Halbmetall unverzichtbar, weil es Bestandteil von Akkus und Batterien ist – von Haushaltsbatterien genauso wie von Handyakkus, Stromspeicher und Elektro-Autos.

Gewonnen wird das Alkalimetall vor allem in Südamerika, unter umweltschädlichen Bedingungen. Europa bemüht sich, Vorkommen nutzbar zu machen. Das wertvolle Metall wiederzuverwerten, wäre erstrebenswert.

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31.08.2025 Exposing Why Farmers Can't Legally Replant Their Own Seeds

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This is the history of Monsanto’s herbicides…

0:00 An Unusual Enemy

5:18 Monsanto’s Secret Poison Problem

11:17 Vietnam and Agent Orange

14:08 Roundup

19:31 How Monsanto controls seeds

26:06 The Crop Mafia

31:10 The Monsanto Papers

41:18 How dangerous is Roundup really?


10.09.2025 We Went to the Town Elon Musk Is Poisoning

Elon Musk’s massive xAI data center is poisoning Memphis. It's burning enough gas to power a small city, with no permits and no pollution controls. Residents tell us they can’t breathe and they’re getting sicker. ----- More Perfect Union’s mission is to build power for working people. Here’s what that means: We report on the real struggles and challenges of the working class from a working-class perspective, and we attempt to connect those problems to potential solutions. We report on the abuses and wrongdoing of corporate power, and we seek to hold accountable the ultra-rich who have too much power over America’s political and economic systems.

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13.09.2025 Die Schweiz rüstet ab im Kampf gegen Umweltchemikalien

Das BAG steigt aus einer Langzeitstudie aus, das Parlament verwirft kurz darauf harte Massnahmen gegen PFAS. Und die EU schwächelt.

Kein Mensch lebt heute ohne Umweltchemikalien im Körper. Manche wirken erst nach Jahrzehnten oder gar in der nächsten Generation. Trotzdem hat das Bundesamt für Gesundheit eine lange geplante Langzeitstudie gestoppt – und die Politik vertagt strengere Regeln für PFAS. Der Schutz von Gesundheit und Umwelt wird weiter aufgeschoben. Dabei ist längst deutlich, dass die Belastung mit giftigen Chemikalien ein dringendes und weitreichendes Problem ist.

Die geplante Untersuchung hätte hunderttausend Probanden über 20 Jahre begleitet, Umweltgifte und Gesundheitszustand regelmässig erfasst und so wertvolle Daten über die Wirkung von Umweltchemikalien geliefert. Kostenpunkt: zehn bis zwölf Millionen Franken im Jahr. Das BAG sagte sie Anfang September aus Spargründen ab. Damit fällt eine zentrale Möglichkeit weg, Gefahren durch Umweltchemikalien frühzeitig zu erkennen – besonders da Schäden oft erst nach Jahrzehnten oder sogar in der nächsten Generation sichtbar werden.

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03.10.2025 «SVP und Bauernverband kastrieren ihre eigenen Söhne»

Der Testosteronspiegel der Männer nimmt ab. Die Zahl der Spermien geht zurück. Das dokumentiert Arzt und Neurologe Lukas Fierz.

Seit rund fünfzig Jahren ist die Zahl der Spermien bei jungen Männern vor allem in Industriestaaten um ein bis zwei Prozent pro Jahr auf etwa die Hälfte zurückgegangen – auch in der Schweiz.

Die Auswirkungen seien funktionell mit dem Entfernen eines Hodens vergleichbar, schreibt Lukas Fierz in seinem soeben erschienenen Buch «Testosteronkollaps – Ursachen, Folgen, Schutz»*.

Gleichzeitig schwindet auch der Testosteronspiegel junger Männer und noch mehr der älteren – mit erheblichen Folgen.

Verursacher sind nach Fierz und vielen Studien im Wesentlichen Umweltchemikalien mit toxischer und hormoneller Wirkung – in erster Linie die hormonaktiven Pestizide und Weichmacher in Kunststoffen. Sie können das Hormonsystem von Menschen beeinflussen und stören und werden daher als endokrine Disruptoren bezeichnet.

Wie meistens sind gesundheitsschädigende Wirkungen zuerst bei Personen bemerkbar, die den Schadstoffen berufsbedingt stärker ausgesetzt sind als die Allgemeinbevölkerung. Eine Studie an Schweizer Rekruten, welche die Fachzeitschrift «Human Reproduction» bereits im Jahr 2021 veröffentlichte – kurz vor der Abstimmung über die Pestizid- und Trinkwasserinitiativen –, fand den deutlichsten Zusammenhang mit schlechter Spermienqualität bei Bauernsöhnen, deren Mütter während der Schwangerschaft Pestiziden ausgesetzt waren.

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Ohne Transparenz gibt es kein Vertrauen

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"Die Verpflichtung zum Widerstand beginnt dort, wo man erstens das Verbrechen und den Katastrophenweg erkennt, und zweitens die Möglichkeit hat, etwas dagegen zu tun" (Kurt Sendtner)

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Reden und diskutieren wir mit Andersdenkenden - Setzen wir uns für unsere Anliegen ein - Demonstrieren wir - Seien wir Ungehorsam - Handeln wir friedlich.